traurig, bedrückt, energielos um Wiedervereinigunstag herum

Gertrud Star
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traurig, bedrückt, energielos um Wiedervereinigunstag herum

Beitrag von Gertrud Star »

Hallo liebe Foristen,

geht es noch welchen so?
Es hat ja für viele Menschen in Ost und auch West gravierende Einschnitte ins Leben gegeben Folge der Beseitigung des eisernen Vorhanges.

Immer um die Zeit des neuen deutschen Nationalfeiertages herum bis zum Tag der Grenzöffnung liest man ja auch viel in den Medien, meist auf Ostdeutschland bezogen.

Ich denke, es war ein Bruch im Leben, der bei vielen Leuten nie wieder gekittet werden kann.
Sicher, Ostdeutsche waren in der "Masse" viel mehr betroffen als Westdeutsche.
Ich fühle einen deutlichen Unterschied zwischen denen, die im gleichen Gesellschaftssystem aufgewachsen sind und denen, die sich in einem völlig anderen zurecht finden mussten, irgendwie.
Ich fühle so langsam die Unterschiede zwischen denen, die die Anpassung halbwegs hinbekommen haben und denen, bei denen es nie gelang.

Vor Tagen las ich einen Artikel darüber, dass gesellschaftliche Großereignisse wie das damals auch das Erwachsenwerden überschatten können und mehr oder weniger Blessuren bei Menschen hinterlassen können.
Auf alle Fälle kann das ganze sehr anstrengend werden.

Wenn mir jemand sagt, auch Westdeutsche haben oft ein Leben auszuhalten, das nicht ihrs ist, sie kommen nie zum Zuge, tröstet das nicht.

Je mehr Jahre vergehen seit damals, umso mehr beschäftigt mich das alles.
Nicht nur, weil ich gefühlt seit damals aus dem für mich normalen Leben gerissen wurde (nein, damit ist nicht gemeint, dass die DDR hätte bestehen bleiben sollen), sondern aus dem Leben, was für mich erstrebenswert war und ich keine Anknüpfung mehr hin bekam. Mehr noch, eigentlich bekam ich keine gescheite Sitationseinschätzung und keine richtige Orientierung mehr.
(Ja, es gibt noch andere Gründe auch, die dazu führten, dass es mir so geht wie es mir geht. Es gab kurz vorher noch einen Todesfall in der Kernfamilie, und nach der Grenzöffnung widrige Lebensumstände durch die Verschuldung, und anders Dinge auch, die da eine Rolle spielten, dass ich so geworden bin).

Wollt mal fragen, ob solche Sachen andere auch beschäftigen, oder ob ich damit alleine bin.

LG Gertrud
Simone80
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Re: traurig, bedrückt, energielos um Wiedervereinigunstag he

Beitrag von Simone80 »

Hallo Gertrud,

ich muss sagen, dass ich mir um dieses Thema früher gar nicht so viele Gedanken gemacht habe, aber durch Deinen Beitrag realisiere ich mal wieder, was für ein grosser Einschnitt die Wende auf persönlicher Ebene für viele gewesen sein muss. Ich bin ja erst 1980 geboren, ich war noch sehr jung bei der Wende und sie wurde bei uns zu Hause nicht wirklich thematisiert (komme aus Bayern). Ich kenne einige Menschen in meinem Alter die aus dem Osten kommen und mit ihnen ist das gar kein Thema, ich selber denke auch gar nicht mehr in Ost und West. Bei bestimmten Themen vielleicht. Vielleicht sollte ich meine Freunde und Bekannte mal nach ihren Erfahrungen fragen. Tut mir leid, dass sich die Wende so negativ auf Dein eigenes Leben ausgewirkt hat.
Christiane1
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Re: traurig, bedrückt, energielos um Wiedervereinigunstag he

Beitrag von Christiane1 »

Hallo Gertrud,

du suchst derzeit nach vielen Antworten und ich mag deine Art, wie du einen Baustein nach dem anderen in Angriff nimmst. Du irrst dich aber jetzt.

