Familienleben mit Depression

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Klavierspielerin
Beiträge: 4
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Familienleben mit Depression

Beitrag von Klavierspielerin »

Ich bin neu hier im Forum. Mein Mann leidet an einer Depression, akut seit Anfang des Jahres, eingeschlichen hat sich das aber schon über ca. 3 Jahre. Er hat eine ambulante Psychotherapie begonnen, das reicht aber nicht aus, es geht ihm immer schlechter. In 2 Wochen hat er stationären Aufnahmetermin in einer psychosomatischen Klinik. Wir sind Anfang - Mitte Vierzig, haben drei Kinder im Teenie- Alter. Ich arbeite im Sozialen Bereich, Depression ist mir geläufig, kenne die Erkrankung recht gut.Ich selbst bin eigentlich recht belastbar, stehe mit 2 Füßen fest auf dem Boden. Aber im Moment ist einfach alles so anstrengend für mich, ich habe das Gefühl, alles hängt nur an mir. Wie machet ihr das? Wie funktioniert Familie mit Depression, habt ihr Tipps für mich? Lieben Dank!
Herr Rossi
Beiträge: 166
Registriert: 2. Sep 2018, 08:19

Re: Familienleben mit Depression

Beitrag von Herr Rossi »

Guten Morgen.

Bei Kindern kann ich dir leider keine Tipps geben, aber sonst:
Geduld (ganz wichtig), Toleranz (noch wichtiger), Leidensfähigkeit (ist nur zum Teil spaßig gemeint), Erfahrung sammeln (kommt von alleine), miteinander reden soweit es der Partner zulässt um das Gewitter im Kopf auch nur im Ansatz zu verstehen (um z.B. Triggerpunkte zu vermeiden), ein Netz suchen, in dem du dich austauschen kannst (hast du ja schon gemacht), dir selber viel Gutes tun um Kraft zu tanken (wirst du brauchen).
Bei mir hilft auch eine gewisse Distanz gegenüber dem Partner um selber in der Spur zu bleiben. Manche haben da andere Strategien, das muss man für sich selber rausfinden. Das bedeutet ja nicht, dass man den Anderen nicht genauso liebt wie zuvor, aber wenn deine eigene Gesundheit darunter leidet (geistig oder körperlich), besteht die Gefahr, in eine Abwärtsspirale zu kommen, und das ist ekelhaft. Vor allem bemerkt man es sehr spät, da sie sich einschleicht. Meine Erfahrung.

Viele Grüße aus Schweden. Ich drücke euch die Daumen.

Herr Rossi
Empathie58
Beiträge: 266
Registriert: 23. Okt 2017, 21:48

Re: Familienleben mit Depression

Beitrag von Empathie58 »

Hallo Klavierspielerin,

Empfehlungen zu geben, finde ich immer schwierig. Rat"schläge" sind oft anmaßend und wenig hilfreich. Jeder Mensch ist besonders. Deshalb möchte ich Dir kurz von meinen Erfahrungen berichten. Es bleibt allein Dir überlassen, ob Du damit etwas anfangen kannst.

Meine Ehe ist nicht daran zerbrochen, dass meine Frau depressiv wurde. Solange die Kinder noch im Haus waren und meine Frau arbeiten konnte, haben wir gut "funktioniert". In dem Maße, in dem es meiner Frau schlechter ging, habe ich immer mehr Aufgaben übernommen. Das war für mich selbstverständlich, darüber habe ich mir damals nicht viele Gedanken gemacht. Ich hatte, so war zumindest mein Empfinden, auch nicht viel Zeit, mir Gedanken zu machen oder in mich hineinzuhören.

