Beginnende Krankheitseinsicht

anna54
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Re: Beginnende Krankheitseinsicht

Beitrag von anna54 »

Hallo zusammen
liebe Camille,mach dir nicht zu viele Sorgen um deine Diagnose,auch da lügt die Depression,manche Symptome kommen einer Psychose nah,aber sie streifen sie nur.

Symptome,immer wieder anders zu verstehen,einzuordnen,anzugehen,das kommt oft erst im Nachgang,in einer ruhigen und gefassten Zeit.
Dann helfen diese Erkenntnisse,bei der Ankündigung einer Krise schneller und auch ruhiger,ohne so viele Ängste zu reagieren.
Angst frisst die Seele.
Entlastung ist notwendig,immer und in der Krise um so mehr,ich habe oft erst in der Entlastung die Belastung fühlen können,einordnen können.
Während der Krise gab es nur das Durchhalten.
Dieses ewige Durchhalten,durchhalten müsssen führt dann zu Situationen,dass man sich eine umsorgende Entlastung ersehnt,sogar im um den Preis eines Krankenhausaufenthaltes,ein Urlaubsort wäre angemessen!
Sich selbst die Anerkennung zu geben,für das,was wir leisten,das ist ein gutes Weg und erst recht,wenn wir uns hier austauschen.
Mal wieder ein Danke an die Moderation,die uns das Forum ermöglicht!
anna54
Peter1
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Re: Beginnende Krankheitseinsicht

Beitrag von Peter1 »

Hallo Anna
Meine Therapeutin sagte in der ersten Sitzung zu mir, das wir mit der eigentlichen Therapie noch etwas warten sollten, sie wollte mir zuerst die Selbstsicht verändern, damit ich in der Therapie überhaupt mit arbeiten kann. Innerhalb von 5 oder 6 Sitzungen hatte sie mein Selnst vertrauen, meine Selbst Achtung so weit aufgebaut, wie ich es vorher nie hatte. Ich denke in einer Krise jetzt nicht mehr daran, wie mies es mir geht, sondern daran, das es mir vor einem Jahr wesentlich schlechter ging. Das schützt mich davor, zu tief ab zu rutschen, und dadurch leichter aus der Krise heraus zu kommen. Zur Zeit klappt das ganz gut, abwarten, wie es in einem Jahr aussieht.

Ich wünsche euch einen schönen „sonnigen Tag“ Peter
Ich wollte nie erwachsen sein, hab immer mich zur Wehr gesetzt. Von außen wurd ich hart wie Stein, und doch hat man mich oft verletzt (Nessaja P. Maffay=
Gertrud Star
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Re: Beginnende Krankheitseinsicht

Beitrag von Gertrud Star »

Dieses ewige Durchhalten,durchhalten müsssen führt dann zu Situationen,dass man sich eine umsorgende Entlastung ersehnt,sogar im um den Preis eines Krankenhausaufenthaltes,ein Urlaubsort wäre angemessen!
Liebe Anna,
Das denke ich auch sehr oft. Ich war so gut wie nie im Urlaub.
Abstand von den Pflichten und Sorgen, dabei habe ich schon fast keine, von einigen realen Sorgen mal abgesehen.

Liebe Camille,
dir alles Liebe. Die Erschöpfung und co gaukeln dir so einiges vor.
Momentan bist du in einer nicht ganz einfachen Situation. Das wird irgendwann wieder etwas leichter. Peters Worte von der Selbstachtung finde ich angebracht.

LG Gertrud
Peter1
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Re: Beginnende Krankheitseinsicht

Beitrag von Peter1 »

Hallo DieNeue
Meine Thera sagt öfter, das ich immer wieder die Denkmuster üben sollte, die sie sich für mich ausgedacht hat. Dazu gehört auch, das ich das Wort muss, müsste, müssen aus meinem Wortschatz entferne. Das setzt ein permanentes arbeiten an mir selbst voraus, das mich sehr viel Kraft kostet. Das Wort muss bedeutet immer Zwang, Druck, Stress, der für uns sehr ungesund ist.
Hast du mal gezählt, wie oft das Wort muss in deinem Beitrag vom 07.08- vorkommt? Genau 18 mal. Ich weiß nicht, was ihr in euren Therapien lernt, aber mir wurde gesagt, das ich meinen Tagesablauf so strukturieren soll, das so wenig Druck wie möglich entsteht. Darum habe ich das Wort mit 4 Buchstaben einfach vergessen, oder ich versuche es zu vergessen.