Ich bin im Westen geboren und hatte Verwandte im Osten. Lübeck, die Grenze zum Nord-Osten, war dadurch geprägt, dass zum einen die harte Grenze zur DDR im Grunde nebenan war hier.
Zum anderen war das Wasser dazwischen. Ich konnte damals von Travemünde aus rüberblicken zum anderen Ufer mit blossem Auge. Und dort war die DDR mit Wachtürmen und Männern, im Auftrag jeden zu erschiessen, der es gewagt hätte, die kurze Strecke bis nach Travemünde zu schwimmen. Umgekehrt hätte es wahrscheinlich keinen gestört.

Es war für West-Bürger, die ihre Verwandten in der DDR besuchen wollten, eine Art schlimmer Abenteuerurlaub an der Grenze zur DDR. Man wurde behandelt wie der letzte Dreck, gedemütigt und ich könnte ein Buch darüber schreiben. Kaffee röntgen, weil sich darin gefährliche Gegenstände befinden könnten? Es gab kein Röntgengerät an den Grenzen, aber die Grenzer hatten ihren Spass. Kuchen mitnehmen? Na, der wurde sowas von untersucht. Insgesamt erlebte ich um die 15 Grenzerfahrungen in Kindheit und Jugend und das Schlimmste war jedesmal wieder die Trennung von geliebten Menschen nach diesen Besuchen. Wieder ein Jahr warten, bis das Visum erteilt wurde. Und man nahm Honneckersches "Eintrittsgeld" von den Westlern, das immer höher wurde.

Die Hürde für Westdeutsche an den Grenzen zur DDR, die nur ihre Verwandten besuchen wollten war unfassbar demütigend und das wissen viele Ostdeutsche eben nicht, weil sie nie erfahren haben, wie das ist, wenn man als "Feind" die DDR betritt, um seinen Opa, seine Tante und was weiss ich zu besuchen. Eine scheiss Angst, jedesmal. Wenn das zuende ist, muss das gefeiert werden, also ich bin froh darüber.

Das, was dir passiert ist, tut mit sehr leid.

LG Christiane
GiseEli
Beiträge: 396
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Re: traurig, bedrückt, energielos um Wiedervereinigunstag he

Beitrag von GiseEli »

Guten Morgen.

Hallo Gertrud,

zum zweiten Mal intereressiert mich ein von dir eröffneter thread.
Der erste war im Literatur_Unterforum +++-Erziehung wohl auch immer noch ein Grund für Depri &co

Und nun dieses geschichtsträchtige Thema "Eiserner Vorhang, DDR, und Wiedervereinigung".
Es tut mir sehr leid, dass du so bedrückte Gefühle beim Jahrestag hast.
Du hast viel Unschönes erlebt, die Wende nicht bzw. weniger positiv für dich.

Sehr wohl denke ich, dass die gesellschaftlichen, beruflichen oder familiären Zusammenhänge auf unser menschliches Befinden Einfluss nehmen und auch zu seelischen Beeinträchtigungen führen können.

Alles Politische ist auch persönlich. Und umgekehrt.

Meine Vorposterin hat in eindrücklicher Art beschrieben, wie sehr auch Menschen im Westen gelitten haben, deren Familien auseinandergerissen wurden durch die Mauer, den eisernen Vorhang.
Wie qualvoll die Einreiseanträge und -genehmigungsverfahren gewesen sind.

So haben bei mir beide Elternteile ihre Verwandtschaft sozusagen im Osten gehabt.
Bei Gott eine zerrissene Familie.
Ohne Großeltern, Cousinen Cousins oder andere Verwandte aufgewachsen, das ist schon herb.

Meine Eltern haben sehr gelitten an diesem Bruch.
Und das Thema Trennung, Abschied,Einsamkeit, unvollständige Familien lag immer wie ein Grauer Schleier stimmungsmäßig auf uns allen.
Nun gut, so haben wir halt das intensive Schreiben von Briefen erlernt.
Ich mit meinen Cousinen, Muttern mit Muttern und Schwestern etc. etc.
Aber auch diese Briefe wurden zensiert......an den geschwärzten Stellen erkennbar.

