Nicht zugehörig

Gertrud Star
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Re: Nicht zugehörig

Beitrag von Gertrud Star »

Hallo Allegretto,

ich lese hier meist mit und trage wenig bei, weil bei mir das Thema Zugehörigkeit ein sehr belastetes ist.
Mir kam die Frage neulich wieder auf, und die neuen Gedanken dazu sind zum Teil recht verwirrend, würde ich im Moment noch nicht einmal genauer weiter denken wollen und erst recht noch nicht öffentlich schreiben. (zumal das dann doch recht viel würde, und ich mit dem Arm gehandicapt bin derzeit)

Für mich hat das alles aber schon auch mit passenden/unpassenden Umfeldern zu tun, in denen ich lange verharren musste. Es hat mit der Kommunikation im Elterhaus zu tun, was ein Lebensgefühl gemacht hat. Aber es hat auch mit dem Entwurzelungsschock aufgrund der deutschen Einheit zu tun und meiner Überschuldung damals. Vor allem aber auch, dass ich das nie auflösen konnte, weil mir nicht genau gesagt wurde, was mit mir eigentlich los ist, also in den Therapien viel zu lange im Nebel gestochert wurde, mit allen finanziellen, sozialen und gesundheitlichen Folgen.
Psychische Krankheit macht einsam, eine solche Biografie alleine auch schon.

Eigentlich ist das genug Potenzial für solch ein Nicht-Zugehörigkeitsgefühl.
Wie man das auflöst, dieses Rätsel erschließt sich mir leider nicht.
Vielleicht muss man einen Teil davon bis zum Tod einfach mitnehmen und kann das nur lindern.

LG Gertrud
Allegretto

Re: Nicht zugehörig

Beitrag von Allegretto »

Hallo Gertrud,

Danke für Deinen schnellen Beitrag.
Du hast sehr recht. Das Thema Zugehörigkeit ist belastend, auch für mich. Ja, das habe ich mitbekommen - Deine Thematik infolge der "dt. Einheit". Und ich verstehe gut, wenn Du das Thema Zugehörigkeit beiseite schieben musst.
Deine Gedanken zu passenden/unpassenden Umfeldern, der Kommunikation im Elternhaus und dem "Entwurzelungsschock" finde ich nachdenkenswert.
Zwar gänzlich anders als Du, aber auch entwurzelt, vielleicht eher wurzellos und ohne Heimat, sehe ich mich.
Ja, psychische Krankheit macht einsam. Und wohl auch die eigene Biographie - Deine, vielleicht auch meine.

Auflösen wäre schön, wenigstens aber lindern, so hoffe ich.
LG Allegretto
DieNeue
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Re: Nicht zugehörig

Beitrag von DieNeue »

Hallo Allegretto,

ich wollte dir nur schreiben, dass ich nicht wegen dir oder deiner Art zu schreiben nicht mehr mitgeschrieben. Ich glaube, dein Problem ist etwas anders gelagert als ich anfangs dachte und bei mir ist das Thema grade nicht aktuell, sondern andere Dinge.
Allegretto hat geschrieben:Eine andere Erklärung, die mir so kam im Vergleich zu anderen Themen, ist die dass "meinem Thema" kein "aktuelles Ereignis" zugrunde liegt. Es ist nichts, was mir aktuell oder vor kurzem widerfahren ist, sondern ein subjektives, meiner Gefühlswelt entsprungenes Thema, über das zu schreiben wohl auch schwer ist.
Könnte vielleicht auch sein, dass es für manche leichter nachzuvollziehen ist, wenn es konkrete Beispiele gibt. Oder wie Gertrud schrieb, dass es für manche einfach kein einfaches Thema ist.

Aber bei mir hat das nichts mit dir persönlich zu tun :)

Liebe Grüße,
DieNeue
Aida1
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Re: Nicht zugehörig

Beitrag von Aida1 »

.
Zuletzt geändert von Aida1 am 28. Aug 2019, 16:49, insgesamt 1-mal geändert.
Man muss sich selber lieben lernen - also lehre ich - , mit einer heilen und gesunden Liebe:
dass man es bei sich selber aushalte und nicht umherschweife. -Friedrich Nietzsche-
StrassenAusZucker
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Re: Nicht zugehörig

Beitrag von StrassenAusZucker »

Liebe Allegretto,

ich danke dir sehr für deine Antwort. Ich weiß, schon länger her, aber ich finde erst jetzt die Muße und Kraft, darauf zu antworten. Auch weil seitdem einiges bei mir passiert ist.

Du hast recht, ich habe sicher eine Depression (und auch soziale Phobie) und dies schon lange. Das erste mal bewusst habe ich sie mit 17 erlebt (bin jetzt 41). In den letzten Jahren war sie immer intensiver, was auch mit einer chronischen Krankheit zu tun hat, die mich körperlich und mental sehr fordert. Ich hatte auch schon einige Anläufe für eine Therapie versucht, aber letztendlich nie angefangen. Im Juli habe ich aber endlich ein Erstgespräch, worauf ich einige Hoffnung lege, mein Sein besser akzeptieren zu können und vielleicht auch das Verhalten gegenüber anderen etwas zu ändern.

Die letzten Wochen habe ich versucht, einen Auslöser für mein Empfinden zu finden, auch mit Hilfe einer Freundin, die ich vor einigen Wochen kennengelernt habe und die viel dazu beigetragen hat, dass ich eine Therapie mache. Ich habe mich geöffnet wie selten oder eher nie zuvor. Wobei ich gerade viele Zweifel hab, ob dieses öffnen richtig war, die Angst vor Verletzung ist groß.

Ich mir auch viele Fotos aus Kindertagen angeschaut. Bei den Fotos fällt mir auf, dass ich zwar meist glücklich wirke (und in meiner Erinnerung auch war), auf Gruppenfotos mich aber häufig recht distanziert halte. Als ob ich mich schon da "nicht zugehörig" gefühlt habe. Wie geht es euch, habt ihr auch solche Hinweise aus der Kindheit?

Ich wünsche euch einen schönen Abend
Liebe Grüße
BunteTupfen
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Re: Nicht zugehörig

Beitrag von BunteTupfen »

Hallo Aida,

danke der Nachfrage, an meinem Befinden hat sich nichts geändert.

Hier zu schreiben war einerseits befreiend und eine neue Erfahrung für mich. Andererseits belastet mich die Teilnahme am Forum auch, da ich dadurch zusätzlich mit meiner Krankheit konfrontiert werde. Tatsächlich ist mir aber nach Abstand, auch deswegen habe ich mich zurückgezogen. Zudem empfinde ich die "Schlagzahl" als recht hoch, wenn man am Ball bleiben möchte.

Dieser Thread von Allegretto hatte es verdient wiederbelebt zu werden und natürlich interessiert er mich.

Herzliche Grüße
Bunte Tupfen
Zuletzt geändert von BunteTupfen am 1. Jun 2019, 22:47, insgesamt 2-mal geändert.
BunteTupfen
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Re: Nicht zugehörig

Beitrag von BunteTupfen »

Allegretto hat geschrieben:Aufgrund von mehreren und auch frühen Verletzungen, sowie dem Erfahren-Müssen, dass der Wunsch nach Nähe und Geborgenheit ausgenutzt oder gar missbraucht wird oder wurde, ist es sehr schwer, erneut Vertrauen zu wagen, sich zu zeigen und anzuvertrauen.
Liebe Allegretto,

Wunden, ganz besonders tiefe Wunden, zu schließen, ist schmerzhaft und dauert oft lange.
Und es kommt darauf an, ob ich mit diesen Wunden allein bin, oder ob es ein soziales Umfeld gibt, das neue Erfahrungen und Ablenkung von diesen Wunden bietet.

Wie Du in Deinem Aphorismus, den ich zitiert habe, selbst schreibst, bedarf es Mut und dem Wagnis, sich auf Neues, neue Begegnungen, neue Menschen, einzulassen. Wenn wir dieses Wagnis nicht eingehen, wenn wir diesen Mut nicht aufbringen, vertun wir die Chance Veränderungen zu ermöglichen, und neue, positive Erfahrungen zu sammeln und bleiben im Zweifelsfall einge-igelt in dem Schmerz zurück, der uns so viel nimmt. Der uns Freude, Offenheit, Lebensqualität und Veränderungsmöglichkeiten nimmt.