VlG Peter
Ich wollte nie erwachsen sein, hab immer mich zur Wehr gesetzt. Von außen wurd ich hart wie Stein, und doch hat man mich oft verletzt (Nessaja P. Maffay=
DieNeue
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Re: Beginnende Krankheitseinsicht

Beitrag von DieNeue »

Hallo Peter,

ne, ich hab's nicht gezählt ;) Aber es ging ja ums Thema "müssen", ist ja klar, dass das dann auch etwas öfter vorkommt. ;)
Mir ging's eigentlich darum, dass es so viele banale Dinge gibt, die man "muss" und dass mich selbst die oft an meine Grenzen bringen.
Ich fand's etwas krass von meinem Psychiater so zu tun, als wäre alles, was man macht freiwillig. Natürlich muss ich nicht einkaufen gehen und auch nicht meine Wäsche waschen. Ich müsste auch nicht meinem Vermieter erzählen, dass Gas aus meiner Heizung kommt.
Ich würde aber gerne selbstständig und gut leben. Und dazu gehört halt leider, dass man auch Sachen machen "muss", auf die man keinen Bock hat. Ich will nicht in stinkenden Klamotten rumlaufen und möchte mich auch nicht vom Gras auf der Wiese ernähren wie mein Hase ;) Also "muss" ich halt waschen und einkaufen gehen. Ist halt so. Wenn ich dann meine, ich müsste jeden Tag waschen, mich wegen jedem kleinen Fleck reinsteigern und anfangen, meine Fleecejacken zu bügeln, dann ist das wieder was anderes. Das muss man nicht und ist auch nicht gerade produktiv. Aber grundlegende Sachen müssen halt irgendwann gemacht werden. Ich mache mir auch keinen Plan, der mir vorschreibt, was ich wann tun muss, sondern schaue, was ansteht und mache dann das, auf was ich am meisten Bock habe. Aber zu manchen Dingen muss ich mich eben auch zwingen, wie z.B. duschen. Ich will nicht, dass meine Nachbarn flüchten müssen, wenn sie in meine Nähe kommen. ;)
Aber mir würde es, denk ich, mal gut tun, mal gar nichts mehr zu "müssen", auch nicht so banale Dinge wie waschen, Termine ausmachen, Essen kochen. Einfach mal diese Last weg haben. Einfach mal Urlaub haben, bekocht werden, schöne Sachen machen, für die ich sonst im Alltag gar nicht die Zeit und den Nerv habe. Aber Urlaub ist auch wieder stressig... Ortswechsel, Packen usw.

Meinst du, es ändert was in meinem Denken/Gefühlen, wenn ich mir z.B. vorsage "Ich will jetzt Staubsaugen", auch wenn ich absolut keinen Bock drauf habe? Ich "müsste" ;) da ja eher sagen "Ich will eine gesaugte Wohnung und deshalb sollte ich das machen."

Ich finde das schon ziemlich schwierig mit dem "müssen", wenn es um wirklich notwendige Dinge geht...

Was ich mittlerweile aber öfters im Kopf habe ist der Satz "Müssen tu ich gar nichts". Ist ganz gut, v.a. wenn andere meinen zu wissen, was man unbedingt tun müsste. Müsste dann wahrscheinlich den Satz noch auf die Situationen übertragen, wenn ich mir selber mal wieder unnötigen Stress mache.

Liebe Grüße,
DieNeue
Bittchen
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Re: Beginnende Krankheitseinsicht

Beitrag von Bittchen »

Liebe DieNeue,

da gebe ich Peter recht das Wort MUSS gehört aus unserem Wortschatz gestrichen.
Denn es bedeutet Stress.

Besser ist es zu sagen,"Ich will nicht duschen,ich muss auch nicht ,aber ich kann".
So verfährst du mit allen Tätigkeiten und immer ganz wenig und kleine Schritte machen.
Haushalt,Körperpflege,alles mit der Salamitechnik, mit vielen Pausen.
Da du schon lange erkrankt bist ,habe ich das Gefühl,du gestehst es dir nicht zu,nicht so zu funktionieren wie es von dir erwartet wird.
Du vergleichst dich,jetzt mit deiner Schwester,die auch noch vor dir heiratet.
Nicht weil du faul bist ist es bei dir anders,sondern weil du krank bist geht es nur mit angezogener Handbremse.
Auf mich wirkst du wütend auf dich selbst,weil du krank geworden bist.
Das passiert aber sehr vielen Menschen auch körperlichen schweren Gebrechen sind da nicht besser zu verkraften.
Es kommt mir vor ,als wenn du Angst vor Kritik hast,wenn nicht alles pikobello ist.
Das ist ein Riesenstress und hat was mit deiner Erziehung zu tun.
Äußerlich immer schön geschniegelt und gebügelt.
Es ist passiert und jetzt können wir nur das Beste daraus machen.
Was auch immer der Auslöser sein sollte,jetzt ist es so.
Druck ist sehr schädlich ,auch Druck Urlaub haben zu wollen.
Wenn du eine Auszeit brauchst und dich so schlecht fühlst,dann gehe wieder in eine Klinik.
Nicht jede Klinik ist schlecht ,da habe ich auch gute Erfahrungen gemacht.
Das hast du doch bei deiner schwere Darmerkrankung auch akzeptiert,warum stehst du das deiner Seele nicht zu?
Da hast du das Rundumversorgungspaket und kannst noch was für dich tun.
Deine Unverträglichkeiten werden da auch berücksichtigt.
Dabei kannst ja auch da auf dich selber aufpassen,genau wie Zuhause.
Du bist noch sehr jung ,da kann noch sehr viel in Richtung Gesundheit passieren,aber nicht von alleine oder nur mit Medikamenten.
Da geht die Spirale immer wieder nach unten.
Von Herzen wünsche ich dir einen guten Psychotherapeuten,der dich begleitet auf deinem Weg raus aus der depressiven Krise.
Ich selbst habe ja eine Tochter ,die lange in der Depression gesteckt hat.
Sie hat damals zu mir gesagt,"Ich bin halt das schwarze Schaf der Familie und nicht die Supertochter wie meine Schwestern."
Das habe uich nie so empfunden,im Gegenteil,sie hat durch ihre Erkrankung sehr viel mehr Zuwendung bekommen,aber sie selbst hat sich als Versagerin gesehen.
Immer noch bin ich so gut es geht für sie da,aber wenn ich ihr ungefragt Ratschläge gebe,zeigt sie mir die rote Karte.
Mittlerweile sind wir auf Augenhöhe und ich habe auch von ihr viel gelernt.
Vor allen Dingen wie Überleben geht.

