Habt ihr Freunden/Familie von den Depressionen erzählt?

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Dany97
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Registriert: 3. Mai 2019, 14:55

Habt ihr Freunden/Familie von den Depressionen erzählt?

Beitrag von Dany97 »

Hallo,

ich weiß momentan nicht mehr, was ich tun soll. Seit langer Zeit versuche ich immer vor Anderen zu verbergen, wie es mir geht, jede Krise in meinem Leben habe ich allein bewältigt. Ich weiß nicht, wie man anderen Menschen sein „wahres Gesicht“ zeigen kann. Ich weiß, dass das sicher auch eine Rolle dabei gespielt hat, dass ich eine Depression entwickelt habe. Ich mache seit einiger Zeit eine Therapie, habe aber bisher niemandem von den Depressionen noch von der Therapie erzählt. Da ich normalerweise alleine lebe, ist das auch bisher nicht so schwer gewesen es zu verstecken.
Jetzt bin ich zu den Semesterferien bei meiner Familie zuhause und ich merke jetzt schon, dass es mich furchtbar anstrengt permanent so zu tun, als würde es mir gutgehen und ständig ein Lächeln aufzusetzen. Ich weiß nicht, wie lange ich das noch durchhalte. Ich habe das Gefühl, bald keine Kraft mehr dafür zu haben.
Gleichzeitig habe ich eine wahnsinnige Angst davor es meiner Familie zu sagen, weil ich sie nicht belasten möchte und auch Angst davor habe, dass sie das nicht ernst nehmen würden. Gerade durch die Leere, die ich empfinde und wegen der ich nicht einmal mehr weinen kann, weiß ich nicht, wie ich glaubhaft meine Gefühle vermitteln kann.
Wie geht ihr damit um? Habt ihr Tipps für mich?
Monchen12345
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Re: Habt ihr Freunden/Familie von den Depressionen erzählt?

Beitrag von Monchen12345 »

Ich hab unterschieden in: können damit umgehen und können damit umgehen. Man kennt ja seine Leute. Da ich Betüddelung und ständige (falsche) Rücksichtnahme nicht mag, gab es teilweise noch die Anweisung mich so zu behandeln wie immer. Nur wenn ich nicht gewohnt reagiere, wissen sie halt warum das so ist.
Peter1
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Re: Habt ihr Freunden/Familie von den Depressionen erzählt?

Beitrag von Peter1 »

Hallo Dany
Wenn du deiner Familie erklären willst, wie du dich fühlst, geht das am Einfachsten mit dem Buch, „Mein schwarzer Hund.“
Ich würde es meiner Familie auf jeden Fall erzählen, denn je mehr Leute dir helfen, um so besser. Depressionen kann man nicht als Einzelkämpfer besiegen.
Einen guten Anfang hast du schon durch die Therapie. Wirst du auch durch einen Psychiater begleitet ?

VlG Peter
Ich wollte nie erwachsen sein, hab immer mich zur Wehr gesetzt. Von außen wurd ich hart wie Stein, und doch hat man mich oft verletzt (Nessaja P. Maffay=
Dany97
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Re: Habt ihr Freunden/Familie von den Depressionen erzählt?

Beitrag von Dany97 »

Danke, das ist eine gute Idee.
Ich weiß nur echt nicht, ob ich den Mut dazu aufbringen kann. Es geht mir schon lange nicht gut und habe es immer versucht zu verstecken, weil ich mir selbst nicht erklären konnte, was mit mir los ist. Und ich bin tatsächlich sehr leistungsfähig, gut in der Uni und bekomme meinen Alltag bewältigt. Wie sollen sie mir glauben, dass ich nichts mehr fühle, oft nur in meinem Bett liege und mich jeden Tag dazu aufraffen muss überhaupt aufzustehen?
Nein, mein Hausarzt hielt es erstmal nicht für notwendig, dass ich zu einem Psychiater gehe.
Peter1
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Registriert: 15. Apr 2018, 12:06

Re: Habt ihr Freunden/Familie von den Depressionen erzählt?

