Spiritualität und Depression V

igel
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Re: Spiritualität und Depression V

Beitrag von igel »

Abwarten, Ben, das fällt mir wieder ganz schwer im Moment!

Eigenartig, aber wenn Du das so (be-)schreibst, dann werde ich ruhiger, das entlastet ein bischen. Einen Konflikt nicht mit aller Macht und sofort lösen wollen.....

Ich habe schon Angst vor Kontrollverlust. Vielleicht fällt mir auch deshalb so schwer, einfach mal zu warten und zu schauen, was kommt. Oder was nicht kommt. Die letzten Tage bin ich wieder unruhig, aber ich weiß, dass es auch wieder anders wird. Da ist Vertrauen. Ich kann es (oder mich) aushalten!

Na, da hast Du ja ein Stichwort gegeben!
Mir wird gerade klar, dass ich auch meine Eltern kontrolliere! Wie bescheuert; ich kontrolliere doch tatsächlich, ob sie noch da sind bzw. ob sie mich lieben! Ich habe keine Ahnung, ob Du das jetzt nachvollziehen kannst.


Gestern war ich ja mit meiner Freundin in der Stadt. Irgendwie passte das alles gar nicht. Wir waren beide gereitzt bis aggressiv und haben festgestellt, dass wir total den unterschiedlichen Geschmack haben. Sie ist ja 10 Jahre älter und ich habe mich total klein ihr gegenüber gefühlt! Passiert Dir das heute auch noch, dass Du Dich gegenüber einigen Personen ganz klein fühlst?

Schön ist aber, dass ich dann heute nochmal ganz alleine in die Stadt gefahren bin! Hat wohl auch alles etwas mit Nähe und Distanz zu tun.....

Grosse-kleine Grüsse,
igel
igel
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Re: Spiritualität und Depression V

Beitrag von igel »

Hallo Ana,

ich kann mir schon vorstellen, dass Du durch das Essen eine Leere glaubst füllen zu können! Sicherlich hat es auch mit Kontrolle zu tun. Du kannst Deinen Körper kontrollieren, wenn Du sonst nichts kontrollieren kannst. Ich habe zwar keine diagnostizierte Esstörung, aber vor meiner Depression war mein Essverhalten auch nicht ganz normal. Ich habe oft tagelang gehungert, bloss schlank sein und dafür haben mich vermeintlich alle gemocht. In der Familie und auch in meinem letzten Job (und da hat es nun überhaupt nichts zu suchen) gab es für das schlank sein tatsächlich Anerkennung. Es ist für mich immer erschreckend, das rückblickend so zu erkennen!

Im Moment fällt es mir ein wenig schwer, mich so anzunehmen, wie ich jetzt bin. Ich habe nämlich zugenommen, weil ich haufenweise Süssigkeiten nachts esse. Meine Therapeutin meint, es wäre ein Ersatz. Das denke ich auch - Ersatz für die Familie?

Aber es ist jetzt eben so! Und ich muss auch noch darauf aufpassen, dass ich nicht in alte Verhaltensweisen zurückfalle.

Ich finde auch, dass Du auf einem guten Weg bist! Du hast ein klares Bild von Dir und das ist doch schonmal sehr, sehr wichtig! Ich freue mich auch, dass Du hier bist. Für mich ist der Austausch auch manchmal ein Resümee und es hilft oft, Veränderungen wahrzunehmen!

Ist Dein Ziel in der Therapie auch die Ablösung von zu Hause?

Liebe Grüsse,
igel
igel
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Re: Spiritualität und Depression V

Beitrag von igel »

Ach,Ben.......................................................................................ich hab´Dich sehr gern . Vielleicht impulsiv, aber es muss sein.

Hoffe, es fühlt sich nun niemand ausgeschlossen.


