Umfeld/Familie wenig Verständnis...

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Candless
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Registriert: 7. Okt 2018, 22:10

Umfeld/Familie wenig Verständnis...

Beitrag von Candless »

Liebes Forum

mich beschäftigt es schon seit längerem, wie wenig Verständnis mir und meiner Situation entgegen gebracht wird. Meine Ex-/Partnerin kämpft seit über zwei Jahren mit einer schweren Depression, ist in Behandlung, lange krank geschrieben, tut was sie kann und hat vor fast einem halben Jahr die Beziehung beendet, da sie derzeit keine Kraft hat und sich um sich kümmern muss. Wir stehen aber in häufigem Kontakt und sie bat mich vor mehreren Monaten, ihr Zeit zu lassen. Das tue ich, immerhin haben wir viele glückliche Jahre gehabt.

Ich suche schon häufiger mal das Gespräch, v.a; bei Familienangehörigen (edit Ergänzung: nur meine Angehörigen, aus ihrem Umfeld stehe ich seit der Trennung mit niemandem in Kontakt), die sie ja auch kennen, und guten Freunden von mir. Ich bemerke aber zunehmend ein Unverständnis, dass ich sie nicht endlich abschreibe und mich "umorientiere". Es hätte alles eh keinen Sinn, sie will nicht mehr, und ähnliches höre ich da. Und dass ich mir das nicht antun soll.

Das ist für mich jetzt sogar eine zusätzliche Belastung geworden, dass ich mich nicht auf eine wohlwollende Weise verständigen kann und auch makl ein offenes Ohr finde, dass sie nicht verurteilt und die Krankheit bagatellisiert. Ich weiss ja, dass nicht jeder etwas über Depressionen weiss, aber es wird schon recht direkt gesagt, sie hält mich nur hin oder ähnliches. Dabei geht es mir gar nicht darum, jetzt die Beziehung zu "kitten" oder wieder aufzunehmen, da das ja unter den Krankheitsumständen gar nicht geht.

Kennt jemand auch so etwas? Und wie geht Ihr damit um? Meine Angst ist auch, dass, falls wir doch zieder zusammenkommen nach dieser Episode jetzt mein Umfeld ablehnend auf sie reagiert und ihr die Schuld gibt, statt zu sehen, dass es eine Krankheit ist. Lieber gar nicht mehr reden? Bin ziemlich ratlos....
Zuletzt geändert von Candless am 27. Okt 2018, 18:24, insgesamt 1-mal geändert.
Ich bin hier, weil ich mich mit anderen Angehörigen offen über alles austauschen möchte.
Bittchen
Beiträge: 5430
Registriert: 2. Feb 2013, 18:02

Re: Umfeld/Familie wenig Verständnis...

Beitrag von Bittchen »

Hallo Candless,

mit diesen Vorurteilen werden wir an einer Depression Erkrankten immer wieder konfrontiert.
Es ehrt dich,dass du als Angehöriger ,Expartner dagegen hälst.
Da kann dir keiner raten,wie in anderen Beziehungen auch nicht,die von zwei gesunden Partnern beendet werden.
Das gibt es ja auch, wenn es kriselt in der Partnerschaft und es geht später doch wieder ,weil die Trennung gezeigt hat,dass es zusammen schöner ist.
Für mich war und ist es immer sehr wichtig,ich bin selbst betroffen,dass mein Partner zu mir gehalten hat ,egal was es für schwerwiegende Unstimmigkeiten waren.
Nicht leicht für den Partner,ich bin schon sehr lange verheiratet,wenn ich mich total zurück gezogen habe und er sehr schwer an mich ran kam,ging für ihn nur abwarten und für mich da sein.
Diese schweren Symptome habe ich schon lange nicht mehr,das ist schon sehr viel besser geworden.
Wie es mir damals so schlecht ging,wollte ich nichts Hören und nichts Sehen.
Aber ich bin immer wieder aus der Krise raus gekommen und wir waren dann sehr dankbar, noch zusammen zu sein.
Ich habe selbst von Freunden zu hören bekommen,wenn es mir endlich besser ging:" Mein Mann würde sowas wie mit dir nicht mitmachen."
Was für geistig arme Menschen sind das denn ?
Würden sie das auch nach einem erlittenen Schlaganfall zum betroffenen Partner sagen,wenn es dem wieder besser geht ?

