Das Glück der anderen...

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Rosenfan
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Das Glück der anderen...

Beitrag von Rosenfan »

Hallo zusammen,

meine Tochter steckt gerade mal wieder in einer Krise. Nach einer Reha, die seitens der dortigen Ärzte nach 2 Wochen abgebrochen wurde mit der Begründung, daß sie zu instabil für die Reha ist, ging es ihr wieder so schlecht, daß sie in die Klinik mußte und mit Beruhigungsmitteln ruhig gestellt werden musste. Inzwischen wird zwar schon wieder runterdosiert, aber es geht ja immer ganz langsam.

In der Zwischenzeit gibt es nun Neuigkeiten in der Familie, die sehr schön sind, aber wo ich nicht weiß, wie ich es ihr sagen soll.
Ich mache mir Sorgen, daß es ihr dann wieder schlechter geht, weil es genau das ist, was sie sich für ihr Leben erträumt hat, aber wie sie sagt seit ihrer Erkrankung, wohl nie haben kann. Das ist einmal heiraten und Kinder bekommen. Und genau daß findet nun in der Familie statt. Die Cousine heiratet im neuen Jahr und ihr Bruder wird Vater.

Sollten wir das frei heraus erzählen oder was können wir da tun?

LG
Rosenfan
DieNeue
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Re: Das Glück der anderen...

Beitrag von DieNeue »

Hallo Rosenfan,

schwierige Situation und ich kann dir eigentlich auch nicht sagen, was das Beste wäre. Ich bin Betroffene und mir geht es auch oft wie deiner Tochter. "Alle" verwirklichen ihre Träume, leben das Leben, das man auch gerne hätte und man ist immer die, die zuschauen muss. Solche freudigen Nachrichten reißen mir auch regelmäßig den Boden unter den Füßen weg. Mittlerweile habe ich mich zwar auch etwas daran gewöhnt, dass ständig irgendwer heiratet, schwanger ist oder ein Kind bekommen hat und ich ein anderes Leben habe. Wenn jemand schon sagt "Es gibt Neuigkeiten!", kann ich mittlerweile an einer Hand abzählen, um was es geht. Trotzdem ist es jedes Mal wie ein Schlag in die Magengrube und tut sehr weh.

Hm... zu den Möglichkeiten, die du hättest.
Wenn du es ihr noch nicht sagen möchtest, muss klar sein, dass auch alle anderen auch konsequent den Mund halten! Denn wenn sie etwas mitbekommt, kann es gut sein, dass sie dir vorwirft, dass du es ihr nicht gesagt hast. Und dann womöglich anzweifelt, ob du ihr nicht noch mehr Sachen vorenthälst.
Wie eng ist denn das Verhältnis zwischen deiner Tochter und ihrer Cousine? Ich denke, davon würde ich es abhängig machen, ob ich ihr von der Hochzeit erzähle. Ist sie denn auch eingeladen?
Mit ihrem Bruder... da könntest du mal ganz blöd gesagt natürlich die Verantwortung auf ihn abwälzen ;) Was sagt er denn dazu? Vielleicht würde er es ihr auch gerne selber sagen?

Früher oder später wirst du es ja erzählen müssen. Da fände ich es gut, wenn du drauf eingehst, dass du weißt wie sehr sie das schmerzt, dass es nicht einfach auszuhalten ist. Aber dass du es ihr trotzdem erzählen willst, damit sie es nicht hintenrum von irgendwem anders erfährt. So zeigst du ihr, dass du auf sie Rücksicht nimmst und sie dir vertrauen kann.
Richtig blöd finde ich immer, wenn Leute, die eigentlich wissen, dass es einem weh tut solche Sachen zu erfahren, einem dann ganz unbedacht und flapsig einfach mal plötzlich nebenbei erzählen, dass X geheiratet hat oder Y ein Kind bekommen hat. Oder sie einem eine Hochzeits-Dankeskarte in die Hand drücken mit dem Spruch "Schau mal, die Dings hat geheiratet! Sieht voll schön aus, oder?"
Und man sich dann fragt, ob die gerade eigentlich wissen, was sie da gerade tun...

Was denkst du denn, wie lange das mit dem Medikamente reduzieren dauert, bis sie wieder stabiler ist?
Solange sie in der Klinik ist, hätte sie noch Leute, mit denen sie reden könnte und die das etwas abfangen könnten.
Vielleicht reicht es ja, wenn du es ihr erst in ein paar Tagen sagst? (Oder geht ihr da von einem längeren Zeitraum aus?)
Es ist ja nicht so, dass die Hochzeit und die Geburt in den nächsten Wochen stattfinden, es ist ja noch ein bisschen hin. (Geh ich jetzt mal davon aus ;) )

Das waren jetzt so meine spontanen Gedanken dazu.
Ich bin übrigens 32, hatte noch nie eine Beziehung (hatte die letzten 10 Jahre wegen den Depressionen mit anderen Sachen zu kämpfen) und mir geht es auch so wie ihr. Anscheinend ist das aber ein Problem, das nicht nur Depressive trifft, sondern auch Gesunde in unserem Alter. Von einer verheirateten Freundin weiß ich, dass eine ledige Freundin (auch in meinem Alter) von ihr auch das Gefühl hat, sie habe ihr Leben an die Wand gefahren, weil sie keine Beziehung hat. Bei Depressionen ist das dann noch krasser, weil die Krankheit einem zum einen die Hoffnung raubt und zum Anderen auch wirklich ein Hindernis im Kontakt zu anderen ist, sei es wegen Vorurteilen gegenüber Depressiven, sei es, weil der Depressive keine neuen Leute kennenlernen kann, weil er unter Leuten total schnell reizüberflutet ist.

Ich hoffe, meine Gedanken helfen dir zumindest ein bisschen weiter.

Liebe Grüße,
DieNeue
Bittchen
Beiträge: 5430
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Re: Das Glück der anderen...

Beitrag von Bittchen »

Liebe Rosenfan,

ich halte es für wichtig,dass deine Tochter in das Geschehen in der Familie eingebunden ist.
Egal ob freudig oder sogar traurig.
Sie hat "nur" eine depressive Störung und ist ansonsten ein vollwertiger Mensch.
Es wäre doch verletzend wenn ihr unterstellt würde,dass sie anderen Familienmitgliedern ihr Glück nicht gönnen könnte.
Sie kann vielleicht durch die jetzige Krise ihre Freude nicht zeigen,aber im Nachhinein kommt das ja auch wieder .
Außerdem gehört es nicht zu meinem Frauenbild,auch wenn ich das selbst anders gelebt habe,dass unbedingt eine Partnerschaft oder Kinder zum zufriedenen Leben dazu gehören.

Liebe Grüße
Bittchen
Jeder Tag ist ein neuer Anfang.
Candless
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Re: Das Glück der anderen...

