Verhalten bei "Abkapselung" des Partners

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Sven36
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Verhalten bei "Abkapselung" des Partners

Beitrag von Sven36 »

Liebes Forum,

mein Name ist Sven und ich bin 36 Jahre alt. Ich selber leide nicht an Depressionen, jedoch hat sich etwas in meinem Leben etwas ergeben, was mich nun dazu bewegt, mich mit diesem Thema intensiv auseinander zu setzen.

Ich habe vor knapp 4 Jahren eine atemberaubende, jedoch bedeutend jüngere Frau kennengelernt. Damit sich die Situation vollends beurteilen lässt, möchte ich Euch zunächst erzählen, wie unsere Beziehung im Detail gestrickt ist. Viele mögen nun mit dem Kopf schütteln, denn es ist eine eher ungewöhnliche Art und Weise eine Beziehung zu beginnen bzw. zu führen. Das ist aber vollkommen ok und ich akzeptiere die Vorbehalte anderer diesbezüglich.
Begonnen hat alles mit einem rein sexuellen Spielchen, welches sich über die besagten Jahre in einem Art „On-Off-Zustand“ fortgeführt hat, jedoch zumindest von meiner Seite aus aufgrund ihres Alters niemals mehr als das rein Körperliche sein sollte, auch wenn wir uns in gewisser Weise natürlich auch sehr gern hatten. Generell binde ich mich eher selten, es lag also nicht an ihrer Person und die Situation war prinzipiell für beide Seiten in Ordnung – Wir hatten beide unseren Spaß. Mitte des letzten Jahres hatten wir nach einer längeren Kontaktpause wieder Kontakt und die Grundsituation änderte sich dahingehend, dass nun auch Gefühle mit ins Spiel kamen und wir uns dazu entschlossen haben, eine Beziehung zu führen.

Nun etwas zu ihrer Person. Sie ist eine wahnsinnig tolle Frau. Klever, humorvoll, fürsorglich, aufmerksam und bildhübsch. Sie hat große Ziele, das Potential diese zu erreichen und hat in ihrem jungen Leben auch schon so einiges erreicht. Sie ist beliebt, Outgoing, kommt gut mit Menschen zurecht. Soweit so gut. Letztendlich ist Sie jedoch auch unbeschreiblich zerbrechlich, hat keinen guten Draht zu ihrem Vater bzw. generell zu ihrer Familie und eine bewegte Vergangenheit hinter sich. Sie muss ständig von anderen Menschen bestätigt werden, zweifelt – in meinen Augen völlig unbegründet - an sich selber. Etwa zur selben Zeit, als wir uns näher gekommen sind, setzte sie bei ihrem aktuellen Job, der sie sehr belastet, welcher jedoch auch nur eine reine Zwischenstation darstellt, aufgrund eines Burnouts aus. Dies geschah alles im Rahmen eines ärztlichen Attestes sowie einer psychologischen Behandlung. Dort wurde festgestellt, dass sie hochsensibel ist und an Depressionen leidet. Sie spricht sehr oft von Überforderung, Kraftlosigkeit und ganz besonders von dem Gefühl „nicht zu genügen“.

Eins unserer Probleme liegt darin begründet, dass wir charakterlich sehr heterogen gestrickt sind (Wahrscheinlich auch in Abhängigkeit an die unterschiedlichen Lebensstadien, in denen wir uns befinden). Ich habe es im Leben aus eigener Anstrengung finanziell und in Bezug auf Selbstverwirklichung sehr weit gebracht. Letztendlich beruht der Erfolg auf der Tatsache, dass ich sehr rational an Probleme rangehe und mein „Ich“ ohne Schwierigkeiten an Grenzen und darüber hinaus bringen kann. Ich hatte vor 5 Jahren einen sehr schweren Unfall mit einer nahezu unmöglichen Überlebenschance, dessen schweren Folgen der mir zwar viel Kraft gekostet hat, den ich jedoch unter dem Strich mit Hilfe des gewohnten „Maschinen-Modus“ relativ leicht weggesteckt habe. Das heißt zudem auch, dass ich (Lebens)-Krisenerprobt bin. Nach außen hin wirke ich oft sehr hart und unnahbar auf meine Mitmenschen, bin auf oberflächliche Weise jedoch sehr extrovertiert und ein sehr geübter Smalltalker. Ich kann bei neuen Menschen sehr schnell das Interesse wecken und nutze das auch gezielt aus, um interessante Menschen kennenzulernen.

Diese besagte „Härte“ stellte für sie zu Anfangs einen sehr großen Anziehungsfaktor dar. Besonders in sexueller Hinsicht reizt sie Strenge, Erfolg, Selbstsicherheit und sie verhält sich sehr devot. Wir passen diesbezüglich gut zusammen. Nun sind wir jedoch lange über diese rein sexuelle Beziehung hinaus und ich möchte sie in dem zwischenmenschlichen Part der Beziehung nicht dominieren, sondern ein fürsorglicher und liebevoller Partner für sie sein. Sie sprach in diesem Zusammenhang oft davon, dass sie diese Charakterzüge bei mir zwar niemals erwartet hätte, genießt diese Aufmerksamkeit und Geborgenheit jedoch zweifelsohne. Eigentlich ist also alles fein. Wir haben eine schöne und entspannte gemeinsame Zeit und ihre psychischen Herausforderungen stellen keinen grundsätzlichen Störfaktor dar, obwohl mir jederzeit bewusst ist, dass sie existent sind. Ich versuche unser Leben „süß“ zu gestalten. Ich war seit jeher ein Lebemensch und lasse sie gerne daran teilhaben.