Kann sein,dass kann nur jeder für sich selber entscheiden.
Deine Angehörigen und Freunde sind wohl der Meinung,dass eine Beziehung mit an einer Depressionen erkrankten Frau nicht funktionieren kann.
Eine sehr schwer wiegende Beeinflussung von deinen Empfindungen,was du nur mit deinem eigenen Gefühlen beantworten kannst.
Einfach ist anders,aber sehr viele Beziehungen funktionieren nach einer depressiven Episode wieder gut,manchmal sogar besser,weil viele störenden Dinge ausgeräumt und besprochen wurden.
Ob du selbst davon überzeugt bist,dass eure Liebe diese Bewährung überstehen kann und du evtl.auch eine Enttäuschung verkraften kannst,das kannst nur du entscheiden.

Liebe Grüße
Bittchen
Jeder Tag ist ein neuer Anfang.
Sybilix
Beiträge: 79
Registriert: 11. Mär 2018, 23:58

Re: Umfeld/Familie wenig Verständnis...

Beitrag von Sybilix »

Hallo Candless,

ich kann das gut nachempfinden.

Zwar beschäftigt uns (meine Frau) das Thema Depression erst seit diesem Jahr, dafür nicht minder heftig, im Gegenteil. Viele Aufs und Abs, meine Welt wurde mehrfach von heute auf morgen komplett auf den Kopf gestellt.

Kurioserweise sind auch zwei (Ex)Depressive in meinem Bekanntekreis, die ähnlich "abfällig" über meine Frau sprechen "Sie hat sich bewusst so entschieden" ... "Vergiss Sie" und ähnliches.
Irgendetwas in meinem Innern sagt mir aber, dass ich die Liebe für Sie - bis auf weiteres erhalten kann und möchte. Also tue ich genau das, egal was andere sagen.

Natürlich braucht man hier und da einen Input bzw. jemanden um sich auszutauschen, aber leider sind die dafür geeigneten Personen rar gesät.

Triff die Entscheidungen entlang des Weges, was zu gegebener Zeit für Dich das Richtige ist. Diese Meinung kann sich durchaus immer wieder ändern (damit meine ich nicht die Beziehung/Empfindung für deine Partnerin).

Ich habe auch schon zu hören bekommen "Ich kenne nicht viele Männer die das mitmachen würden...". Ich würde jetzt aber nicht von (emotionaler) Blindheit oder Dummheit deiner- bzw. unsererseits sprechen sondern eher sagen, dass die Einstellung und Wertschätzung der Partnerin gegenüber so gut ist, dass man all dies "mitmachen" kann.

Viel Kraft und alles Gute,
Sybilix
FrequentFlyer
Beiträge: 293
Registriert: 23. Dez 2017, 02:20

Re: Umfeld/Familie wenig Verständnis...

Beitrag von FrequentFlyer »

Hallo ihr Lieben!

@ Candless, aber auch an alle Anderen:
Auch ich kann dies sehr gut nachempfinden. Ich habe seit Jahren einen guten Freundeskreis – eine Art Männerclique. Wir treffen uns zum Fußballschauen, Spielen ab und an Karten, grillen zusammen, haben schon zwei mal uns ein Segelboot gechartert für eine Woche und waren segeln. In diesem Kreis bin ich, nun ja ich will jetzt nicht sagen auf totales Unverständnis gestoßen. Die meinten es schon gut. Nur, solche Tipps wie, es gibt ja noch andere nette Frauen – mir wurden auch Frauen vorgestellt.... Damit war mir nicht wirklich geholfen. Aber ich kann die Jungs verstehen. Sie haben es verglichen mit etwas was sie kennen, also eine „normale“ Trennung mit dem daraus resultierenden Liebeskummer und da kann eine Affäre schon tröstlich sein. Diese Haltung hat mir nicht wirklich geholfen. Aber ich kann ihnen dies ohne Probleme verzeihen. Noch vor einem Jahr, als ich noch nichts von Depressionen wusste, hätte ich genau so reagiert: Ein Freund hat Kummer, also nimm ihn an die Hand und zeig ihm andere Möglichkeiten auf.

