Depression und Gesellschaft 2

kr
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Re: Depression und Gesellschaft 2

Beitrag von kr »

Hallo Lea,

mir scheint wir hören die falschen Töne. Nicht auf das Geschwätz der Studierten, der Vielbelesenen und jedes-Buch-Kenner, der mir-geht-es-auch-so-Sager und der wohlfeilen-Wünsche-Haber sollten wir hören, sondern auf das Rauschen von Wasser und Wind, auf den Klang unseres Herzens, uns nicht treiben lassen im bequemen Strom der Mittelmäßigkeit, sondern gegen den Wind drehen und die Flügel ausbreiten, um endlich zu fliegen. Und je stärker der Gegenwind, um so größer die Höhe, die wir erreichen werden. Was bleibt von den trüben Kerzen der Gelehrsamkeit, den Bedenkenträgern der Vorsicht, wenn die aufgehende Sonne alles überstrahlt und auch das letzte bisschen Dunkelheit aus der Ecke der Bequemlichkeit vertreibt – noch nicht mal mehr ein Schatten ihrer selbst.

Nicht den Strohhalm brauchen wir, sondern Schwingen, mächtige Schwingen, um aus dem Tal unserer Verzweiflung herauszukommen. Schwingen, die uns niemand schenkt, die wir uns selbst Schritt für Schritt erkämpfen müssen. Und sie werden uns nicht gegönnt sein, man wird uns warnen sie zu benutzen, uns wünschen wir mögen abstürzen. Doch wer könnte uns hindern aufzusteigen, wenn wir von der Liebe getragen werden.

Ich denke, dass ich Deine Antwort verstanden habe.

Kleiner Rabe
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IMPOSSIBLE IS NOTHING.
Acedia
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Re: Depression und Gesellschaft 2

Beitrag von Acedia »

Hallo, kleiner Rabe,

so schön wie das Fliegen auch sein mag – und ganz besonders für einen kleinen Raben – ist es trotzdem ganz wichtig, mit beiden Beinen fest auf den Boden der Realität zu stehen. Von dort aus mag man sich auch mal hinaufschwingen und seinen Träumen nachgehen. Doch wenn man dabei vergisst, wo man zu Hause ist, wo man sich ausruhen kann und neue Kräfte sammeln darf, dann kommt es zu einem Absturz und man erwacht ziemlich unsanft aus seinen Träumen. Vielleicht schafft es ja deine Frau, dich immer wieder aufzufangen, um so den harten Aufprall zu verhindern. Liebe vermag sehr viel zu bewirken und auch auszuhalten – daran glaube ich immer wieder, trotz unzähliger Enttäuschungen und Niederlagen.
Gruß Lea
kr
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Re: Depression und Gesellschaft 2

Beitrag von kr »

Hallo Lea,

ja, fest auf dem Boden stehen ist schon richtig. Aber dabei nicht auf der Stelle zu treten, Wurzeln in der Bequemlichkeit zu schlagen ist genau so wichtig. Die Balance zu erreichen zwischen Traum und Realität macht das Leben so schwierig aber auch schön. Und auch beim Auffangen das Gleichgewicht zu waren, nicht nur Fallender sondern auch Fänger sein zu können wünscht Dir und sich

Kleiner Rabe
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Acedia
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Re: Depression und Gesellschaft 2

Beitrag von Acedia »

Habe noch einen Nachtrag zu machen:
Leider wirst du jetzt höchstwahrscheinlich hier keine weiteren Antworten von anderen Usern erhalten, nachdem ich hier geschrieben habe. Mir ist es in letzter Zeit immer wieder passiert, dass mit meinem Beitrag schlagartig der Thread beendet war. Falls du es noch nicht bemerkt hast, werde ich hier nämlich von den meisten gemieden und eher verachtet. Das liegt teilweise an meiner Art, mich mitzuteilen und zum anderen durch bewusstes Schlechtreden anderer.
Ich hoffe, du bist mir deshalb nicht böse, kannst ja einen neuen Thread eröffnen, wo ich dann nicht mehr vorkommen werde.
Machs gut, und pass auf, dass es dir nicht ergeht wie Ikarus
Lea
kr
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Re: Depression und Gesellschaft 2

Beitrag von kr »

Ungern wird der Andersartige gesehen, wird der Unangepasste schnell zum Außenseiter, denn er stört den "Betriebsablauf", weil er nicht in das Gruppen-Schema passt. Wer nicht mit spielt ist draussen und zwar mit Warp-Geschwindigkeit, OHNE Ausnahme, NULL Toleranz. Wann kapiert ihr das denn endlich?