Gute Nacht, versuche jetzt zu schlafen.
igel
ben1
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Re: Spiritualität und Depression V

Beitrag von ben1 »

Hallo Igel, hallo Ana

freut mich, Igel

Der Prozess der Bewußtwerdung, dem sich Menchen (wenn sie den Mut dazu haben, wie ihr beiden) aussetzen, ist wie ein Aufstieg auf einen hohen Berg, der voll mit Wald ist. Man klettert und rennt und sieht doch immer nur Bäume. Und ab und zu sollte man sich die Zeit nehmen, eine Lichtung zu suchen und wieder mal ins Tal zu schaun, um zu sehen, wie weit man eigentlich schon ist - und sich darüber freuen - und zu erkennen, das beim Wandern nicht unbedingt der Gipfel das Ziel ist, sondern das Wandern.

Ben
ben1
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Re: Spiritualität und Depression V

Beitrag von ben1 »

Kurz noch zu Igel

die Eltern kontrollieren - das hat was von "ihr müßt mich lieben - und zwar freiwillig" . paradox, oder?

Ben
Anastasia
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Re: Spiritualität und Depression V

Beitrag von Anastasia »

Hallo Ben,
was für ein schönes Bild!
So lange man auf dem Weg ist, ist man am Leben. Und wenn der Weg steiler wird, wird die Aussicht um so großartiger sein.
Du hast natürlich auch Recht mit dem was Du schreibst über das Ziel. Heute bin ich mir auch gar nicht mehr so sicher, ob ich den Gipfel überhaupt für erstrebenswert halte. Auf dem Weg den ich bisher gegangen bin, sind mir so viele positive Dinge passiert, ich habe so viele nette, hilfreiche Menschen kennengelernt, ich habe so viel über mich gelernt. Natürlich waren und sind dazwischen auch immer wieder schmerzhafte Phasen, Stagnation und manchmal auch Rückschritt, aber ich glaube, daß die positiven Anteile überwiegen. Auch wenn ich nicht weiß, was mir auf meinem zukünftigen Weg alles begegnen wird, so freue ich mich doch darauf, ihn zu gehen.
Ich wünsche Dir einen schönen Sonntag.
LG Ana
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Anastasia
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Re: Spiritualität und Depression V

Beitrag von Anastasia »

Hallo Igel,
Die Ablösung von zu Hause habe ich eigentlich schon vollzogen. Was mir noch nicht gelingen will, ist mein emotionales Verhältnis zu meinen Eltern zu klären. Der in vorigen Beiträgen beschriebene Kontrolleur hat viele Züge von meinem Vater. Außerdem gehe ich mit mir selbst oft so um, wie meine Eltern früher häufig mit mir umgegangen sind, was dann wieder zu einer Verstärkung der krankhaften Verhaltensweisen führt. Ein Teilziel in meiner Therapie ist es zu erkennen, welche von diesen Anteilen ich lassen kann und wie ich mit mir selbst besser umgehen kann. Das hat für mich im Moment noch etwas von Verrat an meinen Eltern. Diesen Knoten möchte ich gerne lösen.
Auch Dir einen schönen Sonntag.
LG Ana
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ben1
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Re: Spiritualität und Depression V

Beitrag von ben1 »

Hallo Ana

freut mich, das Dir das Bild gefällt - hat mir auch immer sehrt geholfen und hilft mir heute noch.

Ja, vielleicht ist der Sinn des Lebens genau der, weiterzugehen, den eigenen Weg, ohne unbedingt zum Gipfel zu kommen (gibts den denn?). Und dabei im Bewußtsein zu haben, das dieser Weg absolut einzigartig ist, es ist Dein Weg, es ist Dein Leben! Also weitergehen - und genau die positiven Prozesse zu würdigen, die einem "über den Weg laufen".

