Darf ich überhaupt noch hoffen?

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Lösung
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Darf ich überhaupt noch hoffen?

Beitrag von Lösung »

Liebe Teilnehmer des Forums,

meine Geschichte ist insowei ein wenig anders als die anderen, weil mein Partner und ich zusammen gearbeitet haben und eine Fernbeziehung führten. Das Projekt, bei dem ich ihn bestmöglich unterstützt habe, hat ihn aufgrund der wirtschaftlichen Tragweite zunehmend destabilisiert. Neben einen Zuviel an Alkohol kam wegen der Schlafstörungen (nachts 2 Stunden und dann Erwachen mit Panikattacken) Bezodiazepine dazu, die in de Endphase 3 Stück tagsüber waren, die dann mit Alkohol heruntergespült wurden, um überhaupt noch durch den Tag zu kommen. Bis es zu diesem Zustand kam hatte er bereits mehrere körperliche Warnschüsse, wie Nerventzündung, Herzprobleme etc. die ein Arzt, der ihn und seine wahnsinnige Art zu arbeiten kannte, dahingehend diagnostizierte, dass er mit seinem Stress nicht klar käme und wenn er sein Leben nicht ändern würde, dies als chronisch werdend bezeichnete.

Bei einem kuzfristigen Klinikaufenthalt von 9 Tagen (die ich im nachhinein als Alkoholentzug interpretieren würde) sagte mein Prtner noch zu mir: Du, die haben hier auch eine geschlossenen Abteilung und da möchte ich nie landen.

Als er sich des schwierigen Projektes "entledigt " hatte - allerdings noch auf die Bezahlung warte mußte - hat er mich noch einmal lange angerufen und sagte mir, er würde mich genauso vermissen wie ich ihn aber er wolle glücklich sein, wenn wir uns sehen und nicht, dass seine Gesdanken ständig abschweifen, weil er meint noch ander Probleme lösen zu müssen. Das sei unserer Beziehung nicht würdig ....

Ich betone noch mal deutlich, es gab nicht den Hauch einer Trennung zwischen uns aber seit diesem Tag verschwand er aus seinem bisherigen Leben, war telefonisch nicht mehr erreichbar und ging auch nicht mehr in sein eigenes Büro.... . In der langen Zeit seit dieem Zeitpunkt hat er sich dort zwar mal für je 20 min. blicken lassen, hat aber nichts erledigt, sondern nur gezeigt, dass er noch lebt.

Ich vermutete ihn in eienr Klinik, nicht zuletzt auch, um den Bezodiazepinentzug hinzubekommen. Bei einer seiner Stippvisiten im Büro hat er eine Brief von mir mitgenommen und seitdem fingen Klingeleichen an,die ich ihm zuordne. Vor 10 Monaten schafte er es sogar, mir tseienr sichtbaren Rufnummer anzurufen und nur meine Stimme zu hören, während er offenbar die Stumm-Taste gedrückt hatte. Die weiteren Klingelzeiche bis April machten mich ansatzweise zuversichtlich, dass er es schaffen würde, auf mich zuzukommen, wenn es ihm beser geht. Es war oft Thema zwischen uns, dass er sagte, er wolle sich zurück ziehen, wenn es ihn nicht gut gehe, dann sei er unsympathisch und damit wolle er mich nicht belasten.

Nachdem nun gesichert scheint, dass das Abstoßen des Projektes nicht zu dem wirtschaftlichen Erfolg geführt hat ist seine Ausgangssituation wohl wiede bei null, nur dass er diesmal auch darauf verzichtet, mich als "Ventil" zu nutzen. Dennoch ist er seit 3 Monaten wieder regelmäßig im Büro, wenn auch nur kurz und auch nicht mehr als oberster Chef. Er wirkt sehr ruhig und nahezu emotionslos, ist aber sehr höflich und begrenzt seine Kotakte auf einen kleine Kreis von Angestellten, also wenig Außenkontakte. Auf meine Geburtstagskarten, die er mittleweile gefunden hat, gibt es keine Anzeichen dafür, dass er wieder Kontakt zu mir aufnehmen möchte. Als man ihn dazu fragte, drehte er sich weg, schüttelte den Kopf und ging.... Mein Verstand sagt mir: Mach die Augen auf, dieser Mann will Dich nicht mehr!