Über Neujahr war sie im Ausland unterwegs und verhielt sich für ihre Verhältnisse ungewohnt kalt und gleichgültig. Wir sprachen sehr sachlich über diese Situation und ein großer Fokus des Gesprächs lag auf ihrer aktuellen Situation. Sie steht kurz vor dem berufsbegleitenden Abi, welches sie aktuell nachholt und hat Angst nicht zu performen, besonders weil sie ein halbes Jahr ausfiel. Sie bekommt keinen Rückhalt von ihrer Familie und fühlt sich generell minderwertig. Sie meint, dass es sein kann, dass sie sich unterbewusst nicht gestatten will, glücklich zu sein und gerade das wegstößt, was ihr gut tut. Auch war sie der Meinung, dass sie ihren Fokus bei all der Überforderung am ehesten von dem ablenken kann, bei dem sie am wenigsten unschöne Konsequenzen erwartet – Also von mir. Nun hat sie schon recht damit, dass ich sie auffangen will und emotional auch kann, dennoch will ich sie verstehen und die Situation für mich ins richtige Licht rücken - Rationales Verhalten halt.

Wie bereits beschrieben, gehe ich völlig anders mit Problemen um als sie und versuche demnach auch aus meiner Sichtweise heraus zu argumentieren. In meinen Augen ist ihre Situation bei weitem nicht so Schwarz, wie sie es beurteilt. Es sind halt im Grunde ganz normale Herausforderungen, denen sie sich stellen muss und die sie auch locker bewältigen könnte, wenn sie ein Stückweit an sich selbst glauben würde. Nach ein wenig Recherche bin ich der Meinung, dass dies jedoch genau die falsche Herangehensweise ist angesichts ihrer psychischen Verfassung und daher möchte mir bei euch Rat holen. Ich habe mich für eine Beziehung mit ihr entschieden und bin mir bewusst, dass ihre psychologische Problematik untrennbar zu ihr gehört. Noch ist nicht viel passiert, aber ich möchte einfach vorbereitet sein. Ich will gemeinsam mit ihr an ihren Herausforderungen arbeiten und adäquat auf mögliche Abweisungen reagieren können, damit sie den maximalen emotionalen Support von mir bekommt und sie sich nicht von mir unter Druck gesetzt fühlt. Nun die ganz konkrete Frage an Euch: Wie geht ihr damit um, wenn ihr spürt, dass Euer Partner sich aufgrund von Überforderung von euch abkapselt?

Vielen Dank für Eure Mühen im Voraus :-)

Sven
Candless
Beiträge: 190
Registriert: 7. Okt 2018, 22:10

Re: Verhalten bei "Abkapselung" des Partners

Beitrag von Candless »

Lieber Sven,

wenn sie eine Depression hat, und Burnout ist ja auch bereits eine Form der Depression, dann kannst du nur ein Stück zurücktreten und sie ihren Weg gehen lassen und den Platz einnehmen, den sie dir zugesteht.

Mir scheint, als würde dich ein klein wenig emotionale Distanz ihrerseits schon beunruhigen. In einer solchen Situation kann man meine ich nur Halt geben, indem man unabhängig bleibt und sich nicht von den Stimmungen der Partnerin beeinflussen lässt, aber auch nicht versucht, sie von aussen zu ändern, denn das geht gar nicht und setzt den Betroffenen unter Druck. "Maximalen Support" kann man nicht geben, den anderen auffangen auch nicht, sondern nur anbieten, für den anderen da zu sein.

Das ist natürlich eine riesige Belastung und ein Schock, wenn man tatsächlich weggestossen wird, oder die Beziehung beendet oder der Kontakt abgebrochen, wegen einer depressiven Episode. Das ist aber etwas sehr häufiges. Zieht sich jemand tatsächlich zurück (damit meine ich nicht ein klein wenig emotionale Distanz), kann man aber nicht gemeinsam daran arbeiten, sondern muss abwarten und den anderen seinen Weg finden lassen.

Unterscheiden muss man bei einer Depression zwischen der Krankheit und der Beziehung. Die Depression ist eine Krankheit und blockiert die Gefühle. Das wirkt sich dann auf eine Partnerschaft aus. Die Partnerschaftsprobleme sind also die Folge der Depression. Man kann daher die Probleme nicht innerhalb der Partnerschaft lösen, da sie dort gar nicht entstanden sind. Der Betroffene muss selbst einen Weg aus der Depression finden, mit ärztlicher und therapeutischer Unterstützung.

Wenn du emotionale Veränderungen an ihr bemerkst, die auf eine Depression deuten, kannst du ihr nur empfehlen, zum Arzt zu gehen und sich einen Therapeuten zu suchen, was oft sehr lange Zeit und Aufwand braucht.

Ich würde aus der Erfahrung sagen, dass es sinnvoll ist, ihr emotionales Level nicht zu überschreiten, also nicht zu problematisieren, wenn sie sich zurückzieht. Bei einer Depression kann derjenige nichts dafür und es sagt auch nichts über die Beziehung aus. Viele Betroffene machen zwar Aussagen zur Beziehung, aber auch das ist Ausdruck der Krankheit und lässt sich erst klären, wenn die depressive Krise abklingt.

Insofern kann ich nur zu Optimismus raten, keinen üblichen Massstab anzulegen, nicht alles auf die Goldwaage zu legen und ruhig und gelassen hinzunehmen, was da evtl. kommt. Keinesfalls würde ich ihre Probleme bagatellisieren oder die Auffassung vertreten, die wären alle lösbar. Man darf nicht vergessen, dass es für viele Depressive schon schwierig ist, morgens aufzustehen. Denn ihnen fehlt zu allem die Energie. Insofern ist es für Depressive auch nicht nur etwas Schönes, einen Partner zu haben, sondern es ist für sie auch unglaublich anstrengend. Und nur hier kann man als Partner etwas tun, nämlich nicht noch anstrengender zu werden, indem man kleinste emotionale Veränderungen beobachtet, klären will, und das alles auf die Beziehung hin interpretiert. Besser ist, zu vermitteln, dass es einem gut geht, unabhängig von der Partnerin und dass man es (ohne Diskussion oder Klärungsversuche) akzeptiert, wenn sie ihre Ruhe will.

Ganz liebe Grüsse!
Ich bin hier, weil ich mich mit anderen Angehörigen offen über alles austauschen möchte.
Sven36
Beiträge: 4
Registriert: 8. Jan 2019, 09:35

Re: Verhalten bei "Abkapselung" des Partners

Beitrag von Sven36 »

Liebe Candless,

vielen Dank für deine schnelle Antwort, die mir bereits jetzt schon sehr geholfen hat.