Kleiner Rabe
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triste
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Re: Depression und Gesellschaft 2

Beitrag von triste »

Hallo kleiner Rabe und Lea,

ich wollte nichts weiter, als motivieren, sich aktiv einen Weg aus der Depression zu bahnen und einen Platz auf dieser wunderbaren Welt zu suchen, auf dem man sich zukünftig wohlfühlt.
Ich merke aber jetzt, daß ihr darüber momentan nicht nachdenken wollt und lasse Euch in Ruhe.

Machts gut,
Virginia
igel
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Re: Depression und Gesellschaft 2

Beitrag von igel »

Lieber kleiner Rabe - bist´bestimmt gar nicht so klein - nicht verzweifeln an der Welt!

Gute Nacht,
igel
tomroerich
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Re: Depression und Gesellschaft 2

Beitrag von tomroerich »

Hallo Lea,

Falls du es noch nicht bemerkt hast, werde ich hier nämlich von den meisten gemieden und eher verachtet. Das liegt teilweise an meiner Art, mich mitzuteilen und zum anderen durch bewusstes Schlechtreden anderer.

Dieses "Alle meiden und verachten mich" geht mir nun echt auf die Nerven. Du verteilst Ohrfeigen und diffamierst, so a la "Das ist der größte Schwachsinn, den ich je gelesen habe" oder unterstellst mir z.B. ich wolle hier Forumsrichter sein und dann hinterher, wenn man sich wehrt, kommt dieses weinerliche "Niemand-mag-mich". Du machst dir doch deine Probleme selber und bitte, wenn du es so gerne hast, dass man dich meidet, mach nicht andere dafür verantwortlich.

Thomas
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christa
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Re: Depression und Gesellschaft 2

Beitrag von christa »

Hallo Kleiner Rabe, Virginia und alle anderen, die es interessiert

ja, in unserem Noch-Wohlfahrtsstaat geht es einem materiell im Vergleich zu sehr armen Ländern oder zum finsteren Mittelalter gar nicht schlecht.

Ich habe aber die Vermutung, dass zumindest die Behauptung, Depressionen würden zur Zeit erheblich zunehmen, in einer Wechselwirkung zu den aktuellen Lebensverhältnissen steht.
Die einen sind arbeitslos, die die eine Arbeit haben, sehen sich mit immer höher werdenden Anforderungen konfrontiert. Die Kinder in der Schule werden einer sinnlosen Konkurrenz unterworfen. Die Alten werden aussortiert. Soziale Anerkennung ist oft an Leistung gebunden. Soziale Anerkennung ist aber ein wichtiger Moment zur Vorbeugung von Depressionen. Also wird es allein durch diesen Zusammenhang mehr Depressionen geben.
Gepfiffen und getrommelt sei wegen der Ausnahmen, die durch familiäre Bindungen und Freundschaft geschaffen werden.

Was haltet Ihr von meiner These. Habt Ihr in Eurer persönlichen Geschichte ähnliches erlebt?

Gruß,

Lotus
kr
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Re: Depression und Gesellschaft 2

Beitrag von kr »

Hallo Lotus,

mir ist gerade ein entsetzlicher Gedanke gekommen. Alles was wir beklagen, alle Misstände, Nöte und Probleme sind wir selbst. Wir sind die Gesellschaft, ich , Du, alle hier im Netz und draussen. Ich schaue in den Spiegel und sehe die Fratze, die ich nicht sein möchte und so sehr verabscheue.

Grüße vom Kleinen Raben
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tomroerich
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Re: Depression und Gesellschaft 2

Beitrag von tomroerich »