Beitrag von Peter1 »

Hallo
Hausärzte haben meist nur rudimentäre Kenntnisse von psychischen Krankheiten. Frage einfach deinen Therapeuten, was er dazu meint.
Das Buch mein schwarzer Hund ist ein Bilderbuch mit kurzen Texten, und sehr leicht verständlich. Der Autor ist selbst depressiv, und weiß aus eigener Erfahrung, wovon er schreibt.

Peter
Ich wollte nie erwachsen sein, hab immer mich zur Wehr gesetzt. Von außen wurd ich hart wie Stein, und doch hat man mich oft verletzt (Nessaja P. Maffay=
Salvatore
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Re: Habt ihr Freunden/Familie von den Depressionen erzählt?

Beitrag von Salvatore »

Hallo Dany97,

in meinem direkten Umfeld wissen alle von meiner Depression. Das hatte seinerzeit pragmatische Gründe: ich konnte mir einfach nicht vorstellen, irgendwelche Erklärungen zu erfinden und mir dann auch noch zu merken, wem ich was erzählt habe. Ich habe damit keine einzige schlechte Erfahrung gemacht und werde auch nicht komisch behandelt. Mehrfach kam als Reaktion, "Waaaas? Duuuu? Wirklich? Du doch nicht!", aber es wurde mir letztlich jedes Mal geglaubt, wenn ich gesagt habe, dass es nur nach außen so rosig aussieht und nach innen zappenduster.
Im Alltag mache ich kein Gewese drum, aber hin und wieder wird es eben zum Thema und dann ist das in Ordnung. Allerdings habe ich festgestellt, dass sich mir unheimlich viele Menschen geöffnet haben mit der Einleitung: "Du, sag mal, du hast doch auch Depressionen..."

Da ich im Verkauf mit Stammpublikum arbeitete, wurde ich in meiner kleinen Stadt oft von Kunden angesprochen, warum ich gar nicht mehr im Laden zu sehen bin. Denen habe ich geantwortet, ich hätte eine Stoffwechselstörung, die schwer einzustellen sei. Meist kamen dann keine weiteren Nachfragen und ich fand, dass es wenigstens nicht komplett gelogen ist.

Ich habe meine Familie auch lange geschont, mit dem selben Argument: Ich will sie nicht belasten. Es war aber auch ein bisschen eine Schutzbehauptung von mir - ich hatte einfach zu viel Schiss.
Es sind erwachsene Menschen, die du nicht vor dir selber schützen musst. Wenn sie das brauchen (vor dir geschützt zu werden), müssen sie es selbst tun und für sich selbst sorgen. Kinder sind ein anderes Thema. Wie sie reagieren, weißt du vorher nicht. Vielleicht kommt eine blöde Reaktion und das kann dann sehr schmerzhaft sein. Das von Peter1 empfohlene Buch ist klasse! Dazu gibt es auch ein Youtube-Video: https://www.youtube.com/watch?v=1UiA32Qv4yE

Alles Gute für dich,
Salvatore
Blog: http://www.oddyssee.de
Instagram: Oddysee@meine_oddyssee
DieNeue
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Registriert: 16. Mai 2016, 22:12

Re: Habt ihr Freunden/Familie von den Depressionen erzählt?

Beitrag von DieNeue »

Hey du,

ich hab es auch meiner Familie und meinen Freunden erzählt und da auch keine negativen Reaktionen erlebt. Ab und an kommt mal eine blöde Bemerkung, aber eher unüberlegt oder von jemandem,der auch bei anderen Sachen blöde Bemerkungen macht.
Sogar mein Opa hat mich unterstützt, indem er mich wochenlang in die Tagesklinik gefahren hat, obwohl er von Depressionen keine Ahnung hatte. Nach Jahren hat er dann irgendwann meine Mutter mal gefragt, was ich genau hab. ;)

Ich kann mich nicht mehr so genau erinnern, wie ich es meiner Familie gesagt habe. Erst wussten es meine Eltern, aber meinen Geschwistern habe ich nichts gesagt. Wusste auch nicht, wie ich das sagen sollte. Die haben es dann aber schon irgendwann spitz gekriegt, weil ich Bücher zu dem Thema gelesen habe... so als kleiner Wink mit dem Zaunpfaaahaaal!
Irgendwann haben sie es dann auch erfahren. Mit der Diagnose hatte damals keiner ein Problem, eher mit meinem Verhalten, war halt oft motzig, extrem reizbar, fertig, viel geheult, nichts mehr hingekriegt...
Das war schon schlimm für meine Eltern, aber ich glaube, es wäre wahrscheinlich schlimmer gewesen, wenn sie nicht gewusst hätten, dass ich krank bin. Sich einfach so aufzuführen wie ich mich damals ohne Erklärung... da hätte ich irgendwann nur noch Probleme mit den anderen gehabt.

