Wie fühlt sich Depression für euch an?

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lululu
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Wie fühlt sich Depression für euch an?

Beitrag von lululu »

Hallo zusammen. Ich habe oft das Gefühl, dass ich mich in den Erfahrungsberichten von ebenfalls depressiven Menschen manchmal nur schwer wiederfinden kann. In einigen Punkten schon, aber das Gesamtbild ist häufig ein anderes. Klar, jede Depression ist anders, trotzdem wünsche ich mir manchmal mehr Schnittmengen, um das Gefühl zu haben nicht allein zu sein. Vielleicht auch um mich ein bisschen "normaler" zu fühlen. Ich schreibe mal ein paar Stichpunkte auf. Kurz als Info vorher zu mir: Ich mache seit 2 Jahren eine tiefenpsychologische Einzeltherapie und befinde mich gerade wieder in einer depressiven Phase, in der zweiten schwereren.

- Selbstentwertung bis hin zum Selbsthass
- ich fühle mich niemanden wirklich nah
- emotionale Zusammenbrüche begleitet von Beklemmungsgefühlen und dem Bedürfnis aus dem eigenen Körper rauszugehen, Wut auf mich selbst, auf das Leben, den Zustand, Einschlagen auf Kissen (zeitweise auch auf mich selbst)
- keine Lebensfreude, wenig Zuversicht
- fühle mich unauthentisch, charakterlos, leer - besonders, wenn ich mit anderen Menschen zusammen bin, mich in einer Gruppe aufzuhalten und mich wohlzufühlen, ist gerade nicht möglich
- Sätze, die ich sage fühlen sich oft wie auswendig gelernt an, gespielt (keine Authentizität)
- beobachte mich selbst (Außenwahrnehmung), wie nehmen die anderen mich wahr, bin unsicher und denke dass meine gesamte Ausstrahlung sehr seltsam ist
- kann nicht im Moment sein, stehe neben mir
- fühle mich niemandem wirklich verbunden, spüre keine Zuneigung anderen und mir selbst gegenüber
- ich schlafe sehr viel, Morgentief
- ich empfinde mich als geistlos, ideenlos, wissenslos, interessenlos, fähigkeitslos
- wenig Antrieb
- fühle mich in einem Körper und Geist gefangen, dem ich nicht angehören will
- führe mir das Leben vor Augen, was ich gerne leben möchte - weit von der Realität entfernt, mein derzeitiges Leben empfinde ich als monoton und langweilig
- ich fühle mich einsam
- negative Erfahrungen, in denen ich meiner Meinung versagt habe, schweben wie eine dunkle Wolke über mir und begleiten mich durch den Alltag
- ich suche nach extremen Gefühlszuständen (durch Liebesbeziehungen, Drogen), nur wenn ich sehr glücklich oder sehr traurig bin, fühle ich mich lebendig
- ich kann mich weder für andere freuen noch mit anderen mitfühlen, wenn es jemand schlecht geht - wenig Empathie
- im Alltag fühl ich mich innerlich tot, leer, emtionslos
- wenn ich zur Arbeit gehe, setze ich ein Lächeln auf, die Begegnungen mit Kolleg*innen fühlen sich unecht und angestrengt an, ich fühle mich extrem unwohl mit mir selbst, bin unkoordiniert, desorganisiert, fahrig und unkonzentriert, "stehe neben mir"
- fühle mich unverstanden, verstehe mich manchmal selbst nicht
- ich stelle all meine Beziehungen in Frage
- ich bin nicht in der lage stabile Beziehungen zu Menschen, die neu in mein Leben kommen aufzubauen
- ich spüre ein tiefes Bedürfnis mich mit Menschen zu verbinden, jemandem geistig nah zu sein, körperlich auch, wobei das glaub ich unwichtiger ist - ich möchte lieben und geliebt werden, egal ob in Freundschaft oder Partnerschaft
- ich sehne mich nach Zugehörigkeit
- ich fühle mich grundsätzlich anderen Menschen unterlegen
- ich vergleiche mich mit den Menschen in meinem Umfeld und fühle mich nutzlos, wenn ich sehe was um mich herum alles geleistet wird
- ich bin wenig impulsiv, Wut empfinde ich in den meisten Fällen nur mir selbst gegenüber
- Beziehungen in denen ich zwischenmenschlich gescheitert bin, bleiben im Geiste bei mir

