Manche Wunden scheinen nie zu heilen

Ann
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Re: Manche Wunden scheinen nie zu heilen

Beitrag von Ann »

Lieber Kai,
danke für deine Nähe in Gedanken! Es tut wirklich gut, sich verstanden zu fühlen! Ja, der Schmerz sitzt ganz ganz tief, so tief, dass er mit bloßem Willen und verstandesmäßigen Versuchen nicht erreicht werden kann. Wir haben die Verletzungen ja auch in Zeiten erfahren, als wir uns absolut nicht wehren konnten, ihnen hilflos ausgeliefert waren und sie sich deshalb ganz tief in die Seele eingraben konnten. Ich fühle dies ganz stark, wenn ich an meine Kinder denke. Wie sehr sie es brauchen geliebt zu werden, und dass ihre Eltern für sie da sind. Du erlebst es jetzt bei deinem süßen kleinen Sohn. Ich möchte um alles in der Welt verhindern, dass sie sich jemals so fühlen müssen wie ich damals. Dieses Ziel vor Augen zu haben gibt auch Kraft! Niemals kann ich verstehen, was in Menschen vorgeht, die ihre Kinder verlassen.

Aber was ist mit unserem eigenen Schmerz. Ich glaube nicht, dass ich ihn jemals ganz loswerden kann. Ich versuche es schon so lange und immer wieder merke ich, wie er zurückkommt, oder von neuem aufbricht. Aber wenigstens möchte ich Stück für Stück mein eigenes Leben "erobern". Weißt du, was ich meine? Du sagst, dein Erzeuger sei es gar nicht wert, dass du soviel Energie in Gedanken an ihn verschwendest. So sehe ich das auch! Die Energie brauchst du für dich selbst und für deinen Sohn. Schick den Vater in Gedanken auf den Mond oder in die Hölle oder sonst wohin. Und sag in Gedanken zu ihm: "Du versaust mir mein Leben nicht mehr!"
Ich versuche so etwas immer wieder. Ich bin gespannt, was du dazu sagst.

Schön, dich in Gedanken so nahe zu wissen! Sei umarmt von Ann
girasol
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Re: Manche Wunden scheinen nie zu heilen

Beitrag von girasol »

Hallo Kai,

ich habe mir heute die Zeit genommen und mir den ganzen Thread durchgelesen. Du schriebst, dass du immer verlassen wurdest und dass „ immer wieder das Verlassenwerden, die immer wieder damit einhergehende Einsamkeit und die quälende Frage "Warum?". Auch ich habe darauf keine Antwort, denn es ist mir einfach nicht begreiflich, dass es Menschen unter uns gibt, die so sehr nur sich selbst und ihr eigenes Glück sehen“.

Aber ist es nicht so, wenn du von den anderen verlangst, dass sie dich nicht verlassen sollen, weil du es nicht aushältst, dass du dann nicht auch nur an dich denkst und es dir egal ist, was die anderen dabei empfinden. Du wünschst dir so sehnlich eine Familie, und das kann ich gut verstehen, aber vielleicht hast du deine beiden Freundinnen damit erdrückt. Selbst ich hatte beim Lesen das Gefühl, dass ich kaum noch atmen kann. Vielleicht versuchst du eine Symbiose mit einem Menschen einzugehen und erwartest damit einfach viel zu viel. Und wenn ich dann lese „Bitte lass mich nicht alleine, denn ich brauche dich einfach jetzt hier und morgen, übermorgen und für das wenn auch nur virtuelle Gefühl nicht alleine zu sein“, dann verlangst du von einem Menschen enorm viel. Sicherlich bist du sehr hilflos und bist auf der Suche nach Hilfe, ich kann das schon verstehen, aber du erwartest doch sehr viel. Und ich finde es auch nicht gut, dass du dein ganzen Glück an deinen Sohn hängst. Er muss jetzt schon eine Verantwortung tragen, der er gar nicht gewachsen ist. Ich spreche da aus eigener Erfahrung. Meine Mutter fielen viele Sachen enorm schwer, und ich habe mich lange, sehr lange dafür verantwortlich gefühlt und dachte immer, wenn ich sie immer unterstütze und zeige, wo es langgeht, dann wird es schon werden. Ich hatte sehr viele Schuldgefühle, wenn sie wieder im Krankenhaus war, wenn sie gelitten hat unter ihren schizoaffektiven Psychosen (mein Vater war damals bei seiner neuen Familie). Für ein Kind ist es sehr schwer zu ertragen, wenn die Mutter oder der Vater leiden muss, denn es ist für ein Kind lebenswichtig, dass die Eltern „funktionieren“. Hänge bitte nicht dein ganzen Lebensglück an deine Sohn. Versuche andere Wünsche und Ziele zu finden, die dein Leben erfüllen und damit deinen Sohn auch entlasten. Sicherlich ist Familie eine sehr wichtiger Teil, aber er ist nicht alles. Wenn du über deine Mutter schreibst, habe ich das Gefühl, dass auch du sehr viele Schuldgefühle ihr gegenüber hast, und wenn du etwas anders gemacht hättest, dann wäre es deiner Mutter besser ergangen. Aber sie hat ihr Leben gelebt wie sie es wollte, das solltest du akzeptieren, auch wenn du dir für sie ein „besseres“ Leben gewünscht hättest, aber das hat sie ganz allein so entschieden. Zu einem großen Teil sind wir selbst unser Glückes Schmied und es sind nicht immer die anderen daran Schuld, wenn etwas nicht so gelingt, auch wir tragen daran einen Anteil, auch wenn wir ihn oft nicht sehen. Ich habe früher auch oft gedacht, die anderen sind Schuld, aber dann habe ich mich hingesetzt und Gemeinsamkeiten gefunden bei Konflikten, an denen ich immer beteiligt war, aber der oder die andere(n) war(en) immer andere. Und dann habe ich versucht darüber nachzudenken, ob ein Teil des Problems nicht auch bei mir liegt. Das hat verdammt weh getan. Natürlich sollte man die Schuld nicht nur bei sich suchen, aber ich habe mir angewöhnt, wenn es eine Situation gibt, die ich nicht gleich verstehe, mich in den anderen hineinzuversetzen und mich mit seinen/ihren Augen zu sehen. Das geht nicht immer, denn dazu gehört auch, dass man einen Abstand herstellen kann und sich selber traut. Seine und die Grenzen des anderen zu finden, ist nicht immer leicht, mit Konflikten verbunden und natürlich kommt dabei wieder die Angst auf, verlassen zu werden, aber wenn du es lernst, dir selbst über den Weg zu trauen, dann schaffst du es.