Hallo Lotus,

ja sicher, ich gebe dir Recht und denke ähnlich wie du.
Mit Beginn des Industriezeitalters setzte eine Denkweise ein, die ich die Wohlstandslüge nenne. Sie besagt, dass Menschen glücklich und zufrieden sein werden, wenn sie genug zu essen haben und darüber hinaus genug materiellen Reichtum, um sich so etwas wie Komfort und Wunscherfüllung leisten zu können. Das, so die Vermutung, würde den Grund für Kriege, soziale Unruhen und auch Kriminalität beseitigen.
Noch größer als der Wunsch nach genügend Nahrung scheint mir aber der Wunsch nach Macht zu sein, der immer dann an die Stelle der wesentlichen Basisbedingungen tritt, wenn diese erfüllt sind, wenn alle genug haben und noch mehr dazu. Der Wunsch nach Macht geht einher mit Streben nach Prestige und Unterscheidung vom Mitmenschen. Menschen wollen mehr und besser sein als andere, wollen das schönere und leistungsstärkere Handy, das Auto mit mehr PS. Das ist der Motor, der uns antreibt und unsere Gesellschaft. Schon allein in diesem Streben liegt der Keim zur Depression, denn in einer so strukturierten Gesellschaft braucht man Verlierer dringender als alles andere- der Gewinner braucht sie, damit er sich als solcher fühlen kann. Depris sind das, was hinten rauskommt als Resultat eines Miteinanders, das sich zwar gerne demokratisch, christlich und menschlich nennt, das aber völlig andere Ziele verfolgt.

@Rabe

Deshalb muss man sich nicht gleich wegschmeißen und man muss auch keine Schuldgefühle haben. Virginia sagte, es ginge um die persönliche Umsetzung einer anderen Qualität und die strahlt in deine Umgebung aus. Genau so sehe ich das auch.

Thomas
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Nachttaube
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Re: Depression und Gesellschaft 2

Beitrag von Nachttaube »

Hallo Lotus,
meiner Meinung nach ist diese Behauptung, dass Depressionen zunehmen, nur bedingt richtig.

Es gibt zwei Gründe, warum Depris jetzt mehr auffallen: a) die westliche Medizin hat diese Krankheit mehr erforscht und ist somit auch offener für die Symptome b) es passt so gut in unserere wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Situation

Tatäschlich sind Depressive Formen in jeder Kultur und in jeder Zeit vorhanden, ob wohlstand oder oder. Klar ist auch, dass Menschen in der dritten Welt damit anders umgeht, als Menschen in der ersten Welt.

Ich bin entschieden dagegen, die Gesellschaft und das soziale Netz dafür verantwortlich zu machen. Sie können helfen, vielleicht lindern, aber nicht beheben.

Thomas, Deine Meinung klingt sehr einseitig. Du schreibst vorwiegend von materiellen Eigenschaften und Macht. Ich glaube nicht, dass Deine Ausführungen der Quell der Depri ist. Denn besser, schneller, schlauer zu sein als der andere ist ein Naturtrieb, so überleben Tiere, Menschen im Busch und Menschen in Städte (leider muss ich Dir recht geben, dass die westl. Welt damit ziemlich gut übertreibt)
Nachttaube
sewi
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Re: Depression und Gesellschaft 2

Beitrag von sewi »

heute wird über alles mögliche als depression gesprochen, was vor früher ein kleines herzeleid war. ich habe mit 14 einen halbherzigen sm-versuch unternommen; keiner kam auf die idee, mich deswegen zu einem spezialisten zu schicken. außderdem wäre das viel zu teuer gewesen.

ich finde es auch lustig, daß gerade diejenigen, denen es finanziell so gut geht, daß sie sich selber keine sorgen machen müssen, über die "schlimme materialistische welt" meist am weitesten den rand aufreissen.

gruß

sewi
triste
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Re: Depression und Gesellschaft 2

Beitrag von triste »

Hallo Lotus,

höher werdende Anforderungen, Arbeitslosigkeit, soziale Kälte...was auch immer uns in Lebenskrisen stürzt: Unser eigenes Verhalten, unsere eigene Reaktion auf eine krankmachende Situation bedingt, wie und wann wir da wieder rauskommen. Der erste Schritt ist, sich zu erkennen. Der zweite, sich dem Leben wieder zu stellen und es diesmal besser zu machen, so, daß man mit der Situation klarkommt.
Das bedeutet Überleben...und für Romantiker: zufrieden sein.

Das sollte doch das Ziel sein, glaube ich.

Dazu gehört natürlich auch, daß man das eine oder andere Trugbild aus dem Leben vor der Krankheit enttarnt. Ob das nun die Leistungsgesellschaft ist oder die Gier nach Materiellem oder einfach, daß man sich endlich eingesteht, daß man unendlich einsam ist.
Egal, was einen krank gemacht hat: der einzige Mensch, der das, was schiefgelaufen ist, verändern kann, sind doch wir selbst!
Und was hilft es da, die Gesellschaft zu verdammen, den Kapitalismus, die Kollegen, die Familie? Was hilft es, den Schuldigen zu finden?
Denn auch wenn wir tausendmal das beklagen, was uns krank gemacht hat, so werden wir davon nicht wieder gesund.


