Übernachtungsbesuch - Stress

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suchenachsonne
Beiträge: 7
Registriert: 10. Mär 2018, 22:09

Übernachtungsbesuch - Stress

Beitrag von suchenachsonne »

Ein gutes neues Jahr allerseits!

Ich lebe mit meinem Freund zusammen und bin sehr, sehr glücklich damit. Es ist allerdings so: er ist viel, viel sozialer und geselliger als ich und hat immer gern Menschen um sich, während ich dank meiner schweren Depression/Angst/Sozialphobie gern die Ruhe suche.
Das kriegen wir im Alltag wunderbar kombiniert, aber sobald sich Übernachtungsbesuch ankündigt wird es sehr hart für mich (wir kriegen inmitten einer beliebten Großstadt recht oft Besuch).

Während meine Familie immer in Hotels nächtigt, ist das in seiner sehr großen Familie nie üblich gewesen und es ist selbstverständlich, dass sie hier aufschlagen und sich wie zuhause fühlen (was ich in der Theorie auch sehr schön finde!!! Ich mag sie alle unglaublich gern). Das geht mit einigem an Action und Lautstärke einher, mit kurzen Nächten und null Ruhebedürfnis von Seiten des Besuchs.

Solche Phasen bringen mich WEIT über die Grenze meiner Belastbarkeit hinaus und ich bin nach ein paar Tagen Besuch kaum noch wiederzukennen, selbst wenn ich mir größte Mühe gebe, mir so viele Auszeiten wie irgend möglich zu nehmen. Mein ganzes Symptomspektrum hat dann die Chance, mal so richtig zu glänzen :-D Ich brauche Rituale und ganz verlässliche Rückzugsräume, um gut durch den Alltag zu kommen und gerate extrem schnell ausser Balance, wenn diese Elemente wegfallen.

Da seine Angehörigen/Freunde nichts von meinen Erkrankungen wissen, bin ich natürlich auch immer versucht, so "gesund" wie möglich zu wirken und kann da gar nicht aus meiner Haut.

Ich möchte meinen Freund aber in keinster Weise einschränken und würde deshalb nie sagen: bei uns kein Übernachtungsbesuch.

Vielleicht gibt es ja einige unter euch, die dieses Dilemma kennen. Wie handhabt ihr das?
Freue mich über jeden Input!
Sinnpflanze
Beiträge: 184
Registriert: 9. Aug 2018, 17:17

Re: Übernachtungsbesuch - Stress

Beitrag von Sinnpflanze »

Hallo suchenachsonne,
suchenachsonne hat geschrieben: Da seine Angehörigen/Freunde nichts von meinen Erkrankungen wissen, bin ich natürlich auch immer versucht, so "gesund" wie möglich zu wirken und kann da gar nicht aus meiner Haut.
Ich denke, das ist der Knackpunkt. Siehst Du eine Möglichkeit, Dich da ein Stückweit zu öffnen? Muss ja nicht gleich die ganze Krankengeschichte aufgerollt werden. Aber vielleicht das Wichtigste? Du formulierst es doch sehr anschaulich:
Ich brauche Rituale und ganz verlässliche Rückzugsräume, um gut durch den Alltag zu kommen und gerate extrem schnell ausser Balance, wenn diese Elemente wegfallen.

Denn Du schreibst doch, dass es sich dabei im Grunde um ganz liebenswerte Menschen handelt. Vielleicht hätten sie mehr Verständnis, als Du denkst.

Ich hab mit - wohl dosierter - Offenheit ganz gute Erfahrungen gemacht. Sich-Verstellen-müssen ist sehr kräftezehrend.

Gruß,
Sinnpflanze
Wiedererholtes Herz ist das bewohnteste.
Rainer Maria Rilke
DieNeue
Beiträge: 5829
Registriert: 16. Mai 2016, 22:12

Re: Übernachtungsbesuch - Stress

Beitrag von DieNeue »

Hallo zusammen,
Sinnpflanze hat geschrieben:Ich hab mit - wohl dosierter - Offenheit ganz gute Erfahrungen gemacht.
Ich auch! Es hat eigentlich kaum einer blöd reagiert und es wird auch Rücksicht genommen.

