Ich weiß nicht mehr weiter.

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Ely
Beiträge: 3
Registriert: 9. Okt 2018, 12:30

Ich weiß nicht mehr weiter.

Beitrag von Ely »

Hallo liebes Forum.

Ich bin Angehörige. Mein Mann ist depressiv!
Wir kennen uns seit 11 Jahren und haben einen gemeinsamen Sohn.
Ich konnte das Verhalten meines Mannes niemals wirklich einordnen, geschweige denn nachvollziehen. Ich hatte immer das Gefühl, er würde wie ein schwarzes Tuch über mir liegen und mich irgendwie 'verschlingen'. Da wusste auch noch niemand von den Depressionen. Ich hatte oft im Internet gegoogelt und versucht raus zu finden, warum er so ist wie er ist.
Seine Unselbsständigkeit, seine Kritikunfähigkeit, seine verbalen Aggressionen mir gegenüber, das ich immer an allem Schuld war, seine Unzuverlässigkeit, seine abnormale Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft anderen gegenüber...Ich geriet in einen Sog von Grübeleien und landete schließlich beim Alkohol. Denn ich liebte ihn und fühlte mich permanent niedergemacht und abgestoßen.
Dann war er zum Arzt gegangen und kam mit der Diagnose 'schwere Depressionen'und einem Infoblatt über Borderline nach Hause.
Das Infoblatt hatte er laut seiner Aussage natürlich für mich mitgebracht...
Kurze Zeit später trennte ich mich und wir waren 2,5 Jahre getrennt. Ich merkte wie gut es mir eigentlich ging, aber dennoch liebte ich ihn. Auf jeden Fall war er in der Zwischenzeit 2 oder 3x bei einem Gespräch mit einer Psychologin.
Es hat sich etwas geändert, aber leider reicht es nicht und ich poche nun seit Wochen darauf, das er sich wieder helfen lässt. Angeblich hat er beim Psychologen angerufen und wartet auf Rückruf, doch irgendwie glaube ich das nicht.
Er hat mir endlich nach all den Jahren nun mal erzählt, wie er sich fühlt in einer depressiven Phase und das er auch schon Selbstmordgedanken hatte.
Laut seiner Aussage hat er auch schon einen Versuch hinter sich gehabt, bevor wir uns kennen lernten. Aber da wusste ja niemand von den Depressionen.
Er sagte er wollte nicht zum Psychologen, weil er Angst hat, das er sofort irgendwo eingewiesen wird, wenn einer wüsste wie es in ihm aussieht.
Ich habe das Gefühl, das sein Zustand sich seit dieser Aussprache verschlechtert hat. Ich glaube ihm ist dadurch erst richtig bewusst geworden, wie krank er ist. Antidepressiva hatte er eine Zeit lang genommen, aber er sagte sie helfen ihm nicht. Seitdem kifft er jeden Abend um runter zu kommen. Ich dulde das nur, weil er sagte er würde sich nun professionelle Hilfe suchen.
Mein Mann ist sehr hilfsbereit bei anderen Menschen und renoviert nun 4 Wohnungen für Bekannte, die alle umziehen. Unentgeltlich!
Das er uns in dieser Zeit überhaupt nicht sieht, scheint ihn nur bedingt zu stören. Er sagt die Arbeit lenkt ihn ab. Er geht dann morgens um 5 aus dem Haus und kommt abends zwischen 21 und 22 Uhr wieder.
Macht jemand ähnliche Erfahrungen? Soll ich für ihn einen Termin beim Arzt machen? Wird er dann überhaupt hingegen?
Liebe Grüße
Candless
Beiträge: 190
Registriert: 7. Okt 2018, 22:10

Re: Ich weiß nicht mehr weiter.

Beitrag von Candless »

Liebe Ely

das ist eine heftige Geschichte. Ich bin selbst neu hier im Forum, erlebe ganz ähnliches mit meiner Ex-Partnerin, sie trennte sich vor mehreren Monaten und hält mich seitdem in der Warteschleife, lebt ihre Stimmungen aus, kümmert sich nur um sich -wobei letzteres gut ist, da sie nur so weiterkommt, sie hat auch intensive Therapien. Wir leben nicht zusammen, also geht es mir damit relativ gut, auch wenn ich nicht weiss, ob wir jemals einen Neustart haben werden bzw. ich ihn dann noch wollen würde. Sie ist auch sehr launisch, wirft mir Dinge vor, die m.E. gar nicht existent bzw. nur von ihr konstruiert sind. Ihre Depression geht schon mehrere Jahre und sie war auch schon fast ein Jahr krank geschrieben bei der letzten schweren depressiven Krise. Ich habe also einiges an Erfahrungswerten gesammelt - leider....

Das nur als Einleitung, denn ich denke, was ich wiedererkenne ist, dass wir nichts tun können, um an der Situation des Partners etwas zu ändern. Sie müssen das selbst wollen und für sich entscheiden und umsetzen. Ist jemand körperlich krank, ist es für den anderen eine Erleichterung, ihm Dinge abzunehmen, wie Termine machen. Aber bei einer Depression ist das kontraproduktiv, so meine Erfahrung und wird als Bevormundung und vielleicht Erpressung aufgefasst, dass er oder sie gehen soll, weil wir das so wollen und deshalb den Termin machen, weil wir meinen, das ist gut für uns, wenn der andere hingeht.