Hallo Thomas,

das klingt ganz schön verbittert, was Du schreibst.
"Depris sind das, was hinten rauskommt als Resultat eines Miteinanders, das sich zwar gerne demokratisch, christlich und menschlich nennt, das aber völlig andere Ziele verfolgt."

Ich sehe sehr wohl die Realität.
Und doch: Sobald ich eine bestimmte positive Position zu mir und meinen (ausgewählten) Mitmenschen habe, zu dem, was ich tue, ob um Geld zu verdienen oder in meiner Freizeit,
sobald mir klar ist, wie ich behandelt werden will und wie ich andere Menschen behandeln will,
sobald ich meine Grenzen kenne und mir wichtig genug bin, sie auch einzuhalten,
dann kann ich doch die Regeln bestimmen.
So ist es doch, oder?
Ich kann die Regeln meines Lebens bestimmen. Ich muß nur wirklich konsequent sein.



Hallo Rabe,

ja, wir sind alle ein Teil von jedem anderen Lebewesen hier und unsere Gefühle sind Teil aller Gefühle. Von Schmerz und von Freude und vom Wind in den Gräsern und Baumwipfeln, den jagenden Wolken, der Gischt, dem Regentropfen. Dem Vogel auf dem Zweig, dem Käfer auf der Fensterscheibe, der weinenden Frau auf der Parkbank, dem sich küssenden Paar und dem lachenden Kind.
Es gibt immer zwei Seiten und wo eine Fratze ist, ist auch ein gütiges Lächeln.

Gute Nacht Euch allen,
Virginia
Thuja
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Re: Depression und Gesellschaft 2

Beitrag von Thuja »

Hallo, Ihr alle!

Jetzt muß ich glatt auch noch meinen "Senf" dazugeben. Doch, ich finde schon, daß gerade in der Arbeitswelt der Druck immens größer geworden ist und damit immer weniger Menschen immer mehr arbeiten müssen und andere ausgeschlossen werden - über 40 noch einen neuen Job suchen, da wird's schon kompliziert von wegen "zu alt" ... So passieren viel mehr Ausgrenzungen. Und je nachdem, wie man sich selbst gelernt hat zu definieren, fällt man dann leicht "wertlos" ins Loch ...
Und die Gesellschaft ist oberflächlicher geworden, immer schneller, besser, größer etc. soll's sein. Dass aber gerade tragfähige zwischenmenschliche Beziehungen Zeit brauchen um zu wachsen und immer wieder gekappt werden müssen durch die geforderte Mobilität, umzüge, Geschäftsreisen etc.(man bleibt ja nicht an einem Ort wie meist früher!) trägt nicht zu einem stabilen Umfeld für die Psyche bei, wenn man nur noch Einzelkämpfer ist.
Natürlich, es liegt bei einem selbst, wo man die Prioritäten setzt, aber die äußeren Zwänge machen's einem nicht grade leicht!!!
Und da kann man, wenn man eh nicht so stabil ist, dann eben leichter "zusammenfallen", selbst wenn man immer wieder um's Normale kämpft ...
Viele Grüße
Annette
triste
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Re: Depression und Gesellschaft 2

Beitrag von triste »

hallo Annette,

na - da ist ja noch jemand wach!
Daß es leicht ist, habe ich auch nie behauptet.
So, jetzt muß ich aber ins Bett,

N8,
Virginia
tomroerich
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Re: Depression und Gesellschaft 2

Beitrag von tomroerich »

Hallo Virginia,

ich unterschreibe voll und ganz, was du über unsere Eigenverantwortung sagst. Nein, wir sollten uns nicht darauf berufen, Opfer zu sein. Weder im kleinen noch im großen Zusammenhang. Und ich bin nicht verbittert, keinesfalls. Was ich oben sagte spiegelt mein Interesse an anderen Menschen wieder und dass ich mir über die Welt als Ganzes so meine Geanken mache. Ich bin manchmal wütend über das, was ich sehe aber nicht verbittert. Ich sehe, dass mehr und mehr die Jagd nach Wohlstand oder die Angst, diesen zu verlieren, die Leute dazu verführt, ganz grundlegende Dinge zu vernachlässigen. Sie gehen lieber arbeiten, anstatt sich um ihre Kinder zu kümmern, für ein paar Dollar mehr verdrängen und mobben sie andere oder zerstören Vertrauen und katapultieren sich damit auch noch selbst in die Isolation. Ich glaube schon, dass Depr. aus diesen Problemen entstehen, man fühlt sich einfach nicht mehr "aufgehoben", es entsteht soziale Kälte, Neid und Misstrauen.