Ich habe über die besagte Zeit nochmal reflektiert und bin zu dem Ergebniss gekommen, dass die Beunruhigung daher rührte, dass ich mich schlichtweg hilfelos fühlte. Mir fällt es extrem schwer mich in ihre Lage hinein zu versetzen und die Art und Weise, wie die Krankheit wirkt, zu verstehen. Genau dort kommen die von dir angesprochenen üblichen Maßstäbe ins Spiel, denn ich bewerte unbekannte Situationen in der Regel immer mit Hilfe von Erfahrungswerten. Die fehlen hier natürlich komplett.

Den Sachverhalt, dass die Beziehung für sie eine Belastung darstellen könnte, habe ich gänzlich übersehen. Ich gehe davon aus, dass alles schön sein müsste, weil wir uns jederzeit eine sehr entspannte Zeit ermöglichen können und die natürlich auch haben, jedoch macht sie sich natürlich auch Gedanken über die Beziehung und auch darüber, wie das alles auf mich wirkt. Sie ist trotz ihrer Krankheit nicht egoistisch, was eine sehr schöne Charaktereigenschaft ist. Insofern ist das wohl die wichtigste Lektion, die ich lernen muss - Sie nicht weiter mit meinen Gedanken unter Druck zu setzen, nichts zu fordern, sondern ihr anzubieten für sie da zu sein, wenn sie das wünscht. Vielen Dank für diese Einsicht.

Ich habe angefangen eine Art Tagebuch zu führen. Ich umschreibe Dinge, die mit der Krankheit in Verbindung stehen sowie meine Gedanken dazu. Das hilft mir dabei einen Überblick zu behalten und Zusammenhänge zu erkennen, was mich in der Regel sehr beruhigt ;-) Außerdem könnte es ggf. dabei helfen, ihr zu einem späteren Zeitpunkt aufzuzeigen, dass sie eine positive Entwicklung durchlaufen ist. Sie ist sich ihren Problem bewusst und sucht sich Hilfe. Das ist ein sehr guter Anfang. Ich würde sehr gerne deine Meinung zu dieser Herangehensweise erfahren?

Liebe Grüße Sven
Sybilix
Beiträge: 79
Registriert: 11. Mär 2018, 23:58

Re: Verhalten bei "Abkapselung" des Partners

Beitrag von Sybilix »

Hallo Sven,

meist lese ich nur still mit - selten juckt es in den Fingern zu antworten.
Dein Post ist "erfrischend" pro-aktiv und birgt dennoch großes Gefahrenpotential es "falsch" zu machen bzw. nicht "optimal".

Von beiden Bewertungen solltest Du dich ohnehin verabschieden, diese würden einen falschen Eindruck von Präzision oder Korrektheit erwecken.

Mehr zu meiner Schnittmenge mit Depression:

Was mir hilft besser damit umzugehen - als Angehöriger

Warum komme ich dennoch in die Versuchung dein Herangehen (siehe zuvor) als "falsch" zu interpretieren?
Ein Tagebuch (für Dich, emotional) kann ich sehr empfehlen. Ein Tagebuch ihrer Symptome, Verhalten usw. ... ich glaube Du verwechselst da etwas mit Projektfahrplan oder Baustellentagebuch. Da gehört das hin, nicht hier.

Stelle ich mir vor Betroffener zu sein, möchte ich dass jemand mich (zu Tode) analyisiert? Nein, sicher nicht.
Würde ich von dieser Person, diesem Verhalten (weiteren Abstand nehmen)... wahrscheinlich schon.
Es ist alles meine Meinung, kein Fakt, keine "Weisheit" dennoch solltest Du dich zurücknehmen. Auch ein gut gemeintes Daten sammeln um später eine positive Entwicklung nachzuweisen, ist vermeintlich der falsche Ansatz. Betroffene nehmen rationale Argumente und Zusammenhänge nicht an.

Mein Tip: Übe Dich in Erwartungsmanagement. Erwarte nichts und erfreue dich über wenig. Das ist für mich einer der Schlüsselpunkte (neben auf sich selbst achten etc.).

Viel Kraft und alles Gute,
Sybilix
Sinnpflanze
Beiträge: 184
Registriert: 9. Aug 2018, 17:17

Re: Verhalten bei "Abkapselung" des Partners

Beitrag von Sinnpflanze »

Hallo Sven,

ich (als Betroffene) stimme 100% mit dem, was Sybilix schreibt, überein.

Das ist doch, bei allem guten Willen - den ich löblich finde - ein bisschen zuviel des Gutgemeinten.

Wenn ich mitkriegen würde, dass mein Partner über mein Verhalten Buch führt, würde ich mich doch sehr beobachtet und unter Druck gesetzt fühlen. Es würde mir die Luft zum Atmen nehmen, und doch ganz sicher das Gefühl geben, den geliebten Partner zu sehr in meine Depression zu verstricken. Ich würde notgedrungen Abstand nehmen müssen.

Halte Dir immer vor Augen: Du bist ihr Partner. Nicht ihr Therapeut.
Von einem Therapeuten sollte man die notwendige Ausbildung erwarten können und professionellen Abstand - was Du nicht aufweist.

Gruß,
Sinnpflanze
Wiedererholtes Herz ist das bewohnteste.
Rainer Maria Rilke
DieNeue
Beiträge: 5834
Registriert: 16. Mai 2016, 22:12

Re: Verhalten bei "Abkapselung" des Partners

Beitrag von DieNeue »

Hallo Sven,

ich muss ehrlich sagen, dass ich erst eigentlich nicht auf deinen Beitrag antworten wollte. Ich kann nicht genau sagen warum, aber vielleicht, weil der erste Eindruck, den du laut dir auf andere Leute machst, auch bei mir ankommt. Auch wenn du noch dein Innenleben beschreibst, das viele von außen nicht sehen können. Und ganz ehrlich: Mich stresst dein Text schon beim Lesen. Aber irgendwie habe ich trotzdem das Bedürfnis zu antworten.