Ein Zitat von Henry David Thoreau, das hier irgendwie passt (und auch nicht, aber ich finde es hervorragend)

"Soll einer hingehen und sich aufhängen, weil er zu dem Geschlecht der Pygmäen gehört, statt das er der größte Pygmäe ist, der er zu sein vermag? Laßt jeden für sich selbst sorgen und versuchen, der zu sein, als der er erschaffen wurde ... Wenn Jemand mit seinen Gefährten nicht Schritt hält, so tut er es vielleicht deshalb, weil er einen anderen Trommler hört. Laßt ihn zu der Musik marschieren, die er hört, wie auch ihr Takt und wie fern sie selbst euch sei."

Darum gehts meiner Meinung nach im Leben - den eigenen Takt hören und danach marschieren.

Wens interessiert - das Zitat stammt aus "Walden oder Leben in den Wäldern"

Ben
Anastasia
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Re: Spiritualität und Depression V

Beitrag von Anastasia »

Hallo Ben,
mit diesem Zitat rennst Du bei mir offene Türen ein. Von Thoreau habe ich das erste mal in einem meiner Lielingsfilme "Der Club der Toten Dichter" gehört. Ich bin genau Deiner Meinung: der Sinn / das Ziel unseres Lebens besteht darin, unsere eigene innere Musik / Melodie wahrzunehmen. Und ich möchte danach nicht maschieren müssen, sondern dazu tanzen, singen und lachen. Wenn wir das könnten, wären wir die größten Pygmäen, die wir nur sein könnten.
Ich muß es an dieser Stelle einmal sagen, Ben ich finde Dich sehr sympathisch, ich mag Deine Art, wie Du schreibst und die Tiefe Deiner Gedanken...
LG Ana
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ben1
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Re: Spiritualität und Depression V

Beitrag von ben1 »

Danke, Ana!

Ich hab mich in meinen Postings schon öfter auf die Methode des "Voice Dialogue" berufen und jetzt mal eine ganz interessante Seite im Netz entdeckt

http://www.zeitzuleben.de/inhalte/pe/voice_dialogue/

Ich finde die Methode sehr praxisnah und gleichzeitig mit sehr vielen "anerkannten" Therapieformen (Psychoanalyse, Gestalt, Transaktionsanalyse) kompatibel.

Ben
Anastasia
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Re: Spiritualität und Depression V

Beitrag von Anastasia »

Hallo Ben,
vielen Dank für den Link. Es ist eine sehr interessante Seite. Mein Einzeltherapeut hat schon öfter mit der Methode des Voice Dialogue mit mir gearbeitet. Nur hat er es bisher nicht so genannt. Aber so wie es in dem Artikel beschrieben war, hat er es in den Sitzungen mit mir auch gemacht. Es waren für mich immer sehr anstrengende, aber auch effektive Stunden. Besonders gut hat mir diese Methode in Zeiten geholfen, in denen ich festgesteckt habe. Einmal habe ich ein Bild von meinem inneren Haus gemalt, und dort die einzelnen Zimmerbewohner dargestellt. Die Arbeit mit den Personen, die ich dort kennen gelernt habe, ist noch lange nicht beendet, aber ich freue mich schon darauf, sie fortzusetzen.
LG Ana
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igel
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Re: Spiritualität und Depression V

Beitrag von igel »

Hallo Ben,

ja, schön, Dein "Ruhebild". Ich mag auch gerne Wälder, im Sommer sind mein Freund und ich oft in einem Wald, der hier in der Nähe ist......

Was will ich eigentlich immer mehr.....ich bin doch auf dem Weg! Ein Gipfelstürmer fällt auch tiefer .

Ich komme im Moment gar nicht so recht bei Eurer Unterhaltung mit, bin etwas lahm. Macht aber nix. Das Zitat hat mich gut erreicht!

"Alle sollen mich lieben - und zwar freiwillig". Es stimmt schon teilweise, dass ich versuche, Liebe zu erzwingen. Da muss ich leider meine manipulative Seite zur Kenntnis nehmen. Glaubst Du, das geschieht auch über die Depression? Hm....komischer Gedanke.

