Kontakt während Tiefphase

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180419
Beiträge: 9
Registriert: 24. Jun 2019, 13:34

Kontakt während Tiefphase

Beitrag von 180419 »

Ich wollte mal fragen, welche Erfahrungen ihr damit gemacht habt, eure Betroffenen während einer Tiefphase zu kontaktieren.

Wie haben sie reagiert, wenn ihr versucht habt, sie zu ermutigen, ihr Verhalten zu verzeihen, ihnen Unterstützung anzubieten, ... ?

Allen Betroffenen gemeinsam scheint ja die Reaktion, sich fürs Erste abzukapseln, zu sein. Wie geht ihr damit um und welche Folgen ergeben sich dabei für euch?
FrequentFlyer
Beiträge: 293
Registriert: 23. Dez 2017, 02:20

Re: Kontakt während Tiefphase

Beitrag von FrequentFlyer »

Hallo 180419!

Kleiner Post, viele Fragen ;-)

Ganz kurz zu mir: Meine Freundin hat in den letzten vier Jahren in denen wir zusammen sind insgesamt fünf (?) mal die Beziehung zu mir beendet, jeweils während einer Episode. Drei davon gingen schnell vorüber und derzeit steckt sie in der zweiten schweren Episode seit dem wir zusammen sind. Aber eigentlich sind wir ja derzeit nicht zusammen, da sie die Beziehung mal wieder beendet hat aber egal, denn ich bin eigentlich ziemlich sicher das wir wieder zusammenkommen werden.

Wirkliche Probleme habe ich eigentlich nur noch in der Übergangsphase. Ich habe irgendwann für mich entschieden das ich mich nicht taktisch verhalten will. Und so habe ich ihr auch dieses mal sehr deutlich gesagt was ich von diesem „Schluss machen“ halte. Damit verbessere ich die Situation nicht gerade und treibe sie wahrscheinlich eher viel schneller dazu sich zurück zu ziehen. Aber mir tut es gut – vielleicht verhindert es auch Magengeschwüre ;-) Dieses in sich rein fressen kann nicht gut sein und vielleicht machen wir Angehörige dies zu oft. Ich entschuldige mein Verhalten auch damit das ich mir sage, dass diese Welt eine Welt von nicht Depressiven ist, meine Freundin mich so kennen gelernt hat wie ich bin und mich so lieben gelernt hat.

Nun ist diese Übergangsphase vorbei, auch ich habe kapiert das sie wieder in einer schweren Episode ist und mache das womit ich schon in ihrer letzten schweren Episode Erfolg hatte: Nämlich einzig und alleine mich ab und zu melden und damit zu zeigen das ich noch da bin. Ich biete keine Unterstützung explizit an, denn wir als Angehörige sind nicht der Therapeut und zumindest bei meiner Freundin weiß ich, das sie sich nur selbst helfen kann – ich kann ihr nicht helfen. Ich ermutige auch nicht, denn dies führt ihr ja nur ihre Krankheit vor Augen.
Was ich allerdings mache ist ihr mitzuteilen, das ich mit ihrer Krankheit leben kann. Es ist einfach so wie es ist. Ich würde das nicht einmal ihr verzeihen nennen. Ich muss mich mit ihrer Krankheit arrangieren und es gibt wirklich kein Gesetzbuch das sagt wie eine Beziehung aussieht. Ich habe mal den Vergleich gemacht mit Angehörigen von Menschen die zur See fahren. Diese sind auch mal für Monate weg – und ob sie zurück kommen wissen wir nicht bei der Abfahrt. Ein Sturm könnte sie sonst wohin treiben. Aber in aller Regel kommen sie zurück.
Also konkret sieht dies bei mir so aus, dass ich ihr immer mal wieder Nachrichten schicke. Grüße zu Ostern, zu Pfingsten. Ein Blumenstrauß zu ihrem Geburtstag. So etwas in der Art. Ohne tiefschürfende Kommentare und verbunden mit nur einer Botschaft: Ich bin da und mich gibt es.
Mal kommt eine Antwort, mal nicht. Mal kommen Grüße zurück, mal der Hinweis das ich es sein lassen soll denn sie will nie wieder etwas mit mir zu tun haben. Und das ignoriere ich dann, denn schon beim nächsten mal kann sie sich wieder über eine Nachricht von mir freuen. Denn wenn diese Beziehung ein Ende haben wird, dann nur außerhalb einer Episode.