Pakete, die geschickt wurden, wurden genauestens nach Staatsfeindlichem untersucht, und sehr oft sozusagen auch teilweise ausgeraubt. So kam dann der gute Kaffee nicht an, oder eine schöne Nivea-Creme etc.

Und dann die Einreisegenehmigungen. Es war immer eine Zitterpartie und sehr sehr traurig.
Meinen Vater hielten die Grenzer jedesmal stundenlang in Gesprächen auf, er war Ingenieur einer renommierten Firma, sie wollten Betriebsgeheimnisse auspressen, sie wollten, dass er Betriebsspionage betreibe.....wochen-und monatelang bekam er noch Post aus der DDR, glatte Anwerbung, .......anfangs ein , zweimal gelesen, dann wurden diese Briefe sofort in den Müll entsorgt.

Wir in der Familie waren so glücklich, als die Mauer fiel. Besonders, dass mein Vater das noch 4 Monate vor seinem Tod noch erleben durfte.

Meine Mutter hat dann zu ihren Nichten und Neffen wieder ein wenig Kontakt aufbauen können,
der allerdings doch sehr brüchig ist, seit dem Tod meiner Mutter, bzw. auch schon lange davor.

Ich selber war glücklich wegen der Wende.
Und war immer sehr erstaunt, wenn KollegInnen oder andere Menschen, die eben nicht diese getrennten Familien hatten, sehr hasserfüllt über Ostler und die Politische Situation gesprochen haben.
Da war ich fassungslos, wie gebildete Menschen das so sehen können.

Also so Neiddebatten von durchaus gutsituierten Menschen......etc.

Ja, so glaube ich fest, dass auch Politische Ereignisse nachhaltige Gefühle und Eindrücke in uns hinterlassen haben.
Und man darf sich diese Gefühle eingestehen, finde ich.

Auch wenn andere ganz anders empfinden, oder jüngere Menschen damit gar nichts mehr anfangen können.
Es ist der Lauf der Zeit, andere Generation eben.

Ihr wisst ja, dass ich eine Frau bin, die immer einordnen, verstehen und letztlich auch verzeihen will.

Und so glaube ich, liebe Gertrud, kann es sehr hilfreich für dich sein, dir diese unangenehmen Gefühle bezüglich Wende_Osten_Westen zuzugestehen.
Es ist deine Biographie, dein Leben, dein Erlebtes.
Dazu gehören deine Trauer, dein Zorn etc.

Und dann macht man eben wieder weiter im aktuellen Leben, mit allem was schön und was grottenschlecht ist. Und den Versuchen, Einsamkeitsgefühlen und Depressionen nicht zuviel Raum zu geben.
Aber___es ist ja wirklich nicht schlecht zu erkennen, warum die eigene Seelenlandschaft genau so gestrickt ist und nicht anders.

Soweit meine Gedanken für ein Thema, das mir und meiner Seele aktuell hilfreich ist.

GiseEli
Jeder, der sich die Fähigkeit erhält,
Schönes zu erkennen,
wird nie alt werden.


Franz Kafka
Bittchen
Beiträge: 5430
Registriert: 2. Feb 2013, 18:02

Re: traurig, bedrückt, energielos um Wiedervereinigunstag he

Beitrag von Bittchen »