Beitrag von Candless »

Mir fällt dazu noch ein anderer Aspekt ein. Ich selbst habe auch einen Bruder, der krank ist, jedoch keine psychische Krankheit, und kenne es, dass er geschont wurde mit den Dingen von mir und meinen Geschwistern, und letztlich wir dabei auf der Strecke geblieben sind. Weder wurde mein Studienabschluss richtig gefeiert, denn mein Bruder musste sein Studium krankheitsbedingt abbrechen, noch wurden sonstige familiäre Dinge genug wahrgenommen, wenn er wieder mal im Krankenhaus war und ich denke, das wird auch in Zukunft so bleiben.

Ich würde daher davon abraten, ihr freudige Ereignisse vorzuenthalten und damit die positiven und schönen Dinge mit einem depressiven Schatten zu versehen, da das für den, der heiratet oder ein Kind bekommt, sehr verletzend ist.

Ich bin aus meiner eigenen Erfahrung der Überzeugung, dass die positiven Dinge positiv bleiben müssen. Rücksichtnahme kann man ja zeigen, indem man es aushält und akzeptiert, dass es ihr schlecht geht, weil es einem selbst (aus ihrer Sicht zu) gut geht, und ihr das nicht vorwirft. Hätten wir wenigstens in der Familie die schönen und tollen Dinge ausnahmslos positiv sein lassen können, hätte man es besser ertragen können, dass es bei meinem Bruder auch negative Gefühle auslöst. Aber aus den schönsten Dingen des Lebens Tabus zu machen und dann noch ein Familienmitglied erleben zu müssen, dem es schlecht geht, weil man heiratet, das ist für Angehörige extrem heftig.

Wenn sie aus der Krise kommt, kann sie auch noch all die Dinge erleben und ich würde versuchen, die Aussichtslosigkeit, die sie gerade sieht, nicht anzunehmen.

Ich würde aus meiner Erfahrung heraus sie nicht auf Kosten der uneingeschränkten Freude des Hochzeitspaares und der Schwangeren schonen und es bei denjenigen auch nicht zum Problem machen. Bei meinem Bruder weiss ich, dass es ihm im Nachhinein unangenehm ist, dass einige Feiern nicht so freudig ausgefallen sind, weil er krank ist und es ihm damals schlecht ging. Er hat mir dazu gesagt, dass er weiss, wie enttäuschend das gewesen sein muss, da wir alle ja nicht krank waren und uns eigentlich hätten ausgiebig freuen sollen.

Lieber Rosenfan, kannst du damit irgendwas anfangen?

Ganz liebe Grüsse!
Ich bin hier, weil ich mich mit anderen Angehörigen offen über alles austauschen möchte.
Zarra
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Re: Das Glück der anderen...

Beitrag von Zarra »

Liebe Rosenfan,

ich kenne es von früher, daß gerade das Thema "Heirat" viel Negatives auslösen kann. (Und in anderen Situationen dann "Kinder".) Ich habe es auch mal abgelehnt, zu der Hochzeitsfeier einer Freundin(?)/guten Bekannten zu gehen; allerdings hätte ich auf der Hochzeitsfeier auch niemanden außer ihr gekannt. Das heißt aber nicht, daß ich mich nicht für sie gefreut habe! (Sie hat mir das leider übelgenommen.)

Mir fallen zwei Dinge dazu ein:

1. "Was wahr ist, darf man auch sagen." Die Realität, die Welt an sich und bei den Menschen um uns herum steht nun einmal nicht still, sondern es wird gelebt. - Auch wenn es u.U. weh tut, hilft ein Ausblenden nur bedingt weiter.

2. Ich finde, daß es sehr darauf ankommt, wie man jemandem etwas mitteilt und welche Erwartungen man an seine Reaktionen hat. In diesem Fall also, z.B. wenn Du es wärst, die es ihr mitteilt - oder ggf. später in einem Gespräch, nachdem sie es von jemand anderem erfahren hat -, daß Du ein offenes Ohr und ein bedingtes Mitfühlen dafür hast, daß sie das traurig, wütend, ... macht. Mitgefühl kann schon viel helfen! "Ich könnte mir vorstellen, daß Dir das was ausmacht, ..." / "Ich weiß, daß das nicht einfach für Dich ist ..." / "Ich kann mir vorstellen, daß das bei Dir ungute Gefühle entstehen läßt ..."

LG, Zarra
Rosenfan
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Re: Das Glück der anderen...

Beitrag von Rosenfan »

@dieNeue, interessant, es mal aus der Sicht einer Betroffenen zu hören. Genau das meine ich, wie du von dir erzählst. Es reißt dir jedesmal den Boden unter den Füßen weg und das befürchte ich auch bei meiner Tochter.
Dann ist sie vielleicht wieder etwas gefestigt und dann das....

Nahe steht sie ihrer Cousine nicht und ob Cousins und Cousinen auch eingeladen werden, wissen wir noch gar nicht.

Das Abwälzen auf den Bruder habe ich auch schon gedacht ;) Aber ich werde meinen Sohn fragen, ob er ihr es selber sagen möchte.

Mein Mann meint, wir sollten warten bis Weihnachten, wenn sie uns besucht. Wir wohnen 900 km voneinander entfernt.
Ob das zu lange ist, weiß ich nicht, wie du schon schreibst, noch ist sie in der Klinik und hat dort vor Ort Menschen und Therapeuten um sich, mit denen sie sich dann evt. ausstauschen kann.

Wie lange es mit der Medikamentenreduzierung dauert weiß ich nicht, weiß sie auch nicht, deshalb meinte sie schon, sie weiß nicht mal, ob sie Weihnachten nach Hause kann. Sie hat zwar während des Aufenthaltes in der Klinik jede Woche 2 Übernachtungen in ihrer Wohnung. Ich denke, sie wird dann auch über Weihnachten nach Hause dürfen. War vor 2 Jahren schon mal der Fall und da ging es ihr noch schlechter. Da waren wir erschrocken, daß man sie in dem Zustand hat nach Hause fliegen lassen.

2mal hatte sie jetzt so eine Krise, da hieß es immer 2 Wochen Klinik, woraus doch jedesmal 12 Wochen wurden. Ich vermute fast, das es diesmal wieder so kommen wird. Ich habe sie ja gerade Mitte November besucht und sie ist sehr viel müde. Und genau wie du hier erzählst, auch sie ist unter Leuten schnell reizüberflutet. Dann ist ihr alles zuviel und sie muss in ihre Wohnung und ihre Ruhe haben.

Danke für deine Antwort, du hast mir mit deiner Sicht doch weitergeholfen und ich verstehe ihre Situation nun noch besser.

LG
Rosenfan
Rosenfan
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Re: Das Glück der anderen...