Ich denke, es ist auch wichtig, sich darüber bewusst zu sein, dass Verbindungen, so wie sie entstehen, sich auch wieder lösen können. Und es ist wichtig, dies zu akzeptieren.
Wenn man das Gefühl von "Verwurzelung" und "Sicherheit" (auch das Wort "Heimat" finde ich hier treffend), wie auch Selbstwert, z.B. in der Kindheit nicht, oder unzureichend vermittelt bekommen hat, dann kann der Bruch von Verbindungen Angst auslösen. Die Angst "verlassen zu werden", da man "sich selbst nicht genug" ist. Eine Angst, die sich vielleicht aus dem Gefühl des "verlassen seins" (aus früheren Zeiten) speist.
Ich denke, man sollte sich bewusst darüber werden, dass es gut und positiv ist, dass Verbindungen nicht statisch sind, entstehen und sich wieder lösen können. Und es hilft, wenn man sich nicht auf eine oder wenige Personen fixiert.
Ich weiß, das ist alles leicht gesagt!
Allegretto hat geschrieben:Ich frage mich gerade, wo muss ich in meiner Biographie schauen, was muss ich mir konkret anschauen, wenn ich meinem Gefühl von "Nicht zugehörig" auf den Grund gehen will, so dass ich dann evtl. eine andere Sicht bekomme, die dieses Gefühl abschwächen könnte.
Eine gute und wichtige Frage.

Ich glaube, Du hattest anfänglich geschrieben, Du hättest Dich nie zugehörig gefühlt!?
Es lohnt bestimmt, hinzuschauen, wann dieses Gefühl entstanden ist und wodurch?
Warum hast Du Dich nie zugehörig gefühlt? Seit wann hast Du Dich "ausgeschlossen und am Rande" gefühlt? Ist es fehlendes Vertrauen, das Dir nie vermittelt wurde, sind es Strukturen in Deinem Elternhaus, lagen die Gründe vielleicht erst in einer späteren Phase (z.B. in der Schule)? Könnten die Gründe in fehlendem Selbstwert ("nie gut genug") zu suchen sein?

Um zu sehen, wo Du in Deiner Biographie schauen musst, wäre eine schrittweise Analyse, wann und wodurch dieses Gefühl/diese Tatsache entstanden ist, vielleicht hilfreich.

Es sind nur ein paar Gedanken und Anregungen.

Herzliche Grüße
Bunte Tupfen
Camille
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Re: Nicht zugehörig

Beitrag von Camille »

Lieber Bunte Tupfen,

Danke, dass du den Thread hochgeholt hast. Das Thema ist auch für mich ein ganz zentraler und sehr wichtiger Teil meiner "Störung."

Gerade bin ich zu müde zum Schreiben. Insgesamt fehlt mit zur Zeit die Kraft und auch die Zeit, um mich zu beteiligen. - ich werde es aber wieder versuchen.


@Allegretto - dieses Thema ist so wichtig - aber ich glaube für viele hier so schmerzhaft, dass es nicht leicht fällt darüber zu schreiben. Ich könnte mir vorstellen, dass das der Grund sein könnte, dass sich noch nicht so viele beteiligt haben.


@Gertrud - du sprichst viele wichtigen Bereiche an.


Für heute eine Gute Nacht

Herzliche GRüße

Camille
Allegretto

Re: Nicht zugehörig

Beitrag von Allegretto »

Guten Morgen Ihr Lieben,

bei aller Freude über das Hochholen meines Themas merke ich, wie sehr mich die gedankliche Beschäftigung mit diesem Thema und mit Euren Beiträgen bedrückt und traurig macht.

Die Auseinandersetzung mit mir selbst, meiner Lebensgeschichte und meiner Herkunftsfamilie, die Beschäftigung mit meinen Denk- und Verhaltensmustern und die Aneignung von Verständnis und Wissen bzgl. meiner psychischen Erkrankung(en) - dazu brauchte es mehr als nur eine ambulante Therapie - befähigt mich schon, dass ich mein Gefühl von "nicht zugehörig" einordnen und verstehen kann. Was ich bis heute nicht kann, wozu ich bis heute nicht fähig bin, ist dieses Gefühl zu verändern oder im besten Fall aus meinem inneren Erleben wegzuschaffen. Es ist ja wohl so, dass das Denken die Gefühle beeinflusst. Mir selbst zu sagen "doch, ich gehöre dazu, ich habe hier Platz und ich darf sein", ändert noch nichts an diesem Gefühl, es macht mich nur NOCH trauriger, denn diesen innerlichen Worten, diesen Gedanken fehlt der "Unterbau" oder "Grund". Es gibt kein echtes Erleben dazu.
Und an dieser Stelle würde mich interessieren, wie gehen andere, denen es ähnlich geht, damit um? Ist es vielleicht tatsächlich so, dass einem nichts anderes übrig bleibt, als das Gefühl zur Kenntnis zu nehmen, sich dann zu sagen, "ja, ich nehme es wahr und weiß, woher es kommt und womit es zu tun hat" und dann loszulassen? Das wäre dann vergleichbar mit einer Achtsamkeitsübung.
Der Weg wäre dann also, um bei mir und meinem "Nicht-zugehörig-Gefühl" zu bleiben, die Bewusstheit, das Denken über das Gefühl zu stellen, da ich viel mehr als dieses eine Gefühl bin.

@ DieNeue,
danke für Deine Rückmeldung, ist bei mir angekommen!

@ Aida1,

dass Du ein wenig Enttäuschung @Forum herausgehört hast, ist wohl richtig. (Und das ist etwas, was mit mir zu tun hat, das weiß ich)
Du hast überhaupt nicht belehrend geschrieben.
Aber vielleicht meinen wir inhaltlich Verschiedenes.
Mir geht es bzgl. meines Gefühls nicht primär um Kontakte. Die habe ich auch, die sind auch bei mir unterschiedlich und die Themen dann ebenso.
Deinen von Martin Buber zitierten Satz kenne ich übrigens - darüber könnte man philosophieren....

Ja, die richtigen Menschen zu finden - das wäre schön. Ob dafür mein Leben lang genug ist?

@ StrassenAusZucker,

Dein Therapievorhaben ist bestimmt gut. Ich wünsche Dir von Herzen, dass Du an eine/n passende/n Therapeut/In gerätst und Du gute und hilfreiche Begleitung erfährst.
Auch ich hatte mal eine Zeit, da habe ich mir Kinderfotos von mir angeschaut - auf den meisten habe ich ein Mädchen mit ernstem und traurigem Blick gesehen. Ob man das als Hinweis sehen kann, weiß ich nicht. Meine Eltern sind schon viele Jahre tot, die kann ich nicht mehr fragen.
Alles Gute für Dich!

@ BunteTupfen,

danke auch für Deinen Beitrag, da möchte ich später noch etwas schreiben.

@ Camille,

Dir auch lieben Dank!

Allen einen schönen Sonntag,
Allegretto
Camille
Beiträge: 602
Registriert: 3. Nov 2018, 21:35

Re: Nicht zugehörig

Beitrag von Camille »

Liebe Allegretto,

Ich habe ein großes Bedürfnis Dir zu antworten -ich möchte es versuchen, weil mir alles, was du beschreibst, so nahe geht - ich glaube, weil mir Vieles so vertraut ist. Aber auch weil ich deine Verzweiflung spüre - deine Ohnmacht.
Leider bezweifele ich selbst sehr, dass ich Dir irgendetwas Hilfreiches schreiben kann. Dazu stecke ich in dieser "inneren Einsamkeit", in diesem Gefühl "nicht zugehörig zu sein" selbst viel zu sehr fest. Vielleicht ergibt sich aber ja doch irgendetwas "Neues" - vielleicht.