Ich bin Betroffene und schreibe dir jetzt mal meinen Eindruck von eurer Situation. Es muss natürlich nicht so sein, wie ich es sehe, schließlich kenne ich euch nicht, aber das ist, wie es bei mir ankommt:

Ich habe den Eindruck, dass du sehr, sehr, sehr überzeugt von dir bist und hauptsächlich in Superlativen denkst. Du hast dich hochgearbeitet, hast deine Ziele realisiert, deinen schlimmen Unfall relativ gut weggesteckt, verdienst sehr gut, kannst super funktionieren, gehst sogar (problemlos?) über deine Grenzen, bist sehr gut in Smalltalk, kannst sehr schnell bei Leuten Interesse wecken, was du auch ausnutzt, hast Lebenserfahrung und kannst mit Krisen gut umgehen.

Über deine Freundin schreibst du:
Sie bewundert deine Härte, deine Selbstsicherheit, deinen Erfolg. Sie ist klug, sehr schön, beliebt, sehr erfolgreich, wird auch in Zukunft erfolgreich sein (so wie immer).
Zugleich ist sie sehr „zerbrechlich“ (was auch immer du darunter verstehst, ich verstehe darunter labil und empfindlich), zweifelt sehr an sich selbst, hat das Gefühl, nie gut genug zu sein, hat große Versagensängste und ist deshalb abhängig von der Bestätigung anderer Menschen. Sie ist ehrgeizig (sonst würde sie nicht neben dem Beruf noch ihr Abi nachholen), ihr Job stellt „nur“ eine Zwischenstation (auf der Karriereleiter?) dar, belastet sie aber sehr, sie fühlt sich überfordert und kraftlos. Gleichzeitig genießt sie deine Aufmerksamkeit und Geborgenheit. Sie hat in der Vergangenheit viel (Negatives?) erlebt und kein gutes Verhältnis zu ihrem Vater und dem Rest der Familie.

Über eure Beziehung schreibst du:
Ich versuche unser Leben „süß“ zu gestalten.
Ich lasse sie gerne daran teilhaben. – das klingt für mich etwas gönnerhaft
möchte sie [...] nicht dominieren, sondern ein fürsorglicher und liebevoller Partner für sie sein.
Warum willst du denn ausgerechnet ein fürsorglicher Partner sein? Warum ist dir die Fürsorge so wichtig? Natürlich ist es schön, wenn jemand gerne für seinen Partner sorgt und das finde ich auch sehr gut. Nur habe ich ein bisschen den Eindruck, dass du dich (unbewusst) eher in der Rolle siehst, dass du euer Leben gestaltest, dass du derjenige bist, der quasi die Rahmenbedingungen setzt (Geld, Erfolg, Sicherheit) und für sie sorgt. Vielleicht liegt das an eurem Altersunterschied und der unterschiedlichen Lebensphasen, aber ich würde mir als Freundin dabei immer etwas unterlegen vorkommen.
Sven36 hat geschrieben:Diese besagte „Härte“ stellte für sie zu Anfangs einen sehr großen Anziehungsfaktor dar. Besonders in sexueller Hinsicht reizt sie Strenge, Erfolg, Selbstsicherheit und sie verhält sich sehr devot. Wir passen diesbezüglich gut zusammen.
Wenn sie sich nur sexuell devot verhält, okay. Wenn sie sich aber auch im Alltag ständig sehr devot verhält, ist das auf Dauer nicht gut.
Es ist gut, dass du sie nicht dominieren willst! Falls dich das Thema „Symbiotische Beziehung“ interessiert, kannst du mal im Thread „Ich kann nicht mehr“ von Südwind55 nachlesen. Da habe ich schon mal was darüber geschrieben.

Dass du ein Tagebuch für dich schreibst, finde ich gut. Das mache ich auch und es hilft mir sehr. Es ist gut, wenn man selber nochmal liest, wie sich die Situation verändert hat und es ist auch gut, sich manchmal an konkrete Ereignisse nochmal zu erinnern, um zu sehen, dass es doch schöne Sachen in der schweren Zeit gab oder es früher schon schlimmer war als jetzt. Aber ein Tagebuch mit Aufzeichnungen über ihre Symptome etc. - Da kann ich dir als Betroffene nur ganz direkt sagen: Vergiss es!
Ein Tagebuch ist in der Regel nicht dazu da, dass man es jemandem zeigt, sondern für einen ganz persönlich. Das was du vorhast, ist ein Protokoll über ihr Befinden. Und das geht überhaupt nicht. Sie ist nicht dein Projekt und du bist auch nicht ihr Coach.
Was ich als Betroffene öfters mal gemacht habe, ist meine Eltern zu fragen, wie mich gerade einschätzen, ob sie denken, es geht bergauf. Und es war hilfreich, wenn sie mir konkrete Sachen sagen konnten, an denen sie das festmachen. Aber das ist was anderes als eine Datensammlung ;-)

So rational erfassbar, wie du an Probleme rangehst, ist das Leben nicht.
Ich habe manchmal den Eindruck, dass Leute, die schon viel erreicht haben, und vielleicht ist das bei einem Unfall, den man überstanden hat, wie bei dir, noch krasser, davon ausgehen, dass sie alles schaffen können. Dass man alles schafft, wenn man nur will, sich anstrengt, über seine Grenzen geht. Und das wird dann auf andere übertragen.
In einer Depression ist es aber wichtig, dass man eben NICHT über seine Grenzen geht.
Ich glaube, es wäre gut, wenn du dich zumindest etwas von dem Gedanken, dass alles rational lösbar ist, verabschiedest. Es gibt auch noch sowas wie Gefühle. Und die können manchmal ein größeres Hindernis darstellen als so manches körperliche oder sonstige Problem. Und man kann/sollte auch nicht einfach rational über sie drüber walzen, wie man das im „Funktionsmodus“ macht. Wenn man das immer macht, kann das nämlich auch Depressionen auslösen.