@Nachttaube:
Als Erklärung für die Entstehung von Depr. reicht die soziale Komponente nicht aus, das denke ich auch. Aber als begünstigender Faktor allemal. Ob Depr. wirklich zunehmen ist schwer zu beweisen- da gebe ich die Recht. Auch was sewi andeutet, ist richtig- es wird heute ganz anders damit umgegangen, wenn jemand ein Tief hat, früher gehörte das sozusagen ganz selbstverständlich dazu und niemand dachte daran, deshalb eine Pille zu schlucken. Auch hier scheint sich Wohlstandsdenken durchzusetzen- niemand ist mehr bereit, irgendwelche Abstriche an seiner Lebensqualität hinzunehmen. Es darf nur besser werden.
Wo man aber sicher sagen kann, dass Depr. auf dem Vormarsch sind, das ist die Gruppe der Jugendlichen. Das ist klar und belegbar. Inwischen ist Suizid bei Jugendlichen die häufigste Todesursache noch vor den Verkehrsunfällen und eine andere Erklärung als gesellschaftliche Zusammenhänge wird sich da schwerlich finden lassen.

Gruß von Thomas
Betroffene für Betroffene

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triste
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Re: Depression und Gesellschaft 2

Beitrag von triste »

Hallo Thomas,

diesen Trend in unserer Gesellschaft, wie Du ihn beschreibst, den gibt es unbestritten. Umso mehr müssen wir, die wir das (und anderes) vielleicht durch die Krankheit erst erkannt und gelernt haben, jeder für sich den individuellen Mißstand beheben und für uns selbst und unsere Lieben versuchen, das Leben besser zu machen.
Wozu sollte denn die Krankheit gut gewesen sein, wenn wir nicht klüger aus ihr entstehen, und menschlicher? Man kann nur versuchen, etwas daraus zu machen...und der Kälte um uns im Kleinen etwas entgegensetzen, und sei es ein Lächeln für einen Fremden oder ein Handeln in Mitgefühl.

Mir kommt es im Moment so vor, als hätte ich mich, als es mir noch schlecht ging, ständig gegen den Wind gestemmt, voller Wut, Hass, Verzweiflung auf die Krankheit und die anderen und mich selbst.
Da ist meine ganze Energie für drauf gegangen.
Jetzt bin ich mit dem Wind...
aber vielleicht wirkt auch nur mein AD, haha...

liebe Grüße,
Virginia
tomroerich
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Re: Depression und Gesellschaft 2

Beitrag von tomroerich »

Liebe Virginia,

<em> Wozu sollte denn die Krankheit gut gewesen sein, wenn wir nicht klüger aus ihr entstehen, und menschlicher? </em>

Eben! Ich habe immer gefunden, dass meine Depr. mich vorangebracht hat in menschlicher Hinsicht. Und ich bin froh über jeden, der diesen Eindruck mit mir teilt. Tatsächlich hat sie mich erst befähigt, das zu tun, was du beschreibst- eine offenere und wärmere Art mit anderen zu finden und selber davon zu profitieren.

Hast du auch manchmal diese Zweifel, eine "echte" Veränderung könnte es evtl. gar nicht sein sondern nur die Wirkung deines AD? Ich glaube es nicht. Dein AD mag den Sturm in der grauen Substanz befriedet haben aber es hat nicht etwas Inhaltliches in dich hineingebracht, was da vorher nicht war oder was erts dadurch entstehen konnte, weil sich der Sturm gelegt hat.

Jetzt muss ich einen schweren Gang tun und 2 meiner Leute entlassen- es geht nicht mehr anders. Aber auch das hat sich verändert: Ich kann trennen, dass dies eben meine Rolle ist und dass ich nicht persönliche Schuld daran trage. Das wäre mir früher kaum möglich gewesen.