Allerdings weiß ich aus eigener Erfahrung, dass es ein schmerzvoller und langer Weg ist, aber für mich ist mittlerweile der Weg das Ziel, denn wir Menschen bewegen uns nicht auf einer Geraden, sondern im Kreis und es geht mal hoch und mal runter und es gibt Gott sei Dank keinen Anfang und kein Ende auf der „Suche nach dem Sinn des Lebens“.

Ciao Girasol
Thuja
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Re: Manche Wunden scheinen nie zu heilen

Beitrag von Thuja »

Hallo Kai,

ich denke auch, daß es gut ist, zu spüren, dass man für einen kleinen Menschen Verantwortung hat und er einem Freude macht mit seinem Lächeln, Quieken, Strampeln etc. und man zusehen kann, wie er von Tag zu Tag wächst und mehr wahrnimmt, neugierig ist und auch viel Schutz und Liebe braucht.
Aber "Alles" dran zu hängen, ist wirklich eine "Schuhnummer" zu groß. Du darfst ihn nicht als "Lebenskitt" benutzen, aber natürlich darf der Gedanke an ihn, wenn Du ihn nicht bei Dir hast, Dich beleben. Aber er braucht auch wirklich einen Vater, der als solcher da ist für ihn, nicht umgekehrt. Ich kenne's halt aus eigener Erfahrung, wenn man selbst immer nur für andere eine Funktion erfüllt, aber andere für einen selbst nicht "da" sind. Und für mich war schon von Früh an klar, daß ich keine Kinder haben werde, kann ich doch für mein Leben nur so eben die Verantwortung übernehmen, aber langfristig für noch jemanden - das kann ich nicht. Und so viel "Altes" ist immer noch in mir drin, das kriegt man nicht so schnell geändert, selbst wenn man's will, so daß sich die Fehler der eigenen Eltern leicht wiederholen, weil man ja das Muster so gut drauf hat ...
Aber ich glaube, Du kannst das schon schaffen. Viel Mut und Sonnenschein!
Annette
Ann
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Re: Manche Wunden scheinen nie zu heilen

Beitrag von Ann »

Hallo Elke,
danke für deinen Beitrag auf Kais Brief. Ich finde deine Gedankenanstöße wirklich wertvoll, denn ich befinde mich auch oft auf dieser Schiene, bei anderen, ganz besonders beim Partner, das zu suchen, was ich eigentlich von meinen Eltern hätte bekommen müssen. Damit überfordere ich den anderen, ich fühle mich verletzt und erlebe wieder und wieder den Schmerz, den realen und den aus der Kindheit, zurückgewiesen zu werden. Es ist wirklich ein Teufelskreis! Es klingt, als ob du auf einem guten Weg bist, diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Schmerzhaft und mühevoll, aber wenigstens vorwärts auf einem Weg, denn im Gegensatz dazu führt der Teufelskreis in einer Spirale abwärts.

Auch unsere Kinder können uns diese Probleme nicht lösen, ganz klar. Bei ihnen versuche ich ganz bewusst, diesen Kreis zu durchbrechen. Sie nicht so zu benutzen, wie meine Mutter mich "benutzt" hat (als Partnerersatz, Trösterin, Machtmittel gegen den Vater usw. ich konnte auch nie einen eigenen Schritt gehen ohne ihr gegenüber ein schlechtes Gewissen zu haben). Den Kindern möchte ich einerseits die Sicherheit geben, dass ich für sie da bin. Sie andererseits aber auch loslassen und ihr eigenes Leben leben lassen - ohne schlechtes Gewissen! An diesem Mittelweg versuche ich zu arbeiten, gerade in Erinnerung meiner eigenen Kindheitsgeschichte. Natürlich mit ständigen Fehler und Rückschlägen. Aber ich möchte um alles in der Welt nicht meine eigene Geschichte an ihnen wiederholen.

Tschüss für heute und Gruß! Ann
girasol
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Re: Manche Wunden scheinen nie zu heilen

Beitrag von girasol »

Hallo Kai,

wie geht es dir, du hast schon einige Zeit nichts von dir hören lassen.

Hallo Ann,

ich freue mich, dass du das ähnlich siehst mit der eigenen Schuld. Allerdings habe ich auch angefangen, dies nicht nur auf meine heutige Situation zu beziehen, sondern auch meine Eltern differenzierter zu betrachten und darüber nachzudenken, warum sie genauso waren wie sie waren. Klar sollen die Eltern ihren Kindern alles Gute geben, aber das ist Wunschdenken. Auch Eltern machen Fehler, sie sind ein Produkt der Erziehung ihrer Eltern und ihrer Umfeld, ihrer eigenen Gedanken und Wünsche und ich als ihr Kind bin als Erwachsener dazu angehalten, das zu erkennen und zu akzeptieren. Ich glaube, dass 99% der Eltern nur das Beste wollen für ihre Kinder, aber vielleicht auch nicht in der Lage sind, weil auch sie eben ein Produkt sind. Das Kind als Kind hat das Recht Forderungen zu stellen, es ist abhänig von seinen Eltern, wenn es dann aber erwachsen ist und für sich alleine sorgen kann, dann sollte am versuchen, das Verhalten seiner Eltern zu verstehen. Auch ich habe mir immer eine wundervolle Mutter gewünscht, wer will schon das seine Mutter krank ist und leidet, aber sie war auch für mich da, auch wenn ich manchmal sehr genau hinsehen mußte und natürlich war und ist immer zuerst die Verletzung und der Schmerz da, aber ich schaffe es immer öfter, mehr zu sehen. Es ist mein innerster Wunsch nach einer wundervollen Kindheit und Mutter, der mir immer im Weg stand, und dieser Wunsch hat auch meine Mutter eingeengt. Ich denke, dass der andere Mensch unsere geheimsten Wünsche irgendwie erspüren kann, sie kommen an und können ihn überfordern, ohne das er es erklären kann. Mir geht das auch oft mit anderen Menschen so, ich kann es nicht erklären, aber ich bekomme keine Luft mehr. Und dann versuche ich, meine Grenzen zu setzen, auch wenn ich riesige Angst davor habe, dem anderen weh zu tun. Und es fällt mir sehr schwer, meine eigenen Grenzen wahrzunehmen, meine Wünsche zu erspüren. Und dabei bin ich gerade. Ann, wie du siehst hat meine Mutter genug nicht "richtig" gemacht, aber ich als Kind habe meine Sicht auf die Dinge verändert. Wir werden immer Fehler machen und die Heldentat eines Menschen nie hinzufallen, sondern jedesmal wieder aufzustehen. Ich wünsche dir ein schönes Wochenende und viel Sonne im Herzen.