Liebe Grüße,
DieNeue
Herd04
Beiträge: 1362
Registriert: 19. Jan 2012, 13:16

Re: Übernachtungsbesuch - Stress

Beitrag von Herd04 »

Liebe suchediesonne,

es ist sicher nicht so einfach, das,was immer funktioniert hat,zu ändern.

Ich glaube, es gibt wirklich nur die Möglichkeit,den Freunden bzw. Verwandten in Ansätzen von deinen Erkrankungen zu erzählen. Das ist kein vor den Kopf stoßen. Du schreibst,dass zwischen dir und deinem Freund alles sehr gut ist. Sprich mit ihm. Er sollte Verständnis für dich haben.

Früher war es kein Thema für mich,wenn Besuch bei uns übernachtet hat.
Das geht gar nicht mehr (die Kinder mit ihren Familien ausgenommen ).
Unsere Freunde wissen,dass ich nicht gesund bin und dass Übernachtungen bei uns Stress pur für mich bedeuten.

Ich habe nur eine negative Erfahrung gemacht. Ehemals Freunde von uns riefen nachmittags zu meinem Geburtstag ein. Als sie meinten ,sie kommen zum Kaffee vorbei,dachte ich an einen Spaß,denn sie wohnen 200 km entfernt entfernt. Ich habe förmlich "Blut und Wasser" geschwitzt,weil sie nicht verstehen konnten,dass ich mich überfordert fühlte.Auf ihr "Es ist doch nur eine Nacht", habe ich deutlich gesagt:"Ich möchte es nicht." Sie hatten es vermutlich nicht so richtig verstanden, denn etwas später wollten sie ein ganzes Wochenende bei uns bleiben. Mein Mann und ich waren einer Meinung,dass wir mit einer Übernachtung einverstanden sind...sie waren es nicht.
Seitdem haben wir sie als Freunde verloren.

Aber ich denke, wer uns nicht versteht,ist kein richtiger Freund.
Gemeinsam mit deinem Freund solltest du nach einer guten Lösung suchen,und es sollte auch keiner beleidigt sein.

LG,Edda
Katerle
Beiträge: 11382
Registriert: 25. Sep 2014, 10:30

Re: Übernachtungsbesuch - Stress

Beitrag von Katerle »

Hallo suchenachsonne,

du schreibst, ihr kriegt sehr oft Besuch und du hinterher immer ne Auszeit brauchst. Du könntest ja deinem Freund zu verstehen geben, wie es dir dabei geht und sooft Besuch dir nicht guttut. Was jetzt nicht heißt, gar keinen Besuch mehr zu empfangen, sondern indem ihr Besuch etwas einschränkt. Auch muss man nicht den anderen zuliebe, die ganze Nacht aufbleiben.
Wir haben nicht sooft Übernachtungsbesuch und wenn ich müde bin, ziehe ich mich auch zurück. Ich wurde auch mal zur Rede gestellt, weil ich eher gegangen war. Aber das hatte ich begründet, was zwar für die Anderen nicht so nachvollziehbar war, aber macht ja nichts. LG Katerle
Bittchen
Beiträge: 5430
Registriert: 2. Feb 2013, 18:02

Re: Übernachtungsbesuch - Stress

Beitrag von Bittchen »