Beitrag von Rosenfan »

Bittchen hat geschrieben:Liebe Rosenfan,

ich halte es für wichtig,dass deine Tochter in das Geschehen in der Familie eingebunden ist.
Egal ob freudig oder sogar traurig.
Sie hat "nur" eine depressive Störung und ist ansonsten ein vollwertiger Mensch.
Es wäre doch verletzend wenn ihr unterstellt würde,dass sie anderen Familienmitgliedern ihr Glück nicht gönnen könnte.
Sie kann vielleicht durch die jetzige Krise ihre Freude nicht zeigen,aber im Nachhinein kommt das ja auch wieder .
Außerdem gehört es nicht zu meinem Frauenbild,auch wenn ich das selbst anders gelebt habe,dass unbedingt eine Partnerschaft oder Kinder zum zufriedenen Leben dazu gehören.

Liebe Grüße
Bittchen
Bittchen hat geschrieben:
Danke Bittchen für deine Worte. Ich denke, du hast Recht, sie sollte in das Geschehen unserer Familie eingebunden werden. Du hast das richtig schön gesagt, sie ist ja trotzdem noch ein vollwertiger Mensch.
Wir sollten lernen, daß sie in ihren Krisen nicht so die Freude zeigen kann, aber wer weiß, vielleicht freut sie sich mit, zumal sie Kinder sehr liebt und ich mache mir umsonst einen Kopf.

Ich hoffe für meine Tochter daß sie es eines Tages akzeptieren kann, daß wie du schreibst, nicht unbedingt eine Partnerschaft oder Kinder zu einem zufriedenen Leben gehören. Z.Zt. ist sie aber einfach nur einsam, wie sie mir sagt und sie hätte sich das einfacher vorgestellt, immer allein zu leben.
Ich gebe aber die Hoffnung nicht auf, daß sie sich irgendwann damit arrangieren kann.

LG
Rosenfan
Rosenfan
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Re: Das Glück der anderen...

Beitrag von Rosenfan »

Candless hat geschrieben:Mir fällt dazu noch ein anderer Aspekt ein. Ich selbst habe auch einen Bruder, der krank ist, jedoch keine psychische Krankheit, und kenne es, dass er geschont wurde mit den Dingen von mir und meinen Geschwistern, und letztlich wir dabei auf der Strecke geblieben sind. Weder wurde mein Studienabschluss richtig gefeiert, denn mein Bruder musste sein Studium krankheitsbedingt abbrechen, noch wurden sonstige familiäre Dinge genug wahrgenommen, wenn er wieder mal im Krankenhaus war und ich denke, das wird auch in Zukunft so bleiben.
So habe ich es noch gar nicht betrachtet. Das ist richtig traurig Candless und tut mir sehr leid, daß du als Geschwisterkind darunter leiden musstest. Danke für diese Worte. Das ist mir ein wichtiger Aspekt, die anderen Familienmitglieder sollten sich freuen dürfen, über Studienabschlüsse, heiraten, Kinder bekommen oder was auch immer für die nicht betroffenen Familienmitglieder etwas Schönes oder Glück bedeutet.

Candless hat geschrieben:Ich würde daher davon abraten, ihr freudige Ereignisse vorzuenthalten und damit die positiven und schönen Dinge mit einem depressiven Schatten zu versehen, da das für den, der heiratet oder ein Kind bekommt, sehr verletzend ist.
Das kann ich sehr gut verstehen und bestärkt mich auch darin, sie einzubeziehen und mich dann freuen auf mein Enkelkind und darauf, daß meine Nichte heiratet.

Ich bin aus meiner eigenen Erfahrung der Überzeugung, dass die positiven Dinge positiv bleiben müssen. Rücksichtnahme kann man ja zeigen, indem man es aushält und akzeptiert, dass es ihr schlecht geht, weil es einem selbst (aus ihrer Sicht zu) gut geht, und ihr das nicht vorwirft. Hätten wir wenigstens in der Familie die schönen und tollen Dinge ausnahmslos positiv sein lassen können, hätte man es besser ertragen können, dass es bei meinem Bruder auch negative Gefühle auslöst. Aber aus den schönsten Dingen des Lebens Tabus zu machen und dann noch ein Familienmitglied erleben zu müssen, dem es schlecht geht, weil man heiratet, das ist für Angehörige extrem heftig.
Candless hat geschrieben:Wenn sie aus der Krise kommt, kann sie auch noch all die Dinge erleben und ich würde versuchen, die Aussichtslosigkeit, die sie gerade sieht, nicht anzunehmen.

Ich würde aus meiner Erfahrung heraus sie nicht auf Kosten der uneingeschränkten Freude des Hochzeitspaares und der Schwangeren schonen und es bei denjenigen auch nicht zum Problem machen. Bei meinem Bruder weiss ich, dass es ihm im Nachhinein unangenehm ist, dass einige Feiern nicht so freudig ausgefallen sind, weil er krank ist und es ihm damals schlecht ging. Er hat mir dazu gesagt, dass er weiss, wie enttäuschend das gewesen sein muss, da wir alle ja nicht krank waren und uns eigentlich hätten ausgiebig freuen sollen.

Lieber Rosenfan, kannst du damit irgendwas anfangen?
Ich denke und hoffe, wenn sie aus der Krise kommt, daß sie sich dann mitfreuen kann. Ich könnte mir vorstellen, daß es ihr auch unangenehm sein würde, wenn sie wüßte, daß ihretwegen der Rest der Familie bedrückt ist, Sorgen hat und sein eigenes Glück nicht genießen kann, das würde sie sicher auch nicht wollen.
Ja Candless, danke für deine Worte, ich kann sehr gut damit etwas anfangen!

LG
Rosenfan
Rosenfan
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Re: Das Glück der anderen...

Beitrag von Rosenfan »

Zarra hat geschrieben:Liebe Rosenfan,

ich kenne es von früher, daß gerade das Thema "Heirat" viel Negatives auslösen kann. (Und in anderen Situationen dann "Kinder".) Ich habe es auch mal abgelehnt, zu der Hochzeitsfeier einer Freundin(?)/guten Bekannten zu gehen; allerdings hätte ich auf der Hochzeitsfeier auch niemanden außer ihr gekannt. Das heißt aber nicht, daß ich mich nicht für sie gefreut habe! (Sie hat mir das leider übelgenommen.)