Wo ich wirklich enttäuscht war bei einem sehr guten, sehr altem Freund. Der hat nämlich ähnlich reagiert und das obwohl ich mich mit ihm sehr lange und ausführlich darüber ausgetauscht habe. Wir haben gemeinsam seine und meine Scheidung „durchgestanden“, haben uns immer alles gegenseitig gebeichtet und uns bestärkt.... ach quatsch, so hochtrabend war es nicht wirklich. Wir haben uns gegenseitig zugehört und dabei ordentlich getrunken ;-) Aber das tat uns immer gegenseitig gut. Nur in dem Fall mit der Episode meiner Freundin kam er nicht klar und ich bin bei ihm auf völliges Unverständnis gestoßen.
Jetzt in Nachhinein, nachdem meine Freundin und ich unsere Beziehung wieder aufgenommen haben, glaube ich den Grund zu kennen. Oh Gott, jetzt muss ich lange referieren: Die Grundlage einer jeden Beziehung sind ja die Emotionen die man füreinander hat. Sind diese positiv, so bilden sie letztlich das Fundament für eine glückliche Beziehung. Nun kommt aber in einer depressiven Episode das emotionale Koordinatensystem bei den Betroffenen ins wanken – wie genau wird nur ein Betroffener selbst sagen könne, wenn sie/er sich überhaupt bewusst darüber ist. Und dieses, sich bewusst darüber sein, ist ja auch noch mal ein Problem für sich, was es jetzt nicht unbedingt einfacher macht. Betroffene glauben ja wahrscheinlich selbst in einer depressiven Episode das die Beziehung mit jemand den sie lieben keine Zukunft hat.... Auf alle Fälle wird ein nicht Betroffener das „ins wanken geratene emotionale Koordinatensystem“ als wegbrechen des Fundaments empfinden. Wie sonst kann man dies zurück ziehen, das Problem mit Nähe als nicht Betroffener anders interpretieren. Nur wenn man von der Krankheit weiß, ihre Mechanismen kennt, die dann ja auch noch sehr individuell sein können, Stichpunkt Aggressivität, nur dann kann man die Chance sehen das eine Beziehung eventuell wieder aufgenommen werden kann. Mein guter Freund hat nur das weggebrochene Fundament gesehen – letztlich genau wie ich am Anfang ihrer Episode.
Und ich will jetzt gar nicht wissen, wie viele Beziehungen von Betroffenen zu Bruch geraten sind, weil ihr Partner nur eines gesehen hat: Das (temporär) weggebrochene Fundament.
Nun ja, deswegen gibt es ja diesen Forumsteil hier für Angehörige. Hier können wir uns austauschen. Es ist wahrscheinlich zu viel erwartet das gute Freunde, ohne die Erfahrungen mit dieser Krankheit, uns gute Ratgeber sein können. Von daher, seid milde mit euren Freunden.

Aber jetzt etwas anderes: Wogegen ich mich sehr bewusst entschieden habe, war das kontaktieren ihrer Freunde, ihrer Familien. Ganz am Anfang habe ich den Kontakt zu einer ihrer Freundinnen gesucht und.... hatte hinterher ein schlechtes Gewissen. Klar, sie hatte sich auch schon gedacht das meine Freundin unter Depressionen leidet und wir haben uns ausgetauscht und meinen es wirklich auch gut mit ihr. Dennoch habe ich mich hinter ihrem Rücken mit IHRER Freundin ausgetauscht. Das ist nicht fair. Ich hatte Probleme mit meiner Freundin, also muss ich mich mit ihr auseinandersetzen und dies nicht über Ecken machen. Umgekehrt möchte ich dies auch nicht. Auch wenn man es gut meint, kann man hier schnell Grenzen überschreiten. Seid Vorsichtig mit solchen gutgemeinten Treffen.

Euch allen ein schönes Wochenende – nutzt es!

LG
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