Ich habe den Eindruck, du überreißt nicht ganz, was die Eigenschaft "hochsensibel" für jemanden bedeutet. Was Überforderung bedeutet, was Kraftlosigkeit ist. Vielleicht kennst du das von deinem Unfall, kann sein. Aber Kraftlosigkeit bei einer Depression lässt sich nicht mit einer normalen Kraftlosigkeit vergleichen. Da gibt‘s keine Muskeln, die man wieder aufbauen kann.
Ich dachte immer, ein Studium wäre ideal für mich. Ich bin intelligent, beherrsche meine Fachgebiete, hinterfrage gerne, bringe mir gerne Dinge selbst bei, kann mich gut organisieren, bin ehrgeizig, zielstrebig, usw.
Tja, dann habe ich angefangen zu studieren. Ich hatte super Noten, es hat mir Spaß gemacht. Doch meine Herausforderungen lagen GANZ woanders. Da wo ich sie nicht vermutet hätte. Mein Perfektionismus hat mir sehr gute Noten gebracht, aber auch viel Druck durch meine hohen Ansprüche an mich selbst (und das war bei weitem nicht, die Beste von allen zu sein, sondern einfach „nur“ „MEIN Potenzial voll auszuschöpfen“). Durch meine Depression bin ich sehr schlecht darin, Prioritäten zu setzen, dadurch waren für mich alle Aufgaben gleich wichtig, selbst bei Sachen, bei denen die Note nicht gezählt hat, habe ich 100% und mehr gegeben. Alle Fächer auf gleich hohem Niveau zu halten schafft man aber nicht in meinem Studiengang.
Irgendwann bekam ich auch Probleme mich zu konzentrieren und in Kursen mitzumachen und Prüfungen zu schreiben war irgendwann kaum mehr machbar.
Zudem hatte ich immer mehr Probleme im Alltag. Der hat mich meistens noch mehr geplättet als das Studium. Ich bin sehr geräuschempfindlich und so war der Weg zur Uni im Bus oder die Fahrt in der Tram zu meiner Therapeutin extrem anstrengend für mich. Körperlich war ich auch extrem erschöpft, da fährt man dann auch nicht einfach mit dem Fahrrad zur Uni. Da könnte man dem Stress im Bus ausweichen, aber tataa – es geht nicht, weil die Lösung für mich nicht machbar ist.
Einkaufen war auch anstrengend, viele Leute, viel Auswahl, Musik und Radiogequatsche im Hintergrund. Einmal wollte ich zum Mediamarkt gehen, aber als ich aus der Tram ausgestiegen bin und die Autos (die so fuhren wie immer) waren für mich so ein lautes Gedröhne, dass ich mich ernsthaft gefragt habe, wie ich es jetzt schaffen soll, neben der lauten Straße bis zum Mediamarkt zu laufen und dort auch noch das Musikgedudel um mich herum zu haben. Und dann auch noch was auszusuchen. Ich war so fertig, dass ich mit der nächsten Tram wieder nachhause gefahren bin. Und ich gebe bei weitem nicht schnell auf.

Meine Methode mit Herausforderungen umzugehen, war, ähnlich wie bei dir, zu funktionieren wie eine Maschine. Gefühle ausschalten, weitermachen, egal wie steil der Berg war, immer mit der gleichen Geschwindigkeit weitergehen, als wäre nichts. Dadurch bin ich zwar weitgekommen, aber dadurch habe ich mich auch selbst kaputt gemacht. Dieser Funktionsmodus ist bei mir eine wichtige Ursache für die Entstehung und Verschlimmerung meiner Depressionen.

Es gibt einfach noch andere Faktoren, die zwar nach außen hin nicht in direktem Zusammenhang mit einer Sache stehen, aber deren „Erfolg“ sehr stark beeinflussen.

Das Gefühl der Überforderung ist nicht einfach „nur“ ein Gefühl, das da ist, obwohl die Herausforderung vielleicht rein rational gesehen (= Wissen, Lernen, Größe der Aufgabe sind ausreichend vorhanden bzw. angemessen) machbar ist. Sondern sie ist ein Faktor, der auch real ist, der die eigentliche Herausforderung ist, den man aber nicht einfach rational ausschalten kann. Vor allem bei Depressionen sieht man bei Problemen und Überforderung kein Ende mehr. Wenn du ein Problem rational ansiehst, kannst du vielleicht planen, wie du das angehen willst, kannst vielleicht Schritte einschätzen, die du gehen willst. Das alles kannst du aber mit Depressionen nicht.

Wenn sie ihr Abi nachmachen will, hat sie nicht nur die Herausforderung, dass sie die Inhalte verstehen und lernen muss, in der Prüfung nen klaren Kopf behalten muss, sondern das Ganze auch noch trotz ihrer Überforderung und allen anderen Symptomen der Depression hinzukriegen. Und wenn man weiß, wie sich eine Depression anfühlt, weiß man, wie schwer das ist.
Eine Depression ist auch nicht immer gleich. Bei mir ist es oft so, dass mir an dem einen Tag z.B. eine Unternehmung nichts ausmacht, ich an einem anderen Tag nach der gleichen Unternehmung völlig im Eimer und zu nichts mehr in der Lage bin. Beim nächsten Mal macht sie mir wieder nichts aus, dann auch wieder nichts, aber beim nächsten Mal haut mich die gleiche Situation, bei der ich dachte, ich komme jetzt ein bisschen besser zurecht, wieder völlig aus der Bahn und mir geht es eine ganze Woche lang richtig beschissen, weil die Unternehmung zu viel war. Das heißt, dass man meistens (v.a. am Anfang) überhaupt nicht einschätzen kann, was für einen okay ist und was einen überfordern würde und man lieber lassen sollte.
Das Blöde ist (zumindest ist das bei mir so), dass man oft erst hinterher merkt, dass etwas zu viel war. Und manchmal weiß man gar nicht genau, was einen jetzt wieder überfordert hat. Aus dem allen folgt, dass das Leben nicht mehr planbar ist! Und zwar null. Früher hatte ich immer Pläne, habe Termine ausgemacht, aber jetzt kann ich das überhaupt nicht mehr. Ich kann Termine nur noch unter Vorbehalt ausmachen, denn es kann immer sein, dass es mir an dem Tag schlecht geht und ich den Termin nicht einhalten kann. Meine Freunde und meine Familie kommen zum Glück damit klar. Aber es ist trotzdem immer ein blödes Gefühl andere Leute zu enttäuschen.
Wenn deine Freundin jetzt ihr Abi machen will, hat sie einen bestimmten Termin, an dem sie ihre Prüfung machen muss. Bis dahin muss sie den Stoff intus haben. Wie will sie sich jetzt aber den Stoff irgendwie einteilen, wenn jeder Tag unberechenbar ist? Wenn sie nie weiß, was sie an einem Tag schaffen kann. Da sieht man dann kein Ende mehr, denn wie soll man etwas planen und sich einteilen, wenn es nicht kontrollierbar ist? Wenn du in Richtung Prüfung schaust, siehst du die Menge an Stoff und den Zeitraum, in dem der Stoff bewältigt werden muss. Wenn sie in Richtung Prüfung schaut, sieht sie die Menge an Stoff, aber einen völlig unkontrollierbaren Zeitraum. Klar, dass es dann Angst macht, wie man das schaffen soll, wenn sich jeden Tag die Bedingungen ändern.