Liebe Gertrud,

genau wie Christiane das geschildert hat,habe ich das auch erlebt.
Meine Großeltern haben sehr darunter gelitten,dass ihre jüngste Tochter einen Mann aus der
"Ostzone"geheiratet hatte.
Ihr Schwiegersohn fand ja seine Heimat ganz toll und stand hinter dem System.
Später, wie die Mauer gebaut wurde, war es noch schlimmer für meine Großeltern, ihre Tochter und Enkel nicht besuchen zu können.
Oder auch,dass keiner kommen konnte.
Für Menschen in der BRD war es die Hölle,wenn ihre Liebsten nach dem Mauerbau in der DDR lebten.
Bei uns drehte es sich ständig darum,was in das nächste Paket gepackt werden kann.
Ob was durchleuchtet wird ,weg kommt ,das war ja auch der Fall.
Dann kam noch der Neid von anderen DDR Bewohnern dazu,die keine Verwandten im Westen hatten.
Immer die Angst was Falsches zu sagen, für meine Tante und ihre Familie oder noch denunziert zu werden.
In keinem Brief durfte auch nur die kleinste Kritik am System stehen,sonst hätte das böse Folgen haben können, für die Lieben in der DDR.
Es wurde ja alles kontrolliert ,gelesen,durchleuchtet usw.Geld ging gar nicht.
Für meine Eltern war es die größte Freude ,wie die Mauer fiel.
Aber dann gab es im Zusammenhang mit meinen Verwandten, ein ganz böses Erwachen für mich und meine Familie.
Denn dann ist die Stimmung bei vielen ehemaligen DDR Bürgern gekippt.
Es war nicht so rosig hier ,wie sie sich das vorgestellt haben.
Aber was konnten wir dafür ?
Wie manche Biographien dann falsch gelaufen sind ,da konnten die vielen Wessis,die sich nur über die Wiedervereinigung gefreut haben,nichts dazu.
Meine Mutter,die für die Verwandten in der DDR immer gesorgt hatte,auch wie meine Großeltern schon tot waren,konnte diese Verbitterung nicht verstehen.
Ihre Schwester war Rentnerin und ihr ging es finanziell genauso gut ,wie meiner Mutter selbst.
Sie wurde zur Beerdigung ihrer Schwester sogar ausgeladen von meinen Cousinen.

Gerade die,denen unverschämten Wünsche ,wie "Jakobskaffee schicken" erfüllt wurden.
Manche Forderungen,die mich schlucken ließen,weil wir sie uns das selbst nicht geleistet haben.
Wir haben den Aldikaffee getrunken.
Nur ein harmloses Beispiel,die Dugena Uhr war auch zur Jugendweihe im Gespräch.
Da hatte ich mich schon zurück gezogen und konnte manches nicht verstehen.
Später durfte ja auch über einen Katalog in die DDR geschickt werden,da gab es noch ganz andere Ansprüche .
Meine Großeltern und auch Eltern waren nicht wohlhabend,es hat gerade so gelangt .
Doch sie haben getan was sie konnten.
Nach der Wende waren meine Eltern nicht mehr erwünscht,sogar lästig,da sie ja dann mit mit leeren Händen gekommen wären.
Sie durften ja vorher rüber als Rentner,immer gut bepackt und mit viel Angst.
Vor allen Dingen auch um DM tauschen zu können,das war sehr beliebt !!!
Nach der Wende kam keiner mehr zu Besuch, noch wurden meine Eltern eingeladen.
Meine Mutter ist daran fast kaputt gegangen und die anderen Verwandten hier im Westen,der Bruder,hat noch Häme ausgeschüttet,"Das hast du jetzt davon,dass sich alles bei dir ums Helfen in der DDR gedreht hat."
Das ist die ganz andere Sicht der Wiedervereinigung.
Ich brauche keine Mauer mehr,aber in vielen Köpfen würden sie hier, aber auch in der ehemaligen DDR, gerne wieder eine Mauer aufbauen.
Wie furchbar ist das denn ???
Zu meiner Verwandschaft in der ehemaligen DDR habe ich jeden Kontakt abgebrochen.

Aber trotz meiner vielen negativen Erfahrungen kann nicht verstehen,warum sich nicht jeder freuen kann,dass es dieses Mahnmal ,über so viel Leid, nicht mehr gibt.