Womit ich nicht umgehen konnte, war die narzisstische Persönlichkeitsstörung meiner Frau. Erst nach der Trennung fiel ich zufällig über einen Artikel, der sich mit dem Thema "Narzissmus" und den Auswirkungen auf die Partnerschaft befasste. Ich las ihn und erstarrte förmlich: Ich hatte das Gefühl, dass der Autor meine Frau und mich kannte, unsere Ehe beschrieb. Außerdem wurde mir klar, dass ich darunter besonders gelitten habe, weil meine Grundbedürfnisse nach Zärtlichkeit und Anerkennung nicht (mehr) befriedigt wurden und ich mich gleichzeitig in der Pflicht sah, weiterhin zu meiner Frau zu halten. Ich konnte auf Dauer die Gelassenheit nicht aufbringen, die notwendig gewesen wäre, um die zahlreichen, schmerzhaften Demütigungen nicht auf meine Person zu beziehen. Dass meine Frau sich dann wegen eines anderen Mannes von mir abgewandt hat, kam für mich sehr überraschend. Der Schmerz war groß. Gleichzeitig war und bin ich ihr dankbar, dass sie diesen Schritt getan hat. Ich hätte ihn vermutlich aus "Pflichtgefühl" entweder gar nicht oder - vielleicht - erst später gewagt. So brauchte ich mich zumindest nicht mit dem Gewissenskonflikt zu befassen, in den ich vermutlich geraten wäre, wenn ich sie verlassen hätte.

Dir wünsche ich die Kraft, die Du brauchst, um Deine schwierige Situation zu meistern. Gleichzeitig wünsche ich Dir, dass Du immer wieder Zeit zum Innehalten findest, damit Du bei Dir bleiben und für Dich sorgen kannst.

Liebe Grüße
Empathie58
Familienmensch
Beiträge: 2
Registriert: 6. Mai 2019, 20:53

Re: Familienleben mit Depression

Beitrag von Familienmensch »

Hallo Klavierspielerin, ich kann dir leider keine Tips geben. Aber deine Worte könnten genau meine Situation beschreiben. Mitte vierzig, beide Füße fest auf dem Boden, sozialer Bereich, drei Kinder...
Mein Mann ist seit ca. 15 Jahren depressiv, nimmt Medikamente und hatte schon mehrere ambulante Therapien.
In schlimmen Phasen findet bei uns kaum Familienleben statt und ich bin froh, dass wenigstens die Kinder da sind. Meine Einsamkeit wäre kaum zu ertragen, da er sich dann sehr zurückzieht, entweder er schläft ganz viel oder gar nicht. Ich habe oft das Gefühl, er ist gehetzt oder irgendwie auf der Flucht. Wenn er nicht schläft oder arbeitet, zieht er sich allein in die Natur zurück. Das scheint das Einzige zu sein, was ihm einigermaßen hilft. Ich versuche das zu verstehen, habe aber Angst, dass wir uns dadurch immer mehr entfremden und es kaum noch Gemeinsames gibt.
Obwohl wir zusammen bleiben möchten, hat er letztens gesagt, er würde ausziehen, wenn er der Grund für mein Leiden ist. Er ist so gefühllos und meidet jede Nähe. Ich bin schon jemand, der mal in den Arm genommen werden will und vielleicht auch mal Trost braucht. Wenn ich das von ihm erwarte, sei er der falsche.
Wir sind seit 30 Jahren zusammen und natürlich war er nicht immer so. Mir fällt es schwer, zwischen Depression, Narzissmus, Überlastung und Laune zu unterscheiden und immer eine Erklärung zu suchen, woran unsere Unstimmigkeiten nun gerade wieder liegen.
Hlfe123
Beiträge: 61
Registriert: 8. Aug 2015, 23:00

Re: Familienleben mit Depression

Beitrag von Hlfe123 »

Hallo an alle,
meine Situation wiederum lässt sich aus euren zusammensetzen - einschließlich der narzisstischen Störung meines Mannes. Er hat dazu noch Depressionen, eine PTBS, Zwangshandlungen. Wir sind auch schon sehr lange zusammen und leider, kann auch dir, Klavierspielerin, keinen Tipp geben. Nur von mir selbst erzählen und dir alles Gute wünschen.
Man hat mir in einer beratenden Therapie geraten, auch Dinge für mich zu tun und das bewusst zu genießen. Das funktioniert schon gut und ich kann mich auch gut abgrenzen. Nur manchmal stellt sich doch die Frage: Wozu das alles!? Um sich wieder und wieder nach guten Phasen urplötzlich beleidigen zu lassen? Vor anderen schlecht machen lassen? Jede Phase des Partners, ob gut oder schlecht, eifrig akzeptieren zu müssen? Trennung ist schwierig, da ist ein Kind, das trotzdem am Vater hängt und von ihm manipuliert wird. Ich will dieses Kind erst etwas selbständiger sehen...
Wie ist das bei euch, haben die Partner / Partnerinnen ein Gefühl für die Probleme, die ihre Krankheit verursacht? (Klingt böse, ich weiß...)
Grüße an alle hier
Siraita
Beiträge: 6
Registriert: 13. Apr 2019, 14:57