Meine Bekannten von der Uni habe ich nach meinem Zusammenbruch per Mail geschrieben, weil ich dann ein Semester aussetzen musste und mir gedacht habe, ich kenne sie noch nicht lange und entweder sie akzeptieren es und wir können den Kontakt halten, bis ich wieder da bin, oder sie kapieren es nicht und dann weiß ich von vornherein, woran ich bei ihnen bin.
Dann haben mir 2 oder 3 auch erzählt, dass sie auch schon eine Therapie gemacht hatten oder in einer Klinik waren.
Sowas ist schon eine Erleichterung, weil man sich nicht immer gar so verstellen muss.
Leicht war es vor allem für meine Eltern nicht und mein Vater hat neulich ganz schön traurige Augen gekriegt, als ich gemeint hab, dass es damals echt schlimm war und dass es jetzt viel, viel besser ist. Aber sie haben mit der Zeit auch gelernt damit umzugehen und es klappt ganz gut. Unser Verhältnis hat sich allerdings nochmal wesentlich entspannt, als ich von zuhause wieder ausgezogen bin. Da kriegen es andere nicht so mit, wenn es mir schlecht geht.
Ich hatte auch mal eine Situation, da habe ich im Garten auf zwei kleinere Kinder aufgepasst, eins war aus unserem Haus und das andere das Kind aus dem Nachbarhaus, das zu uns in den Garten wollte anstatt sich von seiner Oma babysitten zu lassen ;)
Irgendwann kam die Oma rüber und hat mich bissl gefragt, was ich so mache und ich hab halt auch die Depressionen erwähnt. Da war sie ganz verständnisvoll. Und später hat sie mich sogar gefragt, ob ich noch ein bisschen auf ihren Enkel mit aufpassen könnte, sie müsste noch wo hin. Fand ich ziemlich krass und das Vertrauen in mich empfand ich als ein echtes Lob. Klar hat sie vorher schon von weitem mitbekommen, wie ich bin, aber ich habe auch schon von ganz anderen Reaktionen gelesen.

Ich würde versuchen, es meinen Eltern zu sagen. Natürlich ist die Gefahr da, dass sie dich nicht verstehen, aber du hättest auch die Chance auf viel Unterstützung und Verständnis. Ein befreundetes Ehepaar unterstützt mich v.a. moralisch sehr. Die fiebern immer mit, wenn irgendeine Begutachtung, Medikamentenwechsel oder sonst irgendwas ist :)
Es ist wirklich eine Erleichterung, wenn man nicht so tun muss als ob.

Liebe Grüße,
DieNeue
Katerle
Beiträge: 11383
Registriert: 25. Sep 2014, 10:30

Re: Habt ihr Freunden/Familie von den Depressionen erzählt?

Beitrag von Katerle »

Hallo Dany,

meiner Familie und Freunden habe ich auch von den Depressionen erzählt. Und die meisten reagieren inzwischen verständnisvoll darauf, was vorher nicht so der Fall war, aufgrund von Vorurteilen. Das ist gottseidank auch Vergangenheit...
Sowas kannte ich auch von mir, andere nicht belasten zu wollen. So zu tun, als würde es dir guttun bzw. die Angst, deine Familie damit nicht zu belasten kostet viel Kraft und indem du es sagst, besteht auch eher die Chance, ernstgenommen zu werden.
Selbst wenn du gut aussiehst, heißt das noch lange nicht, das es dir auch zwangsläufig gut gehen muss. Darin liegt auch die Gefahr, dass du von anderen auch falsch eingeschätzt wirst. Und auch da ist es wichtig, ehrlich zu sagen, wie es dir geht.