Wenn ich Dich richtig verstanden habe, dann hast du keine Probleme mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen. Du hast soziale Kontakte - das ist es nicht. Du schreibst:
Es ist meines Erachtens nicht damit getan, mich unter Leute und in Gesellschaft zu begeben. Das tue ich ja, und dennoch oder gerade dann, ist dieses mein Gefühl da.
Auch ich fühle mich nirgends einsamer als unter Menschen. Ich kann dieses Gefühl des "innerlich mich ausgeschlossen Fühlens" leider auch nicht kognitiv steuern - nein über all die Jahre meines Lebens wird es sogar immer schmerzhafter und meine innere Einsamkeit immer größer. Ich weiß nicht, wie ich mit all dem umgehen soll oder könnte? Ich weiß es nicht oder kann auch nicht. Du beschreibst es so:
Was ich bis heute nicht kann, wozu ich bis heute nicht fähig bin, ist dieses Gefühl zu verändern oder im besten Fall aus meinem inneren Erleben wegzuschaffen.
Tatsächlich sehe ich es auch so wie du - dieses Gefühl "dazu gehören zu dürfen" oder "sich geborgen fühlen können" - dazu braucht es wohl "einen Grund und Boden".
Mir selbst zu sagen "doch, ich gehöre dazu, ich habe hier Platz und ich darf sein", ändert noch nichts an diesem Gefühl, es macht mich nur NOCH trauriger, denn diesen innerlichen Worten, diesen Gedanken fehlt der "Unterbau" oder "Grund". Es gibt kein echtes Erleben dazu.
Ja vielleicht hast du Recht. Vielleicht muss man selbst schon einmal "Zugehörigkeit", "Geborgenheit" oder einfach "bedingungslose liebevolle und verlässliche Zuwendung" erlebt haben, um dieses "Gefühl" fühlen zu können.

Ich selbst sehne mich seit ich denken kann so unendlich nach "EINEM" Menschen zu dem ich Vertrauen haben kann, dem ich mich zeigen darf, der mich annimmt, mich wertschätzt - auch dann, wenn ich mal nicht "funktioniere", mir etwas nicht gelingt..... Ein Ort von liebevoller gegenseitiger Zuwendung. Verlässlich. Auch bei Meinungsverschiedenheiten. Bei Hilfsbedürftigkeit.

Vielleicht fehlt mir diese Erfahrung und dieses Gefühl.

An Mut mich zu zeigen, hat es nicht gefehlt. Auch bei Dir lese ich es direkt und auch indirekt. Ich finde deine Beiträge sehr ehrlich und sehr mutig in ihrer Offenheit.

An was dann?

Manchmal denke ich, es hat sehr viel mit "Vertrauen können" zu tun. Ich "glaube" es nicht, dass mein Gegenüber "Interesse" an mir haben könnte. In allen Äußerungen "suche" ich nach ersten Anzeichen einer möglichen "Ablehnung".... Ich weiß nicht, ob das bei Dir auch so ist? Manchmal hilft mir dann, wenn "die Beziehung" auf neutralem Boden steht, also nicht auf "Freundschaft beruht. Sondern der Zweck (Tätigkeit im Verein, Arbeit, Nachbarschaft usw....) sichert die Beziehung - verstehst du, was ich meine? Das hilft mir manchmal mich "berechtigt" zu fühlen in Kontakt zu bleiben.


Es gibt noch eine andere Ebene - die hat mehr damit zu tun, dass ich Menschen manchmal immer weniger verstehe. Das kann ich nur so schwer beschreiben. Ich fühle so wenig - gerade bei Feiern oder freudigen Aktionen fällt es mir immer schwerer auszuhalten, dass mir "Freude", "Begeisterung", "Wünsche"... irgendwie "fehlen". Oder ich es nicht wahrnehme. Ich komme mir fremd vor - störend - nicht zumutbar. Das ist ein anderes Thema...


Liebe Allegretto - ich weiß nicht, ob irgendetwas davon für dich "passend" erscheint.


Immernoch denke ich, ich muss mir zuerst selbst "Heimat geben" - mich fühlen und wahrnehmen - mich wertschätzen lernen, um ..... ja was? Vielleicht um "mich zugehörig" fühlen zu dürfen.

Auch ich bin interessiert, ob es noch andere hier im Forum gibt, die sich angesprochen fühlen - oder Ähnliches fühlen - und wie ihr damit umgeht.


Dir liebe Allegretto ganz herzliche Grüße
Und danke für diesen Thread
und dass du hier schreibst

Camille
Allegretto

Re: Nicht zugehörig

Beitrag von Allegretto »

Lieber BunteTupfen,

nun möchte ich versuchen, auf Deinen Beitrag zu antworten.
Für mich vermischen sich in Deinem Beitrag zwei mir wichtige Themen:
1. mein "Nicht-zugehörig-Gefühl
2. in wie weit kann ich Vertrauen wagen und Nähe zulassen (vor dem Hintergrund früherer Verletzungen und schlimmer Erfahrungen)

Zu 2.
Das, was sehr schmerzhaft in meinem Leben war und mit dem ich sehr lange allein geblieben bin, konnte ich mir in meinen Therapien anschauen und bearbeiten. Da war ich dann erstmals nicht mehr allein damit. Diese Verletzungen bleiben ja, im besten Fall sind die Wunden verheilt und hinterlassen Narben. Eine Forianerin verwendete in ihrem Thread das Wort "Seelenhaut" - das finde ich ganz passend.
In meinem sozialen Umfeld mache ich diese frühen Verletzungen und nicht zum Thema - das ginge mir zu nahe, empfinde ich als zu persönlich. So vertraut ist mir auch niemand.
Aber es gibt ja noch andere Verletzungen, über die man ggf. mit einer Freundin/einem Freund sprechen kann, was für Verständnis und Ablenkung sorgen kann.
Bei neuen Begegnungen ist es ein Herantasten und innerliches Abklären, in wie weit ein Sich-Öffnen vielleicht möglich werden könnte. Begegnungen auf meinen Hundespaziergängen z.B. sind ganz nett, man unterhält sich über dies und das und fühlt sich wohl dabei (ansonsten wäre das Gespräch schnell vorbei), aber da bin ich persönlich ganz weit entfernt davon, mir zu überlegen, ob ich mich da mit meinen verletzten Seiten zeigen möchte. Dieser "Mechanismus", durch den ich mich relativ "alltagstauglich", kompetent und "funktionierend" zeigen kann, schaltet sich da "automatisch" ein.
Wenn mir zufällig jemand begegnen würde, wo sich ziemlich spontan so etwas wie eine Art "Gleichklang", ein "Schwingen auf der selben Wellenlänge", Sympathie und eine gewisse Sensibilität einstellen würde, wäre ich geneigter, nach weiteren Begegnungen ggf. offener zu werden. In solch einem Fall, so hoffe ich, bringe ich den Mut auf und gehe das Wagnis ein, mich auf weitere Begegnungen, einen neuen Menschen einzulassen. Letztlich ist das wohl so theoretisch nicht vorausdenkbar.
Die Frage, in wie weit ich den Mut aufbringe und das Wagnis eingehe, mich auf die Begegnung mit einem Menschen einzulassen, stellt sich mir NICHT im Zusammenhang mit "Small-talk-Kontakten", sondern in meiner Suche, meinem Wunsch nach Freundschaft oder sogar Partnerschaft, die es beide in meinem Lebensumfeld nicht gibt. Da spielen mein subjektives Nähe-Distanz-Bedürfnis, die Frage, in wie weit kann ich vertrauen (mit der gleichzeitigen Angst vor erneuter Verletzung), welchen Platz hätte meine psychische Erkrankung (Stichwort "Tabu-soziale Isolation") etc. eine wichtige Rolle.

zu 1.
Mein "Nicht-zugehörig-Gefühl" entspringt, denke ich, aus meiner sehr frühen Kindheit und hat sich mangels anderer Erfahrungen in mir festgesetzt. Die Idee, mit diesem Gefühl - sobald es auftaucht - wie in einer Achtsamkeitsübung umzugehen, also Wahrnehmen, Akzeptieren (mit dem Wissen, es kommt aus früherer Zeit) und Gehen-lassen, kam mir bereits gestern. Und ich kann mir gut vorstellen, zu versuchen so mit diesem Gefühl umzugehen und zu schauen, ob sich mit der Zeit etwas verändert.

BunteTupfen, Du sprachest noch die "Angst vor dem Verlassenwerden" an und den Gedanken, dass Verbindungen (=Kontakte?) nichts Starres und Feststehendes sein müssen, sondern sich auch wiederlösen können. Das stimmt sicher, nur - je mehr Nähe, Vertrauen, Vertrautheit in einer "Verbindung" gewachsen sind, desto schwerer fällt es loszulassen.

Soweit soll es jetzt reichen. Ich kann mich bei solch komplexen Themen schlecht kurz fassen.