Ich weiß nicht, ob hier nur meine alten Muster angetriggert werden, weil mein eigener Vater mich ebenso kalt abserviert hat, nachdem ich seine wirtschaftliche Sanierung erfolgreich absgeschlossen hatte oder ob die Fakten eben gerade nur so zu interpretieren sind?

Ich halte es bei dem Charakter meines Freundes, den ich meine, erkannt zu haben, auch für möglich, dass er sich so schämt, dass ihm diese Fehleinschäzung passiert ist und dass er nicht auf meine warnenden Worte gehört hat, dass er sich momentan einach nicht traut, zumal er auch der Ansicht ist, mir noch Geld zu schulden. Er ist eigentlich ein wahnsinnig verantwortungsbewußter Mensch, dem es sehr wichtig ist, gut angesehen zu sein. Während der Abwärtsspirale hat er sich mal bei mir wie folgt entschuldigt: Ich entwickle mich zum menschlichen A.... . Ich zeige Vehaltensweisen, die ich bei niemnaden je akzeptieren würde und das ausgerehcnet dir gegenüber. Wie kann ich nur!

Ich selbst bin fast 50 und weiß auch, dass Menschen in unserem Alter ein wahhnsinniges Glück haben, wenn sie das Geschenk einer solchen Liebe erhalten. Soetwas wirft man nicht so ohne weiteres weg. Wir haben "in guten wie in schlechten Zeiten " zueinander gesagt und für mich sind das jetzt eben die schlechten. Will sagen, ich nin bereit, dass alles durchzustehen auch mit der Gewwissheit, dass ich den selben Menschen wohl kaum zurück erhalten kann. Da ich selbst immer wieder rmit (diagnostiziert als mittelgradig ) Depressionen zu tun habe, kann ich ganz viel auch nachempfinden.. Aber da bei mir diese Episoden immer duch Liebesentzug ausgelöst werden ist es für mich nicht nachvollziehbar, wraum mein Partner in einer wirtschdaftlich so existentiellen Situatuion nicht auf meine Liebe und fachliche Unterstützugn zurück gereifen kann und / oder will. Scheinbar geht er lieber das Risiko ein, mich zu verlieren? Vielleicht denkt er sich auch, dass es so für ihn der einfachste Weg ist und ich schon irgendwann aufgeben werde, ihn "zu belästigen". Die Wege an ihn heranzukommen hat er ja ohnehin mittlerweile fast komplett verschlossen.

Mein Respekt verbietet es mir auch, mir eine neue Teleonnummer zuzulegen, um die Rufnummernblockade zu umgehen. Entschuldigt bitte meine lange Schilderung.

Da ich selbst keine Erfahrungen mit Alkoholismus, Benzodiazepinen und Antidepressiva habe würde es mich auch interessieren, wie ihr die Entwicklung nach dem absoluten Rückzug zu einem schrittweisen "Wiedereinritt in die Atmosphäre" betrachtet. Es macht mich besonders mutlos, dass die Klingelzeichen aufgehört haben aber 3 Monate später mit der Aufnahme der Tätigkeit im Büro eine andere Phase begonnen zu haben scheint. Ich habe solche Angst, dass er sich nun ganz gegen unsere Beziehung entschieden hat und nur nicht den Mut hat, mir das deutlich zu sagen oder zu schreiben.

Das fühlt sich einerseits an, als wäre man nun nicht einmal mehr wert, als Fußabtreter genutzt zu werden.. Auf der anderen Seite höre ich ihn regelrecht sagen: "Du glaubst doch nicht etwa, dass ich mich so aus unserer Beziehung verabschieden würde... "
zumal er dazu mal sagte, ich solle mir keine Sorgen machen, er wäe nicht einfach so "weg", wenn überhaupt wäre das allenfalls umgekehrt....