Ich glaube, sie hat mit ganz anderen Sachen zu kämpfen, die du dir gar nicht vorstellen kannst bzw. noch nicht überreisst. Für sie ist die Überforderung REAL, weil sie merkt, wo ihre Probleme sind. Für dich ist ihre Überforderung eigentlich nicht „angemessen“, weil sie das Problem ja eigentlich locker angehen und lösen könnte – „wenn sie ein Stück weit an sich glauben würde“! Sorry, aber nur ein bisschen an sich glauben wird ihr nicht helfen! Der Satz ist im Prinzip das gleiche, wenn Leute zu einem Depressiven sagen, er solle sich einfach zusammenreissen. Von solchen Sprüchen wird Angehörigen immer abgeraten – weil sie nicht helfen und weil Depressionen nichts mit zusammenreissen zu tun haben!
Sven36 hat geschrieben:Noch ist nicht viel passiert, aber ich möchte einfach vorbereitet sein.
Was soll denn noch alles passieren? Ist ein Burnout nicht genug?

Zu dem Thema „eigentlich ist doch alles ganz schön, denn wir machen ja viele schöne Sachen“:
Nicht nur negative Sachen machen Stress, sondern auch eigentlich schöne Ereignisse können Stress verursachen. Für mich sind viele Menschen auf einmal, z.B. auf einer Feier, Gift, auch wenn es sehr schön ist. Meist ist der Geräuschpegel sehr hoch und ich habe sehr mit Geräuschempfindlichkeit zu kämpfen. Das liegt zum einen an den Depressionen, zum anderen daran, dass ich auch hochsensibel bin. Ich nehme alles viel intensiver wahr. Oft habe ich es sogar erlebt, dass wenn sich zwei Leute in einer normalen Lautstärke unterhalten haben, sich das für mich angehört hat, als würden sie sich anschreien. Und das hat nichts mit meinen Ohren zu tun, da ist alles in Ordnung. Die Geräuschempfindlichkeit ist für mich auch ein Hinweis darauf, dass es mir schlecht gut, ich überfordert bin, und heißt, dass ich aus der Umgebung raus muss. Prinzipiell ist eine Feier ja ein schönes Ereignis, aber mit Depressionen sind oft viele Leute auf einem Haufen extrem anstrengend. Ich finde es schon anstrengend, wenn eine Freundin zu Besuch kommt, die ich selten sehe. Bei meiner Familie ist das entspannter.
Ich war einmal mit meiner Mutter auf einer kleinen Fahrradtour, eigentlich null Stress. Aber als wir wieder am Ausgangspunkt ankamen, war ich körperlich gar nicht wirklich erschöpft, aber ich habe unbedingt Ruhe gebraucht. Deshalb lag ich dann auf einer Bank, mein Gesicht mit irgendwas abgedeckt und Oropax in den Ohren, damit ich die Leute nicht mehr gehört habe. Das sind so Dinge, die man nicht nach außen sehen kann. Oft ist es auch so, dass man irgendwas schönes erlebt, wie z.B. Urlaub, Sonnenuntergang, aber man kann sich nicht freuen. Es ist dann zusätzlich deprimierend, wenn man merkt, man sollte sich eigentlich freuen, kann aber nicht.
Als hochsensibler Mensch nimmt man alle Eindrücke viel intensiver und ungefilterter auf. Man ist wesentlich schneller gestresst als nicht hochsensible Menschen. Allein durch einen vollen Bahnhof zu laufen mit verschiedenen lauten Geräuschen, Menschengequatsche, viele verschieden aussehende Leute, an denen man sämtliche Details wahrnimmt, die Werbung und Aufschriften, die man nicht einfach ignorieren kann, sondern automatisch komplett liest, die neue Umgebung, in der man sich orientieren muss, einem Wechsel von warmer zu kalter Luft, Luftzug, unangenehmen Gerüchen, kann extrem anstrengend sein.