Ciao Girasol
LucaJoshua
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Re: Manche Wunden scheinen nie zu heilen

Beitrag von LucaJoshua »

Liebe Elke,

Deine Worte haben mir sehr gut getan und es schön zu wissen, dass man(n) nicht alleine ist mit seinen Gefühlen. Aber (ich hasse es, einen Satz mit diesem Wort zu beginnen), glaube ich nicht, dass es darum geht, dass man alles "richtig" macht, wenn es um unsere Kinder geht. Richtig ist ein Wort, ein Ausdruck, der und von aussen aufgezwungen wird, richtig ist für mich nur das, was mein Herz mir sagt und sonst nichts. Unsere Kinder brauchen unsere Liebe, unsere Nähe und dieses Gefühl, was nur wir ihnen geben können, dass wir sie lieben, egal was passiert, egal was sie tun und egal, ob das mit unserem Denken einhergeht. Es sind Kinder und sie haben uns so viel mehr voraus! Alles würde ich dafür geben, um noch einmal die Welt mit den Augen meines Kindes sehen zu dürfen, denn da gibt es keinen Hass, keinen Neid und keine Missgunst. Es gibt nur dieses eine Gefühl: Was gut tut, ist gut.

Das ist wunderschön und ich versuche meinem Sohn dieses Gefühl heute und in meinem Tun auch für die Ewigkeit zu geben. An der Kraft dazu zweifele ich oft, denn ich habe oft erfahren müssen, dass meine liebsten und vertrautesten Menschen immer wieder an dieser lebensaufgabe gescheitert sind. Das möchte ich Luca ersparen, also schöpfe ich Kraft durch ihn, um das zu tun, was mir immer gefehlt hat.

Das ist wertvoll, oder? Und es lässt mich wachsen an der Aufgabe, die ich habe. Es ist ein positives Gefühl und es ist das, was vielen hier leider fehlt. Aber ich wünsche es euch allen und ich weiss, dass es uns gelingen wird, wenn wir nur an das Gute glauben.

Fühle Dich gedrückt,

Kai
sewi
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Re: Manche Wunden scheinen nie zu heilen

Beitrag von sewi »

na schön.. wenn der vater sich in mütterlichkeits-gefühlen wiegt, dann kann man nur hoffen, daß die mutter die vaterrolle so gut wie möglich übernehmen wird und dafür sorgt, daß dem kind auch die welt auf verantwortungsvolle art eröffnet und gezeigt wird.
LucaJoshua
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Re: Manche Wunden scheinen nie zu heilen

Beitrag von LucaJoshua »

Ach wie toll, mal wieder ein vorpübertäres bzw. präseniles Statement von unserer allwissenden und allmächtigen "Forum-Göttin".
Ich dachte eigentlich, dass man ihren unqualifizierten Bemerkungen mit Nichtbeachten entgehen kann. Aber nein, sie kann es leider auch dann nicht lassen. Woher das nur kommt? Persönliche Abneigung kann es wohl kaum sein, denn dafür müsste sie sich erst einmal die Mühe machen, über ihren ganz persönlichen Tellerrand zu schauen.

Aber gut, es kam ja nicht unbedingt unerwartet, denn im Aussprechen von Drohungen ist sie ja auch "meisterlich". Und selbst wenn der "Bedrohte" darüber nur lachen kann und nicht reagiert, kann sie es nicht lassen, ihre Drohung trotzdem wahrzumachen. Das lässt schon ziemlich tief blicken.

Außerdem weiss ich echt nicht, was der Inhalt dieses Statements wirklich sein soll. Einen Sinn macht das Geschreibsel unserer Göttin nämlich nicht, denn weshalb sollte ein Vater nur dazu da sein, um seinem Kind "die Welt auf verantwortungsvolle Art zu eröffnen und zu zeigen" (Zitat). Diese klare Unterscheidung zwischen den Rollen von Vater und Mutter scheint direkt aus der Steinzeit in diesem Forum gelandet zu sein. Ihrer Aussage nach, darf ein Vater also nichts für sein Kind empfinden und soll es gefälligst nur auf die böse Welt da draußen vorbereiten, während die Mutter brav zu Hause sitzt und dem Nachwuchs ab und zu das Köpfchen ein wenig streichelt. Papa ist also fürs Grobe da und Mama darf gelegentlich auch mal ein bißchen Gefühl zeigen. Schade, dass es immer noch Menschen gibt, die glauben dass die Erde eine Scheibe ist. Sie scheint genau zu dieser Gruppe zu gehören, denn wer heute noch denkt, dass sich Verantwortungsbewusstsein für das eigene Leben und das Empfinden von Verständnis und Liebe für andere ausschliessen, der hat den (Ur-) Knall wohl irgendwie nicht gehört.

In diesem Sinne, schreibe über mich, was Du willst. Vielleicht hilft es Dir ja, Deinen Horizont ein wenig zu erweitern. Ich wünsche es Dir, denn schaden kann es ganz bestimmt nicht.