Mir fallen zwei Dinge dazu ein:
Zarra hat geschrieben:1. "Was wahr ist, darf man auch sagen." Die Realität, die Welt an sich und bei den Menschen um uns herum steht nun einmal nicht still, sondern es wird gelebt. - Auch wenn es u.U. weh tut, hilft ein Ausblenden nur bedingt weiter.
stimmt, die Welt steht nicht still und sicher wissen es auch die Erkrankten. Es geht ja alles um sie herum weiter....
Zarra hat geschrieben:2. Ich finde, daß es sehr darauf ankommt, wie man jemandem etwas mitteilt und welche Erwartungen man an seine Reaktionen hat. In diesem Fall also, z.B. wenn Du es wärst, die es ihr mitteilt - oder ggf. später in einem Gespräch, nachdem sie es von jemand anderem erfahren hat -, daß Du ein offenes Ohr und ein bedingtes Mitfühlen dafür hast, daß sie das traurig, wütend, ... macht. Mitgefühl kann schon viel helfen! "Ich könnte mir vorstellen, daß Dir das was ausmacht, ..." / "Ich weiß, daß das nicht einfach für Dich ist ..." / "Ich kann mir vorstellen, daß das bei Dir ungute Gefühle entstehen läßt ..."
Ok, wir sollten einfach nur nicht erwarten, daß sie "überströmende Freude" dazu zeigen kann. Das werde ich mit ihrem Bruder auch noch mal besprechen, damit er nicht enttäuscht ist, wenn sie keine Freude zeigt. Und ich werde ihr zur Seite stehen und Trost spenden, wenn sie mag was sie meist ablehnt) und ihr zumindest zeigen, wenn sie traurig oder wütend ist, daß ich ihre Situation verstehen kann.
Ja Zarra, es ist schwer für mich als Mutter, zu wissen, daß die Tochter sehr sehr traurig ist und keinen Ausweg sieht, da raus zukommen.

Dankeschön für deine Antwort. Auch du hast mir sehr geholfen.

LG
Rosenfan
Rosenfan
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Re: Das Glück der anderen...

Beitrag von Rosenfan »

Nochmals an alle, die mir geantwortet haben: Ihr habt mir sehr geholfen und ich bin zur Erkenntnis gekommen, daß wir es ihr erzählen und sie natürlich auch weiterhin in alle Familiengeschehnisse mit einbinden werden und nichts vor ihr verheimlichen.

LG
Rosenfan
Zarra
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Re: Das Glück der anderen...

Beitrag von Zarra »

Liebe Rosenfan,

vielleicht das noch:

Verheimlichen ist immer schlecht, zumal wenn man weiß, daß es dann eh irgendwann auffliegt. (Und auch sonst würde ich mich fragen, ob das nicht mehr Schaden anrichtet als Nutzen hat, auch wenn letzterer kurzfristig da ist.)

Wann ein geeigneter Zeitpunkt ist, wenn sich etwas nicht von selbst ergibt (so sollte es sein, wenn es unproblematisch läuft, doch bei Befangenheit, wie bei Euch vorhanden, ist das unwahrscheinlich), ist wiederum eine eigentlich nicht zu beantwortende Frage, denn oft wirkt es dann so, als ob es den nicht gäbe. Doch es reicht auch eine halbwegs geeignete Gelegenheit; einfach nur nicht völlig unsensibel für die Situation des anderen zu sein, reicht aus.

Dann: Mich persönlich hat der Spruch: "Das kann bei Dir auch noch kommen" oder so ähnlich, immer eher wütend gemacht. Bei jemand, der ca. 25 ist, kann man den vielleicht noch halbwegs zu Recht sagen. Auch bei allen anderen ist es keineswegs ausgeschlossen. Und es gibt auch zig Abwandlungen, die zu einem ähnlichen Glück führen könnten - nur müssen diese eintreten oder muß man diese finden, und das ist eben nicht so steuerbar wie der Kauf eines Brotes. Außerdem: ... wie wahrscheinlich im Sinne von "berechenbar" ist das, wenn schon Etliches schief lief?!? - Nie die Hoffnung auf Zufriedenheit aufgeben, aber wie diese aussehen kann, kann man nicht vorhersagen.

Und ja, ich kann mir sehr gut vorstellen, daß das für Angehörige sehr schwert ist.

Euch alles Gute!

Zarra
DieNeue
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Re: Das Glück der anderen...

Beitrag von DieNeue »

Hallo ihr,
Candless hat geschrieben: Wenn sie aus der Krise kommt, kann sie auch noch all die Dinge erleben
Na klar. Ich weiß gar nicht, wieso immer alle denken, dass es automatisch ein Ende der Krise gibt und man danach einfach ganz normal weiterlebt wie "alle" anderen auch? So eine Zeit hinterlässt Spuren und in manchen Fällen wird die Depression chronisch. Da gibt es kein Ende der "Krise". Die "Krise" ist immer da, mal schlimmer und mal harmloser. Aber man ist immer noch eingeschränkt.

Vielleicht ist das wieder nur meine "depressiv verzerrte" Wahrnehmung und eigentlich wissen alle tollen, netten Männer, die zu mir passen würden, dass eine sehr nette, tolle Frau in meiner Wohnung wohnt, die man unbedingt kennenlernen muss.
Wenn man mal 10 Jahre in einer "Krise" steckt, verpasst man sehr (!) viel Leben. Und es ist einfach traurig und tut weh. Ich leide jetzt seit 10 Jahren an Depressionen, hab in dieser Zeit nicht gelebt, sondern um mein "Überleben" gekämpft. Ich konnte im letzten Jahr zwei Tage nennen, an denen ich das Gefühl hatte, ich LEBE. Und das waren keine wunderschönen tollen spektakulären Erlebnisse, sondern z.B. ein Tag, an dem ich mit dem E-Bike ein paar Kleinigkeiten in der Stadt erledigt habe, ohne mich total überfordert zu fühlen und spontan über den kleinen Weihnachtsmarkt gelaufen bin, wo ich zufällig eine Freundin traf und mir mit ihr den schrägen Gesang ihrer Kindergruppe von ihrer Arbeit angehört habe. In dem Moment hätte ich heulen können vor Glück. Einfach weil mal alles leichter ging als sonst.

Ich empfinde die Aussage, ich könne irgendwann auch noch diese Dinge erleben, wenn es mir wieder besser geht, eher wie einen Schlag ins Gesicht. Vielleicht sieht man als Außenstehender das alles optimistischer, aber man kann nicht in den anderen hineinschauen und sieht nicht, was für Kämpfe den ganzen Tag in einem stattfinden. Was man wirklich für Einschränkungen hat, mit was man sich herum schlägt, wo man Probleme hat, bei denen andere nicht mal erahnen können, dass das Probleme sein könnten, wie klein und langsam die Fortschritte sind. Ich weiß, dass ich gerade weiter komme und es mir immer Stück für Stück ein wenig besser geht, und ich bin auch optimistisch, dass ich auch weiterhin weiterkomme, schließlich habe ich schon viel geschafft. Wenn ich aber mal überlege, wie lange es noch dauert, wenn es in diesem Schneckentempo weitergeht, bis meine "Krise" vorbei ist, und ich dann „auch noch diese Dinge erleben“ kann... Es geht auch nicht stetig bergauf, sondern es gibt auch Rückschläge. Wenn dann jemand kommt und sagt, ich kann das doch auch noch alles erleben, dann denk ich mir "Ja, in 20 Jahren vielleicht!" Wie soll ich denn einen Mann kennenlernen, wenn Menschen für mich extrem anstrengend sind und es mich schon total stresst, wenn ich an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Uhrzeit an einem bestimmten Ort sein soll? Und das seit Jahren!