Wünsche dir viel Mut und Kraft,
Katerle
Dany97
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Registriert: 3. Mai 2019, 14:55

Re: Habt ihr Freunden/Familie von den Depressionen erzählt?

Beitrag von Dany97 »

Vielen lieben Dank für eure Nachrichten. Es macht mir auf jeden Fall Mut, dass ihr allesamt so positive Erfahrungen damit gemacht habt, dass ihr eurer Familie gegenüber ehrlich seid.
Ich glaube, was bei mich zusätzlich daran hindert darüber zu reden, ist, dass ich es mir selbst eigentlich noch gar nicht eingestehen kann, dass ich wirklich eine Krankheit habe. Da mich diese Gefühle schon sehr lange begleiten, habe ich lange geglaubt, ich wäre einfach so und ich bin vielleicht einfach eine schwache Persönlichkeit. Auch wenn ich es jetzt schwarz auf weiß habe, dass ich wirklich an Depressionen leide, gibt es noch immer den Teil in mir, der mir sagt, ich würde mich einfach nur anstellen und eigentlich sei alles gar nicht so schlimm.
Aber ich hoffe sehr, dass ich bald den Mut finden werde meiner Familie gegenüber ehrlich zu sein, vor allem, weil es wirklich sehr viel Energie kostet die Fassade aufrecht zu erhalten.
Katerle
Beiträge: 11383
Registriert: 25. Sep 2014, 10:30

Re: Habt ihr Freunden/Familie von den Depressionen erzählt?

Beitrag von Katerle »

@ Dany

Ja, sich eingestehen, krank zu sein, ist ein wichtiger Schritt, gesund zu werden. Und das bedeutet auch nicht, eine schwache Persönlichkeit zu sein oder das man sich nur anstellt. (auch nicht förderlich, wenn das Angehörige so einschätzen...)
Nach diesem Schritt wirst du bald den Mut finden, es deiner Familie ehrlich zu sagen. Auch das erfordert etwas Geduld.

Liebe Grüße
Katerle
Unhappy38

Re: Habt ihr Freunden/Familie von den Depressionen erzählt?

Beitrag von Unhappy38 »

Hallo Dany,

ich hab bis jetzt auch fast niemandem von meinen Depressionen (Dysthymie) erzählt. Es ist echt anstrengend, so zu tun, als ginge es einem gut, obwohl man schlecht drauf ist und seine Ruhe haben möchte.

Es der Familie zu sagen finde ich immer besonders schwer, gerade bei den Eltern. Nachher fühlen die sich noch angegriffen weil die denken, man macht ihnen Vorwürfe... das ist zumindest meine Befürchtung. Wie ist denn dein Verhältnis zu deiner Familie sonst so?

Wenn du magst, kannst du ja mal schreiben, wie der aktuelle Stand ist. Ich hoffe, deine Familie reagiert verständnisvoll und du musst dich in Zukunft nicht mehr verstellen.

Drück dir die Daumen! =)

Liebe Grüße,
Unhappy
Lavendel64
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Registriert: 27. Dez 2017, 14:44

Re: Habt ihr Freunden/Familie von den Depressionen erzählt?

Beitrag von Lavendel64 »

Hallo, ich habe davon erzählt, mehr oder weniger, je nachdem. Meine direkte Familie hat es eh gemerkt, meine Eltern ebenfalls. Allerdings habe ich es soweit kommen lassen, dass ich nicht mehr arbeitsfähig war. Auch in der Firma bin ich offen damit umgegangen und das hat allen geholfen.

Wenn man offen mit Depressionen umgeht, merkt man, wie viele Menschen tatsächlich davon betroffen sind. Der Hausarzt ist kein Facharzt - und selbst für den ist es schwer zu beurteilen. Aber als Psychologe sollte er wissen, dass selbst "einfache" Krisen unterschiedlich belasten. Für das Kind ist ein herunter gefallenes Eis ein Weltuntergang - so unterschiedlich kann die Sichtweise und die Empfindung sein.

LG Lavendel
***Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen ***
Bittchen
Beiträge: 5430
Registriert: 2. Feb 2013, 18:02

Re: Habt ihr Freunden/Familie von den Depressionen erzählt?