Kai

P.S. Vielleicht solltest Du es einmal barfuss probieren, dann stolperst Du nicht immer über Deine eigenen "zwei Paar Schuhe".
sewi
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Re: Manche Wunden scheinen nie zu heilen

Beitrag von sewi »

hallo kai,

sorry, ich konnts mir micht verkneifen... und ich dachte ja schon, daß du zu denen gehörst, die es als "bedrohung" empfinden, wenn ihnen jemand anderer sagt, was er über sie denkt.

die eltern sind für das kind da, und für seine gesunde entwicklung verantwortlich, nicht umgekehrt. das sollte man sich eigentlich überlegen, bevor man ein kind in die welt setzt.

ich sage nicht, daß der vater dazu da sein muss, einem kind die welt (eben nicht als böse welt, sondern positiv!) zu erklären, aber zumindest EINER sollte dafür da sein. ein elternteil, der mit seinen verletzungen nicht umgehen kann und sich in seinem leiden wälzt, während er sich an sein kind klammert, fügt dem kind mehr schaden zu als er vielleicht will. die probleme der eltern werden oft genug automatisch auf die kinder übertragen, ohne daß es irgendeinem beteiligten bewusst wird,und die kinder haben dann womöglich ein leben lang daran zu tragen. manche probleme pflanzen sich so über generationen fort, obwohl das im grunde das letzte ist, was irgendjemand sich wünscht.

wenn ein elternteil seine verantwortung nicht wahrnehmen kann, weil er zb nicht bereit ist, aktiv etwas für seine seelische gesundung zu tun - kann man nur hoffen, daß es der andere elternteil sein wird, der alle anstehenden aufgaben punkto kindererziehung übernimmt, und/oder daß er/sie sich im notfall rechtzeitig anderweitig nach einer adäquaten unterstützung umsieht.

sewi

ps: danke, du bist der erste, der meine wahre identität erkannt hat - "göttin", lach
Pia-Marie
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Re: Manche Wunden scheinen nie zu heilen

Beitrag von Pia-Marie »

Sewi,
ich glaube, du bist hier im falschen Forum!?
Hier geht es auch darum, den anderen aufzubauen. Ich finde, dass deine Antworten hier fehl am Platz sind, sorry!
Tschüss
LucaJoshua
Beiträge: 24
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Re: Manche Wunden scheinen nie zu heilen

Beitrag von LucaJoshua »

Sewi,

es erstaunt mich immer wieder aufs Neue, wie allwissend Du doch meinst zu sein.

Also, wenn ich das folgende Zitat aus einem anderen Thread nicht als Drohung empfinden soll, dann weiss ich echt auch nicht, als was dann:

"lieber kai,

wenn du mich nochmal so angreifst, dann musst du damit rechnen, daß ich dir meine ehrliche meinung über dich mitteile.

also sei lieber vorsichtig.

danke

sewi"

Natürlich habe ich darauf nicht reagiert, denn wen interessiert es schon, was Du über mich denkst? Mich zumindest nicht, denn solange man über Dinge spricht, die man nicht beurteilen kann, ist man für mich kein passender Gesprächspartner.

Bzgl. Deiner klassisch flaschen Aussage, dass ich meinen Sohn dazu missbrauche, mich besser zu fühlen und ihn damit belaste bzw. das alles an ihn weitergebe kann ich Dir nur sagen, dass mein Sohn heute 5 Monate alt wird und es selbst für mich unmöglich ist, ihn bereits in diesem Alter an einer gesunden Entwicklung zu hindern. Auch ist genau das für die Zukunft mein Ziel, denn sonst wäre ich nicht hier und würde meine Krankheit oder Krise oder wie man es auch immer nennen möchte nicht versuchen mit Hilfe anderer zu meistern.

Im Gegensatz zu manch anderem, gebe ich mich meiner Krankheit nicht hin und wälze mich auch nicht in Selbstmitleid, sondern versuche für mich und meine Familie gesund zu werden. Dieses Forum hilft mir dabei (Deine Kommentare einmal ausgenommen).

Zum anderen wälze ich auch nichts auf die Mutter meines Sohnes ab, denn da ich mich, wie bereits gesagt, meiner Krankheit nicht ergebe, funktioniere ich immer noch ganz prächtig. Wahrscheinlich trage ich eine ganze Menge mehr Verantwortung für andere als Du und bis jetzt habe ich meine Sache immer sehr gut gemacht. Auch sehe ich meinen Sohn nicht als meinen einzigen Lebensinhalt an und erdrücke ihn dadurch regelrecht, sondern versuche nur trotz allem ein sehr guter Vater zu sein. Das Bild vom ewig jammernden und zweifelnden Eigenbrödlers, der mit der Welt nicht fertig wird sondern von ihr fertiggemacht wird, passt so absolut gar nicht zu mir. Aber es ist ja auch nur das Bild, was Du von mir zeichnest...weshalb auch immer.

Jeder von uns hier hat schon einige Krisen hinter sich und die meisten haben einen Grossteil dieser ganz ausserordentlich gut gemeistert. Manchmal kommt es eben etwas dicke und in solchen Situationen holt uns die eine oder andere in der Vergangenheit liegende Krise wieder ein. Also zeigt uns das, dass es wohl doch noch einiges gibt, was noch nicht ganz verarbeitet ist. Deshalb sind viele von uns hier und wir werden es auch diesmal wieder schaffen...auch wenn Du es uns anscheinend nicht gönnen möchtest.

Fällt Dir eigentlich nicht auf, dass Du hier alles und jeden nur negativ siehst? Sinn und Zweck dieses Forums sollte es auch nicht sein, immer über andere zu richten und jedes Problem, was Du nicht nachvollziehen kannst (siehe Tellerrand) lächerlich zu machen. Natürlich kann es helfen, wenn man dem anderen aufzeigt, dass sein Problem vielleicht gar nicht so unlösbar ist, wie es ihm oder ihr erscheint. Aber dabei macht der Ton die Musik und ehrlich gesagt zählt Musikalität nicht zu Deinen Stärken.

Kai
sewi
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Re: Manche Wunden scheinen nie zu heilen

Beitrag von sewi »

hallo kai,

...na dann ist ja alles klar! schön.
von dieser seite kannte ich dich noch gar nicht, die gefällt mir besser.. auch wenn´s dir egal ist.

pia möchte ich noch sagen: erstens bin ich kein psychotherapeut, ich bin selbst krank, ich finde seit monaten keinen therapieplatz, mich baut niemand auf zur zeit, und ich tue mir demzufolge schwer, andere aufzubauen. was ich noch immer kann, ist meine gedanken zur diskussion zu stellen. wenn jemand der ton nicht gefällt, tut es mir leid.. aber so ist es nun mal im leben: man kann oft nur geben, was man selbst bekommen hat. und zweitens, ich wäre froh gewesen, wenn mich damals, als ich ins forum kam, jemand auch mal auf möglicherweise unangenehmes hingewiesen hätte, anstatt mich von allen seiten mit getröste, liebevollen worten und geschmeichel zu überfallen - und das, obwohl in wirklichkeit nicht mal das geringste verständnis für meine persönliche situation da war.

ich verstehe das forum als diskussions-forum und unter diskussion verstehe ich persönlich nicht "ei-ei-machen".

sewi
kr
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Re: Manche Wunden scheinen nie zu heilen

Beitrag von kr »

Wenn ich in den Spiegel schaue, und akzeptieren kann, dass ich ICH bin, dann lieber Kai beginnt Verständnis und Liebe, auch für andere.