Einen schönen Sommertag allen,
LG Allegretto
DieNeue
Beiträge: 5839
Registriert: 16. Mai 2016, 22:12

Re: Nicht zugehörig

Beitrag von DieNeue »

Hallo Allegretto,

ich würde mich gerne etwas kritisch (aber wohlwollend :) ) zu deinem letzten Beitrag äußern.
Allegretto hat geschrieben: Begegnungen auf meinen Hundespaziergängen z.B. sind ganz nett, man unterhält sich über dies und das und fühlt sich wohl dabei (ansonsten wäre das Gespräch schnell vorbei), aber da bin ich persönlich ganz weit entfernt davon, mir zu überlegen, ob ich mich da mit meinen verletzten Seiten zeigen möchte. Dieser "Mechanismus", durch den ich mich relativ "alltagstauglich", kompetent und "funktionierend" zeigen kann, schaltet sich da "automatisch" ein.

Wenn mir zufällig jemand begegnen würde, wo sich ziemlich spontan so etwas wie eine Art "Gleichklang", ein "Schwingen auf der selben Wellenlänge", Sympathie und eine gewisse Sensibilität einstellen würde, wäre ich geneigter, nach weiteren Begegnungen ggf. offener zu werden. In solch einem Fall, so hoffe ich, bringe ich den Mut auf und gehe das Wagnis ein, mich auf weitere Begegnungen, einen neuen Menschen einzulassen. Letztlich ist das wohl so theoretisch nicht vorausdenkbar.
Die Frage, in wie weit ich den Mut aufbringe und das Wagnis eingehe, mich auf die Begegnung mit einem Menschen einzulassen, stellt sich mir NICHT im Zusammenhang mit "Small-talk-Kontakten", sondern in meiner Suche, meinem Wunsch nach Freundschaft oder sogar Partnerschaft, die es beide in meinem Lebensumfeld nicht gibt. Da spielen mein subjektives Nähe-Distanz-Bedürfnis, die Frage, in wie weit kann ich vertrauen (mit der gleichzeitigen Angst vor erneuter Verletzung), welchen Platz hätte meine psychische Erkrankung (Stichwort "Tabu-soziale Isolation") etc. eine wichtige Rolle.
Deine Worte hier haben mich angesprochen. Ich war früher nämlich der Meinung, Small-Talk ist blöd, warum übers Wetter quatschen, wen interessiert das, es gibt viel wichtigere Dinge, über die ich reden will. Ich will tiefgehende Gespräche führen, nicht nur oberflächliches.
Ich finde, es gibt aber schon noch einen Unterschied zwischen dem richtig sinnfreien Smalltalk, wo der Andere einen nicht wirklich interessiert (wie z.B. "Na, wie geht's? - Passt schon, muss halt. Und bei dir? ' Hm, läuft. Muss halt. - Hm, muss weiter. - Tschüss) und dem, dass man über was banaleres redet, wo man sicher sein kann, dass man dem Anderen nicht zu nahe tritt, wie die Hunde, Wetter, Urlaub etc. (z.B. wenn der Nachbar sein Auto vollpackt "Na, fahren Sie in den Urlaub? - Ja. - Wo geht's denn hin? - Nach Kroatien etc. - Na, dann gute Fahrt und viel Spaß!"). So kann man ehrliches Interesse zeigen und eine Verbindung zum Anderen herstellen.

Smalltalk ist meistens ja dazu da, das Eis zwischen zwei Leuten zu brechen und kann der Anfang einer weitergehenden Unterhaltung sein oder wenn man sich öfters mal über den Weg läuft (wie bei den Hunden) und Worte miteinander wechselt, eine Gemeinsamkeit schaffen, wo man sich dann auch mal grüßt, wenn man sich woanders trifft, mal nach dem Hund fragt etc.
Sinnlosen Smalltalk mag ich immer noch nicht, finde ich unangenehm, aber mit "normalem" Smalltalk komme ich mittlerweile besser klar. Und hat mir z.B. auch geholfen hier in meiner Nachbarschaft Fuß zu fassen.

Ich frage mich, wie du aber Freunde finden willst, wenn du die Leute auf Abstand hältst oder manche von Anfang an ausschließt?

Wenn du jemanden suchst, der so ist wie du, und wartest, dass jemand sich von seiner sensiblen Seite zeigt, wird das wahrscheinlich lange dauern, wenn der andere genauso wartet, bis was passiert. Wie soll jemand spüren, dass du verletzliche Seiten hast und dass man sich bei dir auch so zeigen darf, wenn du selbst niemanden an dich ranlassen willst und nach außen hin immer stark wirkst und funktionierst?

Bei deinen "Hundebekanntschaften" könntest du vielleicht üben, ein bisschen mehr von dir zu erzählen. Wenn dann jemand blöd reagiert, dann musst du ja nicht mehr erzählen oder mit der Person reden.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Leute offener werden, wenn ich offener bin. Ganz egal, um welches Thema es geht.
Ich gehe mittlerweile sehr offen mit meiner Erkrankung um. Wenn man berentet ist, kann man das auch schlecht verstecken, außer ich denk mir immer neue Lügen aus, was ich beruflich mache, damit andere nichts darüber rausfinden. Und ganz ehrlich: Meistens erzählen mir dann die Leute, dass es ihnen oft auch nicht gut geht, dass sie selber schon mal in Therapie waren oder jemanden kennen, der auch psychisch krank ist. Ganz, ganz selten reagiert mal einer blöd.
Aber mittlerweile denke ich mir, wenn ich erzähle, dass ich Depressionen habe: "Friss oder stirb! Wenn du nicht damit klarkommst oder blöd reagierst, dann ist das dein Problem. Ich hab's mir auch nicht ausgesucht und muss auch damit klarkommen." Man muss ja dem Anderen nicht gleich die schlimmsten Geschichten inkl. Suizidgedanken erzählen und den anderen total schockieren. Das würde mich auch überrumpeln und abschrecken.

Vielleicht kannst du mit meinen Gedanken etwas anfangen . Es ist wirklich wohlwollend gemeint und ich hoffe, es hilft dir ein bisschen. :)

Liebe Grüße,
DieNeue
Allegretto

Re: Nicht zugehörig

Beitrag von Allegretto »

Liebe DieNeue,

danke für Deine Mühe, mir so ausführlich und klar zu antworten. Ich merke auch, dass Du wohlwollend schreibst.
Deinem Inhalt schließe ich mich zu 100% an, und es ist gut, dass Du hier den Unterschied zwischen "sinnlosem Smalltalk" und "nettem Smalltalk" so deutlich darstellst.
Tatsächlich unterscheide ich da genau so wie Du auch.
Ich habe ja geschrieben, dass ich z.B. bei meinen Hundespaziergängen (regelmäßig) ganz unterschiedliche und auch immer wieder die gleichen Leute treffe und dann, wie es sich ergibt, teilweise ein nettes Gespräch habe - und klar, das alle Begegnungen so anfangen. Und ich habe keinesfalls den Anspruch, nur tiefschürfende Begegnungen und Gespräche haben zu wollen.
Da würde mir die Leichtigkeit und das Humorvolle oder auch mal Flapsige sehr fehlen.
Ich wollte auch nicht den Eindruck erwecken, Smalltalk sei überflüssig, nichts wert und nur blöd.
Da habe ich mich wohl etwas zu kurz gefasst.

Meine Absicht mit meinem letzten Beitrag war die, dazulegen, wie sich mein Gefühl von "nicht-zugehörig" von der Thematik "Kontaktaufnahme, Sich-Öffnen, Vertrauen wagen, Begegnung, Beziehung..." abgrenzt.
Und ich wollte, gerade was die letzt genannte Thematik angeht, darlegen, wie schwer es ist, eine Freundschaft oder gar Partnerschaft einzugehen (sofern man irgendwann mal einem Menschen begegnet, mit dem man sich das vorstellen kann) vor dem Hintergrund schwerer seel. Verletzungen etc.

Jetzt hoffe ich, dass wir nicht aneinander vorbei geschrieben haben.
LG Allegretto
BunteTupfen
Beiträge: 67
Registriert: 1. Jan 2019, 05:00

Re: Nicht zugehörig

Beitrag von BunteTupfen »

Liebe Allegretto,

Du hast wirklich eine Gabe, die Dinge in bestechender Klarheit zu beschreiben.
Auch Deine Offenheit fällt mir auf, obwohl die Thematik belastend und schmerzlich für Dich ist.

Was Du schreibst, kann ich sehr gut nachempfinden und in vielen Dingen geht es mir ähnlich.