Beitrag von Bittchen »

Liebe Dany,

bei mir war es ein schleichender Prozess, bis ich offen zu der Depression stehen konnte.
Auf der Arbeit habe ich es lange nicht öffentlich gemacht,bis ich durch die lange Krankschreibung und späterer Verrentung das nicht mehr verheimlichen konnte.
Heute gehe ich offen mit der Depression um,wenn es mir Mal wieder schlecht geht und ich Verabredungen usw absage.
Meine Familie hat aber schon sehr früh Bescheid gewusst und mich unterstützt.
Eine Maske zu tragen ist sehr anstrengend und dir kann es dabei noch schlechter gehen.
Eine Psychotherapie würde ich bei dir für angebracht halten,das darfst du auch deinem Hausarzt so sagen.
Gute Besserung und mit der richtigen Behandlung kann es dir sehr bald auch wieder besser gehen.
Gönne dir Ruhe und mache aber auch das worauf du Lust verspürst.
Etwas Bewegung an der frischen Luft und Struktur in den Tag bringen ist da ein guter Anfang.

Liebe Grüße
Bittchen
Jeder Tag ist ein neuer Anfang.
Dany97
Beiträge: 20
Registriert: 3. Mai 2019, 14:55

Re: Habt ihr Freunden/Familie von den Depressionen erzählt?

Beitrag von Dany97 »

Vielen Dank für eure Kommentare!

Ich mache zur Zeit eine Therapie, war allerdings ursprünglich wegen etwas völlig anderem da und habe erst im Verlauf erfahren, dass ich Depressionen habe. Ich glaube, das alles war ein sehr schleichender Prozess und ich weiß eigentlich bis heute nicht, wann das wohl angefangen hat.

Ich habe mich leider vor meiner Familie schon immer sehr verstellt. Ich habe ihnen nie gezeigt wie es mir geht und habe auch Angst davor, dass sie mich nicht ernst nehmen würden, wenn ich ihnen von den Depressionen erzählen würde, weil sie mich gar nicht „schlecht drauf“ kennen. Ich kann selbst meine eigenen Gefühle auch nur sehr schwer wahrnehmen und weiß daher auch nicht, wie ich etwas vermitteln soll, was ich selbst nicht spüre. Weinen kann ich auch schon länger nicht mehr und es wäre wohl wahrscheinlicher, dass ich mit einem Lächeln im Gesicht davon erzähle, dass ich Depressionen habe als dass ich anfangen würde zu weinen oder so.

Ich habe meinen Nebenjob auch kündigen müssen, weil mir einfach die Konzentration dafür gefehlt hat. Meiner Familie habe ich den wahren Grund auch nicht erzählt, sondern gesagt, es hätte mir einfach keinen Spaß gemacht.
Wesley
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Registriert: 19. Mär 2019, 10:45

Re: Habt ihr Freunden/Familie von den Depressionen erzählt?

Beitrag von Wesley »

Hallo Dany,
im Prinzip kann ich mich dem Beitrag von Salvatore anschließen.
Meinem direktem Umfeld hab ich von meiner Erkrankung erzählt. Und auch da kamen die gleiche Reaktionen wie bei Salvatore („Waaaas? Duuuu? Neeeee, Quatsch…)
Wir sind eben gute Schauspieler… über Jahre hinweg.
Am meisten hat es meinen Bruder geschockt (andere Verwandte gibt es nicht mehr), ist er doch auch hoch depressiv, und glaubte immer ich würde ihn nicht verstehen ;)
Dieses „Outing“ hatte keinerlei Änderungen im Verhalten meines Umfeldes ergeben.
Ich werde weder geschont, noch laufend darauf angesprochen. Manchmal kommt es mir eher so vor, dass die meisten es wieder verdrängt haben.

Lediglich bei meiner Arbeitsstelle halte ich mich damit zurück.
Mein Vorgesetzter (Täter) sowie die Geschäftsleitung wissen es und das ist auch gut so.
Dann natürlich jene Kollegen, welche selbst bereits wegen der Psyche in Reha waren.
Alle anderen am Arbeitsplatz brauchen es nicht zu wissen, denn leider herrscht hier bei uns immer noch die mittelalterliche Meinung das man halt nur nicht belastbar ist, oder die Hormone verrücktspielen usw.