Da fällt mir ein Spruch ein.

"Du alleine schaffst es,
aber du schaffst es nicht alleine".

Den habe ich meiner Tochter vor vielen Jahren an ihr Bett gestellt,damit sie endlich wieder Hilfe zulässt.
Gebe nicht auf dir immer wieder auch professionelle Hilfe zu suchen.
Nicht nur zum Medikamente verschreiben!!!

Liebe Grüße
Bittchen
Jeder Tag ist ein neuer Anfang.
Peter1
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Re: Beginnende Krankheitseinsicht

Beitrag von Peter1 »

Hallo DieNeue
Meine rchtliche Betreuerin hat mir in der Klinik gesagt, das sie morgens duschen geht, sich schminkt und parfümiert, um ihr Selbst Wert Gefühl zu erhöhen. Ich sprach mit meiner Therapeutin darüber, und sie sagte mir, Ich will,ich kann, ich darf. Die Umstellung weg vom „muss“ war Anfangs sehr schwer, kostete unendlich viel Kraft, aber es lohnt sich. Heute kommt das Wort nur noch sehr selten über meine Lippen, oder in meine Gedanken.
Ich habe auch immer versucht, alles sofort zu machen. Mittlerweile habe ich gelernt, das verschiedene Sachen auch bis morgen Zeit haben, wenn es mir nicht gut geht. Ich setze Prioritäten, mache mir sogar manchmal eine Liste, was heute oder morgen erledigt werden sollte.
Ich bin ein sehr willensstarker Mensch. Das hat mir oft im Wege gestanden, denn ich wollte immer Alles, Sofort. Ich habe in der Klinik gelernt, das ich nicht mehr so leistungsfähig bin wie früher. Es war sehr bitter, und hat auch einige Zeit gedauert, aber ich habe es geschafft.
Auch du wirst irgendwann zu dieser Einsicht kommen, je eher, um so besser.

VlG Peter
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DieNeue
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Re: Beginnende Krankheitseinsicht

Beitrag von DieNeue »

@ Peter und Bittchen: Meint ihr mit "ich kann" "ich habe die Möglichkeit/die Auswahl XY zu tun" oder "Ich bin in der Lage/fähig XY zu tun"?
Peter1
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Re: Beginnende Krankheitseinsicht

Beitrag von Peter1 »

Hallo DieNeue
Mit kann meine ich, du schaffst das. Die Depression lügt dir nur vor, du seist zu schlapp dafür. Setze dir selbst Belohnungen aus. Ich möchte morgen die rosa Bluse anziehen, aber sie ist schmutzig. Mir bleibt nur ein Weg, Waschmaschine anwerfen. Denke dabei nur daran, wie chic du in der Bluse aussiehst. Oder, ich möchte heute Abend endlich mal wieder was vernünftiges essen. Ich gehe spazieren. Wenn du dabei, rein zufällig am Supermarkt vorbei gehst, kannst du gleich einkaufen. Und denke dabei immer daran, die nötigen Pausen ein zu planen. Du schaffst das !!°!

VlG Peter
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Katerle
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Re: Beginnende Krankheitseinsicht

Beitrag von Katerle »

Hallo dieNeue,

mir geht es da eher wie Peter. Vom "muss" bin ich auch weg und das war auch garnicht so einfach, das umzusetzen.
Bin auch ein willensstarker Mensch (wurde aber von einigen aus meiner Umgebung als "schwach"abgestempelt, seit ich krank wurde, da ich nicht mehr so leistungsfähig wie vorher war.)

