Ich weiß gerade echt nicht weiter...

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Suboshi
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Registriert: 12. Aug 2018, 00:12

Ich weiß gerade echt nicht weiter...

Beitrag von Suboshi »

Hallo,

ich hatte bereits vor einigen Monaten etwas geschrieben, und viele wirklich wohltuende Antworten bekommen, als auch private Nachrichten in denen nach meinem Wohlbefinden gefragt wurde und der Kontakt angeboten wurde. Ich hatte nichts davon beantwortet, aber trotzdem erinnere ich mich daran...

Zwischenzeitlich habe ich eine neue Verhaltenstherapie begonnen, habe nun 3 Therapeuten, den ambulanten in der Klinik, meinen Spezialtherapeuten mit dem ich mich um mein eigentliches Problem kümmere (und nach 1,5 Jahren Anfang Februar wieder einen Termin habe), und eine neue Verhaltenstherapeutin, der ich es gestattet habe wirklich tief in mir drinne zu wühlen und auch mal Thesen in den Raum zu stellen die wirklich mal alles um 180° drehen um mir eine neue Sicht auf die Dinge zu ermöglichen (und sie ist echt super).

Seit September nehme ich wieder AD (Bupropion, zunächst 150mg, seit November 300mg). Ich hatte zuletzt bis Juli 2016 Bupropion, Doxepin, Lithium, und Quetiapin, als auch sonstige Tranquilizer, und diese schlagartig unter klinischer Aufsicht nach meinem Suizidversuch abgesetzt.

Um es kurz zu machen mir geht es beschissen. Wieviele ADs brauche ich noch, wieviele Therapeuten sind nötig, damit ich wieder lächeln und mich freuen kann, geschweige denn Lachen kann???
Das neue Jahr hat so beschissen angefangen wie das letzte aufgehört hat. Schon wieder sitze ich im Ausland in einem Hotel, um mich herum geniessen die Menschen ihr Leben, das Wetter, gehen aus, Kollegen von denen ich weiss dass sie sich auch hier in diesem Stadt-Staat aufhalten, treffen sich abends um gemeinsame Zeit zu verbringen, sinnlose Zeit in meinen Augen, um mich herum lachen die Menschen, sie sprühen vor Lebenskraft, selbst der Uber-Fahrer von heute Abend, der mit mir kein Wort gewechselt hat, strahlte eine Lebensenergie aus, obwohl ich weiss dass er sich in diesem Land nur aufhält weil er immerhin ein 100stel am Tag von dem verdient was ich verdiene, aber er lebt, und ich vegetiere dahin. Ich mag niemanden sehen, bin froh wenn mich niemand anspricht, will so schnell wie möglich zurück auf mein Zimmer, nehme vorher noch die Happy-Hour mit um mich zu betäuben, und dann bin ich hier und warte... Dabei fängt das Gedankenkreisen wieder an... Eine Bekannte die hier tatsächlich lebt nimmt immer wieder Kontakt zu mir auf, und ich habe ihr eben geschrieben dass ich in der Nähe bin. Vor Weihnachten war ich auch eine Woche hier, habe aber jeglichen Kontakt abgelehnt, Einladungen zum Abendessen, zum Bummeln, zum Reden. Wollte einfach nur alleine sein.

Ich wünsche mir so sehr das jemand da ist der sich um mich kümmert, der mir zuhört, mich nicht unbedingt versteht, aber zumindest meine Gedanken wirken lässt, ohne mit irgendwelchen "aber so ist es nicht" Argumenten kontert oder mir erklären will dass "Gott alle Menschen liebt". Meine Bekannte ist sehr religiös, aus dem Libanon, so ein liebenswerter Mensch, aber wenn sie von Religion anfängt bekomme ich das blanke K... Angeblich haben religiöse Menschen weniger seltener Depressionen, ... bis zu dem Zeitpunkt, wenn sie ihren Glauben in Frage stellen....

Auch zu Hause, dort verbrachte ich nun die letzten drei Wochen, mit Frau und Kindern, konnte ich mich weder zu Weihnachtsmärkten noch zum Skifahren bewegen, immerhin hatte ich die Ausrede einer Metatarsalgie, also starken Schmerzen beim Laufen, die mich immer quälen, aber in Anbetracht meines seelischen Schmerzes belanglos sind. Ich schaffte es tatsächlich mehrmals, bereits kurz nach 20 Uhr ins Bett zu gehen, ohne mich von der Familie zu verabschieden, einfach ins Bad Zähne putzen und dann ins Bett und Licht aus, das geht ganz schnell, und dann schlafe ich 11 Stunden, oder ich liege stundenlang wach nur um um 5 Uhr morgens wieder aufzustehen. Unterbewusst gesteuertes Bewusstsein lässt mich sämtliche sozialen Kontakte einfrieren, selbst bei der Post oder im Getränkemarkt. Das geht sogar so weit dass meine Frau mir vorwirft ich würde niemanden mehr grüßen.

