Was ist mit meinem Freund los?

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Citas_Feli
Beiträge: 1
Registriert: 9. Aug 2019, 09:41

Was ist mit meinem Freund los?

Beitrag von Citas_Feli »

Hallo an alle!

Ich bin neu hier. Durch das Recherchieren zum Thema Depression bin ich auf das Forum aufmerksam geworden und hoffe, dass ihr mir einen guten Rat geben könntet.

Ich muss etwas ausholen, um die Situation zu schildern.

Mein Freund und ich (31/30 Jahre, Lehrer) haben im Laufe des letzten Jahres ein Haus gebaut. Wir haben nahezu alle in Eigenleistung und mit Hilfe von Freunden gemacht. Im Mai sind wir eingezogen. Unsere Arbeit und alles andere lief natürlich nebenbei weiter.
Ungefähr seit Weihnachten hat sich mein Freund verändert. Er wurde ruhiger, wirkte niedergeschlagen, unzufrieden und hat oft geweint. Außerdem schlief er schlecht, lag häufig nachts wach, war erschöpft und unausgeglichen.
Er selbst hat es immer auf die Bauphase geschoben. Natürlich war das eine enorme Belastung. Als Frau konnte ich nicht alles machen, was er so geleistet hat. Sehr oft kam er erst nach Mitternacht heim, Wochenenden gab es keine. Es war eine sehr anstrengende Zeit.
Zusätzlich lief es auch auf Arbeit bei meinem Freund nicht so, wie er es sich gewünscht hat. Er ist perfektionistisch, möchte es aber auch allen recht machen, kann nicht Nein sagen, wenn es um Aufgaben geht. Das alles hat er nebenbei noch irgendwie geschafft.
Nach unserem Umzug im Mai wurde es langsam ruhiger, doch er war immer noch sehr verändert. Ich fragte ihn, was los sei. Er meinte, dass er sich im Haus nicht wohl fühle. Natürlich war noch nichts richtig fertig, unsere Küche wurde gerade eingebaut, wir mussten noch an vielen Stellen ausbessern, es fehlten Möbel, die Außenanlage ist nicht fertig usw. Für mich war das alles völlig normal, es kann ja nicht alles auf einmal gehen.
Es folgte eine stressige Phase in der Schule. Er meinte, ihn würde jetzt das Jahr einholen. Er war nur auf Achse, ständig unterwegs. Zusätzlich ging er viel weg, bevorzugt ohne mich und kam spät, manchmal auch betrunken nach Hause. Außerdem betonte er, er suche ein Hobby, vielleicht Motorrad oder Klettern (trotz Höhenangst).
Ich merkte, wie er sich immer mehr von mir distanzierte. Zu Beginn der Ferien sprach ich ihn darauf an. Er meinte, er wisse selbst nicht, was gerade mit ihm los sei, aber er würde es schon hinkriegen, er muss einfach ein bisschen runterfahren. Über die nächsten fünf Wochen hat sich nichts geändert. Die Zweisamkeit fehlte, wir unternahmen zwar viel gemeinsam, aber bei Nähe blockte er ab, weinte immer noch sehr viel, machte viel Sport.
Vor einer Woche teilte er mir plötzlich wie aus heiterem Himmel mit, dass er das alles nicht mehr könnte, er habe keine Kraft mehr, er liebt mich nicht mehr so wie er es sollte und dass er sich trennt.
Seitdem bin ich fix und fertig und verstehe es einfach nicht.

Natürlich kann es passieren, dass sich Paare auch nah 14 Jahre einfach auseinanderleben. Das gehört nicht hier her. Allerdings habe ich den Verdacht, dass mein Freund andere Probleme hat. Meine Mutti war selbst depressiv und brachte mich auf diesen Gedanken, dass er eine Depression oder Burnout hat, entstanden durch den lang anhaltenden körperlichen und seelischen Stress während des Hausbaus, verbunden mit Problemen auf Arbeit. Mein Freund ist ein Mensch, der immer alles mit sich selbst ausmacht, nach Außen den Schein wahrt, alles sei perfekt. Viele Symptome würden passen: Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit, fehlendes sexuelles Verlangen, fehlende Gefühle, Schuldgefühle, ...

Ich war in der letzten Woche bei meiner Familie. Er war allein im Haus. Wir haben uns ab und zu gesehen, weil ich etwas aus dem Haus brauchte oder ihn sehen wollte, um zu sprechen. Auch via WhatsApp hatten wir Kontakt, was von ihm ausging.
Ich habe ihn auf meinen Verdacht angesprochen. Da hat er sofort abgeblockt. Davon will er nichts wissen.
Wenn wir uns sehen, weint er viel, sagt es tue ihm so leid, er habe das alles nicht verdient, aber er ist nicht in der Lage seine Gefühle zu äußern.

Ich würde ihm so gern helfen und natürlich auch unsere Beziehung retten, die ich nach 14 Jahren nicht einfach aufgeben möchte. Mit dem Hausbau haben wir uns eigentlich einen Traum erfüllt und hatten weitere Pläne.
Vielleicht könnt ihr mir einen Rat geben. Könnte es tatsächlich eine Depression sein oder soll ich es einfach akzeptieren?

Danke für das Lesen des langen Textes und euren Rat.
Feli
ßßßß

Re: Was ist mit meinem Freund los?