Und natürlich tut es weh und es fällt umso schwerer, eine zwischenmenschliche Beziehung los zu lassen, je intensiver, vertrauter, tiefer und länger diese Verbindung war. Ich wollte nicht sagen, dass man darüber einfach hinweggehen soll oder kann. Natürlich hinterlassen Brüche ihre Spuren, gerade wenn sie mit Verletzungen und bitteren Erfahrungen einhergingen. Wenn man dann noch zu den sensiblen Menschen gehört, treffen solche Erfahrungen umso mehr.

Ich wünsche Dir, dass Deine Idee des Umgangs mit dem "Nicht-Zugehörigkeits-Gefühl", Dir vielleicht ein Stück weit ermöglicht, dieses Gefühl mit der Zeit abzumildern, oder bestenfalls aufzulösen. Die Idee klingt jedenfalls gut.

Dass Du einem "Small-Talk-Kontakt" nicht Dein Innerstes anvertraust, verstand sich für mich von selbst. Aber vielleicht ergibt sich aus einem Small-Talk irgendwann ein längeres Gespräch, später vielleicht ein intensiveres Gespräch und es erwächst daraus ein vertrauensvoller Kontakt, vielleicht sogar eine Freundschaft. Da bin ich ein Stück weit bei @DieNeue.
Theoretisch schreibt sich das alles so leicht; in der Realität habe auch ich meine Probleme mit dem "Vertrauen", "Anvertrauen" und "sich zu öffnen". Selbst, wenn sich die seltene Chance dazu eröffnete.

Es würde mich freuen, wenn Du noch weitere Rückmeldungen und Anregungen bekommst, und sich der Meinungsaustausch zu diesem Thema weiter vertieft. Wie auch schon @GertrudStar, @Aida, @DieNeue und @Camille schrieben, bin ich davon überzeugt, dass es nicht an Dir oder Deiner Art zu Schreiben lag, dass das Thema unterging.

Herzliche Grüße
Bunte Tupfen
Allegretto

Re: Nicht zugehörig

Beitrag von Allegretto »

Liebe Camille,

ich möchte Dir so gerne noch Rückmeldung zu Deinem gestrigen langen Beitrag geben, der mich sehr berührt.
Soeben habe ich ihn nochmals gelesen und "hänge fest" bei dem Wort "Einsamkeit". Sich nicht zugehörig fühlen bedeutet ja auch, sich zutiefst einsam fühlen.
Momentan fühle ich mich so leer und habe irgendwie auch das Gefühl, mich hier quasi "ausgeschüttet" zu haben - meine innerliche Einsamkeit lässt mich gerade verstummen. Ich bin ohne Worte.
Es tut mir ehrlich leid, dass ich Dir nichts anderes schreiben kann.

LG
Allegretto
Allegretto

Re: Nicht zugehörig

Beitrag von Allegretto »

Liebe Camille,

gerade habe ich Deinen langen Beitrag vom 3.6. nochmals gelesen und möchte doch noch eine Antwort versuchen.
Ob es mir je möglich sein wird, diese tiefe innerliche Einsamkeit zu überwinden, darauf habe ich bis heute für mich persönlich nur eine verneinende Antwort gefunden.
Die Einsamkeit ist ein Empfinden, welches mich solange ich denken kann begleitet. Es gab allerdings Jahre, in denen ich sie deutlich weniger stark wahrgenommen habe - das waren die Jahre der Partnerschaft und Ehe.
Einsamkeit entsteht, meine ich, wenn man von denjenigen Menschen, mit denen man in Beziehung steht, mit denen man eine Beziehung hat (Familie, ein Lebenspartner, Freunde, Bekannte) nicht beachtet, gesehen und anerkannt wird. Und je anhaltender das der Fall ist, desto anhaltender, bleibender ist das Gefühl von Einsamkeit. Fatal wirkt sich das aus, denke ich, wenn Babys, Kleinkinder von den Bezugspersonen (meist Eltern) in ihren Bedürfnissen nicht wahrgenommen und beachtet werden. Ich denke schon, dass der Wunsch nach Zugehörigkeit, nach Menschen, denen man trauen und vertrauen kann, die sich um einen sorgen, einem grundlegenden Bedürfnis nach sozialem Anschluss und emotionaler Bindung entspringt.
Meines Erachtens gibt es soziale Einsamkeit, also ein nicht ausreichendes soziales Integriertsein, und emotionale Einsamkeit, ein Fehlen von Vertrauenspersonen.

Durch die Beschäftigung meiner eigenen Lebensgeschichte weiß ich heute, dass ich von Geburt an, in meiner Kindheit und Jugend von meinen Eltern, bes. von meiner Mutter, in meinen Bedürfnissen nicht wahrgenommen und beachtet worden bin. Meine Eltern waren zum einen mit uns Kindern überfordert und zum anderen (vielleicht noch entscheidender) in ihren ständigen und jahrelangen Auseinandersetzungen gefangen und mit sich selbst beschäftigt. Das emotionale Gehaltensein und Gespiegeltwerden haben mir gefehlt. Familie als "sicherer Ort", an dem Vertrauen gegeben ist, hatte ich nie. (Ich möchte nicht zu sehr ins Detail gehen, weil das möglicherweise "triggern" könnte.) In einem total instabilen Familiengefüge, in der Gewalt und Angst gegenwärtig waren, war es zudem keinem von uns möglich, aufgrund sehr häufiger Umzüge (quer durch Deutschland), ein soziales Netz, ein Integriertsein, eine Zugehörigkeit wohin auch immer (Klassenverband, Sportverein...) aufzubauen oder eine Heimatverbundenheit zu entwickeln.

Es spielen noch weitere Faktoren eine Rolle, die zu einer gewissen Isolation beigetragen haben (das ist mir hier allerdings zu persönlich). Und dennoch gab und gibt es bis heute von mir ausgehend immer wieder Versuche und das Bemühen um "Anschluss", Kontakte und Beziehungen. Ich war immer ein schüchternes, verschlossenes, zurückhaltendes, sensibles und ruhiges Kind, und heute als Erwachsene bin ich das in gewisser Weise immer noch, aber ich kann auf Menschen zugehen, Kontakte knüpfen, Gespräche beginnen - mal fällt es mir leichter, mal schwerer. Ich habe ein paar (wenige) Freunde, an Orten, an denen ich irgendwann mal gelebt habe, nicht aber an dem Ort hier, in dem ich jetzt seit 4 Jahren lebe. Beziehungen eingehen, gleich welcher Art, hat ja immer etwas mit Vertrauen zu tun und das braucht einfach seine Zeit, vor allem dann, wenn das Vertrauen missbraucht wurde.

In meine tief empfundene Einsamkeit mischt sich immer auch seelischer Schmerz und Traurigkeit. Ich verstehe, warum das bei mir so ist, und ich habe für mich selbst Verständnis, wenn ich mal wieder sehr in meiner Einsamkeit, in meinem Nicht-zugehörig-Gefühl stecke, aber es gelingt mir nicht, dieses Gefühl wirklich loszuwerden.

Camille, Du schreibst von Deinem Sehnen, nach "EINEM Menschen, zu dem Du Vertrauen haben kannst, dem Du Dich zeigen darfst, der Dich annimmt, Dich wertschätzt - auch wenn Du mal nicht "funktionierst", Dir etwas nicht gelingt.....Ein Ort von liebevoller gegenseitiger Zuwendung. Verlässlich. Auch bei Meinungsverschiedenheiten. Bei Hilfsbedürftigkeit."

Da kann ich Dir so nachfühlen, denn auch ich sehne mich danach.
Ja, es geht mir auch manchmal so, dass ich "glaube", dass mein Gegenüber kein "Interesse" an mir hat, vor allem in dem Zusammenhang, wenn ein Kontakt, eine Beziehung einseitig sind. Vielleicht liegt das auch daran, dass wir - Du und ich - viel "bedürftiger" sind als unser Gegenüber. Ich denke, ich weiß, was Du mit "der Zweck sichert die Beziehung" - da ist die Beziehung nicht einseitig, sondern beidseitig.

Auch die andere Ebene, die Du ansprichst, dass Du Menschen immer weniger verstehst...
Das kenne ich auch. Ich würde es für mich so beschreiben, dass es Momente gibt, wo mir "Freude, Begeisterung, Wünsche anderer Menschen" so unbedeutsam, nichtssagend, so äußerlich und schnelllebig vorkommen, dass ich da nicht "mitgehen" und mitfühlen kann. Ich nehme mich da als ganz weit entfernt, als "anders" und "fremd" wahr.