Draussen regnet es wie aus Eimern - finde ich heute irgendwie schön.
igel
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Re: Spiritualität und Depression V

Beitrag von igel »

Hallo Ana,

Verrat an den Eltern...... Kannst Du auch mal wütend auf sie sein?

Hast Du auch mal an Kontaktabbruch gedacht? Bei mir ist es ja so, dass ich insbesondere meiner Mutter gegenüber nicht so sein kann, wie ich es gerne wäre. Ich habe da immernoch Schuldgefühle.
igel
Anastasia
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Re: Spiritualität und Depression V

Beitrag von Anastasia »

Hallo Igel,
das mit dem Verrat an meinen Eltern verstehe ich nicht so ganz. Ich habe nicht das Gefühl, sie zu verraten, wenn ich versuche sie zu ganz normalen Menschen werden zu lassen, wenn ich möchte, daß ich so mit ihnen umgehen kann, wie mit jedem anderen, den ich treffe. Wenn sie nicht mehr als allmächtige Vorbilder hoch auf einem Sockel stehen und ich ihnen dadurch näher kommen kann, dann hat das für mich nichts mit Verrat, sondern mit der Suche nach Ausgleich und Versöhnung zu tun. Wie ich schon vorher mal geschrieben habe, glaube ich, daß meine Eltern mir als Kind wirklich alles geben wollten, damit ich eine gute Kindheit und einen guten Start ins eigene Leben habe. Das ihre Maßstäbe und meine Bedürfnisse nicht zueinanderpaßten, ist zwar schade, aber letztlich hat jeder nach seinen Möglichkeiten gehandelt. So haben wir uns immer mehr in dem Netz der Sprachlosigkeit und der gegenseitigen Vermutungen und Verdächtigungen gefangen. Es erscheint mir heute wie eine zwangsläufige Konsequenz aus den Verhaltensmustern meiner Eltern und meinen Reaktionsmustern, die ich darauf hin entwickelt habe. Mein Bruder hat anders reagiert, ist aber wohl auch nicht besser dabei weggekommen. So sehe ich eigentlich keinen Grund wütend auf sie zu sein. Heute wandelt sich unser Verhältnis sehr, sehr langsam. Sie versuchen zu lernen und ich lerne jeden Tag etwas Neues über mich. Unter anderem eben auch, daß ich eigenständig bin und mich nicht über die Meinung meiner Eltern definieren muß. Ich bin ich und wenn meine Eltern denken ich bin x, dann versuche ich ihnen es zu erklären, wenn sie mich dann immer noch für x halten, ist das zwar schade, aber ich bleibe trotzdem ich. (Um himmels Willen, was für ein Gefasel!!) Das muß nicht heißen, daß ich sie deswegen weniger liebe, oder daß sie mich deswegen weniger lieben.
Früher wollte ich immer, daß meine Eltern mich wirklich ganz verstehen und genau wissen, was für ein Mensch ich bin. Es war mir so wichtig, weil ich unbedingt von ihnen bestätigt haben wollte, daß ich so in Ordnung bin wie ich bin. Aber heute weiß ich, daß sie das nicht zu entscheiden haben, das ist ganz alleine meine persönliche Entscheidung. Meine Eltern haben sich aber inzwischen auch bewegt. Sie versuchen nicht mehr mich zu biegen oder zu brechen. Sie sind zwar nicht immer mit meinen Entscheidungen einverstanden und äußern das auch (was auch ihr gutes Recht ist) aber danach lassen sie mich dann in Ruhe und akzeptieren meine Entscheidungen, auch wenn sie sie nicht gutheißen. Schließlich finden sie dann auch Wege, damit zu leben. Insofern bin ich mit dem Verhältnis, das sich langsam entwickelt eigentlich sehr zufrieden und habe auch keinen Grund wütend auf meine Eltern zu sein.
Ich hoffe, Du konntest den ungeordneten Kram, den ich hier geschrieben habe etwas nachvollziehen.