Ich könnte die Liste wahrscheinlich noch weiterführen. Aber das sind schon mal viele Punkte, die gerade vorherrschend sind. Durch all das breitet sich ein lähmendes Gefühl in mir aus, das mir die Freude und Lust am Leben nimmt. Dazu ist zu erwähnen, dass es auch Phasen in meinem Leben gab (zum Teil begleitet durch Drogenkosum), wo ich mich sehr euphorisiert, energiegeladen und geliebt gefühlt habe. In dieser Zeit neige ich dazu mich selbst übersteigert wahrzunehmen und fühle mich dann, ganz gegenteilig zu dem was ich gerade berichtet habe, anderen Menschen gegenüber überlegen. Die Resonanz die ich dann zwischen meinen Mitmenschen und mir wahrnahm, war sehr positiv, auch im nüchternen Zustand, Ich hab mich selbst gespürt, empfand das Zusammensein mit Menschen (egal ob mit neuen oder vertrauten) als angenehm, natürlich und unangestrengt. Diese Phasen hatte ich bisher zwei Mal seit Beginn meiner Therapie und gingen jeweils über zwei/drei Monate. Ich bin mir nur nicht sicher, wie viel davon auf mich selbst und einem Therapieerfolg zurückzuführen ist und wie viel auf den Drogenkosum.
Bei all dem was ich fühle und denke, empfinde ich eine ausgeprägte Scham.
Ich habe eine diagnostizierte residivierende depressive Störung. In meiner Therapie sind die Kernpunkte über die gesprochen werden: Selbstwertregulation, Idealbild, Analysieren sozialer Situationen, Suche nach extremen Gefülsausbrüchen.

Vielleicht findet sich jemand wieder. In einigen Punkten sicherlich.
Danke fürs Durchlesen!
janedoe
Beiträge: 556
Registriert: 6. Mai 2017, 21:17

Re: Wie fühlt sich Depression für euch an?

Beitrag von janedoe »

Hallo lululu,

Die Depressionssymptome sind mir, bis auf eine oder zwei Ausnahmen, so sehr bekannt. Ich nehme keine Drogen, wenn man davon ausgeht, dass Schoki und Cola keine sind. Besonders diesen ausgeprägten Selbsthass, diese innere Leere, die Gefühlslosigkeit, die Wut und das SVV kenne ich zur Zeit auch sehr gut. Dazu kommen chronische Gedanken, die hier nicht geäußert werden dürfen.
Gruppen, viele Menschen und Lautstärke ertrage ich nur schlecht. Wobei Lautstärke durchaus auch mal ein lauteres Lachen sein kann.
Depression hat so viele Gesichter, aber Dein Beitrag hätte auch von mir sein können. Ich kenne die Maske für Kollegen und Therapeuten sooo gut. Werde doch von anderen ganz anders beurteilt, was ich sehr begrüße. Nur nicht zeigen wie es wirklich in mir aussieht, wer ich wirklich bin, man könnte mich nicht mögen, mir die LTA streichen und Zwangseinweisen. Es ist furchtbar anstrengend und dementsprechend müde und ausgelaugt fühle ich mich.
Ich drück Dich und wünsche Dir so sehr, dass Du aus diesem Tief findest, ohne Drogen. Ich hoffe, Du kannst Dich eines Tages so annehmen wie Du bist. Jeder Mensch ist wertvoll, auch Du.
Unhappy38

Re: Wie fühlt sich Depression für euch an?

Beitrag von Unhappy38 »

Hallo Lululu,

habe gerade deinen Text gelesen und mich in vielem wiedererkannt.