Mir ist irgendwann mal bei mir aufgefallen, dass es bei solchen Themen wie Heiraten, Kinderkriegen, Haus kaufen etc. nicht nur darum geht, dass man sich sein eigenes Leben anders vorgestellt hat und jetzt so leben muss, wie man eigentlich nicht will. Ich musste mich mit vielem abfinden, immer wieder zurückstecken, hab gekämpft und meine Ansprüche trotzdem immer wieder senken müssen. Und noch weiter und noch weiter und noch weiter. Und wenn man denkt, es geht nicht mehr weiter, dann nochmal. Und nochmal. Ich war supergut in meinem Studium, wurde sogar vom Prüfungsamt für ein Begabtenstipendium vorgeschlagen. Ich habe lange gekämpft und alles versucht, das Studium abzuschließen. Aber es ging nicht. Ich habe ein Jahr gebraucht, bis ich mich tatsächlich mit dem Gedanken anfreunden konnte, mich zu exmatrikulieren, und das dann auch tatsächlich gemacht habe. Sowas ist die eine Seite.

Die andere Seite ist die, dass man in der Jugend im besten Fall einen Freundeskreis hatte, zu dem man dazu gehört und man sich auch zugehörig fühlt. Ich hatte so einen. Mit der Zeit ändert sich die Situation aber. Mittlerweile haben alle entweder geheiratet oder ein bis fünf Kinder bekommen, oder beides, und/oder kaufen sich ein Haus etc. Und mir fällt auf, dass ich nirgendwo mehr dazu gehöre. Jeder erschafft sich sein eigenes Grüppchen, erst ist man zu zweit, dann kommt ein Kind dazu, dann noch ein Kind, yeah, wieder ein Mitglied in der Crew mehr, und vielleicht sogar noch ein Drittes. Natürlich kümmert man sich dann verständlicherweise hauptsächlich um seine Kinder und seine Partnerschaft, um die enge Familie, vielleicht auch noch um seine Freunde. Die dann mal zu Besuch kommen oder die man mal besucht, die aber nicht mehr so eine wichtige Rolle spielen (können) wie damals, als man noch keine eigene Familie hatte. Da war dann der Freundeskreis die Gruppe, der man sich zugehörig gefühlt hat. Man gehörte einfach zusammen. Die Rolle übernimmt jetzt die Familie und wer keine hat, gehört halt nirgendwo mehr fest dazu. Klar, hat man im besten Fall noch seine Freunde, aber das ist eine ganz andere Beziehungsebene als in einer Familie. Und im Normalfall hat die Familie Vorrang.

Wenn man dann auch noch ganze Wände voller Familienfotos von der neugegründeten glücklichen Familie zu sehen bekommt, an der dann vielleicht auch noch sämtliche Hochzeits-Dankeskarten und Geburts-Nachrichten-Karten aller Kinder aus dem Freundeskreis hängen, kann das schon mal das Fass der Frustrationstoleranz zum Überlaufen bringen.

Das hört sich jetzt vielleicht teilweise plakativ an, und ich meine es auch nicht so negativ, wie es vielleicht klingt. Aber man hat einfach keine eigene feste Gruppe, wo man wirklich fest integriert ist und wo man einfach immer dazu gehört, egal was ist. Man ist zwar manchmal Gast in Familien und wird auch immer mal wieder mit ins Familienleben mit hineingenommen, aber man ist trotz allem Außenstehender. Solange es noch Leute im Freundeskreis gab ohne Kinder und ohne Partner war es einfacher, da man dann eben zu dieser Gruppe gehörte.

Ich denke, dass es ein großes Grundbedürfnis des Menschen ist, irgendwo dazu gehören, genauso wie von anderen gemocht zu werden. Und das wird halt in dem Fall, wenn man keine eigene Familie/Partner hat, die anderen aber schon, nicht befriedigt. Dass es auch Leute gibt, die sich trotz eigener Familie nicht gut fühlen oder Probleme haben und dass nicht alles Heile Welt ist, nur weil „Familie“ draufsteht, ist mir klar. Aber es besteht einfach der Wunsch dazuzugehören und der wird nicht erfüllt. Und so wie es aussieht auch in nächster Zukunft nicht erfüllt werden. Und jedes Mal, wenn ein Kind geboren wird, kommt wieder ein neues Mitglied zu einer Gruppe dazu, das dazu gehört. Die Gruppen der anderen werden quasi immer größer, während die eigene noch nicht mal vorhanden ist. Es ist jedes Mal, als wenn man gezeigt bekommt „Du gehörst nicht dazu.“ Das Kind wird freudestrahlend begrüßt und in die Familie aufgenommen (wie es ja auch sein sollte!). Und man selber steht daneben.

Das klingt jetzt vielleicht egoistisch und als würde ich den Anderen ihre Freude nicht gönnen. Im Moment möchte ich gar keine eigenen Kinder und ich hoffe, dass der Kinderwunsch auch so bald nicht auftaucht, sonst habe ich ein neues Problem... Und trotzdem macht es mir etwas aus, wenn ich höre, dass wieder jemand schwanger ist oder ein Kind bekommen hat.

Dass alle (scheinbar) überglücklich sind, man selbst aber in seiner Depression nicht mal auf ein „Normalniveau“ des Glücklichseins kommt, macht es dann auch nicht einfacher.

Auch die Gesprächsthemen ändern sich, da man sich mit ganz unterschiedlichen Sachen beschäftigt / beschäftigen muss als der Andere. Für mich ist es schon eine bewusste Entscheidung gewesen, zu sagen, ich beschäftige mich auch etwas mit den Themen, die meine verheiratete und Kinder habende Freundin beschäftigen. Denn ich will sie als Freundin behalten. Das ist nicht einfach. Denn unsere Lebenswelten sind mittlerweile total unterschiedlich. Es hat mich große Überwindung gekostet, sie nach der Geburt im Krankenhaus zu besuchen. Aber ich wusste, ich muss das machen, wenn ich ihr eine gute Freundin sein möchte. Und es war auch gut so und sie hat sich sehr gefreut. Vor ein paar Jahren hätte ich das nicht gekonnt.