LG Ana
Ein Schiff das im Hafen liegt, ist sicher - aber dafür werden Schiffe nicht gebaut.
ben1
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Re: Spiritualität und Depression V

Beitrag von ben1 »

Hallo Igel, hallo Ana

wenn mich die Eltern so lieben sollen, wie ich bin, welches ich meine ich denn dann? (Komischer Gedanke, ich versuche mal, das zu erklären).

Solange ich "unbewußt" gelebt habe, also mehr auf die Außenwelt reagiert als selbst gelebt, habe ich immer das "ich" ausgefüllt, das gerade gefragt war (mal den netten, mal den ruhigen, mal den erfolgreichen, mal den bescheidenen usw.). Und meine Eltern hätten nun "mich" lieben sollen - ja was den nun? Die Teile etwa, die ich selbst nicht zu leben wagte? Woher sollten die das wissen, wenn ich das selbst nicht gewußt habe? Und ich denke nach wie vor - wir leiden eher darunter, das wir selbst unsere "Schattenseiten" nicht anerkennen können und projezieren das einfach in die Umwelt. Wenn ich in der Arbeit darüber klage, das niemand erkennt, das ich auch ein Mensch bin und Fehler haben darf, dann deswegen, weil ich mir das selbst nicht zugestehen will (oder darf?)

Ben
igel
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Re: Spiritualität und Depression V

Beitrag von igel »

Hallo Ben,

das ist eine spannende Frage. Für mich kann ich sagen, dass sie mein "neues Ich" lieben sollen! Ist es überhaupt ein neues Ich? Das Ich, das sich nicht immer nur anpasst. Das Ich, das seine Meinung sagt und der Mutter auch mal vor den Kopf stösst. Das Ich, das Angst hat. Aber Du hast seeeehr recht - wie sollen sie das, wenn ich das alles selbst nicht so richtig kann? Es ist sehr schwierig, weil ich mich auch total unterschiedlich verhalte! Mal so und mal so. Mal liebe ich sie und will Zuwendung, dann verachte ich sie wieder und will keinen Kontakt. Und so gehts mir auch mit mir selbst irgendwie. Das stimmt schon mit den Projektionen. Es ist eigenartig. Wenn ich ohne die Familie bin, dann gelingt es mir, ganz bei mir zu sein. Habe ich Kontakt zu ihnen, fängt die Projektion an, aber so heftig, dass ich lange brauche, das wieder auseinanderzudröseln. Warum projeziert man überhaupt? Ich meine gelesen zu haben, dass das ein Abwehrmechanismus ist. Ich kann mir für mich aber auch vorstellen, dass es mit einem labilen Ich zusammenhängt. Immer diese Vergleiche mit anderen. Um zu erfahren, wie ich überhaupt bin. Komisch.

Aber ich zeige mich ihnen schon so, wie ich jetzt bin. Und da ist der Knackpunkt. Da stosse ich nämlich auf Unverständnis und wenig Gegenliebe. Gegenliebe?

Ich weiss wieder mal nicht, was ich will und ich finde mich ganz schön schwierig! Ich erinnere mich gerade daran, dass mein Arzt mal sagte, ich sei schwierig. Das fand ich unerhört. Aber es stimmt ja .

Projezierst Du noch?

Hoffe, Du bist durchgestiegen............
igel
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Re: Spiritualität und Depression V

Beitrag von igel »

Hallo Ana,

Du schriebst etwas von Verrat an den Eltern. Ich habe es so verstanden, dass Du damit die Ablösung von ihnen ganz allgemein meinst. Wenn Du danach schaust, wie es DIR geht, was für DICH gut ist.
igel
Anastasia
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Re: Spiritualität und Depression V

Beitrag von Anastasia »