Ein schlechtes Selbstbild bis hin zu Selbsthass an manchen Tagen kenne ich auch sehr gut. Ich habe gerade erkannt, dass ich mich schon seit Jahren selbst anlüge und mir was vormache... nun mit fast 39 ist es echt schwer, mit allem wieder von vorne zu beginnen. Das macht mich echt fertig, dass ich diese Erkenntnisse nicht 10-15 Jahre früher hatte. Hasse mich auch manchmal dafür(gerade jetzt)!
Am meisten finde ich mich wieder in deinem fehlenden Zugehörigkeitsgefühl. Ich bin verheiratet und habe 2 Kinder und fühle mich oft fremd und einsam innerhalb der eigenen Familie. Mein Mann kann meine Gefühle überhaupt nicht nachvollziehen, weil er sowas nicht kennt. Habe schon aufgehört, mit ihm darüber zu reden. Kann auch schwer Nähe zulassen, außer mit meinem Mann u 1 Freundin geht alles nach ner gewissen Zeit in die Brüche.

Auch auf der Arbeit das kenne ich sehr gut. Man setzt ein Lächeln auf, macht einen Witz oder lacht über einen. Kaum ist man alleine, fallen die Mundwinkel wieder runter. Ich habe mir vorgenommen, nicht mehr so oft zu lachen, wenn mir nicht danach ist. Manchmal muss es halt sein. Aber wenn man es ab und zu schafft, authentisch zu bleiben fühlt man sich schon etwas besser. Dieses ganze zwanghafte Lächeln und hier und da freundlicher Small Talk kann echt super anstrengend sein!

Ja, Drogen hab ich früher auch genommen, da war ich größtenteils noch minderjährig. Habe ich zum Glück seit 17 Jahren hinter mir gelassen. Manchmal habe ich immer noch den Wunsch mich aus dem Leben zu schießen aber ich mache es nicht und schreibe stattdessen hier in das Forum :-)

Langweilig, unterlegen usw ja und ja... geht mir auch oft so. Bin bei Fremden oft selbstbewusst aber je besser man mich kennt, desto unsicherer werd ich.

Also, dir geht es nicht alleine so! Ich weiß nicht, wie alt du bist aber ich denke, dass man immer noch einiges im Leben verbessern kann - das muss ich mir auch gerade selbst immer wieder sagen :-(

Ich wünsche dir trotzdem einen schönen Abend und schicke dir liebe Grüße
lululu
Beiträge: 4
Registriert: 4. Feb 2018, 22:17

Re: Wie fühlt sich Depression für euch an?

Beitrag von lululu »

Wenn ich mir mein Geschriebenes so duruchlese, hört sich das alles so wehleidig an. In solchen Moment überkommt mich ein Schamgefühl, dass ich mich so viel beschwere und so wenig Dankbarkeit zeige für das was da ist. Ich habe Freunde (tolle Menschen!) und eine Familie, die für mich da ist. Und doch ist mir das zu wenig. Wieso fühl ich mich in so vielen Bedürfnissen nicht begriedigt. Wieso fühle ich mich mir selbst und anderen gegenüber so fremd. Der Weg zur Zufriedenheit ist Selbstliebe oder zumindest -akzeptanz. Sich dem Leben und sich selbst gegenüber öffnen. Achtsam durch die Welt gehen und im Moment sein. Bei sich bleiben. Mein größter Wunsch ist es die destruktiven Gedanken in meinem Kopf abzuschütteln - den Selbstzweifel, das Vergleichen, das Misstrauen, die Angst. Denn all das ist toxisch, isoliert dich und hindert dich daran zu leben. All das ist mir klar, nur fehlt mir der Weg dort hin.

Vielen Dank für eure Rückmeldung!
Unhappy38

Re: Wie fühlt sich Depression für euch an?

Beitrag von Unhappy38 »

Das hast du schön geschrieben. Ich wünsche dir, dass du das irgendwann umsetzen kannst! Vielleicht schaffe ich das ja auch.
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