Herzlichen Gruß von

Thomas
Betroffene für Betroffene

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Re: Depression und Gesellschaft 2

Beitrag von triste »

Lieber Thomas,

ja, ich glaube absolut, daß die Depression aus mir einen "besseren" Menschen gemacht hat. Einmal natürlich, weil ich durch sie einen Weg zu meinen Gefühlen gefunden habe und gelernt habe, nicht nur Kopf zu sein, sondern auch mal Bauch. Und mich selbst ernst zu nehmen!
Zum anderen habe ich viel von meiner Härte verloren und unheimlich viel gelernt über Leid. Da waren meine 2 Klinikaufenthalte vor allem wichtig: Ich habe zum ersten Mal erlebt, wie schön es sein kann, jemanden durch echtes Mitfühlen zu trösten. Nicht wegschauen, sondern wirklich helfen. Da gab es z.Bsp. eine sehr alte Frau, die altersbedingt etwas verwirrt war. Sie bekam ab und zu Besuch von ihrer Tochter und es war offensichtlich, daß diese sie in ein Pflegeheim abschieben wollte und auch sonst nicht viel übrig zu haben schien für ihre Mutter.
Ich setzte mich abends öfter zu ihr ans Bett und streichelte ihre Hände. Wir redeten gar nicht, sie sah mich nur an und dann liefen ihr immer die Tränen herunter.
Das klingt jetzt furchtbar kitschig....aber ich habe in der geschlossenen Psychiatrie zum ersten Mal begriffen, daß Zuwendung, Liebe, Hilfe, Mitgefühl ...daß das fehlt, und zwar den meisten Menschen und daß dieses Fehlen, vielleicht mehr als wir glauben, krank macht.

Wenn ich an die Zeit vor der Depression denke, bin ich mir sogar schon manchmal regelrecht fremd....
allerdings ist dieses gute neue Gefühl zu mir und meiner Umwelt noch ziemlich frisch und neu...und da kommt manchmal der Zweifel in mir hoch: welchen Anteil daran hat das AD? Denn wie verzweifelt habe ich während der Depression versucht, eine positive Sichtweise zu haben..es gelang mir einfach nicht. Und jetzt kommt es mir zugeflogen...einfach so.
Es ist, als passt alles, was verschoben war, jetzt wieder zusammen.

Ich habe manchmal Angst davor, daß das ein flüchtiges Hochgefühl sein könnte, das ebenso schnell verfliegt wie es kam.
Aber jetzt, wo ich aufgrund Deiner Frage darüber nachdenke, glaube ich schon, daß einem das, was man durch die Krankheit lernt, nicht mehr genommen werden kann. Etwas ist umprogrammiert im System...und auch wenn mal der Strom ausfällt, bleibt es bei der Konfiguration.
Das hoffe ich zumindest!!

Du siehst also, ich kann Dir nur zustimmen, was die magische Wirkung von Menschlichkeit betrifft.
Und auch darin, was die Krankheit an Gutem hat. Ich würde sogar sagen, ich möchte die Depression nicht mehr missen, denn durch sie wird mein zukünftiges Leben besser werden und ich, hoffentlich, endlich verstehen, wer ich bin.
So - bevor ich wegen Pathos aus dem Forum geschmissen werde mach´ich Schluß.

Ich hoffe, es war oder wird nicht zu schlimm, Deine beiden Leute zu entlassen. Das ist natürlich immer schlimm. Aber ich verstehe auch, was Du meinst, wenn Du sagst, Du könntest es jetzt von Dir trennen...das habe ich, glaube ich, auch gelernt. Was zu beweisen ist, wenn ich wieder arbeite. Aber das ist dann ein neues Kapitel.

Sei auch herzlich gegrüßt!
Virginia
Dre
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Re: Depression und Gesellschaft 2

Beitrag von Dre »

hallo ihr alle!
wie könnt ihr alle so frei und offen über eure gefühle,gedanken und probleme reden?
ich komme mir immer vor als wenn ich nur jammern würde.
könnt ihr mir helfen?
lg,dre.
kr
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Re: Depression und Gesellschaft 2

Beitrag von kr »