Ihr seht, wie verunsichert und zerrissen ich bin. Auch mein Therapeut hat keinen brauchbaren Ansatz, mir in dier Situatuion zu helfen. Mit Menschen die von derartigen Erfahrungen bisher veschont worden sind, braucht man über soetwas auch nicht zu sprechen. Das macht auf die Dauer verdammt einsam und mutlos..

Ich möche noch anmerken, dass ich nach den inensiven Gesprächen und dem Blick in die Seele meines Freundes als er mir diesen noch erlaubte, davon ausgehe, dass er eine volle Krankheitseinsicht hat. Ich denke auch, dass er irgendwie in ärztllichen Händen sein wird, die Frage ist nur, mit welchrs Stoßrichtung. Das Fatale an der räumlichen Entfernung zwischen uns in dieser Situation wird wohl auch sein, dass ein Therapeut ihm in der jetzigen Situation von einem Wohnortwechsel sicher abraten würde. Aber genau das wollte er eigentlich, wenn er seine "Baustellen" abgearbeitet hat. Zitat: dann rück ich Dir endgültig auf die Pelle... . Allein an dieser Formulierung meine ich zu erkennen, welches Bild er selbst von sich hat, da er gar nicht sehen kann, welchen Wert er für mich hat, egal ob geschäftlich erfolgreich oder nicht. Fakt ist in jedem Fall, dass die aktuelle Entwicklung von ihm sicherlich als existenziell empfunden wird, weil er glaubt, alles , was man ihm hinterlassen hat und was er seinen Kindern vererben wollte, ruiniert zu haben. Ich meine zwar, das Schlimmste evt. noch verhindern zu können aber aufgedrängte Hilfe will er sicher am wenigsten, so dass ich mit meiner Hilflosigkeit zu kämpfen habe. So, jetzt hoffe ich, dass mir jemand helfen kann und wünsche allen viel Kraft

Liebe Grüße

Lösung
Candless
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Re: Darf ich überhaupt noch hoffen?

Beitrag von Candless »

Liebe Lösung

das ist schon eine lange und schwierige Zeit, die du erlebst!

Für mich als Aussenstehenden sieht es jedoch nicht nach einer gravierenden Situationsänderung aus, dass er nun ins Büro kommt. Er scheint ja dort noch nicht "der Alte" zu sein, sondern ist emotionslos und arbeitet nur mit einem engen Kreis zusammen. Auf deine Karten reagiert er nicht, ruft nicht mehr an.

Für mich scheint er noch tief in der Krise, genau dieses Verhalten kenne ich ja auch von meiner Ex-Partnerin, sich zurückziehen, nichts sagen, nicht reagieren, nicht antworten können, mit Ansprache nicht umgehen können. In jedem Fall ist es bei ihr so, dass sie derzeit keinen Zugang zu ihren Gefühlen hat und daher mich auch nicht "liebevoll" behandeln kann. Diese Liebe ist derzeit einfach nicht da. Bei deinem Partner scheint mir das recht ähnlich.

Gerade weil du schreibst, er sei eigentlich sehr verantwortungsbewusst und es nicht wirklich zu ihm passt, eine Beziehung einfach so aufzugeben, vermute ich, dass er derzeit noch nicht anders handeln kann und daher das einzige tut, was er kann - in diesem Fall also nichts. Ich denke, hätte er die Bezihung wirklich abgeschrieben, würde er das auch mitteilen. Da er das nicht tut, und sich wegduckt, geht er der Beziehung eigentlich aus dem Weg. Ich denke, denn sein gesamtes Verhalten deutet ja noch auf eine Ausnahmesituation bei ihm, er muss das alles noch für sich ausblenden und aufschieben.