Und da du fragst wie ich damit umgehe: Nun ja, wir beide sind über 50 und führen eine Fernbeziehung. Ich habe mein eigenes Leben und viele Hobbys, Freunde, Kinder... Sie fährt halt derzeit mal wieder zur See ;-) Okay, so leicht wie ich es schreibe ist es dann doch nicht. Mein Grundgefühl ist allerdings nicht Trauer, Verzweiflung... es ist einfach nur genervt sein. Warum um alles in der Welt muss sie immer wieder raus auf den Ozean? Es nervt.

LG
Candless
Beiträge: 190
Registriert: 7. Okt 2018, 22:10

Re: Kontakt während Tiefphase

Beitrag von Candless »

180419 hat geschrieben:Ich wollte mal fragen, welche Erfahrungen ihr damit gemacht habt, eure Betroffenen während einer Tiefphase zu kontaktieren.
Ich halte mich zurück und reagiere, wenn sie sich meldet, tut sie es nicht, kommt von mir ab und zu mal ein oberflächliches Lebenszeichen, ein "schönen Tag" oder "sonnige Grüsse", mehr nicht. Ich vermeide emotionale Themen, Beziehungsthemen klammere ich völlig aus, auch Diskussionen oder tiefgründige Themen. Würde es kompliziert, würde sie den Kontakt ganz abbrechen, da sie derzeit keine Kraft dafür hat sich mit anderen auseinander zu setzen.
180419 hat geschrieben:Wie haben sie reagiert, wenn ihr versucht habt, sie zu ermutigen, ihr Verhalten zu verzeihen, ihnen Unterstützung anzubieten, ... ?
Sobald meine Ex merkt, dass ich sie anders behandle als ausserhalb der Krise, wird sie wütend. Ich kann ihr nicht helfen, eine Depression ist keine Krankheit, die man gemeinsam durchstehen kann. Da muss jeder Betroffene ganz alleine durch. Ich denke, weil sie das spüren, distanziereden sie sich ja auch und machen in so vielen Fällen auch Schluss. Ich ermutige sie nicht, ich biete ihr auch keine Unterstützung an, denn dann fühlt sie sich kleingemacht, das hat sie mir mal gesagt. Und sie hat ja auch Recht. Es kann eine ganz ungesunde Asymmetrie ergeben, wenn man hier zum Helfenden und der andere zum Hilfsbedürftigen wird. In der Depression ist man eh schon passiv, ohne Kraft, da würde das ja diesen Zustand noch verstärken. Zu verzeihen gäbe es etwas, wenn sie gesund wäre und sich so verhalten würde. Sie kann aber nicht anders und dadurch, dass sie Schluss gemacht hat, hat sie ja auch geklärt, in welchem Verhältnis wir zueinander stehen. Ansprüche an ihr Verhalten, nach Aufmerksamkeit, Interesse oder so kann ich da eh nicht mehr haben. Das ist sicher auch einer der Gründe, dass sie Schluss gemacht hat, sich selbst aus diversen "Anforderungen" heraus zu nehmen, die sie derzeit eh nicht erfüllen kann und an denen sie folglich scheitern muss.
180419 hat geschrieben:Allen Betroffenen gemeinsam scheint ja die Reaktion, sich fürs Erste abzukapseln, zu sein. Wie geht ihr damit um und welche Folgen ergeben sich dabei für euch?
Ich lasse sie in Ruhe und respektiere es. Sie braucht Zeit für sich, ob irgendwann nochmal die Partnerschaft zur Diskussion steht, weiss ich nicht, also konzentriere ich mich auf mein Leben. Falls wir nicht mehr zusammenkommen, muss ich damit zurecht kommen und das kann ich auch. In der Depression geht es nicht mehr um uns, die Beziehung, eine gemeinsame Zukunft, die Gestaltung eines Miteinanders. Es ist wie als wenn die emotionale Verbindung plötzlich komplett gekappt wird. Wenn man wieder zueinander finden würde, müsste danach gesucht werden, wie die losen Enden wieder verknüpft werden können. Manchmal habe ich meine Zweifel, ob das wirklich passiert oder sich nicht ein dauerhaftes Muster bildet einer On-Off-Beziehung, bei der die Verbindung immer auf eine Art brüchig bleibt. Da muss man sich auch überlegen, ob man dazu bereit ist.

Ganz liebe Grüsse
Ich bin hier, weil ich mich mit anderen Angehörigen offen über alles austauschen möchte.
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