Kleiner Rabe
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IMPOSSIBLE IS NOTHING.
LucaJoshua
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Re: Manche Wunden scheinen nie zu heilen

Beitrag von LucaJoshua »

Da bin ich mit Dir absolut und uneingeschränkt einer Meinung!

Liebe Grüße,

Kai
kr
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Re: Manche Wunden scheinen nie zu heilen

Beitrag von kr »

Dann zögere nicht und schau gleich in den Spiegel.

KR
___________________________________________________


IMPOSSIBLE IS NOTHING.
Ann
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Re: Manche Wunden scheinen nie zu heilen

Beitrag von Ann »

Hallo Elke, hallo Kai und alle anderen,

ich finde das Thema ungeheuer wichtig, wie wir mit den Verletzungen aus unserer Kindheit umgehen und wie sich das dann wieder auf unser Verhalten anderen Menschen gegenüber auswirkt. In erster Linie den uns nahe stehenden Menschen, dem Partner, den Freunden, aber ganz besonders gegenüber den eigenen Kindern.
Elke, ich verstehe deine Meinung, dass wir irgendwann soweit sein sollten, die Eltern ebenfalls als Produkt ihrer eigenen Erfahrungen, Verletzungen und ihrer Umwelt zu sehen. Dass wir dann auch die Verletzungen, die sie uns zugefügt haben, vielleicht aus einem etwas anderen Blickwinkel sehen können, und ein bisschen inneren Abstand davon nehmen können. Ich glaube, das ist ein sehr wichtiger Schritt dahin, für sich selbst und das eigene Leben die wirkliche Verantwortung zu übernehmen.

Nur, wie dahin kommen? Als Kind ist man so verletzlich und jeder Verletzung hilflos ausgeliefert. Und man kann nicht einordnen, was passiert, alles gräbt sich in die tiefsten Schichten ein, manches so tief, dass ich selbst keinen Zugang dazu habe und es nur über den Schmerz, die Depression spüre, wenn sich die Auslöser im Leben wiederholen. Müssen wir nochmal durch den ganzen Schmerz durch (ich habe gehört, in der Psychoanalyse sei es so, ich habe mich bisher nicht daran gewagt), um mit ihm fertig zu werden? Oder gibt es auch andere Wege?
Das Ziel sehe ich schon, es ist diese Haltung, die du ansprichst, nämlich die Verantwortung fürs eigene Leben mit allen Licht- und Schattenseiten zu übernehmen. Der Weg dahin liegt für mich aber noch teilweise im Dunkeln, im Unklaren. Sicher habe ich auch viel Angst davor.

Kai, ich stimme dir zu, dass wir unseren Kindern gerade in ihrer ersten Lebensjahren gar nicht genug Liebe geben können. Nichts ist so wichtig, als dass sie sich willkommen, geliebt und beschützt fühlen. Genau wie sie sind, ohne wenn und aber. Und wir wachsen an unserer Verantwortung für sie, das kann ich nur bestätigen. Einen Teil unsere Verantwortung sehe ich darin, wie wir mit ihnen umgehen, den anderen Teil aber darin, was wir ihnen vorleben. Wie wir mit uns und unserem Leben umgehen, das ist erste Erfahrung, erstes Muster im Leben für sie.

Wir wollen die Fehler unsere Eltern vermeiden, den Teufelskreis bei unseren eigenen Kindern durchbrechen. Gleichzeitig sind wir noch in den Auswirkungen dieser Fehler gefangen, leiden darunter, machen Fehler, vielleicht diesselben, vielleicht andere, ob wir es wollen oder nicht.

Gibt es da Wege? Manchmal fühle ich mich so hilflos in meinem Wunsch, es "richtig" zu machen und gleichzeitig zu spüren, dass es einfach nicht geht. Ein Labyrinth ohne Ausgang?

Liebe Grüße!
Ann
LucaJoshua
Beiträge: 24
Registriert: 14. Mär 2004, 19:45

Re: Manche Wunden scheinen nie zu heilen

Beitrag von LucaJoshua »

Liebe Ann,

ich kann Deine Zweifel in Bezug auf den Umgang mit der eigenen Vergangenheit und Deine Angst davor wirklich gut verstehen. Es gibt im Bereich der Tiefenpsychologie Behandlungsmethoden, die darauf abzielen, dass versucht wird, den Patienten durch eine Art der Rückführung mit der Vergangenheit erneut zu konfrontieren. Psychologen erhoffen sich dadurch u.a. dass das erneute Durchleben bestimmter belastender Situationen dazu führt, dass man sie - mit dem Wissen, was man heute hat - besser verarbeiten kann, als zu dem Zeitpunkt, als sie das erste mal auftraten. Während meiner Behandlung haben wir dieses Thema auch diskutiert, aber meine Ärzte haben sich aus dem folgenden Grund gegen diese doch sehr heikle Methode entschieden. Mir wurde gesagt, dass ich ein sehr starker Mensch sei, der sein Leben auch trotz der Schatten der Vergangenheit in den Griff bekommen würde. Die erneute ungeschönte Konfrontation mit dieser könnte dazu führen, dass mir danach genau diese Kraft fehlt. Ob es die richtige Entscheidung war, weiss ich nicht, denn ich bin kein Arzt. Aber Angst vor meiner Vergangenheit habe ich keine, also hätte ich der Behandlung zugestimmt. Vielmehr versuche ich sie für mich als geschehen einzustufen und sie als einen Teil von mir zu akzeptieren. Dies scheint wirklich ein langer und steiniger Weg zu sein, aber ob wir wollen oder nicht, wir müssen ihn am Ende doch gehen. Mir persönlich geht es auch überhaupt nicht darum, all den alten Mist noch einmal aufzuarbeiten, vielmehr möchte ich ihn endlich hinter mir lassen und sagen können:

"O.K., das was war ist vorbei und ich kann es nicht mehr ändern, aber das was JETZT ist, kann ich beeinflussen und dafür Sorge tragen, dass das Jetzt ein glückliches und erfülltes Gestern werden wird."