Ich glaube, dass dir erstmal nur Abstand hilft, damit du nicht selbst kaputt gehst. Ihn nicht als Patienten ansprechen, sondern als Partner. Einfach seine eigene Grenze deutlich machen, und die dann auch ohne Diskussion und Drama, so konsequent und ruhig wie möglich, durchziehen. Das klingt zwar hart, gibt dem anderen aber die Chance, sich zu orientieren und selbst zu entscheiden, bevor die Sache völlig entgleitet. Da so schwer Depressive nicht rational und überlegt, sondern nur aus der situativen Stimmung heraus handeln, so habe ich das erlebt, bringt eine Auseinandersetzung oder Überzeugenwollen überhaupt nichts, es entfernt den anderen nur noch mehr, da er sich unverstanden und unter Druck gesetzt fühlt.

Mir ist es nur gelungen, den Druck herauszunehmen, indem ich nie eine Forderung stelle, sondern sage, was ich nun zu tun gedenke. Für mich. Dabei habe ich schon benannt, was für mich schwierig ist, z.B. Kiffen, das kenne ich auch bei meiner Partnerin, und habe mich dann unabhängig von ihr organisiert. Wenn du mekrst, dass du vielleicht auch durch ihn in Schwierigkeiten kommst, also selbst in die depressive Spirale gerätst, was dir ja schon mal passiert ist, muss man eigentlich sofort für sich selbst etwas tun. Denn sonst hat man plötzlich dieselben schlechten Gefühle, die Hilflosigkeit, die Ausweglosigkeit, die Schlafstörungen und all das, wie vielleicht auch Substanzmissbrauch selbst auf sich übertragen und lebt die Depression des Partners mit allem drum und dran selbst aus.

Langer Rede, kurzer Sinn: Ich würde keinen Termin machen. Wenn er sagt, er glaubt, man würde ihn in eine Klinik einweisen, wenn ein Arzt seinen Zustand wirklich kennen würde, ist derzeit mit ihm kein Gespräch, keine Auseinandersetzung und keine Absprache möglich. Ich würde hier erstmal an Distanz denken, innerlich, ihn machen lassen, offen bleiben für ihn, aber auch Grenzen setzen. Bei mir und meiner Beziehung geht es derzeit nur mit auch räumlicher Distanz, also wir schreiben uns eigentlich täglich bei Whatsapp, sehen uns aber nicht. Wenn ich sie treffen würde oder um mich hätte, weiss ich, dass sie mich in den Strudelmit hineinziehen würde. Bei ihr ist ebenfalls ein Borderline-Anteil, wie bei deinem Mann ja offenbar auch. Hier ist bei sich bleiben, die Depression nicht selbst oder die schlechten Gefühle des Partners selbst zu übernehmen, nochmal schwieriger, scheint es mir. Auch Vorwürfe als Ausdruck davon zu sehen, überhaupt abweisendes Verhalten, scheint mir sehr wichtig. Denn es liegt nicht an uns, und so können wir daran auch nichts ändern.

Hm, ich weiss jetzt nicht, ob dir das üiberhaupt etwas hilft, was ich schreibe, denn es ist alles schwierig und eine einfache Lösung gibt es wohl auch nicht....
Ich bin hier, weil ich mich mit anderen Angehörigen offen über alles austauschen möchte.
Ely
Beiträge: 3
Registriert: 9. Okt 2018, 12:30

Re: Ich weiß nicht mehr weiter.

Beitrag von Ely »

Hallo Candless.
Deine Antwort hilft mir wirklich sehr, weil ich zum ersten Mal merke, dass ich nicht alleine bin und das ich weiß, das es nicht meine Schuld ist.
Mein Mann hatte mich durch seine ewigen Schuldzuweisungen irgendwann soweit, das ich an mir selbst gezweifelt habe. Ich hatte stellenweise das Gefühl verrückt zu werden.
Das schlimme bei mir ist, das unser Sohn ja auch noch mit drin hängt. Er ist erst 5.
Auch er bekommt die Launen von Papa zu spüren und er fängt auch an nach zu fragen wo Papa immer ist, oder so. Ich habe mittlerweile versucht ihm zu erklären das Papa krank ist. Nur wie erklärt man einem Kind, was man selber nicht fassen kann???
Mir hat die räumliche Trennung damals auch sehr gut getan, aber daran denke ich jetzt nicht mehr. Da hängt bei uns auch zu viel mit dran.
Candless
Beiträge: 190
Registriert: 7. Okt 2018, 22:10

Re: Ich weiß nicht mehr weiter.

Beitrag von Candless »

Ja, ich denke auch, eine räumliche Trennung ist der letzte Ausweg, ich habe in der letzten schweren Krise den auch nicht gehabt, aber da hat mir innerlich mehr Distanz gut getan. Damit meine ich, die Depression nicht zu seinem Problem und Empfinden machen, empathisch sein, aber nicht mitleiden, kurz gesagt. Auf sich achten und nicht nur im "wir", sondern auch im "ich" denken, statt Beziehungsorientierung eher im "wir sind zwei Menschen und erleben gerade unterschiedliches" oder so weitergehen. Dann nimmt man sich auch die Vorwürfe nicht so zu Herzen und kann sie vielleicht auch eher unter der Krankheit verbuchen.

Drück dir die Daumen und wünsche dir vor allem viel Kraft!
Ich bin hier, weil ich mich mit anderen Angehörigen offen über alles austauschen möchte.
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