Für viele depressive Menschen ist jeder Hauch von Verpflichtung schon Druck. In der Früh aufzustehen, mich fertig zu machen, um dann einigermaßen zivilisiert aussehend das Haus zu verlassen, stresst mich schon extrem. Der Stress blockiert mich dann meistens und ich kriege es erst recht nicht hin, mich rechtzeitig fertig zu machen und bekomme dann auch noch Zeitdruck.
Für mich ist es auch Druck, wenn ich wo eingeladen werde, weil ich dann gefühlt nicht schlecht drauf sein darf, mir es aber oft nicht so gut geht und ich eigentlich meine Ruhe bräuchte, mich am liebsten in mein Schneckenhaus zurückziehen, mir die Decke über den Kopf ziehen und von der Welt nichts mehr mitkriegen würde. Allein schon die Gedanken, ob ich jetzt wirklich hingehe oder doch lieber absage, blockieren mich total, ich werde mir meiner eigenen Unfähigkeiten bewusst, das deprimiert mich noch mehr, dann kommt der Druck, dass man aber eigentlich hingehen WILL, weil es ja eigentlich schön ist, die Leute auch nicht enttäuschen will, man aber auch nicht in der Lage ist, dort zu „funktionieren“.
Sven36 hat geschrieben:Nun hat sie schon recht damit, dass ich sie auffangen will und emotional auch kann
Ich glaube nicht, dass du das kannst und ich finde es ehrlich gesagt schon eine recht anmaßende Behauptung. Du wirst sie nie 100% verstehen. Du wirst nie immer alles richtig machen.
Außerdem wiedersprichst du dir selber. Du schreibst, dass du dich gerade hilflos fühlst, dass „es dir extrem schwer fällt, dich in ihre Lage hinein zu versetzen und die Art und Weise, wie die Krankheit wirkt, zu verstehen“. Ich dachte, du kannst alles? Wenn du sie emotional auffangen könntest, warum zieht sie sich dann vor dir zurück? Ich finde, du solltest deine Fähigkeiten in der Hinsicht auch mal etwas rationaler und realistischer betrachten. ;-)
Candless hat geschrieben:"Maximalen Support" kann man nicht geben, den anderen auffangen auch nicht, sondern nur anbieten, für den anderen da zu sein.
Das sehe ich genauso. „Für den Anderen da zu sein“ bedeutet für mich wirklich, dass man manchmal einfach „nur“ DA IST. Dass man anwesend ist, dem anderen zuhört, ihn in den Arm nimmt (sofern der Andere das gerade will), aber es heißt nicht, dass man irgendwelche Lösungen präsentieren muss oder soll.
Man kann auch mal praktisch helfen je nach Problem, aber „da sein“ bedeutet für mich: nicht in Aktionismus verfallen, nicht auf der Stelle Lösungen parat haben oder verzweifelt suchen und auch nicht gleich in Panik zu verfallen, nur weil der Andere mal weint oder jammert.

Und noch was allgemeines zur Info:
Depressionen sind nie gleich, sondern bei jedem Betroffenen unterschiedlich ausgeprägt, weshalb man auch schlecht Pauschalantworten geben kann. Manche sind unruhig, manche reden weniger, manche können keine Entscheidungen mehr treffen, manche haben psychosomatische Beschwerden, manche sind extrem antriebslos, körperlich erschöpft, usw. Mal steht ein Symptom im Vordergrund, dann wochenlang wieder ein anderes, oder es ist immer gleich.
Du wirst nie 100% adäquat auf sie reagieren können. Bei Depressionen gibt es keine Regeln à la „Wenn sie so und so ist, muss ich A machen. Wenn sie so und so ist, dann B.“ Manchmal passt auf die eine Situation A, dann wieder B. Es ist für Angehörige zum Beispiel oft schwierig zu wissen, ob sie versuchen sollen, einen Betroffenen zu aktivieren oder ob es besser wäre, ihn in Ruhe zu lassen.
Für mich sind z.B. feste regelmäßige Termine totaler Druck, für andere wiederum gut, weil sie dadurch eine stabilere Tagesstruktur haben.

Insgesamt kann ich auch alles, was die Anderen bereits geschrieben haben, nur unterschreiben.

Ich hoffe, es kam nicht zu hart rüber und du kannst mit meiner Antwort etwas anfangen.

Liebe Grüße,
DieNeue
Sinnpflanze
Beiträge: 184
Registriert: 9. Aug 2018, 17:17

Re: Verhalten bei "Abkapselung" des Partners

Beitrag von Sinnpflanze »

Chapeau, DieNeue.

Du hast die Worte gefunden, die mir fehlten, als mich beim Lesen des ersten Beitrages ein gewisses Unbehagen beschlich.

Zusammengefasst an @Sven36:

1. Unterschätze nicht die Erkrankung.
2. Überschätze nicht Dich.

Gruß,
Sinnpflanze
Wiedererholtes Herz ist das bewohnteste.
Rainer Maria Rilke
DieNeue
Beiträge: 5834
Registriert: 16. Mai 2016, 22:12

Re: Verhalten bei "Abkapselung" des Partners

Beitrag von DieNeue »

Hallo Sinnpflanze,

danke! Dafür bringst du auf den Punkt, wofür ich tausend Worte gebraucht habe ;)

Liebe Grüße,
DieNeue
Sven36
Beiträge: 4
Registriert: 8. Jan 2019, 09:35

Re: Verhalten bei "Abkapselung" des Partners

Beitrag von Sven36 »

Hallo ihr lieben,

ich danke Euch vielmals für Eure sehr ausführlichen und sehr deutlichen Worte. Sie mögen zwar teilweise sehr hart klingen, jedoch ist das vollkommen ok für mich. Im Grunde treffen sie ja den Kern der Sache, denn mit der Standard-Herangehensweise, mit der sich in der Tat bis Dato vielerlei Probleme lösen ließen, komme ich halt schlichtweg nicht weiter, weshalb ich mir ja auch Hilfe bei Euch suche.

Das Problem liegt selbstverständlich darin begründet, dass ich die Krankheit (Und natürlich auch die Hoch-Sensibilität) und ihre Wirkung auf den Menschen nicht greifen kann – Wie auch. Es gibt Personen, die bewerten Herausforderungen immer in Bezug auf die gemachten Erfahrungen. Ich versuche zu vergleichen, wie ich am ehesten mit so einem Problem umgehen würde und natürlich herrscht hier sehr schnell eine sehr deutliche Diskrepanz.

Der Hinweis mit dem Tagebuch ist sehr wertvoll, vielen Dank. Ich werde es weiter führen und dazu nutzen, meine eigenen Gefühle und Sorgen besser einzuordnen, jedoch keineswegs als Analyse-Tool für ihr Problem.
Der Unfall führte mich mehr an psychische Grenzen, anstatt an physiologische. Über zwei Jahre war nicht klar, ob ich meinen Körper wieder vollständig bewegen kann. Nur damit sich das einordnen lässt, aber wie bereits gesagt möchte ich die gemachten Erfahrungen nicht weiter auf sie reflektieren.

Hier über Erfahrungen aus der Sicht von Betroffenen zu lesen hilft mir sehr, einen anderen und wahrscheinlich auch deutlich realistischen Einblick zu erlangen. Unter dem Strich ziehe ich für mich das Fazit, einen oder auch zwei Gänge zurück zu schalten und mich mehr mit der Krankheit im allgemeinen auseinanderzusetzen, um so ein besseres Verständnis zu entwickeln, ihr keine gut gemeinten Ratschläge zu geben, sondern eher eine passive und bei Bedarf auch unterstützende Rolle einzunehmen.
Auf das Abi bezogen haben wir am Wochenende darüber gesprochen, dass ich nicht schlecht über sie denke, wenn sie mit all dem überfordert ist und das Abi auch nicht schaffen sollte bzw. es abbrechen sollte. Druck nehmen, anstatt neuen Druck zu schaffen.