Ich weiss, dass klingt absolut geschwollen und hört sich trotzdem ganz toll an, aber noch kann auch ich es nicht. Es wird aber klappen, das weiss ich ganz genau. Auch wenn es schwierig ist, so muss es doch einen Weg daraus geben und ich - und das wünsche ich euch allen und ganz besonders Dir, liebe Ann, aus tiefstem Herzen - werde ihn finden.

Vielleicht liegt der Schlüssel darin, dass wir versuchen müssen es nicht zuzulassen, dass unsere Depression uns vereinsamen lässt. Im Gespräch mit anderen entwickeln wir ungeahnte Kräfte und sehen uns auch endlich mal in einem anderen Licht. Das ist, glaube ich, enorm wichtig, denn wir stützen uns gegenseitig und geben uns allen Kraft, die jeder von uns ganz dringend braucht. Bei mir habe ich dieses Phänomen (schreibt man das so?) während meines leider nur sehr kurzen Klinikaufenthalts erfahren. Alle dort hatten mega-viele Probleme und waren wirklich am Ende, aber wir haben nicht darüber gesprochen. Wir haben uns einfach nur gegenseitig aufgebaut, uns gutgetan...wir waren einfach nur immer da und es war egal, aus welcher Schicht wir kommen, welche Hautfarbe wir haben oder was wir tolles in unserem Leben erreicht haben. Das war alles nebensächlich, denn eine Sache hat uns alle verbunden: Der Wunsch nach einem besseren Leben ohne Krankheit.

Denke ich heute an diese Zeit zurück, dann erklingen in mir immer noch diese zarten Gefühle und ich kann mich noch an jeden einzelnen, dieser eigentlich bedauernswerten Individueen, ganz genau erinnern. Sie sind mir einfach wichtig und wertvoll geworden, mehr als dies ein Therapeut jemals werden könnte. In uns allen steckt viel mehr als nur die Depression. Wir alle kämpfen seit Jahren erfolgreich - denn es gibt uns noch - gegen die vielleicht mit Abstand schwerste Krankheit und wir stehen noch!

Klopft euch einfach mal selbst auf die Schulter und sagt euch:"Ich habe alles richtig gemacht, denn ich bin gerade jetzt und hier dabei, mein Morgen zu meistern und mich nicht dem Gestern zu ergeben!"

Es ist schwer, aber liebe Ann, wenn wir alle immer nur zweifeln und uns nicht als das akzeptieren, was wir nun mal sind, dann finden wir keinen Weg nach oben. Heute können wir uns alleine dem anscheinend übermächtigen Feind ergeben oder aber geimeinsam kämpfen. Was meinst Du, wäre die bessere Alternative?

Keiner von uns weiss, was die Zukunft noch bringen wird, aber ich möchte hier einmal den für das Leben meiner Mutter wichtigsten Vers posten (auch wenn ihn die meisten schon kennen werden):

Gott
gebe mir die Gelassenheit
Dinge hinzunehmen,
die ich nicht ändern kann.

Den Mut,
Dinge zu ändern,
die ich ändern kann

und die Weisheit,
das eine von dem anderen zu unterscheiden.


Es hat lange gedauert, bis ich den wirklichen Sinn dieser Worte verstanden habe, aber seit dem Tod meiner Mutter bin ich ein ganzes Stück näher dran, als vorher.

Liebe Ann, ich glaube, dass Du alles richtig machst und keinen Grund hast an Dir zu zweifeln, denn Du setzt Dich mit Deiner Vergangenheit auseinander um sie zu bewältigen. Wie gesagt, ein schwerer, langer und sehr steiniger Weg, aber er wird leichter, wenn man ihn gemeinsam geht.

Wenn ich könnte, würde ich ein Stück mit Dir gehen.

Viele Grüße,

Kai
LucaJoshua
Beiträge: 24
Registriert: 14. Mär 2004, 19:45

Re: Manche Wunden scheinen nie zu heilen

Beitrag von LucaJoshua »

Hallo Sewi,

tja, das war wohl nun das klassische Beispiel, dass alles zwei Seiten hat.

Manchmal muss man eben ein wenig genauer schauen und so ein, zwei Vorurteile über Bord werfen. Aber egal, diese unsinnige Diskussion hat nun wohl ein Ende und wird evtl. in Zukunft in ein wenig anderen Bahnen geführt.

Aber eines muss auch ich noch sagen:

Es ist zumindest für mich O.K., wenn Du Deine Meinung sehr direkt postest, denn mich schreckt es nicht ab. Aber ich glaube, dass viele andere, die vielleicht zum ersten mal ganz offen und ehrlich über sich und ihre Probs sprechen wirklich ein Problem mit Deiner sehr offenen Art haben könnten und nicht mehr posten, weil Deine erste Antwort echt zu heavy war. Vielleicht täusche ich mich ja auch, aber denke bitte einmal darüber nach.

Grüße,

Kai
sewi
Beiträge: 1606
Registriert: 15. Feb 2013, 23:02

Re: Manche Wunden scheinen nie zu heilen

Beitrag von sewi »

ich werde darüber nachdenken, wenn es mir besser geht, versprochen. im moment habe ich leider zu viele andere probleme.

sewi
girasol
Beiträge: 40
Registriert: 9. Jan 2004, 23:10

Re: Manche Wunden scheinen nie zu heilen

Beitrag von girasol »