Brüchige Biographien gibt es auf beiden Seiten,es war eine rosa gefärbte Sicht der ehemaligen DDR auf die BRD .
Aber auch die BRDler sind mit der Axt in den Osten gegangen,auch da gibt es viele Verletzungen, immer auch auf beiden Seiten,das darf man nicht vergessen !!!
Es mag noch nicht alles gleichberechtigt ablaufen, aber wer zurück will,wer vergessen hat was das mal für ein Horror war,der verschließt die Augen vor der Realität .
Das ist meine Meinung und Erfahrung.
Mir selbst ist es total egal, ob Jemand aus dem Osten oder dem Westen ist ,es zählt nur der Mensch und die sind auf beiden Seiten nicht perfekt!!!
Glaube mir,auch dir würde es ohne Wiedervereinigung bestimmt nicht anders gehen wie jetzt,das siehst du auch daran ,dass wir hier keine Unterschiede machen.
Ich versuche aufzuhören,zu denken,"Was wäre wenn ?"
Es ist wie es ist.
Ein gutes Wochenende,wo auch immer!!!
Liebe Grüße
Bittchen
Jeder Tag ist ein neuer Anfang.
Peter1
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Registriert: 15. Apr 2018, 12:06

Re: traurig, bedrückt, energielos um Wiedervereinigunstag he

Beitrag von Peter1 »

Hallo
Bittchen hat, wie so oft, absolut Recht. Wichtig ist immer nur der einzelne Mensch. Ich zum Beispiel liebe eine Frau aus dem Westen, nicht nur wegen ihrer Pension. Lach lach
Egal ob Westen oder Osten, unzufriedene Menschen gibt es überall. Was braucht man mehr zum leben, als Essen und ein Dach über dem Kopf?
Liebe,Liebe und nochmal Liebe, von den Eltern, Geschwistern und vor allen Dingen vom Partner/in.
Nur mit Liebe kann man leben. Ohne Liebe ist Alles Nichts !

VlG Peter
Ich wollte nie erwachsen sein, hab immer mich zur Wehr gesetzt. Von außen wurd ich hart wie Stein, und doch hat man mich oft verletzt (Nessaja P. Maffay=
Herd04
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Re: traurig, bedrückt, energielos um Wiedervereinigunstag he

Beitrag von Herd04 »

Hallo,ihr Lieben,

ein auch für mich sehr interessantes Thema wird hier diskutiert.
Interessant ist es vordergründig für all diejenigen,die die Zeit vor der Wiedervereinigung schon viele Jahre bewusst miterlebt haben, egal auf welcher Seite der Mauer.
Nicht nur interessant ,sondern einfach toll finde ich,dass hier im Forum nie die Frage steht,ob man aus Ost oder West kommt.
Ich sage es jetzt trotzdem:Ich lebe seit meiner Geburt vor reichlich 61 Jahren in Sachsen,und ich wollte nie ( und will auch jetzt nicht) woanders hin.

Wenn ich an die Ereignisse 1989/90 und die wirklich große Wende in meinem Leben denke,dann passiert das heute vor allem unter dem Gesichtspunkt,so lange ist das schon her.Ich bin froh,dass es so gekommen ist und dass auch mein Vater dieses große Erlebnis miterleben durfte.

Manches, was bereits geschrieben wurde,habe ich genauso empfunden bzw. habe ich mitgekriegt und als sehr ungerecht empfunden.Warum durfte außer der Oma keiner nach Hamburg zu unseren Verwandten fahren? Warum konnte ich vor allem meine Cousine nicht oft sehen? Warum mussten die Verwandten, wenn sie uns besuchen wollten,so viel Eintrittsgeld bezahlen?....

Aber ich erinnere mich auch daran,dass nicht nur wir die Nehmenden waren.Es gab ohnehin nicht viel Westpakete. Wenn doch, dann haben wir uns darüber gefreut.Darum gebeten haben wir nie.

Meine Oma und meine Eltern haben versucht, den Verwandten im Westen mit ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln eine Freude zu bereiten. Ich erinnere mich an die alljährliche große Stollenbäckerei in der Adventszeit.Ich denke,so 6-7 Stollen wurden jedes Jahr nach Hamburg und nach Bayern geschickt, ohne groß Dank zu erwarten. Immer wieder wird die Geschichte erzählt,wie meine Oma,eine kleine,schmächtige Frau, sich eine Bettdecke (gefüllt mit echten ,handgeschlissenen Federn)in den Westen geschmuggelt hat.Sie hatte sich die Decke um den Bauch gebunden!!