Hallo Andrea,

sei ganz herzlich willkommen. Auch wenn Du vielleicht an einigen Stellen lesen oder hören wirst das zu viel gejammert würde mach Dir nichts daraus. Denn wenn es Dir schlecht geht ist es halt so und dann sage es auch ohne Bedenken, denn wäre es anders würdest Du ja wohl kaum auf diesen Seiten zu Gange sein. Und durch das Beschreiben Deiner Situation wirst Du Dich selbst in die Lage versetzten auch Deine Gefühle zu artikulieren, selbst wenn es Dir jetzt noch schwer fällt oder unmöglich ist. Du bist hier anonym und das ist schon eine große Hilfe. Ich selbst habe lange Zeit gebraucht, ehe ich den ersten Beitrag geschrieben habe und Du hast ja schon den einen Schritt getan. Schreib wie Dir der Schnabel gewachsen ist und es wird Dir bestimmt jemand zuhören.

Liebe Grüße vom Kleinen Raben
___________________________________________________


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Dre
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Re: Depression und Gesellschaft 2

Beitrag von Dre »

Hallo Kleiner Rabe!
erstmal vielen dank für deine begrüßung und aufmunterung.
ich bin erst vor kurzem auf diese seiten gestoßen und nach dem lesen der vielen beiträge und den problemen der leute,komme ic mir mit meinen "kleinen" problemen echt ein wenig fehl am platze vor.da fühle ich mich echt beschissen und ständig krank und finde alles schlecht,dabei gibt es menschen denen es wirklich dreckig geht.warum jammere ich überhaupt!
eigentlich sollte es mir gut gehen.ich habe meine supersüße tochter,meinen mann,meine familie und meine freunde;einen job,ein geregeltes leben und,und,und.aber nur mir geht es dabei nicht gut.ich bin traurig,habe zu nichts mehr lust,will nur in ruhe gelassen werden,habe keinen spaß mehr und mache alles nur noch weil ich es machen muß.irgendwie ist immer alles grau,wo sind all die farben hin!
ich fühle mich ständig krank,mal der magen,mal der kopf,mal der kreislauf.
ich weiß das ich für mich etwas ändern muß,ich will wieder leben und spaß haben.und vorallem will ich nicht mehr ständig über mich jammern,habe das gefühl das mich eh keiner versteht.
habe ,wie ich hoffe,schon einen ersten schritt getan und mir einen termin bei einer neurologin besorgt.
würde euch darüber dann gern erzählen.
lg.dre.
ps:sorry,wenn das alles ein wenig unbeholfen wirkt,aber ich muß mich erst an das schreiben und die offenheit gewöhnen.
kr
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Re: Depression und Gesellschaft 2

Beitrag von kr »

Hallo Andrea,

lass Dir ruhig Zeit, und mach Dir keine Gedanken über das WIE des Schreibens. Wichtig ist doch, dass Du Deine Gedanken und Gefühle in Worte fassen kannst. Auch wenn es in Deinen Augen unbeholfen wirkt – so bist Du. Versuche nicht etwas anderes zu sein, Dich zu verbiegen, denn das machen wir in unserem Leben schon viel zu häufig. Sei hier im Forum Du selbst. Du musst hier niemanden gefallen oder imponieren, Du bist hier um Deiner selbst willen.

Es mag sein, dass Deine äußeren Lebensumstände in Ordnung sind, doch das ist kein Maßstab ob Du Dich krank bist oder nicht. Du klagst über physische Symptome wie z. B. Kreislaufprobleme. Also reagiert Dein Körper auf etwas und Du brauchst Dir keine Vorwürfe einer Einbildung zu machen. Du möchtest für Dich etwas ändern und weißt wahrscheinlich nicht wo Du anfangen kannst. Auch das ist nicht verwunderlich, denn Du siehst am Anfang nur die Symptome, nicht die Ursachen Deiner Krankheit. Das zu erkennen kann viel Zeit in Anspruch nehmen und von Dir auch große Kraft erfordern.

Wenn Du keine Farben mehr sehen kannst versuche doch mal zu bedenken, dass es nicht nur ein Grau gibt. Zwischen Schwarz und Weiss gibt es unendlich viele Grautöne, die z. B. ein wunderschönes Foto ergeben könnten. Auch das Unverständnis, dass Dir im Leben begegnet, versuche es in Worte zu fassen. Diese Mühe musst Du Dir machen, denn es ist die einzige Möglichkeit, mit der wir uns hier verständigen können auch auf die Gefahr hin missverstanden zu werden.

Liebe Grüße vom Kleinen Raben
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