Für mich war es gut, viel Kontakt mit der Nachbarsfamilie, die mit in meinem Haus wohnt, zu haben. Ich habe viel von der Entwicklung der kleinen Kindern mitbekommen und habe sämtliche Phasen live miterlebt. Dadurch konnte ich auch bei den ganzen Mamis im Freundeskreis auch etwas mitreden und ich habe auch mitbekommen, wie anstrengend Kinder sein können, und wie sehr man als Eltern gefordert und auch manchmal verzweifelt ist oder total genervt von Partner und Kindern. Und wenn ich die Kinder nicht so lieben würde, hätte ich sie auch schon längst öfters mal auf den Mond geschossen ;-) Die Familie ist aber auch keine „typische“ junge Familie, wie ich es von anderen kenne. Das Paar hat nie vor mir Zärtlichkeiten ausgetauscht (und ich weiß trotzdem, dass sie sich lieben), es hingen zwar Familienfotos an der Wand, aber nicht nur, und auch nirgends Sprüche wie „Family is everything“ usw. Ich hatte nie das Gefühl, ich störe sie in ihrer Zweisamkeit oder als Familie. Bei anderen sitzt man dann blöd daneben, wenn sie sich küssen oder Händchen halten. Da kommt man sich vor wie das fünfte Rad am Wagen und als würde man es ständig reingedrückt bekommen, dass man nicht wirklich dazugehört (auch wenn man weiß, dass das nicht beabsichtigt ist!). Das war bei meinen Nachbarn nicht so und hat mir den Kontakt mit ihnen leichter gemacht. Leider ziehen die zum Ende des Jahres weg – als Familie. Und ich bleibe hier.

Geholfen haben mir auch viele Gespräche mit meiner Betreuerin vom ambulant betreuten Wohnen. Sie hat mir immer wieder gesagt, dass es nicht das eine „normale“ Leben gibt, denn jeder hat seine eigene Normalität. Für meine Verhältnisse geht es mir gerade gut. Für andere Leute ist mein Leben seit Jahren „gleichbleibend beschissen“. Je nachdem, was man als normal bewertet. Ganz angefreundet habe ich mich mit dieser Definition von „normal“ noch nicht, aber es hilft ein bisschen.

Lange Zeit habe ich mich gefühlt wie auf dem Abstellgleis. Und mich erstaunt es gerade, dass ich das in der Vergangenheit schreibe… manchmal ist es aber immer noch so, denke ich.

Alle ziehen an einem vorbei, schauen vielleicht mal kurz bei einem rein und düsen dann wieder weiter. Mein Leben ist so anders als das der meisten anderen Leute in meinem Alter und ich fühle mich schon lange nicht mehr zu meiner Generation zugehörig. In den letzten drei Jahren habe ich mich sehr langsam endlich stabilisiert und in die äußeren Umstände ist wieder mehr Ruhe eingekehrt. Ich komme mir aber vor, als wäre ich die letzten 10 Jahre in einer Zeitblase gefangen gewesen, während bei den anderen die Zeit einfach normal weitergelaufen ist. Ich habe sehr vieles nicht mitbekommen und merke, dass sich viele Leute sehr verändert haben, ohne dass ich es mitbekommen habe. Plötzlich hat z.B. sogar die zwei Kinder, die früher nieeeeeeemals Kinder haben wollte. Für die anderen ist es normal, mittlerweile eine Familie zu haben, über Hauskauf nachzudenken, das sind Themen, da würde ich nie im Leben drauf kommen, mich damit jetzt zu beschäftigen. Und in meinem Hirn bin ich bei anderen Leuten auf dem Stand von früher stehengeblieben und falle jetzt aus allen Wolken. Langsam muss ich akzeptieren, dass sich die anderen weiter entwickelt haben und nichts mehr so ist wie früher. Dass für die anderen die Zeit in der Clique „schon ewig“ her ist. Für mich ist das alles noch so präsent, als wäre es vor 3 Wochen gewesen. Und das ist sehr schmerzhaft, zu merken, die Zeit ist einfach VORBEI. Und man kann sie einfach nicht mehr zurückholen.
Die anderen haben anderes erlebt, auch vieles schöne erlebt, während ich gezwungen war, mich intensiv mit mir selber auseinanderzusetzen. Man hat das alles nicht gemeinsam erlebt.
Manchmal habe ich auch das Gefühl, ich sehe Dinge mittlerweile ganz anders als andere. Ich kommuniziere anders. Ich habe zum Beispiel unbewusst erwartet, andere Leute sagen mir klipp und klar, was sie denken. Wie in den Therapien auch. Jeder sagt das, was er fühlt und denkt, es wird nicht bewertet und dann arbeitet man damit. Aber so funktioniert die normale Kommunikation außerhalb der Therapie nicht. Also muss ich mich erneut ändern und anpassen, damit ich wieder mit den anderen klarkomme. Das muss mir aber auch erst bewusst werden und dann muss ich daran arbeiten. Sowas kommt dann dazu, wenn eine „Krise“ vorbei ist oder man stabiler wird. Es ist leider einfach nicht so einfach, wie es manchmal ausschaut oder klingt.

Lieber Candless, nimm das, was ich geschrieben habe, bitte nicht als persönliche Kritik. So ein Spruch kommt auch von anderen und ich weiß, es ist immer als Trost gedacht. Für mich ist das allerdings kein Trost und ich fühle mich dadurch eher unverstanden. Es ist zwar schön, dass andere denken, dass man noch Chancen hat und man nicht für völlig unattraktiv oder beziehungsunfähig gehalten wird, aber es klingt doch oft auch eher hilflos.

Mal wieder ein ziemlich langer Text… Danke an alle, die bis hierhin gelesen haben.

Liebe Grüße, DieNeue
DieNeue
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Registriert: 16. Mai 2016, 22:12

Re: Das Glück der anderen...

Beitrag von DieNeue »

Hallo Rosenfan,

gerne :)

Normalerweise sollte man ja keine konkreten Ratschläge geben, da man ja die Situation des anderen nicht komplett kennt. Aber ich glaube, ich würde ihr das eher mitteilen, solange sie noch in der Klinik ist und nicht an Weihnachten. Einfach weil sie dann noch Ansprechpartner hat und an Weihnachten ist eh jeder so gepolt, dass man denkt, man müsste glücklich sein. Und wenn man dann so eine Nachricht bekommt, ist Weihnachten dann gelaufen. Für sie und für euch wahrscheinlich auch. Aber entscheiden müsst ihr das natürlich selber, denn ihr kennt eure Tochter am besten.

Liebe Grüße,
Die Neue
DieNeue
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Re: Das Glück der anderen...

Beitrag von DieNeue »

Hallo,

nochmal ich:
Rosenfan hat geschrieben: Ok, wir sollten einfach nur nicht erwarten, daß sie "überströmende Freude" dazu zeigen kann. Das werde ich mit ihrem Bruder auch noch mal besprechen, damit er nicht enttäuscht ist, wenn sie keine Freude zeigt.
"Überströmende Freude" kann man von einem Depressiven sowieso nicht erwarten. ;)
Von einem Single auch Freude zu erwarten, wenn jemand heiratet oder Kinder bekommt, ist vielleicht normal für das Hochzeitspaar und die frischgebackenen Eltern. Denn man geht einfach davon aus, dass sich doch jeder mit einem mitfreuen muss bei so viel Glück! Da kann man doch gar nicht anders als sich zu freuen! Aber auch einem gesunden Single, der unter seiner Partner- und Kinderlosigkeit leidet, verlangt das viel ab. Gesunde können mit der Situation vielleicht nach außen hin besser damit umgehen, aber ich weiß auch von einem ungewollt kinderlosem Paar, das sich deswegen von seinen Freunden komplett zurückgezogen hat.
Von jemandem, der in einer depressiven Krise sitzt, in so einer Situation auch nur ansatzweise Freude zu erwarten... da wird man so gut wie immer enttäuscht.