Jede(r )hier könnte sicher viele Geschichten erzählen.
Jede(r )hat ihre/seine Biographie.

Und auch,wenn ich die DDR nicht zurückhaben möchte, gehören viele schöne Kindheitserinnerungen Erinnerungen an meine Jugend ,an meinen von mir hochverehrten Klassenlehrer, an die Geburt meiner Kinder,an meine damaligen Klassen und noch vieles mehr in der DDR- Zeit zu meinem Leben, aus dem ich fast nichts streichen möchte.

In diesem Sinn liebe Grüße ,Edda
Bittchen
Beiträge: 5430
Registriert: 2. Feb 2013, 18:02

Re: traurig, bedrückt, energielos um Wiedervereinigunstag he

Beitrag von Bittchen »

Liebe Edda,

deinen Beitrag zu dem Thema finde ich sehr wertvoll.
Deine Erfahrung hätte ich mir für meine Oma und Mutter auch gewünscht.
Sie haben aber immer wieder nur Forderungen bedient,meine Tante stammte ja aus dem Westen und ist der Liebe wegen nach dem Krieg in den Osten.
Du schreibst Dinge,die ich schon längst vergessen habe,wie Eintrittsgeld usw.
Ich hatte schon längst realisiert,dass bei meinen Verwandten was falsch lief.
Teilweise stramme überzeugte SED Mitglieder ,aber die Vorteile vom Westen gerne genießen wollen.
Wölfe im Schafspelz,die gibt es leider auf beiden Seiten.
Bei meinen Verwandten habe ich nur Kritik über Westdeutschland nach der Wende erlebt.
Darum habe ich zu dieser Verwandschaft auch jeden Kontakt abgebrochen.
Nachdem keine Pakete mehr kamen,hat meine Cousinen nicht einmal mehr der Tod meiner Eltern interessiert.
Das hat mir sehr weh getan!!!
Aber Freunde aus der ehemaligen DDR habe ich hier auch gefunden,ich bin da ohne jedes Vorurteil.
Wir hatten halt Pech und einen Dresdner Stollen hätten wir auch mal gerne bekommen,das war bei meiner Verwandschaft nicht üblich.
Ja, wir haben da so unsere Biographien,meine ist in der Richtung eher zum Weinen.
Trotzdem bin ich nicht verbittert was den Osten angeht,aber so manche Entwicklung sehe ich da doch mit Sorge.
Ich bin keine Patriotin,bei mir zählt nur der Mensch ,egal woher er stammt.

Liebe Grüße
Bittchen
Jeder Tag ist ein neuer Anfang.
Herd04
Beiträge: 1365
Registriert: 19. Jan 2012, 13:16

Re: traurig, bedrückt, energielos um Wiedervereinigunstag he

Beitrag von Herd04 »

Hallo ihr Lieben,
liebe Bittchen,

ich musste schmunzeln. Es waren ja nicht direkt Dresdner Stollen,die - auch noch einige Jahre nach der Wende - verschickt wurden. Ich würde sagen,es waren Roda-Stollen ( Roda ist mein Wohnort). Keine Ahnung,welches Rezept da verwendet wurde.
Es hat mich auch nie richtig interessiert,weil ich keinen Stollen esse.
Aber ich freue mich,das durch diesen Thread wieder längst vergrabene
Kindheitserinnerungen erweckt werden. Ich glaube,mich erinnern zu können,dass meine Oma und meine Mutter noch lange den ganzen Stollenteig vorbereitet haben und dass dieser dann mit dem Handwagen zum Bäcker in den Nachbarort gebracht werden musste. Später wurden dann nur die Zutaten abgegeben. Nicht vergessen werden durften die Stollenmarken. Schließlich durften unsere Stollen nicht mit denen von den Nachbarn verwechselt werden. Womöglich hatten sie weniger gute Butter drin...

