Depression? Es geht so nicht weiter!

[MagRob2005]

Hallo,

ich bin ganz neu, habe aber schon einiges von euch gelesen. Insbesondere in dem Beitrag "Ich kann nicht mehr" von Südwind55 erkenne ich mich sehr wieder.

Es ist für mich höchste Zeit mir auch Hilfe zu holen, denn ich kann nicht mehr.
Es geht um meinen Mann. Wir sind seit bald sechs Jahren verheiratet. Er hat eine sehr schwere Vergangenheit und war noch nie "einfach". Dieses Jahr sind wir umgezogen und es wurde von Tag zu Tag schlimmer. Er ist agressiv, beschimpft und schreit. Gleichzeitig bekommt er nix, rein gar nix geregelt, bis darauf arbeiten zu gehen. Wir haben 3 Kinder. Ein Kleinkind, ein Kindergartenkind und einen Teenie. Im Sommer ist er nachts durchs Haus geschlichen, hat teilweise im nicht ausgebauten Keller im Dreck geschlafen. Allgemein ist er sehr, sehr verschlossen; spricht kaum, erst recht nicht darüber wie es ihm geht. Ich habe ihm dann die Pistole auf die Brust gesetzt. Entweder er geht zum Arzt, oder ich bin weg! Ich habe für ihn einen Termin beim Neurologen gemacht, der ihm wohl eine Depression diagnostiziert hat. Seit Oktober nimmt er Tabletten. Vor 2 Wochen wurden diese umgestellt.
Trotzdem ist er oft agressiv und macht aus jeder Mücke einen Elefanten. Er dreht alles aber immer so um, dass ich mich langsam ernsthaft frage, wer von uns an Realitätsverlust leidet. Bei jeder Kleinigkeit gibt er erst Ruhe, bis ich sage "ja, ich bin schuld. Ich habe nicht gemacht, nicht dran gedacht...."
Ich weiß nicht, ob das wirklich eine Depression ist, denn sofern ich das weiss, äußert sich eine Depression anders. Aber wenn der Arzt das so sagt...?
Auf jeden Fall bin ich langsam echt fertig. Er hat zwar "gute" Tage, aber es sind nur Tage an denen er teilnimmt. Kinder, Haushalt, Garten, Papierkram, Termine ... alles lastet auf meinen Schultern. Dann noch seine Beschimpfungen, nie wissen wie er heute drauf ist. Wann ich seiner Meinung nach wieder etwas falsch, zu wenig, zu viel mache. Ich habe mich im Laufe der Zeit selbst verloren. Es ist Zeit etwas zu ändern, aber wie? Eine Trennung auf Zeit / räumliche Trennung habe ich vorgeschlagen, will er unter keinen Umständen. Also müssen wir mit dem Menschen, der teilnahmslos mit einer Miene in der Ecke sitzt und regelmäßig ausfallend wird leben. Oder? Trennung? So richtig? Was tue ich den Kindern an? Was tue ich ihnen jetzt an? Was ist schlimmer? Was wird aus meinem Mann? Alleine leben kann er nicht, schafft er nicht. Er weiß ja nicht einmal wie man eine Spülmaschine bedient oder eine Überweisung macht. Nehme ich den Kindern mit einer Trennung den Vater? Wenn ich bei ihm bleibe, nehme ich mir und den Kindern unser Recht auf Leben?
In guten wie in schlechten Zeiten! Er ist krank, nicht böse. Es ist eine schlechte Zeit. Aber wann wird es wieder gut? Was kann ich noch tragen? Fragen über Fragen, in meinem Kopf ist Disko!
Habt ihr ähnliche Erfahrungen gemacht? Mit Depressiven, die agressiv / manipulativ werden?

[südwind55]

Hallo,

ich habe deinen Beitrag gelesen, und werde Dir morgen nochmal ausführlicher dazu schreiben.
Meinem Mann geht es gerade sehr schlecht , deswegen schaffe ich es heute nicht.

Ich wünsche dir aber schon mal ganz viel Kraft und denke an Dich.