Hallo Ann,

ich habe durch meine tiefenanalytische Gesprächstherapie begriffen, dass ich meine Sichtweise verändern kann. Kai schrieb etwas von "Rückführung" in die schmerzliche Vergangenheit, aber ich brauchte gar nicht zurückgeführt werden, ich war mit meiner Depression ja noch mitten drin. Die Wunden könner erst wirklich heilen, wenn der Eiter raus ist, jedenfalls spüre ich bei mir eine Veränderung. Allerdings habe ich auch immer behauptet, dass meine Kindheit nicht so doll war, aber es gibt bestimmt schlimmeres. Erst in den Gesprächen (1xWoche) habe ich gespürt, wie viele Verletzungen und Wunden ich davon getragen habe, die alle vor sich hin eiterten. Ich habe es über Jahre (bin jetzt bald 40) geschafft, davor wegzurennen, konnte mich ablenken und tief in mir vergraben, aber es war immer irgendwie da und erst als die Depression da war, funktionierte es nicht mehr, diese Schmerzen wegzuschieben. Erst durch die Gespräche habe ich gefühlt wie weh das damals getan haben muß, aber meine Mutter war oft krank und mein Vater hatte eine neue Familie. Es war nicht so, dass er nicht für mich da war, aber spürte damals das ich nicht zu seiner neuen Familie gehörte und gehöre. Meine Bedürfnisse als Kind wurden nicht erkannt weder von meiner Mutter, die ja selbst krank ist, und die ich versucht habe zu unterstützen, damit sie nicht ganz ausfällt, weil sie lebenswichtig für mich war, ich war als Kind abhänig von ihr, noch von meinem Vater, der mit seiner anderen Familie beschäftigt war. Und ich habe mich unbewußt bis zum äußersten dagegen gewährt, dies zu erkennen. Ann, glaube mir, ich habe in meinen Leben noch nie so viel geheult wie in den letzten 1,5 Jahren, und ich konnte oft nicht unterscheiden, ob es Mitleid, Schuldgefühl oder Mißverstanden war. Ich bin ein Mensch, der immer erst allein probiert, dass beste für sich zu finden, weil ich es so gelernt habe in meiner Kindheit und nur weil ich meine Freunde nicht länger als "Seelenklempner" "mißbrauchen" wollte, habe ich den Schritt getan und habe mir einen Therapeuten gesucht. Leider muss man etwas Geduld mitbringen, die mir oft fehlt und so habe ich bestimmt 100 Theras abtelefoniert auf der Suche nach einem Platz. Ich wohne Gott sei Dank in einer Großstadt. Und ich habe einen gefunden, bei dem ich mich gut fühle und bei dem es mir nicht mehr peinlich ist, wenn mich die Tränen übermannen oder überfrauen. Zum Beginn habe ich nach jeder Stunde geheult und habe mich gefragt, ob ich wirklich das Richtige getan habe, aber das habe ich auch vorher schon oft in anderen Situationen. Wir Menschen sind dazu in der Lage, Entscheidungen zu fällen aus den verschiedensten Gründen und das macht es uns nicht leichter, sondern schwerer, weil man später merkt, dass die Entscheidung damals nicht richtig war, aber zu diesem Zeitpunkt, in welchem ich diese Entscheidung traf, war es die einzige Möglichkeit für dich. Ich habe immer ein Problem damit, wenn alle gleich fragen, ob man eine Thera macht, denn ich glaube sie ist kein Allheilmittel. Derjenige sollte sie wirklich als seine Möglichkeit erkennen, weil man sich durch eine Thera auch verändert und hinter Depressionen kann man sich auch verstecken, denn es ist eine Krankheit. Meine Mutter hat sehr oft dahinter versteckt, weil es verdammt schwer ist, dahinter vorzukommen und sein Leben in die Hand zu nehmen, es als das Seinige zu akzeptieren. In den Gesprächen haben ich dann auch gesehen, dass meine Eltern nicht nur weiss oder schwarz sind, sondern es dazwischen viele andere Farben gibt. Es ist nicht so, dass der Schmerz dann für immer verschwindet, aber er wird erträglicher, und ich kann ihn in den meisten Fällen aushalten. Manche Wunden heilen dann, manche vernarben und einige bleiben vielleicht für immer, aber das weiß man nie so genau, denn wir Menschen bewegen uns in Kreisen und Kurven, es gibt selten Geraden und keinen Anfang und kein Ende.

Das war ganz schön viel, aber es liegt mir viel daran, dass du für dich erkennen mußt, ob du diesen Schritt wagst, denn es gehört auf jeden Fall Wagemut dazu. Bei mir war am Anfang die Verzweiflung der Ratgeber, aber vielleicht ist es bei dir anders. Ich wünsche dir viel Sonne im Herzen:

Ciao Elke
Ann
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Re: Manche Wunden scheinen nie zu heilen

Beitrag von Ann »

Liebe Elke, lieber Kai,
danke für eure Antworten! Ich war vor einiger Zeit bei einer Gesprächstherapeutin und bin irgendwann an einen Punkt gelangt, an dem es bei ihr einfach nicht mehr weiterging. Sie hat mir dann den Hinweis mit der Psychoanalyse gegeben und mir gleich dazu gesagt, dass dies eine sehr anstrengende Therapie sei und ich mich darauf einstellen müsste, dass sie mich sehr viel Kraft kosten würde.
Bei der Therapeutin konnte ich zwar viel über die Dinge aus meiner Kindheit sprechen, auch über die Verletzungen, die ich erlebt habe, aber es ging wohl nicht tief genug, um die Wunden wirklich zum Heilen zu bringen. Es lief zu viel über den Verstand ab und an manches bin ich einfach nicht rangekommen, es ist wohl zu tief verborgen in mir, auch Angst und Scham spielten eine große Rolle. Wenn ich jetzt andere Menschen berichten höre, habe ich den Eindruck, dass ich mich bei der Therapeutin nicht richtig öffnen konnte. Aber ich habe wie immer die Schuld bei mir gesucht und nicht die Konsequenz gezogen, dass ich mir jemand anderen gesucht hätte. Abgesehen davon ist das ja nicht leicht, jemand anderen zu finden und ich war froh gewesen, als ich den Platz bei ihr bekommen hatte. Mittlerweile ist die Therapie bei ihr beendet und ich hänge eben in der Luft, wie es weitergehen kann.

Kai, ich verstehe den Ansatz gut, am Hier und Jetzt zu arbeiten und genau das versuche ich auch. Über Zeiten geht es gut, aber dann holt mich immer wieder die Vergangenheit ein und ich merke, dass ich irgendwie machtlos dagegen bin.
Elke, ich glaube, dass du auf einem guten Weg bist, dass deine Wunden wirklich von unten heilen können und ich danke dir für deine offenen Worte.
Liebe Grüße! Ann
girasol
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Re: Manche Wunden scheinen nie zu heilen

Beitrag von girasol »