Was gerade bei frischgebackenen Eltern passieren kann, wenn man sich nicht wirklich mitfreut oder sie mitbekommen, dass man mit der Geburt des Kindes nicht so ganz klarkommt, ist, dass das gleich so empfunden wird, als würde sich das gegen das Kind selber richten, als würde man es nicht akzeptieren. Und Eltern können sehr renitent werden und seeehr resolut auftreten, wenn jemand ihre Kinder angreift (meine eigene Erfahrung mit meiner Freundin ;) Sie hätte mir deswegen fast die Freundschaft gekündigt. So resolut hatte ich sie bis dahin noch nie erlebt.)
Ich denke, was da gut ist, ist ihr trotzdem zu gratulieren (auch wenn einem nicht danach ist...), ihr ne Glückwunschkarte zu schreiben (auch wenn einem nicht danach ist und es nur ein Standardtext ist...) oder was kleines zu schenken (auch wenn einem auch nicht danach ist...) Da muss auch nicht megaviel Freude dabei sein, die Geste an sich reicht schon. Ich glaube, frischgebackene Eltern können am Anfang da schon ganz schön empfindlich sein.
Nen Gutschein kann man übrigens gut verschicken, wenn man weiter weg wohnt. ;) Da muss man sich dann auch nicht die glückliche Familie live anschauen, wenn man das nicht packt. So blöd es auch klingt. Man kann sie auch später noch besuchen, wenn man sich an den Gedanken gewöhnt hat, dass das Kind jetzt da ist. Manche sind ja auch froh, wenn sie nicht von Besuch überrannt werden.

In meiner Familie ist es so, dass meine jüngste Schwester nächstes Jahr heiratet. Sie ist 13 Jahre jünger als ich und ist die erste in meiner Familie, die heiratet. Das war für mich auch echt deprimierend. Ich hatte NULL Bock auf die Hochzeit, sobald sie irgendwas von der Hochzeit in unserer WhatsApp-Familiengruppe gepostet hat, war meine Stimmung im Keller. "Hey, schaut mal! Das ist unser Hochzeitsauto!" - Bäm! Bei mir schlug sowas immer ein wie eine Bombe. Am liebsten hätte ich sie gebeten, nichts mehr von der Hochzeit zu posten... Aber das kann man ja nicht bringen. ;)
Ich komme erst besser damit klar, seitdem meine Mutter mal gesagt hat, dass sie als Jüngste nie die erste bei irgendwas war, weil immer wir Älteren es zuerst erlebt haben oder wir irgendwelche gebrauchten Sachen an sie weitergegeben haben. Und jetzt ist sie mal als Erste dran. Mit dieser Sicht kann ich es meiner Schwester jetzt auch gönnen. Ich weiß aber auch, dass die Hochzeit für mich nicht leicht wird.

Liebe Grüße,
DieNeue
Ellis Bumbellis

Re: Das Glück der anderen...

Beitrag von Ellis Bumbellis »

Hallo DieNeue

danke für diesen ausführlichen Beitrag, ich konnte mich damit gut identifizieren.

du sprichst einige Punkte an, die mich auch seit langer Zeit belasten.
Früher wollte ich immer Kinder haben.... also nicht direkt, sondern als Wunsch für die Zukunft.
Mittlerweile bin ich zu der Erkenntnis gekommen, dass es mit meiner Form der Erkrankung vermutlich niemals zu realisieren sein wird. Die Sache mit der Partnerfindung ist natürlich ein Faktor, schon daran wird es scheitern, weil ich praktisch gar keine neuen Leute kennen lerne... und falls es mal dazu kommen würde, ist es sowieso niemand wo zu mir kompatibel ist.

Desweiteren denke ich, es wäre in einer Situation wie die wo ich mich befinde sowohl aus mentaler als auch materieller Sicht, absolut unverantwortlich, ein Kind in die Welt zu setzen. Es scheitert bereits an den Grundlagen, ich könnte einem Kind nicht den nötigen Input geben, in jeglicher Hinsicht. Ich könnte für nichts garantieren, weder finanzielle Versorgung noch dass es all die wichtigen Dinge lernt wie soziale Kompetenzen, Anpassungsfähigkeit, Disziplin und Durchhaltevermögen... wie sollte man einem Kind Dinge vermitteln worin man selbst seit Jahren anscheinend unfähig ist?

Ich habe auch lange auf eine eher spontane Heilung gehofft, aber aus heutiger Perspektive scheint es nicht möglich zu sein, oder jedenfalls nicht zeitlich absehbar.
Ja mein Zustand hat sich stabilisiert aber auch nur soweit, dass ich es schaffe, irgendwann aufzustehen und mich den Tag über mit eher sinnlosen Beschäftigungen abzulenken, wodurch die schlimmsten Gedanken meistens zu verdrängen sind.

Ansonsten bin ich zu nichts in der Lage, ich wäre selbst mit einer geringfügigen Beschäftigung komplett überfordert... zu ehemaligen Freunden habe ich seit geraumer Zeit keinen Kontakt mehr... ok wenn ich jetzt das Thema mit Hochzeit und Familie gründen bedenke, hat es wohl auch Vorteile...
Außerdem habe ich keine social media, weil man da eh nur das perfekte Scheinbild von anderen zu sehen bekommt und ich habe schon oft erfahren, dass das die Depression verstärken kann.
In der whatsap Family Gruppe bin ich als einziger nicht drin weil ich a eh kein whatsap habe und b es auch nicht wissen will was da geschrieben wird.
Das Verhältnis zu meinen Geschwistern ist... distanziert.
Sie sind beide jünger und haben bereits alles erreicht, was ich mir vor Jahren gewünscht hätte.

Das Thema Familie finde ich sehr kompliziert.


Wenn demnächst Weihnachten ansteht hab ich gar kein Bock drauf, mit Leuten am Tisch zu sitzen die man höchstens 2,3 mal im Jahr sieht und genau weiß sie jucken sich null für einen.
Es ist immer die selbe Prozetur, meine Mutter macht nen riesen Aufstand für Essen und Programm... alle anderen haben endlos viel zu erzählen, ich sitze teilnahmslos dabei, rede nur ein paar Sätze und ziehe mich nach dem Pfichtprogramm wieder zurück.
Etwas das mir auch schwer fällt: unverfängliche Gespräche führen über oberflächlichen Schund. Es interessiert mich nicht, was gerade im Fernsehen läuft, was Mode und Trend ist, oder wie es in der Politik aussieht...
und auch was die Verwandschaft sonst so zu berichten hat, finde ich.... eher mäßig.