Re: Familienleben mit Depression

Beitrag von Siraita »

Nur außerhalb der akuten Phasen. Und dann denke ich jedesmal, jetzt hat er es verstanden, jetzt hat er ein Problembewusstsein, jetzt wird es besser. Und dann zeigt sich beim nächsten Mal wieder. Nö. Nur alles wieder von vorn und im Kreis. LG
FrequentFlyer
Beiträge: 293
Registriert: 23. Dez 2017, 02:20

Re: Familienleben mit Depression

Beitrag von FrequentFlyer »

Siraita schrieb:
„… Und dann denke ich jedesmal, jetzt hat er es verstanden, jetzt hat er ein Problembewusstsein, jetzt wird es besser. Und dann zeigt sich beim nächsten Mal wieder. Nö. Nur alles wieder von vorn und im Kreis“

Ich bin hier in diesem Thread so ein bisschen falsch. Meine Freundin und ich haben keine gemeinsame Kinder, bilden keine Familie, sondern führen eine Fernbeziehung. Deswegen kann ich bezüglich Familie auch keine Tipps geben, denn wenn Kinder da wären, wären meine Entscheidungen, Standpunkte und Handlungen mit Sicherheit anders. Ich muss nur die Verantwortung tragen für meine eigenen Kinder die ich mit meiner Exfrau habe – und das klappt gut, was allerdings auch ein Stück Arbeit war. Selbst mit ihrem neuen Partner verstehe ich mich gut und das es soweit kam, mussten wir alle halt mal auch die Pobacken zusammen kneifen – aber ich schweife ab.
Was du Siraita schreibst, kenne ich ganz genau so. Mittlerweile hat meine Freundin das fünfte Mal die Beziehung mit mir beendet. Und jedes mal war es nun aber auch wirklich etwas anderes und jedes mal war es wirklich auch endgültig. Wir hatten gewisse Dinge verabredet – keine Schluss machen per SMS, die Dinge nicht überstürzen, einfach sagen wenn man Distanz braucht... Es hat alles nicht genutzt. Es hat nur einmal funktioniert – um Weihnachten herum. Jetzt akut wurden sämtliche Absprachen von ihr gebrochen. So eine Episode muss wohl so sehr mit dem Ich korrespondieren, dass sie nicht fähig ist das ganze auf einer Metaebene einzuordnen. Als Außenstehender würde ich sagen, vertage alle Entscheidungen wenn möglich nach hinten in einer Episode. Aber ich glaube, und vielleicht können da mal Betroffene etwas zu sagen, Betroffene bei denen der Verlauf in Episoden abläuft, wissen gar nicht so richtig wann sie in einer Episode sind. Oder eine Episode ist so mit dem Ich verknüpft, dass sie sie sich gar nicht auf einer Metaebene selbst sehen können....


LG
Klavierspielerin
Beiträge: 4
Registriert: 29. Apr 2019, 12:38

Re: Familienleben mit Depression

Beitrag von Klavierspielerin »