Wir hatten ein, in meinen Augen sehr positives Wochenende. Wellness, gemeinsames Kochen für einen gemeinsamen Freund (Es war ihre Idee) und viel Zeit, in der wir einfach nur miteinander geredet haben und ich mehr über ihre Gedanken und Gefühle erfahren wollte. Am Freitag war sie beim Arzt und hat sich eine Überweisung in eine Tages-Klinik ausstellen lassen, in der sie in der Vergangenheit bereits einmal war. Ich habe ihr angeboten, sie dorthin zu fahren, mit ihr in das Gespräch zu gehen oder sie auch einfach nur dort abzusetzen. Sie meinte, dass sie das gerne nach dem Wochenende machen möchte, daher habe ich mir gestern frei genommen. Nach dem Aufstehen und dem Frühstück fühlte sie sich kraftlos und sprach davon, dass sie sich nicht mehr sicher sei, ob die Klinik das richtige für sie sei. Ich habe das so akzeptiert, obwohl ich sehr froh darüber gewesen wäre, wenn sie sich professionelle Hilfe geholt hätte. Wie seht ihr das? Sollte man in solch eine Situation „bestärkend wirken“ oder baut auch dies wieder unnötigen und konterproduktiven Druck auf?

Viele Grüße

Sven
DieNeue
Beiträge: 5834
Registriert: 16. Mai 2016, 22:12

Re: Verhalten bei "Abkapselung" des Partners

Beitrag von DieNeue »

Hallo Sven,

na, das hört sich doch ganz gut an. Ich denke, jetzt bist du auf dem richtigen Weg :)

Ich habe jetzt nicht ganz verstanden, ob deine Freundin nur zweifelt, ob der Klinikaufenthalt das richtige ist oder ob sie gar nicht zu dem Termin gegangen ist. Ich würde, glaube ich, schon versuchen sie zu ermutigen. Wenn sie merkt, es ist nicht das Richtige für sie, kann sie den Aufenthalt ja jederzeit abbrechen.
Und das ist auch kein Versagen, sonder es passt halt dann gerade nicht. Aber sie hat es wenigstens versucht. Oder hat sie das letzte Mal schlechte Erfahrungen dort gemacht? Hat der Klinikaufenthalt denn Auswirkungen auf ihr Abi?
Ich denke, ein bisschen Zweifel und Nervosität vor der Klinik ist auch normal.

Liebe Grüße und alles Gute euch beiden!
DieNeue
Sven36
Beiträge: 4
Registriert: 8. Jan 2019, 09:35

Re: Verhalten bei "Abkapselung" des Partners

Beitrag von Sven36 »

Hallo DieNeue,

sie ist nicht zu dem Termin gegangen. Ich habe sie zwar versucht "sanft" zu ermutigen, wollte sie aber nicht überreden und war davon auch sehr weit entfernt, denke ich.

Sie sprach nicht davon, dass sie schlechte Erfahrungen gemacht hat, sondern sagte, dass es ihr der Aufenthalt damals ja auch nicht allumfassend geholfen hat. Auf das Abi hat das eigentlich keinen Einfluss, da sie nur zwei mal die Woche zur Schule muss und es sich ja um eine Tagesklinik handelt. Bezüglich ihrer Arbeit wäre sie natürlich krank geschrieben. Ich denke dennoch, dass ihr Zweifel in Verbindung mit dem Abi steht. Ich meine herausgehört zu haben, dass sie Angst davor hat, dass man sie dort behält und sie dann ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen kann. Im Grunde will sie das Abi ja machen.

Sie setzte sich selber massiv unter Druck , wägte Pro und Contra ab und sagte sie müsse ihre Gedanken ordnen. Sie machte sich Sorgen, dass ihr Arzt ihre Krankheit "nicht mehr ernst nimmt", wenn sie sich zwar Einweisen lassen möchte, es dann aber letztendlich doch nicht tut.

Viele Grüße

Sven
Sinnpflanze
Beiträge: 184
Registriert: 9. Aug 2018, 17:17

Re: Verhalten bei "Abkapselung" des Partners

Beitrag von Sinnpflanze »

Hallo Sven36,

Deine veränderte Einstellung finde ich goldrichtig und vor allem konstruktiver. Du gibst ihr damit mehr Raum.
Ich meine herausgehört zu haben, dass sie Angst davor hat, dass man sie dort behält und sie dann ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen kann.
Niemand wird sie davon abhalten können, zu gehen, wenn sie sich dort unwohl fühlt bzw. das Gefühl hat, dass sie dieser Aufenthalt nicht weiterbringt.

An ihrer Stelle würde ich es auf einen Versuch ankommen lassen. Ich für meinen Teil habe zwei Klinikaufenthalte hinter mir: Der erste brachte überhaupt nichts, der zweite eine ganze Menge (auch, wenn es dann irgendwann einmal genug war.) Fifty-fifty also.

Wenn sie wirklich gesund werden will, muss sie - zumindest für eine Weile - Abstand von ihren Verpflichtungen nehmen. Die Genesung sollte an vorderster Stelle stehen. Gut möglich, dass sich in der Therapie herausstellen wird, dass sie ihr zukünftiges Leben ganz anders gestalten will als in der Vergangenheit geplant.
Im Grunde will sie das Abi ja machen.
Im Grunde vielleicht ja, aber vielleicht braucht sie jetzt etwas ganz anderes.
Worauf sie die Krankheit ganz massiv hinweist.

Diese Gedanken nur als Anregung. Behalte sie für Dich im Hinterkopf, aber versuche nicht zu sehr, auf sie einzuwirken. Ihren Weg finden muss sie selbst.

Gruß,
Sinnpflanze
Wiedererholtes Herz ist das bewohnteste.
Rainer Maria Rilke
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