Achterbahn

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undansonsten
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Achterbahn

Beitrag von undansonsten »

Guten Morgen,

ist das normal, dass man in einer Depression einen guten Tag hat und es einen dann am nächsten Tag wieder komplett zerreisst? Dieses Auf und Ab erschöpft mich unglaublich und ich kann ganz schlecht damit umgehen. Diese Achterbahn der Gefühle macht mich echt fertig.

Hab zwar inzwischen gelernt, wie ich es relativ schnell beenden kann, wenn wieder eine Gedankenschleifen-Panik- und Heulattacke mich überfällt aber danach bin ich dann so fertig, dass ich mich nur noch ins Bett legen kann und komplett erschöpft bin, weil mich das Gegenhalten so viel Kraft kostet.

Manchmal wünsche ich mir, dass das alles nicht real ist. Dass ich aufwache und wieder gesund bin und die ganze Sch.... ein böser Traum war. :-(

Niedergeschlagene Grüsse
Bittchen
Beiträge: 5430
Registriert: 2. Feb 2013, 18:02

Re: Achterbahn

Beitrag von Bittchen »

Liebe undansonsten,

durch die lange Zeit in denen ich an rezidivierenden Depressionen leide, habe ich viele verschiedene Episoden schon erlebt.
Es ist immer wieder auch anders, sehr anstrengend,aber es wird auch wieder leichter.
Es ist ein sch.....Krankheit,aber mit der Zeit lernt man damit umzugehen.
Heute stürze ich nicht mehr so tief ab,toi,toi toi.
Stress ist in einer depressiven Episode Gift und auch oft der Auslöser.
Wir haben in unserem Leben Verluste und Verletzungen erlebt,die wir unserem Gehirn gespeichert haben.
Auch haben wir vielleicht eine lange Zeit damit verhältnismäßig gut leben können.
Dann kommen Ereignisse,Befürchtungen oder Verlustängste erneut dazu und das triggert uns und löst eine erneute Episode aus.
Du machst ja auch viele Dinge die dich entspannen und gut tun.
Es braucht Geduld,ich mag dieses Wort überhaupt nicht , aber bis du dich besser fühlst
kann es etwas dauern.
Das einige Tage besser sind, deutet für mich auf eine langsame Genesung hin.
Für mich war es eine Erleichterung,wenn ich weinen konnte,denn ich war auch oft wie versteinert.
Das ist auch bei jedem anders oder auch bei jeder Krise anders,so meine Erfahrung.

Ich wünsche dir gute Besserung und liebe Grüße
Bittchen
Jeder Tag ist ein neuer Anfang.
undansonsten
Beiträge: 227
Registriert: 23. Jun 2019, 19:14

Re: Achterbahn

Beitrag von undansonsten »

Liebe Bittchen,

vielen Dank für deine liebe Antwort. Zu meinem Glück (aber zum Unglück meiner Familie) kann ich seit einem halben Jahr weinen. Das kann dann aber auch mal ne Stunde dauern. Da ich mir mit 8 geschworen habe, nie wieder zu weinen, und das auch durchgehalten habe bis ich 52 war, denke ich aber, dass es all die ungeweinten Tränen sind, die da jetzt fliessen und nehme es positiv. Allerdings belastet es meine Familie, die mich ja gar nicht so kennt, ich war immer die fröhliche Mutter ("unkaputtbar", wie meine Freunde immer sagten, die schleunigst das Weite suchten, als ich plötzlich "kaputtbar" wurde).

Danke dass du sagst, dass für dich eine Genesung erkennbar ist. Meine Therapeutin sagt das auch, aber oft fühlt es sich für mich gar nicht so an. Ich möchte daran glauben können, damit es erträglicher wird. Auf den Stressauslöser habe ich leider keinen Einfluss, aber ich lerne gerade, damit besser umzugehen. Ich MUSS.
Bittchen
Beiträge: 5430
Registriert: 2. Feb 2013, 18:02

Re: Achterbahn

Beitrag von Bittchen »

Liebe undansonsten,

das Wort muss habe ich schon lange aus meinem Wortschatz gestrichen.
Vor sehr langer Zeit habe ich in einem Fachbuch den Satz gelesen,
"Ich will nicht,ich muss auch nicht ,aber ich kannst ".
Der Satz fällt mir immer wieder ein wenn ich abzudriften drohe.

Als Tochter einer schwer alkoholkranken Mutter geboren worden zu sein,das hinterlässt Spuren
in der Seele eines Kindes.
Was du trotzdem erreicht hast,zeigt wie stark du bist,das schaffen nur sehr wenige bei so schlechten Voraussetzungen.
Auch die momentane Krise wirst du bewältigen.
Ich möchte dir empfehlen, dich damit zu beschäftigen,was suchtkranke Eltern in der Seele eines Kindes anrichten können.
Aber du wirst das bestimmt in deiner Therapie schon thematisieren.
Da gibt es Angehörigengruppen und auch passende Literatur.
Hilfreich ist es nach meiner Meinung auch,sich mit Angehörigen auszutauschen, denen diese Katastrophe in ihrer Kindheit auch völlig unschuldig passiert ist.
Auch wenn deine Mutter schon verstorben ist,hat sie ja eine große Verwüstung in deiner Psyche hinterlassen.
Sie war sehr sehr krank,das soll aber ihr Handeln nicht entschuldigen,nur dass du es besser verstehen und einordnen kannst.
Vielleicht hatte sie auch Depressionen und hat den falschen Tröster Alkohol dagegen benutzt .
Es ist erschreckend was diese Sucht aus einem Menschen machen kann.
Du hattest als Kind einfach Pech ,dass sie so in ihrer Sucht gefangen war und sich zu Tode getrunken hat.
Gehe ich da recht in der Annahme ?
In der Lebensmitte von Frauen spielen auch die Hormone eine große Rolle,das nur nebenbei.
Da kommen verdrängte Verletzungen vermehrt hoch,so meine eigene Erfahrung.
Sei sehr stolz darauf,was du erreicht hast ,denn die Vergangenheit ist vorbei.