Als meine Cousine vor einigen Monaten geheiratet hat... ich habe gemerkt wie viel es ihr bedeutet und habe sie noch nie so glücklich gesehen...sie sagte sie würde es mir hoch anrechnen dass ich mitkam... aber ob ich mich auch gefreut habe, eher nein. Die Hochzeit war für mich ein lästiges Ereignis, wozu ich eigentlich nur aus Anstand mitging.

Bei meinem Bruder wird es wohl auch bald soweit sein, zumindest wurde schon öfter etwas diesbezüglich angedeutet.
Falls ich letzten Endes nichts davon erfahren sollte, weil zb seine Freundin, die anscheinend etwas gegen mich hat, es so möchte, ok, hätte ich kein Problem damit. Natürlich wird es nich so sein, und es ist auch nicht gut das zu denken, aber ich hab einfach absolut keine Motivation für sowas.
Weil ich durch die Depression kaum in der Lage bin mich für andere zu freuen, macht es da halt relativ wenig Sinn an solchen Veranstaltungen teilzunehmen...
Candless
Beiträge: 190
Registriert: 7. Okt 2018, 22:10

Re: Das Glück der anderen...

Beitrag von Candless »

Liebe DieNeue

ich verstehe dich durchaus, aber meine Worte richteten sich an eine Angehörige einer Depressiven, damit sie nicht dieselbe Hoffnungslosigkeit übernimmt. Das ist eine Gefahr, der wir ausgesetzt sind. Keiner hat ein so hohes Depressions-Erkrankungsrisiko wie Angehörige von Depressiven, sagte mir ein Psychologe.

Und es stimmt ja auch nicht, dass Depressive keine Beziehung führen können, auch wenn einiges nicht läuft, wie "man" es vielleicht unterstellt oder gerne hätte.

Das, was du schilderst, trifft aber nicht nur auf Depressive zu, sondern auch auf die Partnerinnen und Partner. Ich wünsche mir auch eine stabile Beziehung, die habe ich aber nicht, solange ich an meiner Ex-Partnerin festhalte. Sie sprach kurz vor der Trennung noch von Heirat, also meine Lebensträume sind hier natürlich genauso betroffen wie ihre. Es ist ja nun nicht so, dass nur Depressive andere mit ihren Familien und glücklichen Partnerschaften sehen, sondern auch wir als Partner. Ich sehe nun auch Familien, die sich auf Weihnachten freuen und ihren Urlaub planen und sehe, dass bei mir alles in Trümmern liegt und nach wie vor für mich äusserst belastend ist. Welche schönen Tage ich hatte, seit sie so tief in der Krise steckt? Nicht viele. Meine Zukunftsplanung, ja wo ist die? Wir hatten gemeinsame Pläne.

Wenn wir wieder zusammen kommen sollten -was völlig unklar ist-, kann ich auch eine solche Stabilität, wie du sie als "normal" beschreibst, nicht erwarten und das tue ich auch nicht. Aber deshalb die Hoffnung aufgeben? Und dann selbst in das Loch fallen? Kann es denn das sein?

Ich bin der Meinung, dass ein unerschütterlicher Optimismus das einzige ist, das wir als Angehörige noch haben. Und das ist ja kein "juchhu alles ist toll"-Optimismus, sondern einer, der sieht, was vielleicht geht, und auch deutlich wahrnimmt, was nicht. Denn als Angehörige sind wir auch stark von der Depression beeinflusst, unser Leben verläuft ebenso quer, ungerade, hat Löcher, Untiefen und Fallstricke und viele emotionale Belastungen.

Meine Hoffnung und meinen Optimismus werde ich aber behalten, sonst könnte man jeden Depressiven gleich abschreiben und sich sagen: Geht eben alles nicht. Also muss ich ihn behalten, wenn mir an dem Menschen etwas liegt. Und das der Preis manchmal extrem hoch ist, muss ich wohl nicht weiter erklären.

Wenn wir als Partner und Angehörige der Meinung sind, ok, die Depression macht einen Kontakt oder eine Beziehung nicht möglich, würden wir den anderen seiner Krankheit überlassen und ihn endgültig abschreiben. Dann gebe ich meiner Ex auch endlich recht, die eh meint, sie ist es nicht wert geliebt zu werden und schon lange einfordert, dass ich ihr das endlich bestätige.

Wenn ich schreibe, man kann all diese Dinge auch noch erleben, meine ich nicht das Hollywood-Kino! Sondern eine realistische, der Situation entsprechende Situation, in der darauf Rücksicht genommen wird, dass der andere nicht "funktioniert" und man trotzdem zusammen oder in die Familie eingebunden bleiben kann. Um an eine Hollywood-Geschichte zu glauben, habe ich als Partner in den letzten Jahren selbst zuviel mitgemacht. Ich bin also hoffnungsvoll, aber nicht naiv.

Ganz liebe Grüsse
Ich bin hier, weil ich mich mit anderen Angehörigen offen über alles austauschen möchte.
Rosenfan
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Registriert: 3. Jun 2015, 19:52

Re: Das Glück der anderen...

Beitrag von Rosenfan »

Candless hat geschrieben:
ich verstehe dich durchaus, aber meine Worte richteten sich an eine Angehörige einer Depressiven, damit sie nicht dieselbe Hoffnungslosigkeit übernimmt. Das ist eine Gefahr, der wir ausgesetzt sind. Keiner hat ein so hohes Depressions-Erkrankungsrisiko wie Angehörige von Depressiven, sagte mir ein Psychologe.
Hallo Candless, nein, ich möchte nicht diese Hoffnungslosigkeit übernehmen. Ich mache mir zwar große Sorgen, wann wird es besser, wird es überhaupt jemals besser, aber da ich selber Betroffene war, ich bin in den 90ern auch an einer mittelschweren Depression erkrankt. Es hat 4 Jahre gedauert, ehe dies erkannt wurde, habe dann Therapie gemacht, dauerte 2 Jahre und seitdem geht es mir sehr gut. Ich kann sagen, ich bin ein "neuer Mensch" geworden. Die Ärzte sagten mir, wer einmal erkrankt ist, kann es immer wieder bekommen, aber ich bin seitdem nicht wieder erkrankt.

Deshalb denke ich, jeder hat die Chance zu genesen, bei dem einen geht es schneller, bei dem anderen dauert es eben länger, aber man kann nie sagen, daß wird nie wieder gut.

Ach ja, wir haben ihr nun erzählt, daß ihr Bruder Vater wird und sie hat es einigermaßen gelassen aufgenommen. Wie es tatsächlich in ihr aussieht, kann ich nicht beurteilen... Aber es ist ein gutes Gefühl, es ihr nicht vorenthalten zu haben.

LG
Rosenfan
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