Gestern z. B. hatte ich mich früh wieder hübsch gemacht (gebaden und die Haare gewaschen), da ich in meine G. wollte und noch zum Akustiker bzw. in den Buchladen. Schminke ist jetzt nicht so meins, denn ich fühle mich ohne ganz wohl. Allerdings etwas Parfüm mache ich auch ab und zu dran. Ich schaue in den Spiegel - und bin zufrieden. Das wirkt sich auch alles auf mein Selbstwertgefühl aus. Meine Gruppe hatte sich gefreut, mich wieder zu sehen, denn bei der Hitze liegt es mir nicht so, in die Stadt zu fahren, da war ich dann doch lieber am/im Wasser.
Naja, beim Akustiker war es leider zu voll, also dachte ich mir, werde telefonisch einen Termin ausmachen, denn das eine Hörgerät funktioniert mal wieder nicht...
Anschließend hatte ich mir mein bestelltes Büchlein und meine CD aus dem Buchladen geholt und verspürte Hunger. Also hatte ich mich entschieden, ne Kleinigkeit essen zu gehen (Salat), da ich noch Zeit hatte, um nach Hause zu fahren. Nach dem Essen setzte ich mich noch etwas auf eine Bank und genoss das schöne Wetter, bis es plötzlich anfing, heftig zu regnen und ich stellte mich unter. Danach kam die Sonne wieder zum Vorschein und ich genoss es erneut auf einer Bank.
Natürlich hatte ich, bevor ich losging, wieder meinen Sport gemacht, und meine Entspannungsübung, nicht weil ich es muss, sondern weil es mir ganz einfach guttut und ebenfalls mein Selbstwertgefühl hebt. Im Haushalt natürlich auch etwas, aber ich mache nicht mehr alles auf einmal, so wie früher, sondern teile mir alles schön ein. (für jeden Tag etwas) und notiere es. Und selbst wenn ich mal nichts mache, dann ist das okay für mich und kein Weltuntergang. Da höre ich eben halt nur Musik oder tue nichts.
Letztens hatte ich den Rasen draußen gemäht und danach war ich sehr erschöpft. Also ruhte ich mich dann aus, denn ich hatte dann auch Kopfschmerzen. Wir haben nicht viel Rasen, aber es strengt mich halt trotzdem an und ich wollte es gerne machen. Dafür hatte ich dann nichts anderes weiter geschafft. Jedenfalls freute ich mich über meine Leistung und war zufrieden.
Das soll nur mal ein kleiner Auszug aus meinem Tagesablauf sein, wie er sein kann.

Herzliche Grüße
Katerle
Bittchen
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Re: Beginnende Krankheitseinsicht

Beitrag von Bittchen »

Liebe DieNeue,

ich meine das auch wie Peter und Katerle.
Leider weiß ich auch,dass nicht jeder Tag gleich ist und auch jetzt ,da es mir besser geht, ich auch Tiefs habe,da passe ich auf.
Ziehe mich zurück und gestehe mir zu Mal was abzusagen,nichts zu machen"Morgen ist auch noch ein Tag".
Gestern habe ich geweint,weil meine mittlere Tochter nicht da sein konnte ,wie wir hier alle zusammen waren.
Wir haben dann telefoniert und Bilder hin und her geschickt ,dann war es wieder besser.
Das halte ich nicht für depressiv ,sondern ist Sehnsucht ,das haben Gesunde ja auch.
Wenn ich merke, ich werde müde,höre ich auf,lasse Alles stehen und liegen und mache eine Pause oder mache auch erst an einem anderen Tag weiter.
Es gibt natürlich Dinge die muss man, essen und trinken z.B.
Das sollte immer gewährleistet sein.
Aber ich war auch schon ganz ohne Appetit ,da ist es schwer sich zu motivieren und sich gut zu ernähren.
Dann ist es besser umsorgt zu werden.

Mit sehr wenig zufrieden sein,dazu gehört die Körperpflege und auch die Wäsche usw war für mich schwierig.
Ich hatte Zeiten,da habe ich die gewaschenen Teile nicht geschafft in den Schrank zu tun,da hat mein Mann noch gearbeitet und ich war alleine.
Da war ich froh,dass ich das Waschen geschafft hatte um nicht total zu vergammeln.
Da habe ich "Superhausfrau"mich sehr geschämt.
Da bin ich viel lockerer geworden,aber ich weiß auch in schlechten Phasen,dass ich sehr viel kann.
Meine Ressourcen nur durch die Depression vergraben sind,sie kommen wieder.
Das habe ich schon bei vielen Betroffenen erlebt,die sonst total perfektionistisch auf Äußerlichkeiten geachtet haben,dann nicht mehr das Nötigste geschafft haben.
So war ich auch,nie um Hilfe gebeten,immer alleine mit allem fertig werden.
Da ist bei mir am Anfang nicht alles richtig gelaufen,viele Jahre nur Ads.
Aber ich habe nicht aufgegeben und dann doch mit Hilfe meiner ältesten Tochter einen guten Therapeuten gefunden,der mir sehr lag.
Aber ich ihm wohl auch,wir haben auch viel gelacht.
Er war nicht der verschlossene Typ ,er hat auch von sich erzählt.
Ich habe mit bekommen wie er geheiratet hat,aber auch Ängste, wie seine zwei Töchter unterwegs waren und dann auch die Freude über die Geburt.
Da habe ich mit gefiebert.
Da hatte ich Glück,die Freundin meiner ältesten Tochter,selbst damals in der Ausbildung zur Therapeutin, hat ihn mir als Kollegen empfohlen und sich für einen zeitnahen Termin eingesetzt.
Danach war ich fünf Jahre bei ihm.
Es ist ein langer Weg ,mit Klinikaufenthalten,Reha usw. dabei, ganz vielen Tiefs ,aber es hat sich sehr gelohnt.
Ich bin noch da und heute freue ich auf den kommenden Tag,wer weiß schon was morgen ist ?
Ob ich jemals "gesund "werde kann ich nicht sagen,aber ich weiß, es wird immer wieder Licht am Ende des Tunnels geben.