Liebe Grüße
Katharina

[südwind55]

Hallo MagRob2005,

ich habe Dir eine PN gesendet.

Viele Grüße
Katharina

[Herz1234]

Mein Mann hatte ähnliche Symptome . Er saß aber nicht rum und hat nichts geregelt bekommen, sondern war fürchterlich unruhig und etwas hyperaktiv . Er hat ständig Sport gemacht, aber alles nur zu seinem Vergnügen . Alles andere blieb auch an mir hängen . Vor ein paar Wochen ist er von sich aus ausgezogen . Es herrscht ein herrlicher Frieden in unserem Haus, ich fühle mich nicht mehr so gegängelt, bin viel freier . Allerdings vermissen wir ihn trotzdem sehr . Er lässt sich nicht behandeln , meint er wäre gesund . Melden tut er sich bei mir kaum . Ich weiß nicht , ob die Trennung gut war . Wir verlieren uns aus den Augen .

[klein-sadi]

Hallo,

dein Post ist zwar schon 2 Monate her, aber ich möchte dir trotzdem sagen, dass ich dich sehr gut verstehe und ich habe zwischen dem was du von deinem Mann beschreibst und dem Verhalten meines Mannes einige Parallelen entdeckt.

ich weiß auch nicht ob es Teil der Depression ist, aber mein Mann verhält sich ganz genau so.
Er hat schwere Depressionen und kriegt daher den Ar*** nicht hoch, während er sich gleichzeitig beschwert, dass nichts erledigt wird.
Jede Kleinigkeit (wenn z.B. ein anderer Autofahrer hupt, evtl sogar begründet, dann will er am liebsten, dass ich anhalte, damit er aussteigen und dem Huper "in die Fresse schlagen" könnte.)

Auch die Schuldfrage ist bei uns oder viel mehr ihm ein großes Thema. Wenn ich ein Glas umwerfe, bin ich schuld. Logisch. Wenn er ein Glas umwirft, bin ich auch schuld. Weil ich es vorausschauend hätte woanders hingestellt haben können, damit das nicht passiert. Und nicht nur ich bin schuld, sondern vor allem ist er absolut unschuldig. Denn, selbst wenn er es dahin gestellt hätte, dann ja wohl nur weil an anderen Stellen schon andere Dinge auf dem Tisch lägen, die ich nicht weggeräumt hätte wodurch ihm gar nichts anderes übrig blieb, als es da abzustellen wo es nunmal umfiel. Diese anderen Dinge selbst wegräumen käme ihm nie in den Sinn. Das ganze endet dann, wenn geklärt ist, dass ich schuld bin und vor allem er nicht schuld ist. Das umgeworfene Glas ist dann immer noch nicht aufgehoben oder die Sauerei wieder weggewischt oder evtl Scherben weggekehrt oder sowas. Also in seinen Augen ist dieses "Problem" dann gelöst. In meinen Augen hat die Lösung nichtmal begonnen.

Da du sagst, dass dieses Verhalten häufig bei deinem Mann auftritt hoffe ich sehr, dass es ein Teil der Depression ist und im Verlauf einer Therapie oder so, sich wieder entspannt, denn so ist es echt anstrengend.
Ich hab ihm mal vorgeworfen, dass es kein Wunder sei, dass er nie etwas schuld ist, weil ich es ja bin, die sich um alles kümmern muss. Da ist er vielleicht an die Decke gegangen und hat mich gradezu ausgelacht, dass er es doch sei, der alles mache und er mich doch nur rumsitzen sehe (was ich tu, wenn ich Pause mache zwischen dem Putzen zb) Also auch dieser Realitätsverlust kommt mir sehr bekannt vor. Ich kann da definitiv mit dir mitfühlen.

Ich habe allerdings Hoffnung, denn soweit ich weiß kommen seine Depressionen aus einer immensen Frustration heraus und aus Frustration resultiert nunmal Aggression. Es kann also durchaus sein, dass dies ein Teil seiner Depression ist und sich wieder entspannt, wenn sich sein Zustand bessert. Ob diese elende Schuldzuweisung auch was damit zu tun hat weiß ich leider nicht.