Ich vergehe so in Selbstmiteid dass alles zu spät ist, es muss nur meine Hotelzimmer-Türe ins Schloss fallen und schon geht es los. Ich fange an mich selbst zu beschimpfen, mein Leben zu beschimpfen, könnte schreien, schlucke es herunter, und bekomme einen Klos im Hals der mich wie ein Pelikan aufblähen lässt. Und ich frage mich "Warum".....

Und dann sehen ich den Schlaf herbei mit der Gewissheit, morgen wird sich alles wiederholen.

Meine Frau sagt sie wünscht sich alles wäre wie früher.... wie vor 10 Jahren, und ich denke an eine Zeit zurück an die ich mich kaum erinnern kann, und wenn da wie an einen Spielfilm, in dem ich jemanden sehe der ich gerne sein würde aber genau weiss dass dies unmöglich ist..

Ich habe Angst, Angst davor dass die letzten Menschen die mir geblieben sind mir auch noch den Rücken zudrehen, und dann stehe ich ganz alleine da, aber sowas von alleine, dass ich beginne zu denken dass ich mehr Englisch spreche (wegen meines Jobs) als Deutsch (wenn ich mich mitteilen möchte). Was ist das für ein Leben..?!?

Was erwarte ich mir jetzt? Zuspruch? Mitleid? Hoffnung? ... ich weiss es nicht. Oder dass mir irgend jemand zuhört? Ohne mich zu verurteilen? Ohne dass ich mich rechtfertigen muss? Warum ist das Leben so scheissekompliziert? Wieso hat man man mich nicht vorher gefragt?

Eine Antwort die ich vor fast zwei Jahren bekam war:"Von mir musst du kein Mitleid erwarten..." Will ich dass den überhaupt? Mitleid? Warum es mir so schlecht geht? Hilft es den Menschen und mir wenn ich mitteile was ich alles durchgemacht habe? Ich habe letztens einen Aufsatz gefunden über das was ich in der Klinik erlebt habe, damals als ich gehen wollte. Ich hatte das total vergessen. Nun wenn ich das lese fühlt es sich fremd an, und schockiert mich. Es ist sehr detailliert und sehr emotional. Würde es helfen wenn ich das den Menschen zum Lesen gebe? Würden Sie dann meinen Schmerz verstehen?

Wenn ich dass so schreibe wundere ich mich dass ich mir darüber Gedanken mache was andere Menschen von mir denken könnten. Ich habe also noch nicht ganz aufgegeben... ansonsten wäre es mir sowas von wumpe.

Gleichzeitig habe ich mir mit der Entscheidung, dieses Projekt anzutreten, quasi bis zu meinem Abflug Zeit gegeben, und habe dann eigentlich wie unter Drogen den Flug geboarded. Habe es mit mir machen lassen, obwohl ich auch hätte nach Hause fahren können. Ich habe mich treiben lassen, vom Aufruf für Zone 3. Was motiviert mich dann noch? Jetzt bin ich schon mal hier, bis Freitag. Freitag Nachmittag fahre ich meinen Junior wieder zum Tennis Training. Dann kommt der Abend, das Wochenende, und ich spüre diese unendliche Leere. Meine Frau wird mich wieder überzeugen etwas zu kochen, dann habe ich wieder ein paar Stunden Beschäftigung. Und ein neues Buch zum Vorlesen beginnen. Was kommt danach...?

Ich liebe die Zeit mit meinen Kindern, ihre Nähe und Wärme zu spüren. Und wenn das nicht hilft hole ich da Cabrio raus, egal bei welchen Temperaturen, und zaubere mir ein kurzfristiges Lächeln ins Gesicht, halte dies mit einem Selfie fest um mich daran erinnern zu können. Aber was kommt dann...?

Müde, aber gedankenkreisend
-chris
150mg Bupropion+225mg Venlafaxin

davor:
Sertralin, Abilify, Doxepin, Lithium, Bupropion, Quetiapin.
Jul'15-Okt'15 Psychiatrie
Jul'16 schw. Suizidv. + Psychiatrie
Jul'17 Suizidv.
Nach über 40 Jahre endlich gelernt zu meiner Transidentität zu stehen.
Aja216
Beiträge: 150
Registriert: 10. Okt 2018, 14:19

Re: Ich weiß gerade echt nicht weiter...