Es kann ja sein, dass ihn die Arbeit und der Alltag so aufzehren, dass nichts weiteres geht. Bei meiner Ex-Partnerin sehe ich das so und es erinnert mich stark an sie, was du schreibst. Wenn jemand einen Partner stabilisierend empfindet, wie du, dann versteht man nicht, dass jemand sich so zurückzieht, gerade wenn es ihm schlecht geht. Ich habe das auch lange nicht verstanden. Ich habe aber mittlerweile besser verstanden, dass bei Depressiven manchmal keine Partnerschaft mehr geführt werden kann, da es als Druck empfunden wird, weil man etwas leben soll, wofür die Ressourcen (Gefühle) momentan nicht da sind. So wissen sie, können sie nicht zurück geben, was sie vom anderen bekommen. Diese Einseitigkeit ist der Druck, dem sie dann aus dem Weg gehen.

Ich vermute, dass es noch dauern kann, bis dein Partner aus der Krise herauskommt, die Gefühle wieder spürbar sind und er Kraft und Energie genug hat, wieder ein normales Leben zu führen und die Kommunikation wieder aufzunehmen.

Ich stelle mir auch regelmässig die Frage, ob ich noch hoffen darf. Im Moment ist es nun so, dass ich sie noch/wieder habe, aber mich ganz auf mein Leben konzentriere und das wirklich umsetzen will, und was sie betrifft ich nichts tun kann und sie sich nun selbst um sich kümmern muss.

Ich kontaktiere sie gar nicht mehr, schreibe ihr nichts, rufe nicht an etc. Ich denke, wenn sie irgendwann die Kraft hat, wird sie sich melden. Und dann wird man sehen, ob es noch etwas wird oder nicht. Die Ungewissheit ist natürlich manchmal ganz schwer zu ertragen. Da weiss ich auch noch nicht, ab wann man dann auch sich sagen muss, es geht nicht mehr. Da ihr ja auch nicht zusammenwohnt, wie wir auch nicht, denke ich, kann man vielleicht in der Zeit, die man für sich hat, Dinge für sich tun und wirklich auch bei sich bleiben. Also auch gedanklich vom anderen weg und nicht zuviel grübeln.

Wünsche dir ganz viel Kraft!!
Ich bin hier, weil ich mich mit anderen Angehörigen offen über alles austauschen möchte.
Ella_
Beiträge: 10
Registriert: 8. Nov 2018, 09:04

Re: Darf ich überhaupt noch hoffen?

Beitrag von Ella_ »

Irgendetwas zu raten finde ich schwierig.
Tatsache ist aber, es geht dir nicht gut mit der Situation und du weißt nicht wie lange sich das noch so zieht.

Ich persönlich würde jetzt definitiv mein eigenes Leben leben und das tun was mich zufrieden macht, allerdings völlig unabhängig von dieser anderen Person.
Offen für vielleicht andere Menschen sein, die evtl. in mein Leben treten, in welcher Form auch immer.
Wenn dann irgendwann doch noch etwas kommt, kann man schauen ob die beiden Leben noch zusammen passen, wo es Schnittstellen für ein gemeinsames Leben gibt oder ob die Beziehung eine andere Form annimmt.
Ich darf glücklich sein, auch wenn es dem anderen nicht gut geht und ich darf auch Distanz schaffen, wenn sie nötig ist.
Das habe ich damals in meiner Erkrankung gelernt und fahre damit bisher ganz gut.
Damals war es meine Mutter, zu der ich Jahrelang den Kontakt unterbunden habe und es war im nachhinein das beste, das ich tun konnte. Auch sie hat in der Zeit gelernt sich selbst und ihre Situation anzunehmen.
Mittlerweile ist es ein neutrales Verhältnis und es passt wie es ist für uns beide.
Bei dem Patner ist es sicherlich noch einmal ganz anders aber der Grundsatz sollte in jeder Beziehung, egal welcher Art der selbe sein.
Liebe Grüße
Lösung
Beiträge: 29
Registriert: 26. Aug 2018, 19:20

Re: Darf ich überhaupt noch hoffen?