Ich denke, kein Mensch kann mir das geben, was meine Eltern (Mutter)mir nicht haben geben können (diese bedingungslose Liebe, das Bejahtwerden um seiner selbst willen). Ich denke weiter, dass nur ich mir selbst heute das geben kann, was ich als Baby/Kind gebraucht hätte und nicht bekommen habe. Das meinte ich an anderer Stelle mit "dem Kind in mir Heimat geben". Wie das genau geht, weiß ich nicht. Ich versuche es immer wieder ein Stückchen....

Tja, jetzt ist mein Schreiben wieder ziemlich lang geworden...

Ganz liebe Grüße
Allegretto
Camille
Beiträge: 602
Registriert: 3. Nov 2018, 21:35

Re: Nicht zugehörig

Beitrag von Camille »

Liebe Allegretto,

Mit allem, was du schreibst - triffst du es genau. Vielen Dank für dein langes ausführliches Schreiben.

Dass es jemanden gibt - dich gibt, der das nachvollziehen kann, weil er es auch kennt, auch selbst so erlebt - das ist irgendwo tröstlich für mich. Tröstlich - obwohl ich auch spüre, dass diese "Bedürftigkeit in mir" mich weiter begleiten wird, mir weiter "weh tun wird" - vielleicht mein Leben lang. Ich sehe es auch so wie du. Du hast geschrieben:
Ich denke, kein Mensch kann mir das geben, was meine Eltern (Mutter)mir nicht haben geben können (diese bedingungslose Liebe, das Bejahtwerden um seiner selbst willen). Ich denke weiter, dass nur ich mir selbst heute das geben kann, was ich als Baby/Kind gebraucht hätte und nicht bekommen habe.
Ich glaube nur immer weniger daran, dass es mir gelingen könnte - dass ich mir das geben könnte, was ich mein Leben lang vermisst habe. Es ist soviel Zorn in mir - auf mich selbst, soviel Enttäuschung über all meine "Unfähigkeiten" - soviel. Ich versuche all diese "Autoaggression" therapeutisch anzugehen, so als erster Schritt. Ich bin auch schon etwas weiter gekommen - diese übermächtigen "Schuldgefühle" allem und jedem gegenüber erdrücken mich nicht mehr so permanent. Manchmal gelingt es mir etwas nachsichtiger mit mir zu sein - manchmal mir zu verzeihen. Das ist wichtig, nicht nur für mich, nein auch für meine Familie, meine Kinder, mein Umfeld. Und dann stürzt alles wieder ein - und der Schmerz erscheint micht aushaltbar. Der Schmerz - irgendwie nicht richtig zu sein. Irgendwie mit allem, was ich tue, zu "schaden" - obwohl ich mich so anstrenge.

Ja es fehlte mir, als KInd mich willkommen oder angenommen zu fühlen. Ich mache Ihnen keinen Vorwurf - sie waren überfordert. Sie wollten eigentlich "gute Eltern" sein.

Morgen fahren wir in Urlaub - wieder mit Freunden. Wieder steht alles wie ein Berg vor mir.

Das ist es ja nicht, dass ich keine Kontakte hätte. Ich bin unter Menschen - ich fühle mich nur immer fremder und "störender". Ich sehne mich nach "Verbindung" - und spüre wie die Kluft immer größer wird, zwischen mir und meinem Umfeld. Ich kann von niemandem verlangen sich einzulassen auf "meine Welt", die gerade wieder nur aus Schmerz besteht - und Leere - und Hoffnungslosigkeit. Umgekehrt schmerzt es unendlich mein Umfeld zu erleben - diese Gelassenheit, dieses Selbstverständnis, dieses Genießen und Sich Freuen Können. Ich fühle mich so unendlich weit weg - und oft ist da eine diffuse Angst, "völlig verrückt zu werden."


Ich suche einen Platz - einen Ort - an dem ich "sein kann". Am Besten gelingt es mir immer noch in - oder durch eine Tätigkeit. Auch wenn ich nie etwas ohne Selbstzweifel oder Versagensängste machen kann.


Liebe Allegretto - ich danke Dir für all deine Offenheit und Zugewandtheit. Im Moment geht es mir mal wieder nicht gut.


Ich weiß auch wieder nicht, ob ich hier in diesem Forum richtig bin. Das womit ich "kämpfe", was mich so viel Kraft kostet - scheint etwas anderes zu sein. So wenige erleben diese "Einsamkeit" oder "Nicht Zugehörigkeit" so wie du es beschreibst und ich es wahrnehme. Das irritiert mich.


Ich werde jetzt weiter für morgen alles vorbereiten...



Herzliche GRüße

Camille
Aurelia Belinda
Beiträge: 8353
Registriert: 23. Aug 2018, 20:03
Wohnort: Mittelfranken

Re: Nicht zugehörig

Beitrag von Aurelia Belinda »

Liebe Camille,
Liebe Allegretto,
Ich habe hier alles mitgelesen und sehe mich in all den beschriebenen Worten auch wieder. Deshalb glaube ich nicht dass du Camille hier falsch bist im Forum.
Vielmehr glaube ich zu erkennen, dass nur jeder anders damit umgeht, mit dem Schmerz, der Eisamkeit, der inneren Leere. Dieser Zorn, die Wut die beschrieben wird, ( praktisch so ein Hass auf sich selber ) weil man nicht so sein will.....kenne ich auch.
Diesen Zorn habe ich aber aus meinem Leben nach und nach gut verbannt.
Dieser hat nämlich das eh schon miese Befinden noch schlimmer gemacht.
Die Leere, die starke innere Einsamkeit ist jedoch weiter vorhanden. Und macht eben oft unfähig rational zu denken und Handeln.
So viel erst mal.
Könnte jetzt mehr schreiben, möchte aber hier nicht wieder überfluten.

@ Camille, ich verstehe sehr gut deine Nöte, dein Gefühl der Leere, der Versagensängste, das falsch u. Nicht gut genug sein für andere und und.
Deswegen glaube ich, es geht vielen hier so, nur jeder beschreibt es unterschiedlich, oder rückt es nicht gern in den Vordergrund, weil es schmerzt, mir persönlich ist es wichtig
Trotz all den sehr schmerzlichen Gefühlen, möglichst positiv den Alltag zu bestreiten. Gerade weil es ein Kampf ums tägliche Überleben ist,Freude oder Anerkennung,oder genießen, was für andere vielleicht normal ist, ist für unser eins einfach eine unfassbare Hürde. Weiß nicht ob ich mich jetzt richtig ausgedrückt hab mit dem was ich rüberbringen will.

@ Allegretto, auch ich sage danke für deine Offenheit. Nur so kann ordentlicher Austausch statt finden.
Ich lese deine Beiträge mit großem Interesse, und erkenne so viele ähnliche Gedanken, Ängste, Verhaltensweisen, Muster die ich von mir gut kenne.

Liebe Grüße euch beiden
Aurelia
Alle eure Dinge lasset in Liebe geschehen
Gertrud Star
Beiträge: 3441
Registriert: 30. Jun 2014, 19:09

Re: Nicht zugehörig

Beitrag von Gertrud Star »

Hi,
kann ja nur wenig schreiben derzeit.
Vielleich hilft es etwas, wenn man auch die Momente von relativer Unbelastetheit und Zugehörigkeit wahrnimmt. Auch wenn man sich dabei veräppelt und belogen vorkommt.
Es kann zumindest besser werden, diese Möglichkeit besteeht immer.
LG
Allegretto

Re: Nicht zugehörig

Beitrag von Allegretto »

Liebe Camille,

ganz lieben Dank für Deine sehr persönliche Antwort.
Du hast recht, es ist nur bedingt tröstlich, dass wir ein ähnliches Erleben teilen. Die "Bedürftigkeit" und der Schmerz sind trotzdem da.
Dass ich mein "Leiden" so benennen und hier darüber schreiben kann, das war ein langer Weg. Ob es mir jemals gelingen wird, mir das selbst zu geben, was ich mein Leben lang vermisst habe, das weiß ich auch nicht.
Das Gefühl der Unfähigkeit und Schuld hat mich in dem Zusammenhang jedenfalls sehr lange begleitet und mich teilweise verzweifeln lassen.
Es ist ein wenig leichter geworden, seit ich eine gewisse Verbundenheit mit diesem einst nicht willkommenen und ungesehenen Teil meines Selbst wahrnehmen kann.
Ich möchte Dich, Camille, ermutigen weiterzugehen, weiterzuarbeiten an Dir selber mit Hilfe Deines Therapeuten. Verzage nicht und habe Geduld! Den Aspekt des Nachsichtiger-seins mit sich selber, des Sich-selbst-Verzeihens im Hinblick auf die Familie, die Kinder und das Umfeld finde ich interessant. Darüber muss ich noch nachdenken.