Hallo Ben,
mit den Projektionen gebe ich Dir vollkommen Recht. Wir projezieren ständig etwas in unsere Umwelt hinein. Das fängt an bei der Arbeitskollegin, die uns maßlos aufregt, weil sie so langsam arbeitet - in Wahrheit habe ich nur Angst, daß man von mir sagt, ich würde zu langsam arbeiten. Irgendwann habe ich festgestellt, wie oft ich den ganzen Tag über Mutmaßungen darüber anstelle, was die anderen über mich denken. Das hat zwei negative Aspekte: 1. dient es wunderbar dazu sich selbst fertig zu machen, denn ich projeziere mein eigenes schlechtes Selbstwertgefühl in die Gedanken der anderen und vermute, daß sie nur negativ über mich denken. 2. habe ich vor lauter Nachdenken über die Gedanken der anderen überhaupt keine Zeit, bei mir selbst zu sein und mich selbst wahrzunehmen, um dann aus mir selbst heraus zu handeln.
Dann gibt es glaube ich auch noch einen Mechanismus, dessen Funktionsweise ich noch nicht ganz durch schaut habe, der aber trotzdem sehr oft gut funktioniert: die sich selbst erfüllende Prophezeiung. Vielleicht wird es jetzt etwas zu spirituell, aber manchmal habe ich das Gefühl, daß es von unserer Energie abhängt, mit der wir an eine Sache herangehen, ob sie funktioniert oder nicht. Gerade vor kurzem hatte ich so ein Erlebnis. Wir waren auf Wohnungssuche und suchten eine Wohnung im Erdgeschoß mit Garten. Im Internet fand ich das Angebot eines Maklers und ich hatte das Gefühl, das ist genau das Richtige! Es hat sich bei mir auch eigentlich sofort das Gefühl eingestellt, daß wir das Objekt bekommen würden. Wie ihr schon ganz richtig vermutet, haben wir die Wohnung tatsächlich bekommen und werden im Mai umziehen. So geht es mir in letzter Zeit häufiger. Gehe ich mit negativen Gedanken an eine Sache heran, ist sie zum Scheitern verurteilt und was nur schief gehen kann geht schief. Umgekehrt sind die Gedanken positv, dann läuft alles wie von selbst. Warum soll das nicht auch mit unserer eigenen Psyche klappen? Wenn ich mir immer sage, daß ich nichts Wert bin, dann glaube ich es irgendwann und strahle das auch aus und so nehmen es dann wahrscheinlich auch Außenstehende auf. Wenn ich mich selbst aber liebevoll annehme und mich so wie ich bin mit Schwächen und Stärken akzeptiere, dann strahle ich das ebenfalls aus und andere Menschen nehmen diese Seite von mir wahr.
So das waren fürs erste meine Gedanken zum Thema Projektion.

LG sendet Ana
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ben1
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Re: Spiritualität und Depression V

Beitrag von ben1 »

Hallo Igel, hallo Ana

Ich werde die Antwort einfach mal an beide formulieren - hoffe, das stört Euch nicht, aber ich sehe einige Überschneidungen.
O ja, ich projeziere natürlich noch - ich denke, das macht jeder Mensch -die Frage ist (wie bei so vielem in diesem Thread), wie bewußt mir das ganze ist und das sowas nicht mehr "automatisch" ablaufen kann. Die Bestätigung im "Außen" verliert mehr und mehr an Wert, je deutlicher wir uns selbst wieder spüren und JA zu uns sagen können.

Ich darf nochmal Thoreau zitieren

"Ich hatte auch ein Körbchen aus zartem Geflecht gearbeitet, aber niemand hielt es der Mühe wert, es zu kaufen. Nichts desto weniger hielt ich es der Mühe wert, es zu flechten, und statt damit hausieren zu gehen, überlegte ich, wie ich der Notwendigkeit, es zu verkaufen, entbehren könnte."

Das ist doch mal ein schönes Bild!