Liebe Grüße
Bittchen
Jeder Tag ist ein neuer Anfang.
Salvatore
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Re: Beginnende Krankheitseinsicht

Beitrag von Salvatore »

Hallo DieNeue

du hast ja selber schlüssig dargelegt, dass du in der Tat kaum etwas tun MUSST. Duschen, putzen, waschen, abwaschen, Termine machen, kochen - das alles kannst du auch sein lassen. Leider hat das dann auch Folgen. Du könntest dich komplett zurückziehen und leben wie die Flodders. Alle großen Supermärkte haben heute Lieferdienste und dann gibt es ja noch AmazonPantry - selber in den Supermarkt fahren ist heutzutage gar nicht mehr nötig, selbst wenn man frische Produkte möchte. Mit Garagenvertrag musst du noch nicht mal dem Boten begegnen. Müll rausbringen kann man auch nachts. Für tagsüber geht ein Käppi zur Verschleierung der verfetteten Haare oder, es wird ja bald wieder kühler, eine Mütze. Massenhaft technische Geräte erleichtern den Alltag: eine Waschmaschinen-Trockner-Kombination z.B. erspart das Auf- und Abhängen der Kleidung. Geschirr benutzt man solange direkt aus dem Geschirrspüler, bis er wieder leer ist und man ihn einräumen kann. Fertigfraß benötigt nur drei Minuten in der Mikrowelle.

Dieses Leben könntest du führen, aber du möchtest nicht. Es kollidieren also zwei (oder manchmal mehrere) Bedürfnisse: ausruhen versus... [gepflegt aussehen, sich in der Wohnung wohlfühlen, Kontakt zu anderen haben, lecker und gesund essen usw.]
Das läuft darauf hinaus, dass du Prioritäten setzt: gleichzeitig ausruhen und aktiv sein geht nicht. Es ist dir aber wichtiger, gepflegt auszusehen, deshalb verzichtest du auf das Ausruhen zugunsten von Körperpflege und dem Waschen deiner Kleidung.
Damit kann aber auch das "muss" ausgetauscht werden gegen "ich möchte": Ich möchte gepflegt aussehen, also dusche ich mich. Ich möchte lecker und gesund essen, daher gehe ich einkaufen und koche. Müssen musst du das nicht.
Ich finde schon, dass es einen Unterschied macht, ob man in Kategorien denkt wie "ich muss..." oder "ich möchte (lieber)". Man landet schnell im kindlichen Trotz: ich will aber nicht saugen, warum muss ich das, ist doch blöd, ich würde viel lieber xy machen, das macht keinen Spaß, muss das sein, kann das nicht bis morgen warten.

Ich finde auch, dass es einen Unterschied macht, ob man es für sich selbst tut oder für andere bzw. wie herum man das betrachtet. So finde ich es z.B. schade, dass du nur für die Nachbarn duschen gehst und nicht für dich selbst. In der Psychologie wird unterschieden zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation: will ich duschen, weil sich nur so die Nachbarn mit mir unterhalten? Will ich duschen, weil ich mich dann selbst besser fühle? (Und was daran ist eigentlich schlimm, wirklich das Duschen selbst oder eher die Überwindung, mit dem Duschen anzufangen?)

Ich sehe es kritisch, Dinge nur zu tun, wenn man gerade Bock hat. Oder halt nur die Dinge, auf die man gerade am wenigsten keinen Bock hat. Das hat nämlich zur Folge, dass man zu jedem Zeitpunkt einen ganzen Haufen komplizierter Entscheidungen treffen muss, welche nicht nur auf der rationalen, sondern auch auf der emotionalen Ebene gegeneinander abgewogen werden müssen - das verbraucht immens viel Energie, die dann ggf. an anderer Stelle fehlt. Routinen dagegen benötigen zwar zu Beginn mehr Energie, aber sobald sie sich etabliert haben, wird gespart. Mark Zuckerberg trägt bekanntlich immer das gleiche Outfit, damit er sich nicht täglich damit beschäftigen muss, was er anzieht und ob das dem Anlass angemessen ist und was andere davon halten und ob er das schon mal anhatte und ob das gerade Mode ist und wie er sich darin fühlen wird und ob ihm das steht.

Damit verhindert man auf Dauer auch das innerliche Diskutieren: soll ich oder soll ich nicht? Das tägliche Anziehen ist so eine Routine, welche oft sogar von Menschen mit schweren (nicht mehr bei schwersten) Depressionen durchgeführt wird - es wird einfach nicht hinterfragt. Zu irgendeinem Zeitpunkt am Tag, auch wenn es erst Mittag ist, tauscht man die Schlafsachen gegen Alltagskleidung. Wie kompliziert das wäre, wenn man sich als Chroniker jahrzehntelang täglich fragen müsste, ob man sich anzieht oder nicht und wenn ja, was und warum und ob nicht was anderes besser wäre... oder schlechter...!
(Ersterkrankte oder Betroffene mit episodischen Depressionen nehme ich hier aus, denn die können zur Not einfach abwarten, bis es besser wird.)
In meiner Kindheit war die Standardantwort (fast) aller Eltern auf den Einwand von uns Kindern "Ich habe aber keinen Bock" grundsätzlich: "Dann machst du es eben ohne Bock!" ;)

LG, Salvatore
Blog: http://www.oddyssee.de
Instagram: Oddysee@meine_oddyssee
Peter1
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Re: Beginnende Krankheitseinsicht

Beitrag von Peter1 »

Hallo Salvatore
Zu meiner chronischen Dysthymie kam im Oktober 2017 eine schwere Episode hinzu. Hätte ich das Ende abge wartet, wäre ich 11 Monate nicht aus dem Schlafanzug herausgekommen. Die letzten drei Monate davon verbrachte ich in einer psychiatrischen Klinik, wegen Suizid Gefahr. So viel zum abwarten !!!