Hat sich bei euch in den letzten 2 Monaten, denn irgendwas getan?

Liebe Grüße
klein-sadi

[XRalf]

Hallo;
ich bin in diesem Post beim Lesen hängengeblieben und muss sagen: Danke, Ihr beschreibt genau mein Kernproblem. Meine Partnerin ist depressiv, genau dieser beschriebene Realitätsverlust und das aus einer Mücke einen Elefanten machen erlebe auch ich immer wieder und kann damit nicht umgehen.

Beispiel gefällig? Sie sitzt auf dem Sofa und pult an den Füssen, die Hautfetzen wirft sie auf Sofa und auf den Boden. Ich bitte sie höflich das doch in den Müll zu tun weil ich es nicht sehr angenehm finde. Ergebnis: Sie regt sich furchtbar über mich auf, der Abend ist gelaufen und ich kriege Vorwürfe was alles schief läuft im Haushalt und wer daran Schuld ist, klar ich.

Diese Mücken, aus denen ein Elefant wird, sind für mich völlig zufällig und willkürlich - das macht es so schwer damit umzugehen. Ein Fleck auf einem Schuh, ein hängen gelassener Kopfhörer. Das Argument ist dann immer es zeigt meine Einstellung und zeigt dass ich sie nicht ernst nehme. Klar, ich habe einfache Lösungen und dann ist es für mich erledigt, wenn ich soweit komme.

Auch das Verhalten daß im Haushalt ich fast alles alleine mache bzw. wir eine Putzfrau haben (weil sie sich nur ganz selten aufraffen kann etwas zu tun), sie aber immer darauf insistiert daß ja alles an ihr hängenbleibt und sie alles tut kenne ich. Dazu kommt daß wenn sie alle Paar Wochen mal aufräumt alle das plötzlich respektieren sollen und ja nichts liegen lassen dürfen, sonst flippt sie aus (Rest der Zeit liegt ihr Kram überall rum bis ich ihn wegräume, darf ich aber nicht kritisieren, siehe oben).

Ich bin zugegebenerweise überfordert damit umzugehen:
1. Am Anfang (als mir der Bezug zu Depressionen bzw. wie schlimm es um sie bestellt war nicht klar war) habe ich diskutiert und auf meiner Meinung mit logischen Argumenten beharrt - Ergbnis üble Streits, sie wird dann sogar handgreiflich gegen mich!
2. Als nächstes habe ich es versucht zu ignorieren, nach dem Motto sie kriegt sich wieder ein. Funktioniert besser, leider fühlt sie sich nicht ernst genommen und es dauert bis sie sich einkriegt, viele schöne Pläne ginden so schon grundlegend schief. Ich lege mich dann ins Bett und ziehe die Bettdecke bis über die Nase. An schlechten Tagen zieht sie die Decke weg, versteckt sie und macht das Fenster auf bis ich mit ihr rede.
3. Wenn ich versuche nach dem Motto: "Wie kann ich dir jetzt helfen? Ich liebe dich so wie du bist, wir werden da eine Lösung finden" etwas einfühlsames zu sagen kommt ein "behandel mich nicht wie einen Psycho / Hund / Kleinkind.

Du empfiehlst oben ein "ja, ich bin schuld. Ich habe nicht gemacht, nicht dran gedacht...." - ich gebe zu das habe ich so noch nicht probiert. Das funktioniert? Wie geht ihr als Partner mit solchen Verhaltensmustern um? Habt Ihr Tipps wo ich als Partner Unterstützung finde, gibt es Therapeuten die darauf geschult sind?
Danke & Gruss -- Ralf

[Sybilix]

Hallo Ralf,

unsere Ausgangssituation ist eine gänzlich andere - von daher kann ich dir keine Handlungsempfehlung o.ä. geben. Aber auch ohne diese (aggressiven) Aussetzer sind deine Ansätze vorsätzlich zum Scheitern verurteilt:
1. Du hast den Ernst der Lage nicht erkannt / die Lage falsch eingeschätzt
2. Ignorieren hilft nicht - verschwindet nicht von allein
3. Naja, d.h. du liebst ihre Aussetzer? Nicht dein Ernst? Versetzt dich in die Rolle eines Freundes und stell dir vor, er schildert dir das was du getan hast... würdest du ihm beipflichten?