Beitrag von ßßßß »

@citas_feli

das als depression zu titulieren sträube ich mich ein bißchen.

es gibt etwas das nennt sich anpassungstörung f43.2 im icd10
darunter fallen bspw problem bei grundlegensen veränderungen als schulbesuch-abschluss, rente hochzeit, trennung usw.
nun weiß ich nicht wie das mit den hausbau ablief. aber sowas fällt unter einschneidendes ereigniss. wahrscheinlich habt ihr das nicht aus der portokasse bezahlt, d.h. er ist nun an das haus und dich 'gefesselt', auch in richtung festlegung auf dich, auf einen ort, und nestbau heißt ja oft auch kinder demnächst. es läuft darauf hinaus, das optionen wegfallen. der weg zementiert ist. das kann problematisch sein und auch in einer depressive symptomatik sich ausprägen. das was unter midlifecrisis fällt gehört auch dazu.

ein zweiter aspekt ist der angesprochene perfektionismus. solche leute neigen dazu sich die die zukunft, die folgen ihrer handlungen auszumalen und dann probleme zu bekommen wenn die eintretende realität anders aussieht, wahrgenommen wird.

ob es was daraus ist oder völlig was anderes kann nur ein psychotherapeut/in klären. die bieten auch sprechstunden an zur ersten einschätzung.
such ihm die adressen raus und leg sie ihm hin aber nicht drängen. er muss selber den schritt machen.
Sybilix
Beiträge: 79
Registriert: 11. Mär 2018, 23:58

Re: Was ist mit meinem Freund los?

Beitrag von Sybilix »

Liebe Feli,

ob es sich letztlich um eine klassifizierte Depression handelt bzw. welcher Schweregrad mitunter vorliegt, das vermag auch ich aus der Distanz nicht zu beurteilen. Anhand der Symptome die Du schilderst, erkenne ich aber 80-90% Deckungsgleichheit zu meinem Fall bzw. dem meiner Ex-Partnerin.

Ich habe selbst einiges hier geschildert: Was mir hilft...

Die Problematik: Du kannst ihm nicht helfen. Er müsste erkennen / annehmen, dass er ein (behandlungsbedürftiges) Problem hat. Tut er dies nicht, wird es schwer irgendetwas von außen anzustoßen.
Andererseits muss ich sagen, mir fällt kaum ein Fall ein, in dem die Therapie dem Betroffenen (im Sinne der Angehörigen) wirklich geholfen hat. Die Therapie ist (überzogen) standadisiert und es gibt ein (halbwegs) genormtes Prozedere.

Ich habe Leute kennengelernt, denen ging es schlecht, die haben sich ohne Therapie selbst geholfen.
Ich habe Leute kennengelernt, die haben sich helfen lassen und dann ihr ganzes (altes) privates Umfeld abgestoßen, sind dadurch aber auch nicht glücklich geworden.
Ich habe von Leuten gehört, die haben sich helfen lassen und haben ihr Leben angepasst und können weite Teile des alten Lebensmodells fortführen.

Eins ist klar, es wird nie wieder (so einfach, mindestens augenscheinlich) wie zuvor ;)

Das Gute: Egal was kommt, es soll so sein. Das Wichtigste: Akzeptiere es, such die Schuld zu keiner Zeit bei Dir. Das wäre falsch! Du würdest im Zweifel nur selbst den Weg der depressiven einschlagen. (Kritisch sich selbst zu hinterfragen gehört mitunter zum gesunden Menschenverstand - den setze ich aber voraus, da Du hier gelandet bist und man dies an deiner Wortwahl halbwegs erahnen kann).

Einen guten Rat? Habe ich keinen. Ich kann nur sagen, das letztlich einige meiner "Ratschläge" trotz unmittelbarer, deutlicher Ablehnung, später doch befolgt wurden... wenn Du es als Angebot auslegst ohne Erwartung das darauf (unmittelbar) eingegangen wird, hast Du vielleicht eine Chance eine paar Impulse zu setzen.

Ganz liebe Grüße und viel Kraft,
Sybilix
Bittchen
Beiträge: 5430
Registriert: 2. Feb 2013, 18:02

Re: Was ist mit meinem Freund los?

Beitrag von Bittchen »

Liebe Feli,

auch ich glaube dass dein Freund an einer depressiven Störung erkrankt ist.
Die letze Zeit mit Hausbau usw. war ja sehr stressig und könnte zur Überforderung geführt haben.
Das er jetzt überwiegend Hobbys nach geht,ist ja nicht falsch,kann aber auch eine Ablenkung sein,um die belastenden Symptome nicht so spüren zu müssen.
Evtl.auch ein Beweis für sich,das er noch stark ist und nicht depressiv sein will.
Alkohol ist da der falsche Tröster und bewirkt eher eine Verschlimmerung der Symptome.
Er hat wohl noch falsche Vorstellungen von der Erkrankung Depression,die ja jeden treffen kann.
Da würde ich ihn immer wieder darauf ansprechen,denn es kann auch gefährlich werden.
Ich selbst bin von einer depressiven Störung betroffen und war auch schon in einer sehr veränderten Gedankenwelt.
Mir hat eine kognitive Verhaltenstherapie weiter geholfen.

Wenn es darauf hinaus läuft,dass eure Beziehung den Stress des Hausbaus nicht stand gehalten hat und ihr euch entfremdest habt,hilft nur das zu akzeptieren.
Trennungen nach so großen Belastungen sind da auch nicht selten.
Eine Schuldfrage,egal von wem, ist da erst einmal nicht zu diskutieren.
Wenn vorher bei deinem Freund schon viel Alkohol im Spiel war,ist das Problem woanders zu suchen.
Oft hilft ja, mit Hilfe eines Therapeuten ,das Verhalten zu verändern und auch die Vergangenheit damit einzubeziehen.

Alles Gute und liebe Grüße
Bittchen
Jeder Tag ist ein neuer Anfang.
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