Lieben Dank euch allen für eure offenen Beiträge. Es tut gut, zu erfahren, nicht alleine zu sein mit dieser Situation. Auch wenn die Details bei jedem anders sind, so bleibt doch das Grundthema ähnlich.
Besonders bei dir, lieber Familienmensch gibt es viele Gemeinsamkeiten.
Im Moment ist es bei uns gerade echt schwierig. Nächste Woche ist endlich der Termin für den Aufenthalt in der psychosomatischen Klinik. Ich verspreche mir viel davon, da die ambulante Therapie seit Februar leider keine Besserung für meinen Mann gebracht hat. Wir sind jetzt an einem Punkt angelangt, an dem es langsam schwierig für mich wird, den ganz normalen Alltag auszuhalten.
Mein Mann ist gernerell jemand mit sehr hohen Erwartungen und Ansprüchen, vieles geht schon in den zwanghaften Bereich.
Er ist im Moment derart abweisend, möchte aber gleichzeitig so viel Nähe von mir. Für mich ist das so schwer zu erahnen, was er gerade braucht.
Ja, ich weiß schon, dass das auch nicht "mein Job" ist, aber außer mir gibt es im Moment niemanden, der das auffangen könnte.
Ich versuche, alles bis nächste Woche irgendwie zu balancieren.
Familienmensch
Beiträge: 2
Registriert: 6. Mai 2019, 20:53

Re: Familienleben mit Depression

Beitrag von Familienmensch »

Liebe Klavierspielerin, ich wünsche euch sehr, dass der Aufenthalt in der Klinik euch Hilfe bringt. Auf jeden Fall wird euch der Abstand gut tun. Mir hilft es zumindest, wenn man sich dann nicht ständig über den Weg läuft. Da sich mein Mann während einer Phase eh sehr zurückzieht, fühlt er sich allein in der Natur dann am wohlsten oder er ist so erschöpft, dass er nur schlafen will. Ich glaube, wir flüchten dann selbst voreinander. Mein Kleiner weiß, dass Papa dann sehr müde ist und die Großen kennen das schon so lange, dass sie ziemlich gut wissen, wie sie damit umgehen. Mir fehlt zwar sehr die körperliche Nähe, aber man kann ja keinen dazu zwingen.
Ich finde es krass, wie ein Mensch sich dann "verwandelt", wenn die Phase vorbei ist. Trotzdem habe ich jedesmal Angst, dass die schlechte Phase jetzt für immer bleibt. Deinen Satz mit dem "Nicht Erahnen können, was er gerade braucht", verstehe ich sehr gut. Es gibt Zeiten voller Missverständnisse, jedes Wort, dass gesagt wird, kommt genau falsch an. Er fühlt sich angegriffen von mir und ohne Verständnis für seine Krankheit, die er sich ja nicht ausgesucht hat. Das ist mir bewusst, tut mir auch leid, aber es fällt mir schwer, immer diese Entschuldigung gelten zu lassen. Ist schon alles ziemlich schwierig, wenn eine Krankheit sichtbar ist, stellt sich dieses Problem nicht
Klavierspielerin
Beiträge: 4
Registriert: 29. Apr 2019, 12:38

Re: Familienleben mit Depression

Beitrag von Klavierspielerin »

Lieber Familienmensch,
Darf ich fragen, wie alt deine Kinder sind? Wir stehen mit der Depression ja noch ganz am Anfang, und ich glaube für die Kinder ist das auch schwierig im Moment. Sie ziehen sich ziemlich zurück. Mein Mann war schon immer der totale Perfektionist, und im Moment ist es kaum möglich, es ihm recht zu machen, schon gar nicht für Teenies in der Pubertät. Schokokrümel auf der Couch, Chaoszimmer, all diese kleinen Dinge werden zum Drama.
Die Kids sind mehr in ihren Zimmern, kommen viel weniger runter ins Wohnzimmer, außer mein Mann ist nicht da, dann ist auch die Stimmung gleich eine andere. Ist nicht schön, das so zu sagen, ist aber leider so.
Leopard79
Beiträge: 11
Registriert: 16. Jun 2019, 21:07

Re: Familienleben mit Depression

Beitrag von Leopard79 »

Hallo Klavierspielerin,
oh ja das kenne ich zu gut. Mein Mann ist bipolar und es ist auch für unsere Kinder schwierig ihm alles recht zu machen.Bei uns ist auch ein Drama wenn die zimmer nicht aufgerämt sind. Eine Mutter hat es immer schwer aber mit der krankheit Depression in der Familie ist es vielfaches schwerer. Ich wünsche dir viel Kraft und gute Nerven. gruss Leopard79
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