Nach dem Mund reden bzw. Schuld grundlos auf sich zu nehmen mag kurzzeitig eine Eskalation verhindern, kann aber auch auf sehr viele schlechte Arten interpretiert werden.

Eigentlich wollte ich nur wegen der Therapeutenfragen antworten: Schwierig, da üblicherweise überhaupt ein Platz schon ein Spießroutenlauf werden kann, da ist die Frage nach "genau dem Spezialisten" schon wirklich extremes Wunschdenken oder Glück.

Nichtsdestotrotz viel Kraft und alles Gute,
Sybilix

[XRalf]

Danke Sybilix!
Okay, ich habe geahnt dass es nicht leicht ist jemanden zu finden. Ich habe unlängst was von einer Paartherapie gelesen, speziell für Paare bei denen einer der Partner depressiv ist. Das finde ich von der Idee her topp aber wie du schon sagst: Extrem schwer zu finden (mal ganz abgesehen von der Terminfindung).

Zu 1: Richtig, ich wusste anfangs gar nichts von ihrer Krankheit, das kam nach und nach und das ganze Ausmass wird mir erst jetzt nach 2 Jahren Beziehung klar und ich verstehe vieles aus der Vergangenheit.
Zu 3: Ich liebe sie trotz der Aussetzer...

Meine Strategie die oftmals funktioniert: Sie bitten das Gespräch auf den nächsten Tag zu verschieben. Dann die Fakten auf ein Blatt Papier schreiben, die stehen dann schon mal fest. Zum einen hat sie sich dann teilweise eingekriegt, zum anderen kann ich das Gespräch gezielt auf die Fakten lenken. Klappt aber nicht immer.

Ich bin eigentlich gut in sowas, auch vom Job her. Leider versage ich da aber immer wieder im Umgang.

Danke für die aufmunteren Grüße
Ralf

[Becci 10]

Hallo, ich habe mich von meinem Freund getrennt. Er ist seit 6 Jahren depressiv, lässt sich nicht richtig behandeln. Wir haben zwei Kinder und auf mir lastete alles an Papierkram, Kinder, Organisation etc. Irgendwann kam der Punkt, dass ich nicht mehr konnte und meine Kinder nicht auch noch ihre Mutter verlieren sollten. Nach zwei Terminen bei einem Paartherapeuten und Gesprächen habe ich mich getrennt. Ich kam nicht mehr gern nach Hause und habe viel geweint. Jetzt fühle ich mich seit der Trennung besser, habe wieder Lebensfreude, aber auch Streß mit dem Ex, der jetzt sein wahres fieses Gesicht zeigt. Er fordert viel, pisackt mich und kritisiert mich ständig. Ich habe allerdings kein Vertrauen, dass er sich längere Zeit um die Kinder kümmern könnte. Er hat sie nie ins Bett gebracht, ist nie morgens aufgestanden und hat keine enge Bindung zu den Kindern aufbauen können. Jetzt soll der Große unbedingt bei ihm schlafen, aber das ist mir noch zu viel. Ein großer Schritt! Letztendlich muss jeder selbst entscheiden, ob das Leben immer so weitergeht ohne Hilfe oder man mit untergeht. Ich wollte nicht untergehen und lebe jetzt bewusst allein und bin auch lockerer im Umgang mit den Jungs. Das merken die auch. Allen viel Glück

[Gertrud Star]

Hallo Becci,

willkommen im Forum.
Das ist schön, dass euer Leben jetzt leichter geworden ist.
Wenn du magst, kannst du auch einen eigenen Beitrag zu eurem Thema aufmachen.

Wer sagt denn, der Große soll bei ihm schlafen?
Ist das der Wunsch deines Freundes oder der Familie, oder hat das ein Gericht so entschieden?

LG Gertrud