Beitrag von Aja216 »

Hallo Chris,
ich glaube ich kann deinen Beitrag gut verstehen. So "krass" wie so es beschreibst scheint es bei mir nicht zu sein. Aber ich finde es gut dass du das alles, sehr verständlich, formuliert hast. Ich hoffe sehr dass es dir gelingt deine Situation irgendwie aufzubrechen und wieder ein besseres Gefühl zu haben. Kann es sein dass in deinem Fall vielleicht eine Unterbrechung der zeitlichen Routine sinnvoll ist? Vielleicht bist du, wie ich teilweise auch, so in deinem Leben festgefahren und brauchst eine andere Perspektive.
Wahrscheinlich ist mein Beitrag nicht besonders hilfreich aber ich wünsche für asked Gute!
Aja
Auf der Suche nach "nicht verlorenen Tagen" wenn "jeder Tag ohne Lächeln" ein verlorener Tag ist.
Suboshi
Beiträge: 21
Registriert: 12. Aug 2018, 00:12

Re: Ich weiß gerade echt nicht weiter...

Beitrag von Suboshi »

Hallo Aja, und Danke für Deine Antwort,

eine Unterbrechung der zeitlichen Routine.... da denke ich auch bereits wieder drüber nach. Ja, mein Leben fühlt sich derzeit perspektivlos an...

Mittlerweile nagt die Depression an meiner beruflichen Leistungsfähigkeit, verbunden mit entsprechenden finanziellen Einbußen. Schlecht geht es uns nicht, also finanziell, aber bei unserem Lebensstandard wird es eng. Anfang letzten Jahres, also vor einem Jahr, dachte ich ich bin durch, also leistete ich mir etwas für meine Seele, etwas was mir Spass macht, und neben einem hohen Anschaffungspreis ebenso hohe Nebenkosten hat. Dieses Ding lenkt mich auch ab, bringt mich auch auf andere Gedanken. Aber das hält eben nur kurz an. Momentan verhandele ich aber mit meiner Bank wie es die nächsten Monate weiter geht, denn nicht nur in meinem privaten Leben habe ich Freunde und Anerkennung verloren, auch beruflich geht es bergab. Es heißt zwar "we value your work", aber davon kann ich mir nichts kaufen. Das Gefühl nicht mehr gebraucht zu werden (beruflich) und nicht mehr beachtet zu werden (privat) nagt ungemein am Selbstbewußtsein. Was habe ich also noch zu verlieren. Ich könnte eigentlich komplett neu anfangen, irgendwo auf dem Land, wo mich keiner kennt.
heute habe ich ein Buch fertig gelesen, das ich mir vorgestern am Flughafen gekauft habe, "Das Leben ist zu kurz für später"... es handelt davon sich vorzustellen, man hätte nur noch ein Jahr zu leben. Wie würde sich das Leben plötzlich verändern, wie würden sich die Werte verschieben, was wäre einem wichtig, mit wem würde man die Zeit verbringen wollen... Das hat mich ziemlich berührt. Noch dazu ist "ein Jahr" eine sehr überschaubare Zeit, da lässt sich durchaus etwas anfangen, und irgendwie fühle ich mich gerade etwas beflügelt. Ich könnte freilich noch mehr in meiner Depression aufgehen, aber dann würde sich eh die Frage stellen, warum noch ein Jahr warten.... In meinem Leben passt etwas nicht, und ich glaube wenn ich eine Deadline hätte würde ich tatsächlich alles daran setzen wenigstens die letzten Monate noch annähernd glücklich zu verbringen. Nur was würde ich dann tun? Mich trennen? Mich selbst verwirklichen? Für die Kinder da sein (verträgt sich nicht mit Trennung)? Mich den wirklich lebenswerten Dingen zuneigen? ... Diese Dinge erkenne ich momentan nicht, aber vielleicht fallen sie mir ein wenn ich morgen die Diagnose bekommen würde, "Sie haben nur noch ein Jahr, am 27.1.20 ist es leider vorbei".
Ich fürchte diese verk***te Depri vernebelt mir alles Lebenswerte. Keine Lust, keine Motivation, kein Spass, kein Lachen, keine Freude...

-chris
150mg Bupropion+225mg Venlafaxin

davor:
Sertralin, Abilify, Doxepin, Lithium, Bupropion, Quetiapin.
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