Peter
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Camille
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Re: Beginnende Krankheitseinsicht

Beitrag von Camille »

Liebe Anna, Bittchen, Katerle, janedoe, Aida1, El, DieNeue, Gertrud , lieber Peter und alle anderen,

Danke euch allen für euren Zuspruch und eure Gedanken.

Ja Anna - die Angst völlig den Bezug zur Realität zu verlieren und "psychotisch" zu werden, hat sich so ziemlich wieder gelegt. Bin wieder viel ruhiger. Vielleicht lügt die Depression - vielleicht. So richtig "zurück" habe ich noch nicht gefunden. Seit Jahren - manchmal Momente und Tage, in denen ich merke, wie es "anders" sein könnte. Lebendig sein - "etwas fühlen".

Es stimmt schon, dass ich in irgendeiner Form mehr "Ruhephasen" brauche, als andere Menschen. Das mir zu zugestehen, fällt mir sehr schwer. Noch schwerer fällt es mir, wahrzunehmen oder frühzeitig zu erkennen, "wann Überforderung" anfängt. Da "muss" ich noch etwas üben.

Alles in Maßen - dann sehe ich auch im "Müssen" nicht nur Negatives. Etwas tun zu "müssen" hat für mich auch viel damit zu tun, "gebraucht zu werden" und "teilhaben zu dürfen" in einer Gesellschaft, Familie usw. Das kann sich auch gut anfühlen - im Sinne von "ich darf meinen Teil beitragen..." - schlimmer würde es sich für mich anfühlen "nichts mehr zu dürfen".

Die Balance finden - das fällt mir schwer.

Der Austausch hier - das "stille Mitlesen" - ist immer wieder sehr hilfreich für mich
Danke an alle - auch an die Moderatoren

Herzliche Grüße
Caille
Peter1
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Re: Beginnende Krankheitseinsicht

Beitrag von Peter1 »

Hallo Camille
Du hast an El geschrieben,
Camille hat geschrieben:
Ich versuche es - auch mich selbst zu trösten, mir zu verzeihen. Ich versuche es immer wieder von Neuem.
Manchmal gelingt es jetzt.
Camille, wofür willst du dir verzeihen ? Dafür, das du krank bist ?
Du hast dir die depressive Störung bestimmt nicht gewünscht, darum gibt es auch keinen Grund, um Verzeihung zu bitten. Du gehst viel zu hart mit dir selbst ins Gericht.Du bist Ärztin, das setzt ein gewisses Maß an Intelligenz voraus. Die ganzen Unzulänglichkeiten, die du dir selbst vorwirfst, das bist nicht du. Die redet dir nur die depressive Störung ein.
Entferne den ganzen Stress aus deinem Leben, und gönne dir mehr Pausen. Mach dir dein Leben etwas lebenswerter, denke bitte daran, du hast nur dieses eine Leben.
Es gibt nichts, das du dir verzeihen müsstest, gar nichts !

Alles Gute und Schöne Peter
Ich wollte nie erwachsen sein, hab immer mich zur Wehr gesetzt. Von außen wurd ich hart wie Stein, und doch hat man mich oft verletzt (Nessaja P. Maffay=
DieNeue
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Re: Beginnende Krankheitseinsicht

Beitrag von DieNeue »

Liebe Camille,

wie geht es dir denn zur Zeit? Bei mir geht es gerade etwas drunter und drüber, aber ich musste in letzter Zeit immer wieder mal an dich denken. Deswegen wollte ich einfach mal nachfragen, wie es dir geht.
Mach dir aber keinen Stress, wenn du nicht antworten kannst oder dir nicht danach ist, ist alles okay.

Liebe Grüße,
DieNeue
Peter1
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Re: Beginnende Krankheitseinsicht

Beitrag von Peter1 »

Hallo Camille
Ich würde dir gerne meine Thera ausleihen, aber sie würde wohl nicht mitspielen. Sie hat mir in einem Monat das positive Denken beigebracht. Das Ändern von Denk- und Verhaltensmustern schaffst du nur mit einem fähigen Therapeuten. Meine Thera ist zwar noch in der Ausbildung, aber sie hat mich innerhalb eines halben Jahres schon so viel weiter gebracht, das selbst meine Angst vor Weihnachten verschwunden ist. Ich habe mehr oder weniger mit meiner Vergangenheit abgeschlossen. Sicher denke ich manchmal noch daran, aber es tut nicht mehr so weh. Natürlich ist die Thera nicht alleine Schuld an meinem Fortschritt, aber sie hat einen ziemlich großes Teil dazu beigetragen.
Die Camille, die um Verzeihung bittet, das bist nicht wirklich du ! Es wird dir nur von der depressiven Störung eingeflüstert. Die gesunde, echte Camille versteckt sich irgendwo dahinter, und wartet nur darauf, das du sie befreist, ihr die Chance gibst, wieder am Leben teilnehmen zu können.
Dafür brauchst du allerdings, wie ich oben schon erwähnte, einen fähigen Therapeuten.