Das Buch von Eckart Tolle" Jetzt" ist da sehr hilfreich.


Alles Gute !!!

PS. Wenn ich was doppelt geschrieben habe,sehe es mir bitte nach.
Jeder Tag ist ein neuer Anfang.
undansonsten
Beiträge: 227
Registriert: 23. Jun 2019, 19:14

Re: Achterbahn

Beitrag von undansonsten »

Sie hat mit Rauchen, Saufen und Psychopharmaka aufgehört an dem Tag, an dem ich ausgezogen bin.

Gestorben ist sie an Krebs.
undansonsten
Beiträge: 227
Registriert: 23. Jun 2019, 19:14

Re: Achterbahn

Beitrag von undansonsten »

Ja, ich hab schon gesehen, dass es eine Selbsthilfegruppe gibt hier. Da werde ich mal hingehen, ist aber erst in drei Wochen.
anna54
Beiträge: 3713
Registriert: 14. Sep 2010, 15:08

Re: Achterbahn

Beitrag von anna54 »

Hallo Undansonsten
dein Name macht mich nachdenklich,weil das so nebenbei ausgesprochen wird und niemand auf eine Antwort achtet,oder wirklich eine Antwort will.
Unkaputtbar ist auch so ein Wort----es drückt aus,was andere glauben wollen und sicher auch erwarten,Funktionsmodus.
Ich lese nur teilweise,habe aber einfach dir schreiben wollen,wie sehr ich angesprochen bin,von dem was du erleben musstest.
Alles Gute
anna54
undansonsten
Beiträge: 227
Registriert: 23. Jun 2019, 19:14

Re: Achterbahn

Beitrag von undansonsten »

Liebe Anna,

Ach ja, stimmt, interessant!!! Danke für den Hinweis. ich wollte eigentlich zwei andere Namen, aber die gab es schon und dann hab ich mir dieses Pseudonym ausgedacht.

...und wie recht du hast!

Neulich im Hockeyverein: "Und? Wie gehts dir? Lange nicht gesehen!" "Ja, mir gehts nicht so gut!" "Ach, was hast du denn, bist du krank?" (mitleidiger Blick) "Ja, ich habe eine Depression." "Oh, ach ja. Ach was, das hat ja jetzt jeder, der was auf sich hält, ist ja eher so ne Modekrankheit!" (nervöses Lachen) - "...und ansonsten"?


:-) Exakt genau so erlebt.
undansonsten
Beiträge: 227
Registriert: 23. Jun 2019, 19:14

Re: Achterbahn

Beitrag von undansonsten »

Bittchen, das Buch schau ich mir nachher mal an, wenn ich etwas Muße habe, danke für den tipp!
Aurelia Belinda
Beiträge: 7984
Registriert: 23. Aug 2018, 20:03
Wohnort: Mittelfranken

Re: Achterbahn

Beitrag von Aurelia Belinda »

Hallo und ansonsten,
Welch wahre Worte von dir.
Ich glaube sogar dieses ständige gegen halten müssen, sich ständig mit sich selbst beschäftigen müssen, immer wieder mal neue Strategien entwickeln müssen, um “einen Rückfall“ vorzubeugen, ist mitunter das aufreibendste an der ganzen Geschichte....abgesehen vom Leid, Verlust und und.
Schauen dass man irgendwie dem “täglichen Kampf“ trotzt, stand hält.
Sich dabei nicht vergisst, andere dabei nicht vergisst, Dinge die einem wichtig sind nicht außer acht lässt. Und sofort.

Geht ab und zu an die Substanz.
Ich war sehr lange stabil, ohne diese ewigen auf, ab Phasen.
Befinde mich gerade im Wandel.
Weiß noch nicht wohin der Weg geht.
Merke nur, diese auf, ab Phasen sind heftig. Und regelmäßig.

LG Aurelia
Alle eure Dinge lasset in Liebe geschehen
undansonsten
Beiträge: 227
Registriert: 23. Jun 2019, 19:14

Re: Achterbahn

Beitrag von undansonsten »

Auf und ab. Hin und Her, hoch und runter. Ich werde von irgendetwas ständig in meinem Emotionen hin- und herkatapultiert. Komme mir gerade vor wie in so einem Flipper, wo ich jedes Mal, wenn ich irgendwo antitsche, ausser Kontrolle irgendwohin geschossen werde emotional. Ich habe mich überhaupt nicht mehr unter Kontrolle, versuche aber ständig so zu tun, als wenn alles in Ordnung wäre. Es gibt gute Tage. Und es gibt viel mehr Tage, an denen ich mich einfach nur furchtbar und gelähmt fühle. Ich spiele mein Leben aber in mir bin ich gar nicht da.

Es ist einfach so schrecklich anstrengend. Ich hab Angst, dass es nie mehr aufhört. Wenigstens kann ich schlafen, weil ich so tief erschöpft bin.
binerchen
Beiträge: 23
Registriert: 14. Mai 2019, 07:35

Re: Achterbahn

Beitrag von binerchen »

Liebe undansonsten,

manchmal denke ich, das ist mit das schlimmste, dass man sich nicht auf einen Zustand einlassen kann, weil er sich innerhalb von Stunden wieder ändert.

Aber es wird wieder besser werden, du musst nur Geduld haben

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