Das mit den selbsterfüllenden Prophezeiungen - da schreibt ja Paul Watzlawick sehr originell und weise darüber. Ich denke, Du hast da was sehr richtig erkannt. Wir sind erstmal weder gut, noch schlecht, weder toll noch verachtenswert, weder groß, noch klein - einzig unsere Zuschreibung macht uns zu dem, was wir sind. Das glaubt man erst mal nicht - das funktioniert aber im "negativen Bereich" ganz hervorragend. Wer sich immer abwertet, wird ein Selbstbild entwickeln, das eben diesen Mangel erhält. Das ist sicherlich kein "Allheilmittel", also so nach dem Motto "Ich denke jetzt einfach mal, das ich ein toller Kerl bin und dann wird sich schon alles ändern" - dennoch sollten wir auf unsere Gedanken (auch und gerade uns gegenüber) achten und sie auch mal revidieren oder einfach ein bißchen gütiger, nachsichtiger und milder mit uns umgehen.

Ben
igel
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Re: Spiritualität und Depression V

Beitrag von igel »

Hallo Ben, Hahn im Korb ,
Hallo Ana,

also mich stört es nicht! Ich sehe auch Überschneidungen....

Bens Bild finde ich wieder sehr entlastend.

Die Projektionen lassen mich nicht los! Irgendwie kann man sich doch auch in ihnen verlieren. Könnt Ihr das nachvollziehen?

Ich nehme soviel an anderen wahr, bei mir weniger. Besonders die in meinen Augen Schattenseiten kann ich für mich nicht so richtig annehmen. Obwohl das auch wieder Fortschritt sein kann, weil ich früher alles negative auf mich bezogen habe.

Sich im Spiegel des anderen erkennen.....das ist im Moment meine Aufgabe in der Gruppentherapie. Prüfe alles, das Gute behalte, Ben? Der Satz hat für mich im Moment eine ganz eigene Bedeutung. Da frage ich mich nämlich, ob es "normal" ist, das so zu trennen? Keine Ahnung, ob Ihr jetzt noch durchsteigt. Ich fühle mich hin- und hergerissen.

Liebe Grüsse,
igel
ben1
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Re: Spiritualität und Depression V

Beitrag von ben1 »

Hallo Igel

ja, das man Projektionen bei anderen leichter wahr nimmt, ist eine altbekannte Tatsache - da tuts ja auch nicht so weh, da passiert ja mir nix, gell. Dennoch ist auch das wichtig, einfach um zu sehen, das dieser Mechanismus erst mal ein ganz menschlicher ist und niemand davor "verschont" ist. Der Splitter im Auge des anderen ist nun mal leichter zu sehen als der Balken im eigenen Auge. Gesund ist das ganze, wenn man Projektionen nicht nur in der Außenwelt wahrnimmt (a la "ich bin gesund und alle anderen sind verrückt) - aber ebensowenig nur in der Innenwelt ("Ich bin verrückt, alle anderen nicht"). Alle Menschen sind irgendwie verrückt - nur der Grad ist unterschiedlich.

Mein Satz "Prüfe alles, das gute behalte" bezieht sich nicht auf Deine Persönlichkeitsanteile - die gilt es, möglichst umfangreich zu integrieren, egal, ob erwünscht oder unerwünscht, ob gut oder schlecht - das bist nunmal Du. Bezogen hat sich das auf alle Ratschläge, Religionen, Lebenshilfen, Therapierichtungen und was weis ich noch alles - schau Dir da alles aufmerksam und möglichst unvoreingenommen an, dann entscheide aber, mit welchen Methoden Du arbeiten willst und mit welchen nicht. Es gibt genug, da ist für jeden was dabei. Es ist wie ein guter Koch zu sein - der hat vielleicht was von seiner Mutter gelernt, aus Büchern, durch Praktikas oder Anleitung oder durchs Ausprobieren und Variieren. Und er wird zum Schluß seinen Stil entwickelt haben, der von vielen was hat aber keine Kopie nur eines Stils ist. Und er wird immer weiterlernen und seinen Stil immer mehr finden (ein schönes Bild für die Persönlichkeitsentwicklung - auch die hat zwar einen Anfang, aber (hoffentlich) kein Ende)