Alles Gute und Schöne Peter
Ich wollte nie erwachsen sein, hab immer mich zur Wehr gesetzt. Von außen wurd ich hart wie Stein, und doch hat man mich oft verletzt (Nessaja P. Maffay=
Aurelia Belinda
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Wohnort: Mittelfranken

Re: Beginnende Krankheitseinsicht

Beitrag von Aurelia Belinda »

Guten Abend zusammen,

Hallo Peter,
Und wenn deine Thera dann Camille “geheilt“ hat, schickst du sie dann zu mir bitte??
Sei so lieb....
“Kleiner Scherz muss sein“. Sorry Camille.

Die Welt ist traurig genug!
Ich gehe NOCH davon aus vielleicht keine Therapie mehr zu brauchen.
An manchen Tagen sitze ich aber hier, und bin da unsicher.

Ich finde es Klasse welche Veränderung du hin gelegt hast.
Es braucht zwei Seiten dazu. Patient UND Therapeut. Eine Garantie dass jeder Patient auch umsetzen kann was der Therapeut vermittelt gibt es aber denke ich nicht. Je nach Schweregrad und Art der Problematik, und der eingefahrenen Denkmuster, ist das individuell.
Aber schön wär's natürlich schon, wenn jeder Patient von Therapie profitiert.
Die Lebensumstände spielen da wohl auch mit wie schnell das voran geht oder nicht. Dann der eiserne Wille des Patienten und Therapeuten.
Ich bin trotzdem der Meinung, alleine der Wille reicht nicht immer aus.
Sonst wäre ja jeder nach einer Therapie geheilt. Viele benötigen aber immer wieder Therapie. Umstände ändern sich, Denkmuster ändern sich. Alles nicht einfach.

Liebe Camille,
Ich habe bei dir z.Z. den Eindruck, dass es eben nicht am fehlendem Willen liegt.
Du kommst nur zögernd voran, aber auch der nur minimalste Schritt in die andere, für dich gesündere Richtung ist es wert, weiter zu gehen.
Die große Hoffnungslosigkeit sehe ich bei dir auch nicht mehr.
Ich glaube du bist langsam schon auf dem richtigen Weg. Ist zumindest so mein Eindruck.

Dafür Wünsche ich dir weiter alles Gute.
Verzage nicht, sei geduldig mit deiner selbst, und bleib zuversichtlich.
Ich glaube jedenfalls an dich.
Das solltest du auch tun.
In dem Sinne,

Herzlich, Aurelia
Alle eure Dinge lasset in Liebe geschehen
DieNeue
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Re: Beginnende Krankheitseinsicht

Beitrag von DieNeue »

Hallo zusammen,
Peter1 hat geschrieben:Sie hat mir in einem Monat das positive Denken beigebracht. Das Ändern von Denk- und Verhaltensmustern schaffst du nur mit einem fähigen Therapeuten.
Ich denke, bei Camille geht es nicht nur um eingefahrene Denk- und Verhaltensmuster. Sie schreibt immer wieder, dass sie das Problem hat, dass sie ihre Gefühle nicht wahrnehmen kann.
Das Problem hatte ich am Anfang meiner Therapie auch, ich konnte null mit dem Thema "Gefühle" anfangen. Ich hatte überhaupt kein Gespür für meinen Körper und meine Gefühle. Ich konnte nicht mal sagen, ob ich entspannt oder angespannt bin. Ich hatte keine Ahnung, ob ich jetzt wütend oder ängstlich war. Das hatte nichts mit der Gefühllosigkeit zu tun, die man bei Depressionen empfindet, denn das war vorher schon so. Ich habe mich nicht gespürt und konnte Gefühle auch nicht einordnen à la "Das ist Wut, das ist Angst usw.", konnte keine Entscheidungen "aus dem Bauch" heraus treffen, auf Dinge oder Verhalten anderer Leute nicht reagieren, weil ich gar nicht wusste, was sie bei mir ausgelöst hatten.

Mir war auch nicht klar, warum der Zugang zu den Gefühlen so wichtig ist. Das erste, was ich in der Therapie lernen sollte, war, meine Gefühle wahrzunehmen. Ich wollte in der Therapie ja eigentlich meine Probleme lösen, aber für was man dabei die Gefühle braucht, war mir schleierhaft...
Heute weiß ich es und kann sie viel besser wahrnehmen, einordnen und einschätzen.
Es hat lange gedauert, das zu lernen, ich kann nicht sagen, in dem Zeitraum von da bis da habe ich das gelernt und fertig, jetzt kann ich's. Ich kann auch nicht genau sagen, wie meine Therapeutin das "gemacht" hat. Es war ein langer Prozess und ich weiß nicht, ob ich damit hätte umgehen können, wenn ich innerhalb von z.B. einem Monat alles spüren und einordnen hätte können. Wahrscheinlich wäre ich eher überfordert gewesen...