Beitrag von Lösung »

Hallo Candless,

vielen Dank für Deine Antworten hier unmittelbar zu meinem Thema aber auch unter dem Punkt "Mutmacher"! Ich merke an Deinen Worten, wie sehr Du Dich mit der Thematik auseinandergesetzt hast bzw. in eigener Sache auseinandersetzen musstest.

Gerade Deine Gedanekn, die Du dazu geschrieben hast, wie wichtig es für den depressive (re)n Partner ist, unsere Stabilität zu spüren, kommen mir bekannt vor. Ich habe einen guten Freund, der seit Jahren nicht aus seinen Depressionen herauskommt, obwohl er eine lange und gute Therapie gemacht hat. Dieser Freund hat mir sehr gut verdeutlicht, wie sich das für den Depressiven anfühlt. Ich denke, für das daraus entstehende Gefühl gibt es viele Gründe oder Erklärungsversuche. Sicher ist es hilfreich, wenn der Depressive durch uns nicht das zurück gespiegelt bekommt, was er in seiner "Wahrnehmungsverzerrung " für realistisch hält. Andererseits wäre das komplette Kontrastprogramm auch sofort dazu verurteilt, abgelehnt zu werden. Das hast Du ja bei Deiner Freundin auch schon erleben müssen.

Aus dieser Erkenntnis heraus habe ich meinem Parner nie deutlich gemacht, wie sehr mich die Nichtkommunikation in meinen Grundfesten erschüttert hat. Als wir noch sprechen konnten, es ihm aber schon schlecht ging, hat er oft zu mir gesagt: " Ich weiß nicht, woher Du deine Kraft und Energie nimmst, ich kann schon lange nicht mehr." Meine spontane Antwort darauf war: " Weil ich mich von Dir geliebt fühle." Einmal sagte er dazu: " Ja, das ist auch ein so intensives Gefühl, dafür fehlen mir regelrecht die Worte."

Was ich damit sagen will ist, dass ich in allem was ich getan und geschrieben habe immer darauf geachtet habe, ihm den Druck zu nehmenm, was er mir angetan hat. Der mir mal bekannte Partner wird das zwar für sich trotzeden wahrnehmen aber momentan weiß ich nicht mehr, ob ich es übehaupt noch mit dem selben Menschen zu tun habe oder ob die Krankehit ihn so verändert hat, dass er gar keine Empathie mehr fühlen kann. Aufgrund der Bechreibungen und auch meiner eigenen Wahrnehmungen an mir selbst zu dieser Krankheit würde ich sagen, das in der Episode tatsächlich ein anderer Mensch agiert.

Fraglich bleibt nur, ob nach dem ersehnten Abklingen der Symptome, wieder der alte Charakter hervortreten wird und wenn ja, ob er dann über seine Schamgrenze hinweg kommt oder ob es dann heißt: Aus den Augen aus dem Sinn.

Hier sind Männer und Freaune vielleicht auch unterschiedlich in ihrer Art, nicht vergessen zu können bzw. lieber verdrängen zu wollen.
Ganz liebe Grüße

Lösung
Candless
Beiträge: 190
Registriert: 7. Okt 2018, 22:10

Re: Darf ich überhaupt noch hoffen?

Beitrag von Candless »

Liebe Lösung,

ja, ich habe es meiner Ex-Partnerin auch nie offen gesagt, wie sehr es mich beschäftigt und auch verletzt, dass sie den Kontakt nur nach ihren eigenen Vorstellungen steuert. Sie hat die Kontrolle, über Aufnahme und Abbruch, über Häufigkeit, Intensität und Inhalt, und man fühlt sich ausgeliefert!

Gerade das, dass ich mich auch gefangen fühle in dieser Dynamik, hat mich die letzten Wochen stark beschäftigt und ich habe versucht, darauf Antworten zu finden. Sehr Interessantes habe ich jetzt in einem Buch von Daniel Hell, der ja einer "der" Experten für Depressionen ist.