Würden meine Eltern noch leben, würde ich es ihnen auch sagen.
Genau aus dem Grund wovor du Angst hast.
Damit sie wissen warum ich nun so fühle, oder eben nicht weinen kann, oder wie bei mir fast nur noch weinen muss. Ich denke sie hätten dann beser verstehen können warum ich mich in dieser oder jener Situation so verhalte.

Grüße
Wes
live long and prosper
Frau_Wal
Beiträge: 134
Registriert: 6. Aug 2018, 19:18

Re: Habt ihr Freunden/Familie von den Depressionen erzählt?

Beitrag von Frau_Wal »

Hallo Dany,

diese "Gefühllosigkeit" und die eigenen Gefühle nicht wahrnehmen zu können, das kenne ich auch und ich finde es ziemlich quälend. Meine Maske sitzt super und bei vielen, denen ich es erzählt habe, war die Reaktion: Du? Depression? *Riesenkulleraugen* Ach du Scheiße! Dann kann das ja wirklich jeden treffen! :shock:

Meine Familie hat mich zum Arzt geschickt hat, weil sie gemerkt haben, dass mit mir was nicht stimmt. Da wäre es nur schwer möglich gewesen, die Diagnose vor ihnen zu verheimlichen. Ich hatte auch keine Lust, irgendwelche Ausreden zu erfinden und zum Glück ist unser Verhältnis so gut, dass ich keine negativen Konsequenzen befürchten muss. Tiefes Verständnis für so eine Krankheit wird dadurch leider nicht frei Haus geliefert, aber wenigstens kann ich mit meiner Familie offen über das Thema reden.

Ich habe einen kleinen Kreis von guten Freundinnen, denen ich das nach und nach erzählt habe, wenn sich mal die Gelegenheit dazu ergab. Auch da hatte ich keine Lust auf Geheimnisse und Versteckspielchen. Meine Therapie hat mich zeitweise sehr beschäftigt und es gab Themen, die ich mit meinen Freundinnen gerne mal besprechen wollte. Einige kennen mich z.B. schon sehr lange und haben die verschiedensten Situationen mit mir erlebt. Mich hat ihre Meinung und ihre Einschätzung interessiert, um Dinge für mich geradezurücken und bessere Verhaltensalternativen zu finden.

Bekannten oder Fremden erzähle ich normalerweise erst mal nichts von meiner Depression (außer in anonymen Online-Foren :lol: ). Wenn ich jemanden etwas besser kenne, die Chemie stimmt und sich im Gespräch zufällig herausstellt, dass der andere ähnliche Probleme hat oder auch schon mal in Therapie oder Reha war, dann mache ich kein Geheimnis daraus. Ich binde das nicht jedem gleich auf die Nase und fange nicht von mir aus mit dem Thema an. Ich gewöhne mir aber (ganz langsam und mit viel Mühe) das Versteckspielen ab und versuche, möglichst ohne Maske mit den Leuten zu reden.

Auf der Arbeit wissen allerdings nur zwei sehr vertrauenswürdige Kollegen Bescheid und das möchte ich auch so beibehalten. Es wäre mir zu riskant, da als unzuverlässig, nicht belastbar oder anderweitig problematisch abgestempelt zu werden. Da behalte ich im Zweifelsfall lieber die Maske auf.

Wenn du dein Umfeld einweihen willst, kannst du ja mal in Ruhe überlegen, bei wem es dir am leichtesten fallen würde, über die Depression zu sprechen. Dann kannst du dich langsam ein bisschen aus der Deckung wagen und austesten, wie die Leute reagieren. Die schwierigen Gesprächspartner kannst du dir für später aufheben, wenn du schon ein bisschen Erfahrung darin gesammelt hast, über das Thema zu reden. Du musst auch nicht bei jedem deine Maske komplett fallen lassen und dein Innerstes ausbreiten. Für den Anfang reicht es schon, den Gesprächspartner mal ein bisschen hinter die Fassade schauen zu lassen und abzuwarten, wie die Reaktion ausfällt.

Ich wünsche dir gute Erfahrungen und schöne Gespräche,
Frau_Wal
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