Liebe suchennachsonne,

das Problem sehe ich auch im Verheimlichen der Krankheit.
Das kannst du nicht handhaben,ohne um Rücksicht zu bitten.
Da würde ich von meinem Freund bitten,dass er seine Freunde und Angehörige darauf aufmerksam macht und auch um Verständnis bittet.
Oder hat er selbst ein Problem damit,dass du eine gewisse Ruhe und Struktur brauchst ?
Übernachtungsbesuch hat mich schon immer sehr aus der Bahn geworfen.
Früher waren das meine Eltern,das war auch schon anstrengend für mich.
Sonst schlafen nur meine Enkel hier und das bekomme ich meist hin.
Wenn es mir schlecht geht ,kann ich auch nur mit Mühe meine engste Familie um mich haben,wenn sie alle zusammen sind.
Einzelne kurzer Besuche sind da kein Problem,das tut mir sogar gut.
Da vertraute Menschen von meiner Störung wissen und das respektieren,klappt das auch.
Das hat auch Zeit gebraucht,bis ich selbst dazu stehen konnte, nicht so belastbar zu sein.
Immer eine Maske tragen, wird auf längere Sicht nicht funktionieren.
Meine Tochter wohnt alleine in Berlin,da geht es oft zu wie im wie Taubenschlag,weil sie viele Freunde hat,die da schlafen wollen.
Sie mag das sehr.
Sie hat gerade das durch gelegenes Sofa durch ein Neues ersetzt.
Aber auch sie ist dadurch öfter unterwegs und hat immer Übernachtungsmöglichkeiten bei Freunden.
Das ist ein Geben und ein Nehmen.
Ihrem früheren Partner hat das nicht gepasst und die Beziehung ging auseinander.
Er hatte keine psychische Störung ,aber eine ganz andere Mentalität.
In einer Partnerschaft sind immer Kompromisse nötig.

Liebe Grüße
Bittchen
Jeder Tag ist ein neuer Anfang.
suchenachsonne
Beiträge: 7
Registriert: 10. Mär 2018, 22:09

Re: Übernachtungsbesuch - Stress

Beitrag von suchenachsonne »

Vielen lieben Dank für eure Antworten!!
Ich schätze das so sehr, mich hier verstanden zu fühlen.

Mich der Familie und den Freunden meines Freundes im Ansatz zu öffnen habe ich schon oft überdacht, weil ich dadurch auf eine gewisse Erleichterung gehofft habe. Ich habe jedoch große Probleme, das umzusetzen. Die Unwiderruflichkeit macht mir Angst. Dass man eventuell nicht mehr mit mir, sondern über mich reden könnte. Oder dass man meinem Freund in irgendeiner Form raten könnte, langfristig eher ohne mich durchs Leben zu gehen.
Ich weiß auch, das psychische Erkrankungen in seinem Umfeld eher kein Thema sind (obwohl es schon einen Suizid im familiären Umfeld gab... aber da sprach die Familie eher über Leistungsdruck und Versagensangst denn über Depression) und befürchte, nicht ernst genommen zu werden, was mir unglaublich weh tun würde.

Für mich selbst versuche ich immer mal, offener zu werden. Zum Beispiel verstecke ich meine Medikamente nicht mehr, wenn Besuch kommt. Sie liegen zwar nicht offen auf dem Tisch, aber sind zB im Schrank sichtbar, wenn sich ein Gast ein Glas Marmelade holt. Mein Freund hat mich schon mal gebeten, die Medikamente zu verbergen, aber da entgegnete ich, dass ich hier zuhause bin und somit auch meine Krankheit und dass ich mich nicht auf Teufel komm raus verstecken möchte. Das hat er verstanden.
Er versteht zum Glück auch, wenn ich anderweitig Grenzen abstecke oder erreiche. Aber natürlich ist es fremd für ihn und nicht in seiner Natur. Ich habe oft Angst, ihn aufzuhalten oder zu sehr zu belasten und habe den Verdacht, dass ihm lieber wäre, wenn seine Familie nichts wüsste. Ich muss da mal Klartext mit ihm darüber sprechen und rausfinden, wie er denkt.
Katerle
Beiträge: 11382
Registriert: 25. Sep 2014, 10:30

Re: Übernachtungsbesuch - Stress

Beitrag von Katerle »

Verständlich, dass es dir nicht leichtfällt, das umzusetzen. Deshalb gehe es langsam an, also schrittweise. LG
Bittchen
Beiträge: 5430
Registriert: 2. Feb 2013, 18:02

Re: Übernachtungsbesuch - Stress

Beitrag von Bittchen »

Liebe suchennachsonne,

ja,du solltest mit deinem Freund reden.
Dass du Verlustängste hast,kann ich gut verstehen.
Aber dich immer zu verstellen kann nicht gut gehen,irgendwann platzt die Bombe.
Vielleicht kommt es ja viel besser wie du denkst und er will dich nicht verlieren und nimmt Rücksicht auf deine Bedürfnisse.
Das würde ich dir sehr wünschen.

Liebe Grüße
Bittchen
Jeder Tag ist ein neuer Anfang.
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