Er schreibt in seinem Buch "Welchen Sinn macht Depression?" etwas zur "Beziehungsdynamik", das kurzgefasst wie folgt lautet:

Ein Depressiver, der zu schweren Depressionen neigt, findet auch vor Ausbruch der Krankheit aufgrund eines verletzlichen Identitätsgefühls Halt in der "Überidentifikation mit bestimmten Rollen" (S. 98). Die Normen, also die Verhaltserwartungen an diese Rollen, erfüllen sie besonders stark. So sind sie zu 100 % (oder versuchen ganz stark es zu sein) zuverlässige Ehepartner, fleissige Mitarbeiter, nette Nachbarn, perfekte Eltern usw., was sie mit zunehmender depressiver Krise als Belastung und Druck empfinden, aber aufgrund des Halts, der ihnen das gibt, nicht aussteigen können.

Es entsteht in der Beziehungsdynamik jedoch auch eine Erstarrung. Daniel Hell schreibt, mit zunehmender Krise entstehen "komplementär gegensätzliche Positionen", die sehr stabil und in der Familientherapie sogar bis zu "unverrückbar" seien. Hell schreibt, z.B. sei das häufig die Konstellation "Pflegling" (der Depressive) und "Pfleger" (der nicht-depressive Partner). Beide wollen diese Konstellation aber gar nicht, da sie zu einem Ungleichgewicht und zu einer Störung der Liebesbeziehung führt, können aber, da es so starr und stabil ist, nicht aus dem Muster heraus. Die Folge sind, dass beide dagegen rebellieren, es entsteht Auseinandersetzung.

Wenn die depressive Krise weiter voranschreitet, erlebt der depressive Partner dieses Kommunikationsmuster zunehmend als Teil seiner Krankheit (was ja auch stimmt!) und muss sich davon befreien. Er kann jedoch das Muster noch nicht ändern, da die Ursache, seine verletzte Identität, noch da ist (sie muss in einer Therapie dann zum Thema werden und sich neu aufbauen) und sieht nur die Möglichkeit, die Partnerschaft abzubrechen, auf Eis zu legen, wegzulaufen, eine Wand zwischen sich und den Partner zu ziehen. Und eben, die Kommunikation ganz alleine zu steuern! Damit die erstarrten Rollen nicht mehr ineinandergreifen, die ihn festhalten. Als Nicht-Depressiver kann man das nicht verstehen, da man die Kommunikation einfach ändern könnte, denn man braucht das Muster nicht, um im Miteinander Halt zu finden. Der Betroffene jedoch braucht das schon, aber das vorhandene Muster -das er noch nicht ändern kann- stützt seine Krankheit, und deshalb muss er es loslassen.

Hell schreibt von einem "einbeinigen Gleichgewicht" einer solchen Beziehung, das durch eine fortschreitende Krise nicht mehr aufrecht erhalten werden kann.

Nun sagt er in Bezug auf uns als Partner, wir befänden uns in einer "Beziehungsfalle", wir können uns nicht ganz abwenden, aber etwas tun können wir auch nicht, denn unser Kommunikationsmuster, das bisher die Beziehung geprägt hat, hat der Betroffene weggefegt. Ein Neues kann aber noch nicht beginnen, da dazu beim Betroffenen noch die Ressourcen fehlen.

Daniel Hell rät, den Verlust zu akzeptieren, und zu betrauern, und dann abzuwarten, denn: "Klingt die Depression ab, so löst sich auch die interaktionelle Verkrampfung."

Er schreibt aber auch, dass weiter bestehende Kommunikationsschwierigkeiten darauf hindeuten, dass eine erhöhte Rückfallgefahr besteht. Es wäre also ganz wichtig, nicht in das alte Muster, das Teil der Krankheit ist, zurück zu fallen.

Für mich ist das ein Teil der Antwort auf die Frage, welcher Charakter nach der Krise hervortritt. In jedem Fall müsste er seine vorherige Rolle, z.B. als "Pflegling", abgelegt haben, und ebenso wir die Rolle, die uns vorher zukam, und an der wir an dem Leiden, das wir empfinden, ablesen können, dass es ebenso zur Krankheit gehört.