Es gibt ja dieses Dreieck mit Denken - Fühlen - Handeln. Alles beeinflusst sich gegenseitig, positive Gedanken machen positive Gefühle, positive Dinge tun macht gute Gefühle und dadurch gute Gedanken usw. Genauso machen depressive Gedanken schlechte Gefühle und dann handelt man so wie man sich fühlt, bleibt im Bett liegen, weil man sich schlecht fühlt, macht sich Vorwürfe, weil man liegen bleibt und fühlt sich dadurch noch schlechter und verkriecht sich noch mehr unter der Bettdecke.
Du, Peter, schreibst ja öfters, dass du ein sehr emotionaler Mensch bist. Von daher gehe ich davon aus, dass als bei dir der depressive "Schleier" mal weg war, du wieder Zugriff auf deine Gefühle hattest und sie daher auch einordnen konntest (Was ist Wut? Was ist Angst, was Enttäuschung, Trauer? Zufriedenheit? usw.). Daraus kann man dann auch ableiten, was solche Gefühle ausgelöst hat und was man tun kann, um sie zu beeinflussen. Z.B. dass ich mir positive Sätze über mich vorsage, dann denke ich vielleicht besser über mich, negative Denkmuster lösen sich vielleicht und dann fühle ich mich vielleicht besser.
Wenn man aber seine Gefühle nicht wahrnehmen kann, "funktioniert" einer von diesen drei Bereichen Denken - Fühlen - Handeln noch (!) nicht richtig. Da hängt dann irgendwie ein Rädchen im Zahnradgetriebe und das ganze Teil ist dadurch blockiert. Selbst wenn ich jetzt bewusst anders denke, anders handle, heißt das dann nicht automatisch, dass ich dann was anderes fühle. Wenn ich z.B. eine Entspannungsübung mache, könnte man ja denken, ich handle bewusst positiv, also fühlt sich mein Körper entspannter an und dann kann ich auch mental zur Ruhe kommen.
Ich habe anfangs Entspannungsübungen gemacht, aber bei mir hat sich das nicht anders angefühlt. Ich konnte da keinen Unterschied erkennen. Es ging dabei nicht darum, dass die Übung bei mir nicht "gewirkt" hätte, es kann gut sein, dass mein Körper entspannter war als vorher, aber mir war es nicht bewusst, was ich da fühle. Dass ich vorher (vielleicht) sogar was anderes gefühlt habe. Ich hatte keine Ahnung, wo ich da überhaupt "hinspüren" könnte, um das zu merken.
Wenn man keinen Zugang zu seinen Gefühlen hat, kann man, denke ich, manche Dinge nicht so schnell ändern wie wenn man sich gut spürt und die Gefühle richtig einordnen kann.
Ich habe es früher z.B. nicht einschätzen können, ob ich mich in einer bestimmten Situation hätte wehren sollen. Wieso? Wenn mich jemand blöd anmacht, ich dann fühle, wie mich das wütend macht, weiß ich, dass hier eine Situation vorliegt, in der ich handeln sollt. Ich kann mir dann überlegen, wie ich jetzt am besten handeln möchte (zurückhauen, besonnen reagieren, ignorieren, sachlich bleiben, in den Wald gehen und schreien) und dann kann ich so handeln.
Wenn mich jemand blöd anmacht, ich mich aber nur irgendwie schlecht fühle oder komisch oder einfach nichts fühle, kann ich nicht reagieren, weil ich gar nicht weiß, was mit mir los ist. Da kann ich dann auch schlecht meine Gefühle verbessern, indem ich anders denke, anders handle, weil ich gar nicht weiß, was ich da tun soll.
Von daher ist es wichtig, wenn jemand sich selbst und seine Gefühle nicht gut spüren kann, dass er das erstmal lernt.
Natürlich geht man dann nicht zum Therapeuten und es geht die ganze Stunde nur noch darum "Wie fühlt sich das an? Fühl mal hier! Spür mal das! Wie fühlst du dich, wenn blablabla?", sondern es sind ja auch noch Themen oder aktuelle Situationen und Schwierigkeiten da, die einen beschäftigen. Die bekommen ja auch ihren Raum in der Sitzung und werden besprochen und anhand deren kann man ja auch lernen, die Gefühle zu spüren.
Aber man kann das halt leider nicht mit viel Willen "erzwingen", sondern es dauert halt seine Zeit.
Und es ist schwierig das zu lernen, wenn man sein Leben lang keinen Zugang dazu hatte. Da müssen sozusagen erst kleine Pflänzchen gepflanzt werden, die wachsen müssen. Und es gibt ja den netten Spruch "Gras wächst auch nicht schneller, wenn man dran zieht." ;) Es dauert seine Zeit, aber es ist machbar!

Ich weiß nicht, ob das alles so logisch ist oder verständlich, vielleicht liege ich auch falsch. Keine Ahnung. Ich schicke es trotzdem mal ab.

Camille, ich denke, du kannst das auch schaffen und wenn du immer wieder mal ein Gefühl erhascht, und sei es noch so kurz, dann bist du auf einem guten Weg. Gib nicht auf, du kannst das auch schaffen!

Liebe Grüße,
DieNeue
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