Du schreibst, Du könnest von niemandem verlangen sich einzulassen auf "Deine Welt", die gerade wieder nur aus Schmerz, Leere und Hoffnungslosigkeit besteht. Verlangen kann man das wohl nicht, wohl auch nicht erwarten. Ich für mich erhoffe wohl, dass ich einem Menschen begegne - abgesehen von Therapeuten -, der sich ein Stück weit auf "meine Welt" einlässt, wie auch ich mich auf dessen "innere Welt" einlassen möchte. Denn meiner Ansicht nach trägt jeder Mensch "seine innere Welt" in sich. Ich stelle mir da so etwas wie "innere Landschaften" vor, die so vielseitig sind wie in der Natur - blühend, fruchtbar, karg, wild, düster.... Wenn ich dieses Bild auf mich wirken lasse, dann stelle ich mir vor, dass eine Beziehung (Partnerschaft) des Sich-Einlassens auf die "innere Welt" des jeweils anderen wie eine gemeinsame Wanderung sein könnte, eine Wanderung nicht nur durch "blühende, schöne Landschaften", sondern AUCH durch "öde, brach liegende Landschaften".

Liebe Camille, ich wünsche Dir, dass der Urlaub mit Deiner Familie und den Freunden Dir etwas Abstand von allem Schweren schenkt, Dir auch gute, frohe Momente gibt und dass Du Ruhe und Erholung findest.
Herzliche Grüße
Allegretto
Camille
Beiträge: 602
Registriert: 3. Nov 2018, 21:35

Re: Nicht zugehörig

Beitrag von Camille »

Hallo ihr Lieben,

Das Auto ist gepackt - morgen geht es früh los.

Danke für all eure Antworten

@Aurelia - Ja ich bewundere dich dafür mit wieviel Zuversicht du hier schreibst - mit Humor immer versuchst das Beste aus deiner Situation zu machen. Du hast Recht, das täuscht auch mich manchmal darüber hinweg, was auch Dir alles nicht "möglich" ist und worunter du leidest. Danke, dass du mich darauf aufmerksam gemacht hast.

@Gertrud - das offen bleiben und erkennen, was es alles an "relativer Unbelastetheit und Zugehörigkeit" gibt ist ganz wichtig. Ich werde mich immer wieder an deine Worte erinnern.


@Allegretto - du kannst Dir sicher sein, dass ich diesen Weg versuche weiter zu gehen. Du hast mir schon mehrfach durch deine schreiben Mut gemacht - so wie viele andere hier aus dem Forum.


Vielen Dank allen - gerade schäme ich mich für mein "Gejammer"....


Eure Antworten haben mir geholfen - ein Stück von meinem permanent um mich selbst drehen weg zu kommen - Grrrrrr manchmal schaffe ich es alleine nicht - dabei hasse ich es so, und mich selbst so, wenn ich darin mal wieder feststecke.


Herzliche GRüße

Camille
juli74sara
Beiträge: 469
Registriert: 3. Mai 2019, 21:50

Re: Nicht zugehörig

Beitrag von juli74sara »

hallo liebe allegretto,

leider checke ich es immernoch nicht, wie das zitieren geht :roll: aber dein bild von den inneren landschaften und die durchwanderung derselben finde ich sehr schön. so komme ich mir manchmal auch vor, wenn ich irgendwo - allein - sitze und tagebuch schreibe. es ist wie eine wanderung in meine seelenlandschaften, unabhängig von der zeit. mal betrifft es die gegenwart, mal die vergangenheit oder einfach wunschvorstellungen, wie es aussehen sollte/könnte.

dein thema der gefühlten nicht-zugehörigkeit macht mich sehr traurig, vielleicht habe ich deshalb noch nicht geschrieben. es erinnert mich an ganz ganz dunkle zeiten, in denen ich wirklich nur meinen therapeuten hatte und mich selbst nicht annehmen und auch garkeinen kontakt zu mir selbst herstellen konnte.

damals bin ich 2x die woche zum yoga gegangen, hatha yoga, da ging es viel um loslassen und verbindung mit sich selbst. das hat mir gut getan. tatsächlich hat es den schmerz lindern können und die achtsame, stille umgebung, die stimme der yoga-lehrerin, die leise musik, die übungen...konnten für den moment und ein paar stunden danach mich selbst und die außenwelt anders wahrnehmen lassen. vielleicht wäre das auch was für dich?

es ist schwer, sich selbst zu lieben und sich selbst zu "ernähren", sich mit sich selbst nicht einsam zu fühlen. in der therapie sprach ich über ein buch, wo es um das innere kind ging, daß man immer in sich trägt. wurde dieses innere kind vernachlässigt, bleibt es immer wieder hungrig und präsent. der gedanke, seine eigene mutter zu sein, fand ich total bescheuert. aber als er mich fragte, weshalb ich das so "bescheuert" finde, fing ich an zu weinen und krächzte: "weil das nicht meine aufgabe ist".

mittlerweile denke ich nicht mehr, daß das bescheuert ist, es ist meine aufgabe, mich zu umsorgen, mich zu nähren und zu erziehen...mich zu lieben.

ich habe auch keine freunde und fühle mich mittlerweile befreit von dieser sehnsucht. ich kann mir das selbst geben. sogar mein partner ist nur selten in der lage, bewusst in meinen seelenlandschaften herumzuwandern, weil er selbst in depressionen steckt. aber das ist okay für mich. diese tiefe sehnsucht nach absoluter verbundenheit, nach absoluter liebe hat sich gewandelt mit meiner "transformation" während der psychoanalyse. gewandelt in verbundenheit mit mir selbst.

nach wie vor, ist das nicht jeden tag so und wenn zuviel von außen kommt, verliere ich den kontakt zu mir selbst, dann geht es mir schlecht und verliere mein selbstvertrauen. deshalb ist es so wichtig, sich raum zu schaffen, ruhe zu finden. der austausch hier im forum ist für mich nährend und spiegelnd. allerdings gebe ich zu, daß es mitunter auch belastend war, wenn mich themen dann so mitgenommen haben.

aber es steht ja jedem frei, auf was man eingehen möchte oder wann man das dann kann. oftmals hatte ich das gefühl, ich "störe" in deinem thread, weil ich sozusagen schon über den berg bin, was innere und äußere einsamkeit betrifft. heute wollte ich dir schreiben und dir hoffnung und mut geben, daß man diese einsamkeit und den schmerz überwinden und sich selbst genug sein kann.

es gibt noch viel zu entdecken in den seelenlandschaften! ich wünsche dir eine gute reise, lg juli
"die vergangenheit kannst du nicht ändern, aber das heute so gestalten, daß du morgen eine andere zukunft hast"
Aurelia Belinda
Beiträge: 8353
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Wohnort: Mittelfranken

Re: Nicht zugehörig

Beitrag von Aurelia Belinda »

Interessant was du schreibst auch, Juli.
Ihr hattet glaub ich alle analytische Therapie oder Tiefenpsychologisch gearbeitet.
Oder?
@ Allegretto, bist du aktuell in Therapie, hab's nicht mehr im Kopf.
Ich hatte ja nur die kognitive T.
Aber die war mehr als wertvoll.
Und die hat mich auch wiederum veranlasst mich selbst auf meine “innere Reise“ zu begeben. Und ich habe dadurch sehr viele verletzende Muster durchbrechen können, wofür ich dankbar bin, was aber Teil großer Veränderung war. In den letzten Tagen habe ich nachgedacht, weil hier im Forum auch ab und an von “Genesung“ die Rede ist, das kommt mir so unwirklich vor.
Es ist ja nicht so, Tabletten, Therapie, Heilung, sondern meistens ein lebenslanger Prozess, immer weiter an sich zu arbeiten um Rückfall zu umgehen.
Das ist es was mich schlaucht. Wenn dann noch immer mehr ungünstige Lebensumstände alles erschweren, ist es eine harte Probe die Balance weiter halten zu können.