Ich habe in diesem Buch für mich entdeckt, dass auch wir mit der Beziehung Teil der Krankheit werden und uns ebenso davon befreien müssen, für uns, aber auch für den Partner. Denn ein "zurück" kann es unter diesen Umständen nicht geben.

Ich denke, es ist ganz wichtig, dass wir am Abbruch, an der Einschränkung, Kontrolle oder ähnlichem, die der Partner auf die Kommunikation ausübt, sehen, dass er den pathologischen Teil davon, der seine Krankheit mit aufrecht erhält, loswerden will. Das zu erkennen und selbst loslassen ist wohl der Part, der uns bleibt.

Mir nimmt diese Erkenntnis selbst Druck, etwas für sie tun zu müssen, da ich daraus nur ableiten kann, dass dieser Wunsch bei mir ein Teil ihrer Krankheit ist.

Wie kann ich weiter daraus lernen? Das weiss ich noch nicht, ich habe es auch erst jetzt gelesen.

Da ich es aber für mich hilfreich finde, schreibe ich es hier mal.

Ganz liebe Grüsse!
Ich bin hier, weil ich mich mit anderen Angehörigen offen über alles austauschen möchte.
Kräuterhexchen
Beiträge: 30
Registriert: 26. Okt 2018, 09:46

Re: Darf ich überhaupt noch hoffen?

Beitrag von Kräuterhexchen »

Hallo Candless,

Vielen Dank für deine Gedanken und Einsichten.
Ich habe für mich verstanden:
Loslassen und den Betroffenen "laufen lassen", und von dem Gedanken verabschieden, dass nach dem Schub wieder alles "normal" wird.
Wichtig wird sein, falls es ein Wieder-zusammen-finden gibt, das gemeinsam zu bearbeiten und herauszufinden, welche Rolle, zB perfekter Partner oder Eltern zu sein, dazu beigetragen hat, dass der Betroffene in die Krise gerutscht ist, weil er die Rolle nicht so ausfüllen konnte.

Danke für die Denkanstöße!
Euer Kräuterhexchen
Liebe Grüße
Kräuterhexchen
Candless
Beiträge: 190
Registriert: 7. Okt 2018, 22:10

Re: Darf ich überhaupt noch hoffen?

Beitrag von Candless »

Hm, ja wahrscheinlich muss man diese Dinge auch gemeinsam anschauen.

Ich beobachte nun, seit mir klar geworden ist, dass sie alles quasi "übererfüllt", wie sehr sie bei dem "Seelenverwandten", den sie derzeit hat, sich bemüht. Sie schreibt ihre Dankbarkeit an ihn (für eigentlich keine grossen Dinge in meinen Augen) in ihrem Status in Social Medias, zeigt von ihm hergestellte (für mich alltägliche) Sachen dort und lobt sie extrem, und ich sehe daran, dass sie wieder hier eine Art "Leistung" erbringt, um für ihn liebenswert zu sein. Dabei sind sie nicht mal zusammen. Ich komme natürlich ins Grübeln, inwiefern sie das auch bei mir gemacht hat..... ich denke schon, dass dieses Verhalten Teil der Depression ist und würde es wohl schon mit ihr gemeinsam reflektieren. Ich könnte ihr meine Beobachtung auch jetzt schon mitteilen, aber da habe ich Sorge, dass es sie total runterzieht, weil sie eben ja noch mitten drin steckt. Sie möchte ja momentan nicht dafür geliebt werden, was sie wirklich ausmacht, mit allen Höhen und Tiefen, sondern nur für das, was sie selbst kontrollieren kann und zeigen will. Und das ist gerade wieder so etwas, das Richtung Leistung und Bemühen geht, auch im Zwischenmenschlichen, hier im Bemühen um den anderen. Ich habe ihr gesagt, dass ich sie so schätze, wie sie ist und sie nichts leisten muss und ihre Antwort war, aber sie schätzt sich so nicht, sondern hasst es an sich selbst.