Hallo Ann,

natürlich erkennst mit deinem Verstand zuerst, was nicht richtig gelaufen ist, weil du irgendwann gelernst, mehr auf deinen Kopf als auf deinen Bauch zu hören, weil es sicherer war, weil du es dir besser erklären konntest. Sicherlich hängt auch vom Therapeuten ab, ob man sich öffnen kann, aber es gehören immer zwei dazu. Ich habe am Anfang auch probiert, meine Gefühle zu kontrollieren, aber ich habe auch gespürt, dass es da andere Sachen gibt, die ich nicht zugeben will, weil sie in meinen Denken negativ besetzt sind z. B. nicht klammern beim Partner, aber was bedeutet das, wo fängt es an wo hört es auf, warum soll der andere Mensch das nicht von mir wissen, weil ich dann Schwachstellen habe, die er/sie ausnutzen kann. Aber wie, doch nur wenn ich das zulasse, also liegt es doch wieder auch an mir, was ich mit mir machen lasse. Und genauso funktioniert bei mir die Theraphie. Mein Therapeut weiß Dinge aus meinem Leben aus meiner Gefühlswelt, die bisher kein anderer kannte, und was kann er damit anfangen, nichts, wenn ich es nicht will und genauso ist es in anderen Bereichen, Du brauchst Mut, um Schwäche zu zeigen, klar kannst du darüber sprechen, was deine Eltern dir "angetan" haben, aber versuche es dir vorzustellen, welche Bilder verbindest du damit. Bei mir waren es immer sehr viele Bilder der Einsamkeit, und ich bin durch alle gegangen. Ich habe sie mir bewußt vorgestellt und ich habe geheult wie ein Schloßhund als ich mich dort traurig und verlassen gesehen habe. Bei mir kamen dann Unmengen von Gefühlen. Sogar Eifersucht, etwas was ich vorher nie kannte oder vielleicht besser nicht kennen wollte. Ich habe Eigenschaften, die nicht gut geheißen wurden und nicht passten in meiner Kindheit, einfach verdrängt, weil sie damals nicht passten, um zu überleben als Kind, es war lebensnotwendig, eine Strategie, um am Leben zu bleiben, aber heute sicher nicht mehr angebracht und dieses Verdrängen verbraucht enorm viel Energie. Diese Gefühle wiederzufinden und dabei auch Emotionen zu erfühlen, die man nicht will, ist sicherlich auch sehr anstrengend, aber es auch wie ein neues Leben und an manche Gefühle von damals kann ich mich nicht mehr erinnern, weil sie sich verändert haben. Vielleicht klappt bei dir ja auch mit Musik oder schau dir alte Kinderfotos an. Und habe keine Angst vor den Gefühlen, die dir mißfallen oder an anderen nicht gefallen und die du deshalb auf keinen Fall haben willst. Wir sind nur komplett und gesund, wenn wir alles fühlen können, weil wir es zulassen. Jedes Gefühl hat seine Berechtigung. Das klingt jetzt so einfach, aber auch ich bin noch mittendrin und es gibt auch für mich noch Tage, da habe ich einfach die Nase voll und will einfach sein wie früher als alles sooooooooooo einfach war, aber wenn ich dann darüber mal nachdenke, fällt mir immer ein, dass es immer Dinge gab, die mir schwer fielen oder Sorgen bereiteten.

Ich wünsche dir ein schönes Wochenende und viel Sonne im Herzen.

Ciao Girasol
Ann
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Registriert: 8. Aug 2008, 15:58
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Re: Manche Wunden scheinen nie zu heilen

Beitrag von Ann »

Liebe Elke,

danke dir für deine ausführlichen Zeilen über deine Therapie! Es hilft mir wirklich weiter, zu lesen, welche Erfahrungen du damit gemacht hast. Viel von dem, was du schreibst, empfinde ich ganz genauso! Gerade auch, dass die Depression eine Krankheit ist, hinter der ich mich immer wieder - natürlich nicht bewusst! - verstecke und die damit verhindert, das eigene Leben wirklich und mit allen Konsequenzen in die Hand zu nehmen. Es erfordert immer wieder und immer von Neuem Anlauf und Anstrengung, dies erst mal zu erkennen und dann auch bewusst mal anders zu handeln. Weil ich in der Depression ja gerade nicht handeln kann!

Sehr wichtig finde ich auch deinen Hinweis, dass wir eben ALLE Seiten an uns annehmen müssen oder vielmehr dürfen. Nicht nur die erwünschten und "guten" Seiten, die, die uns damals als Kinder das Überleben gesichert haben, sondern auch die vielen anderen, die, die nie sein durften, die aber genauso da sind. Neid und Eifersucht, wie gut kenne ich es, dass ich es mir nie zugestanden habe, dies zu fühlen, es war ja nicht "gut", es durfte nicht sein. Aber ich habe es gefühlt! Und fühle es auch heute. Aber ich habe mich mit diesen Seiten immer gleichzeitig abgelehnt. Ein Beispiel für diese Spirale in die Tiefe.

Was die Wunden von früher angeht, werde ich wohl nicht anders können, als nochmal die eine oder andere Wunde zu öffnen und das Eiter rausfließen zu lassen, damit sie irgendwann heilen kann. Oder zumindest so vernarben, dass ich damit leben kann.

Liebe Elke, auf diesem Weg noch weiterzukommen, dazu wünsche ich dir auch ganz viel Kraft!

Liebe Grüße,
Ann
Dre
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Registriert: 5. Apr 2004, 15:57

Re: Manche Wunden scheinen nie zu heilen

Beitrag von Dre »

sorry,einmal zuviel enter gedrückt
Dre
Beiträge: 81
Registriert: 5. Apr 2004, 15:57

Re: Manche Wunden scheinen nie zu heilen

Beitrag von Dre »

hallo ihr lieben!
ich bin erst noch ganz neu hier und möchte euch sagen das ich mich fast ein wenig schäme,meine probleme sind ein witz im gegensatz zu euren.aber trotzdem sind sie da und ich versuche irgendwie damit klar zu kommen.
erst mal an kai,(wir haben uns gestern schon kurz kennegelernt):du hast einen supersüßen kleinen sohn und auch wenn du nicht bei ihm wohnst und ihr euch nicht sooft seht,er wird dir später danken das du trotzdem für ihn da bist und das ist das wichtigste.
und an alle anderen,ich bewundere eure offenheit und hoffe das ich auch mal irgendwann so über mich reden kann.
und zu sewi,du sagst die eltern sind für das kind da und nicht umgekehrt,das ist zwar nicht ganz falsch.aber du ahnst garnicht wie kinder auch für die eltern da sein können.meine süße baut mich nur durch ein lächeln wieder auf,einer kleiner kuß usw..wenn manch einer seine kinder nicht hätte,wäre für viele das leben völlig ohne sinn.schon mal von der seite gesehen.
ich hoffe das ich mich weiterhin an eurer runde beteiligen darf,
lg,dre.
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