@ Juli, du hast deinen Bericht auch gut beschrieben hier.
Dabei ist mir was aufgefallen.
Dieses sich selbst nicht genug sein, oder sich selbst schwer aushalten können, das beschreibt ihr alle ähnlich.
Das ist bei mir nicht so stark vorhanden, aber kenne ich schon auch.
Aber nicht übermäßig arg. Du sagst auch es hat sich bei dir gebessert.
Da sehe ich bei Camille z.B. noch viel Arbeit therapeutisch.
Das nur mal am Rande.
Bei mir ist es so, ich kann mich gut aushalten, auch beschäftigen, fühle mich nicht unbedingt “nutzlos“.
Aaaaaber, jetzt kommt das Aber, nur solange ich mich nicht vergleiche.
Das war bei mir therapeutisch große Arbeit, ich hatte mich von jeher trotz Einschränkungen nur verglichen, wollte ständig so belastbar sein wie alle Welt.
Der Druck hat mir am Ende das Genick gebrochen, das ging eben nur durch Therapie vorwärts.

Sorry, bin wieder abgeschweift.
Was ich eigentlich sagen will, das sich mal aushalten geht.
Aber,die ewigen Gedanken hier falsch zu sein, in der Gesellschaft,unter Menschen, auch bei internen Festen ( wo ich gar nicht mehr teil nehme ), oder das Gefühl des “nicht willkommen sein“, und nicht gut genug sein, einsam unter Menschen sein, und vor allem das fremd sein unter anderen, alleine schon weil ich mich in einer ganz anderen Gefühls und Gedankenwelt befinde.
Na gut, schwer zu beschreiben.
In jedem Fall kommt mir vieles hier sehr bekannt und vertraut vor.

@ Camille, wünsche dir dennoch (obwohl es dir gerade nicht gut geht), einen schönen Urlaub, mit vielleicht doch ein paar einzelnen schönen Momenten.
Und weiter viel Erfolg bei der Bewältigung deiner Schwierigkeiten in der Therapie.

@ Allegretto, sorry, hab mal meine Gedanken wieder wild zusammengefasst.
Will hier nicht wieder überfluten oder wie es Juli sagt, stören.

Melde dich einfach wenn es dir zu viel wird hier, ich reiss dir auch nicht den Kopf ab.....
Gute Nacht euch allen,
Herzlich, Aurelia
Alle eure Dinge lasset in Liebe geschehen
BunteTupfen
Beiträge: 67
Registriert: 1. Jan 2019, 05:00

Re: Nicht zugehörig

Beitrag von BunteTupfen »

Liebe Allegretto,

Deine gestrige Antwort an Camille ist wieder so offen, mutig, feinfühlig. Sie ist so treffend, so berührend, aber auch traurig und schmerzlich - und gerade aufgrund ihrer Tiefe und Offenheit hilfreich. Vieles kann ich aus eigener Erfahrung, aus eigenem Empfinden, gut nachvollziehen.

Eine Antwort, wie man dieses innere Bedürfnis, diesen (sich einst aufgetanen) Mangel, stillt, suche allerdings auch ich.

Herzliche Grüße
Bunte Tupfen
Allegretto

Re: Nicht zugehörig

Beitrag von Allegretto »

Liebe Camille, Aurelia, Gertrud, juli und lieber BunteTupfen,

ich freue mich sehr über Eure Beiträge und bin dankbar dafür, dass ich auf diese Weise erfahren darf, dass "mein Thema" Resonanz erzeugt. Im Moment lässt mich dieses Thema nicht los, sonst würde ich nicht zu so vorgerückter Stunde hier schreiben. Aber mich bewegen Eure Beiträge sehr, lese ich doch aus jedem einzelnen den Schmerz und die Suche nach einem Umgang mit diesem "Mangel", die Suche nach der ganz persönlichen und individuellen Antwort darauf, wie das eigene Leben dennoch möglich ist, leichter werden und ein Stück weit sinnvoll und gelingend sein kann. Es fühlt sich für mich gut an und ist irgendwie auch tröstlich, nicht allein damit zu sein und auch Zugehörig-Sein zu erfahren.

@ Gertrud,

es ist gut, dass Du darauf hinweist, alle die "Momente von relativer Unbelastetheit und Zugehörigkeit wahrzunehmen". Ja, ich neige dazu, diese Momente, die es ja tatsächlich auch gibt, schnell aus den Augen bzw. aus der Wahrnehmung zu verlieren, weil sie oft nur kurz "da" sind. Den eigenen Fokus nicht ausschließlich auf den Mangel zu richten, kann zumindest dazu beitragen, dass "es besser werden kann". Danke für diesen wichtigen Hinweis!

@ Aurelia,

trotz Deiner belastenden und schwierigen Lebensumstände schwingen in Deinen Beiträgen immer eine positive Grundhaltung, Gelassenheit und eine bejahende, offene Einstellung gegenüber allem, was kommt, mit. Das hat etwas Ansteckendes und Motivierendes dahingehend, nicht stehen zu bleiben im Leiden, sondern weiter zu gehen, sich anderem zuzuwenden.

Auf Deine Frage, ja ich bin derzeit in Therapie (tiefenpsychologisch-fundiert)
So unterschiedlich und einzigartig die Menschen, so individuell ist auch der Weg eines jeden zur "Genesung" oder der Bewältigung von Schwerem und Belastendem. Und manchmal kann das auch ein lebenslanger Prozess sein (auch ein Aspekt, den Nicht-Betroffene nur schwer und bisweilen gar nicht begreifen können). Mein Weg ist auch schon ziemlich lang und anstrengend. Und ungünstige Lebensumstände ( Existenzsorgen, -nöte und -ängste) erschweren und verunmöglichen es bisweilen, dass man das mühsam erreichte innerliche Gleichgewicht halten kann. Danke für Deine Gedanken!

@ BunteTupfen,

danke für Dein Lob!!

Es möge Dir wenigstens ein kleiner Trost sein, dass ich und sicher noch weitere Menschen nach Antworten suchen. Möglichkeiten, wie eine individuelle Antwort vielleicht aussehen kann, zeigen und finden sich oft erst nach langer Zeit.

Durch mein Schreiben hier im Forum, ist mir erst bewusst geworden, dass ich mich meinen eigenen, persönlichen Antworten vielleicht schon sehr angenähert, sie vielleicht sogar gefunden habe. Nämlich 1. Wann immer ich den Mangel als zutiefst schmerzlich wahrnehme und mich nicht zugehörig fühle, diesen zur Kenntnis nehmen, diesen nicht bewerten (sondern im Sinne von: ja das Empfinden hat eine Berechtigung und einen Grund - es ist ein Fehlen von etwas Lebenswichtigem, ein erlebter Mangel von ganz früher), dieses Empfinden, das Gefühl nicht festhalten, sondern loslassen, ziehen lassen (wie Wolken am Himmel) und schließlich das Bewusstsein, die Wahrnehmung zu öffnen für das , was noch da und in mir ist. Die eine Antwort ist für mich so etwas wie eine Achtsamkeitsübung: kommen lassen, wahrnehmen und spüren und loslassen - im Fluss des eigenen Atmens.
Meine 2.Antwort ist das immer wieder Versuchen und Bemühen, mich dem Teil in mir bewusst zuzuwenden, zu umsorgen, der einst nicht willkommen und gesehen worden ist.

Das klingt sicher erst einmal banal und befremdlich, ich bin mir auch nicht sicher, ob und wie weit das für mich hilfreich ist, aber ich kann beide Möglichkeiten für mich annehmen und es fühlt sich für mich "stimmig" an.
Vielleicht kann Dein Therapeut dich auf dem Weg des Findens einer für Dich stimmigen Antwort gut begleiten - das wünsche ich Dir sehr!

@ juli,

ich danke Dir auch für Deinen persönlichen und ausführlichen Beitrag. Ich möchte gerne dazu mehr schreiben, aber ich merke inzwischen, dass es schon furchtbar spät oder elendig früh ist und mir 4 Stunden Schlaf noch gut täten. Deshalb verschiebe ich meine Antwort an Dich um ein paar Stunden und hoffe, Du verstehst das.

Euch allen wünsche ich eine erholsame Nacht,
herzlichst Allegretto
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