Ben
Anastasia
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Re: Spiritualität und Depression V

Beitrag von Anastasia »

Hallo Igel, hallo Ben,
wollte mich nur kurz melden. Habe im Moment viel Arbeit und komme nicht dazu, hier in Ruhe zu lesen und zu antworten. Aber bald ist Wochenende!
Bis dann
LG Ana
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Re: Spiritualität und Depression V

Beitrag von igel »

Lieber Ben,

da habe ich im Moment Schwierigkeiten, zu sehen, was MEINS ist und was des Anderen. Ist schon merkwürdig, wie sich das ändern kann. Mal bin ich ziemlich klar in Bezug auf mich selbst, dann wieder völlig unsicher. In der Gruppe gestern ging es wieder mal um Trennung und ich war da ganz regungslos. Da hatte ich plötzlich wieder "meinen Panzer".

Im Moment grübele ich wieder ziemlich viel. Ich bin hin- und hergerissen zwischen Richtig und Falsch. Ich frage mich u.a. wieder einmal, ob meine Therapie die Richtige ist. Depressionen sind doch eigentlich ganz gut behandelbar und bei mir gehts es jetzt ins dritte Jahr. Oder ob ich "nur" Depressionen habe. Aber gut, ich will versuchen, etwas farbiger zu sehen .

Ich bin wieder traurig, weil die Familie zerbrochen ist. Mein Vater hat das Haus verkauft und im Garten stand eine schöne grosse rote Kastanie. Die wurde jetzt von den neuen Eigentümern gefällt. Nichts ist mehr wie es war. Eigentlich sollte es mich doch nicht so beeinflussen. Aber es gibt keinen Knopf zum abstellen.

Jetzt habe ich wirklich gejammert........sorry.
igel
ben1
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Re: Spiritualität und Depression V

Beitrag von ben1 »

Hallo Igel,

wenn die kleine Igel trauern will wegen der zerbrochenen Familie, dann lass sie das und sei ihr in der Trauer eine gute Mutter. Das ist ok, das bist Du, da gibts nix zu verurteilen oder zu entschuldigen - das ist einfach so. Kannst Du diese Rolle erfüllen?

Ben
igel
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Re: Spiritualität und Depression V

Beitrag von igel »

Lieber Ben,

im Moment kann ich nur SAGEN, dass ich traurig bin. Ich fühle das aber nicht. Kann nicht weinen. Ich habe mich sehr zurückgezogen, vielleicht ist das meine Art zu trauern. Am Freitag hatte ich ein kurzes Gefühl von "Ich kann nicht mehr". Da dachte ich, alles geht wieder von vorne los und wäre fast zum Arzt gerannt . Manchmal denke ich, ich reisse mich die ganze Zeit nur zusammen.

Ich habe mit meiner Mutter telefoniert. Ich glaube wieder einmal, das hätte ich nicht tun sollen. In Bezug auf meinen Bruder meinte sie nämlich, dass sie ihn nicht mehr mag. Sie hat den Kontakt zu ihm abgebrochen, nachdem sie sich gestritten haben. Er war wohl sehr wütend und hat ihr Vorwürfe gemacht. Das ist es nämlich; dieses bestraft werden nur weil man Gefühle gezeigt hat! Aber gut, es ist die Sache meines Bruders....

Mir ist bewusst geworden, dass ich mich deshalb wohl auch so schwer mit Gefühlen tue. Mir war noch nie so klar, dass ich eine sehr strenge, harte Mutter habe.

Kennst Du das auch, das Du quasi Schmerz für andere übernimmst/übernommen hast? Das hat alles eine sehr selbstquälerische Seite. Ich hole mir immer wieder meine Backpfeife ab irgendwie.

Schönen Abend,
igel
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