Insofern ja, ich denke, man muss diese Dinge dann anschauen und wohl darauf warten, dass das möglich ist, wenn hoffentlich die Krise iwann vorbei ist.
Ich bin hier, weil ich mich mit anderen Angehörigen offen über alles austauschen möchte.
Lösung
Beiträge: 29
Registriert: 26. Aug 2018, 19:20

Re: Darf ich überhaupt noch hoffen?

Beitrag von Lösung »

Hallo Candless,

ich habe ein wenig gebraucht, um mir über Deine letzten Worte Gedanken zu machen. Vielleicht sollte ich das Buch auch erst einmal lesen...

Irgendwie tue ich mich schwer, den passenden Teil für mich herauszusuchen. Das ist aber ein Phänomen, was ich aus meiner eigenen Therapie kenne, dass es oft an ganz simplen Punkten hakt, weil / wenn bei mir ein wunder Punkt getroffen wird ... .

Allerdings würde ich bei unserer bisherigen Kommunikation nicht sagen, dass sich ein unverrückbares Muster eingeschlichen hatte. Natürlich gab es aufgrund der gleichartigen Probleme im Projekt bestimmte Kommunikationsarten, die sich wiederholten, sprich sein Versuch, noch hoffnunsvoll auf ein gutes Ende zu schauene, nicht jammern zu wollen etc. Aus diesen Gesprächen meine ich auch zu erkennen, dass er schon gewisse Mechanismen erlernt hatte, die ihn vor einem Komplettabsturz schützen sollten, d.h. ich denke, es ist nicht die erste Episode aber mit Sicherheit die schwerste.

Was ich aber als zwischen uns durchaus dynamisch betrachten würde, ist der Umstand, dass er wußte, dass er bei mir nicht stark sein mußte und dass er dazu wörtlich sagte: "... und das tut so gut." Ich hatte also durchaus den Eindruck, dass wir in unserer Beziehung ein Level erreicht hatten, was eine große Bandbreite zuließ und u.a. deshalb glaubte ich auch, nichts könnte uns trennen . Als man im Projekt versuchte, ihn zu destabilisieren indem man einen Keil zwischen uns zu treiben versuchte, sagte er ganz locker zu mir: "Kann ja gerne jeder versuchen, schafft sowieso keiner!". Ich dachte damals noch, oh, Du bist dir so sicher, dass Du gar nicht auf die Idee kommst, das es mich doch etwas verunsichern könnte."

Heute bin ich so verunsichert, dass ich mich oft genug frage, ob es nicht einfach nur die vielzitierte Männerfeigjheit ist, die ihn sich zurück ziehen läßt, ohne ein Trennungsgespräch zu führen. Sicherlich ist er niemand, der mir bewußt weh tun möchte und außer zu sgen, dass er mich nicht mehr liebt oder zumindest nicht genug, um darüber hinwegzukommen, dass ich ihn an sein Scheitern mit dem Projekt erinnere, gäbe es ja nichts, was er sagen könnte. Währendich das schreibe schäme ich mich in Grund und Boden, dass ich ihm so etwas überhaupt gedanklich zutraue ... . Wenn er so ein eiskaltes Wesen wäre, dann hätte er in der ganzen zurückliegenden Zeit auch ins Büro gehen können.. und dort "sein Dinag" machen können, was ja auch nicht ging .. und jetzt wohl auch noch nicht wirklich geht.

Leider triggert dieses Verhalten aber meine Urangst an, weil sich mein Vater bei der Scheidung von meiner Mutter als ich vier war auch ohne ein einziges Gespräch mir mir verabschiedet hat. Als ich ihm später beruflich hilfreich war, war ich "sein bestes Stück", jetzt, wo er mich nicht mehr braucht hat er mich nicht nur aus seinem Leben verbannt sondern auch das Erbe so gut es ging auf meinen Halbbruder übertragen. Da im Vertrauen zu bleiben, wenn Situationen so ähnlich aussehen, ist wirklich schwer.

Ganz liebe Grüße

Lösung
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