Liebe Gertrud,entschuldige bitte, wenn ich mich jetzt zu Erinnerungen hinreißen lasse,die wahrscheinlich nicht viel mit dem Thread zu tun habe.
Aber vielleicht helfen sie auch,Subjektives mit Objektiven zu verbinden und das Beste für jeden einzelnen herauszufiltern.

Ich sehe es wie du,liebe Bittchen ,es ist so, wie es ist. Es ist auch weitestgehend gut so. Aber die Erinnerungen müssen wir uns deswegen nicht nehmen lassen.

Eine gute Nacht wünscht euch Edda
Gertrud Star
Beiträge: 3441
Registriert: 30. Jun 2014, 19:09

Re: traurig, bedrückt, energielos um Wiedervereinigunstag he

Beitrag von Gertrud Star »

Hallo ihr Lieben,

gerade bin ich heim gekommen, war den ganzen Nachmittag unterwegs.
Jetzt erst lese ich.

Wow, so schöne Berichte lese ich da.
Ich dachte mangels Erfahrung nicht unbedingt, dass so viele Westdeutsche sich finanziell die Pakete fast schon vom Munde absparen mussten.
Ich lese so spontan als erstes heraus, dass es auf beiden Seiten viel Ernüchterung gab, sowohl im Persönlichen als auch was die Gesellschaft betrifft.
Und ich lese heraus, dass es eine Rolle spielt, ob man durch die Wiedervereinigung viel gewonnen oder verloren hat.
Es sind auch nicht nur im Osten ganze Berufe verschwunden, weil ganze Branchen untergingen. Auch in Westdeutschland sind ja ganze Branchen durch die neue Billilgkonkurrenz aus anderen Teilen der Welt arg geschrumpft, und viele Leute arbeitslos geworden oder die Berufe ganz schlecht bezahlt heutzutage, und die Leute arbeiten unter miesen Bedingungen.

Es stimmt allerdings auch, und das sehe ich zunehmend, dass ich eben so bin wie ich bin, und auch in der DDR Probleme bekommen hätte, wahrscheinlich hätte mir auch da niemand so recht sagen können, woher die so kommen könnten.
Vieles lief auf dem Lande im Westen ähnlich wie im Osten.

Geld war in der DDR schon auch wichtig, viel wichtiger als ich dachte, obwohl die meisten wenig verdienten.
Zum Leidwesen meiner Mutter waren mir andere Dinge wichtiger, zum Beispiel Bildung, Lebensfreude, Gerechtigkeit, miteinander reden, geliebt und geachtet werden, und das auch mit Worten ausdrücken. Das Wohlergehen ist mir eigentlich das Wichtigste.
Am liebsten hätte ich den Ursprung der Welt erkundet, und das Ergebnis mit allen Menschen freudig geteilt, und alle Probleme der Welt gelöst.

Westverwandtschaft hatten wir nicht, nur ganz selten verirrte sich mal ein Westprodukt zu uns, und ein Päckchen nur einmal. Wenn, wurde das jahrzehntelang geschont oder so. Ich erinnere mich nur an das dor-Scheuerpulver, Atrix Handcreme und Nivea. Westgeld hatten wir nie.

Ich selber war zur Zeit der Wiedervereinigung gerade erst mit dem Studium fertig, knapp Mitte 20. Ich habe vor allem Erinnerungen an Familie und Schule und Studium, an Freude am Lernen und Wissen weitergeben. Aber auch an die frühe Kindheit und den riesengroßen Garten und Hof, wo wir gemeinsam mit 2 anderen Familien wohnten.
Aber auch an viel Überfordrung und Alkohol. Und dass scheinbar niemand so war wie ich, was in der Pubertät langsam zum Problem wurde.
An meine Lieblingslehrer denke ich auch oft zurück, an meine Mädchenfreundin. An lange Schulwege, oft zu Fuß, und lange Schultage. An Ferienlager und die gelöste Stimmung an dem einzigen Urlaub, den wir als Familie machten. An den ewig abwesenden Vati, als er studierte, an sein Schweigen.
An das Wegbringen der Altstoffe (Papier, Flaschen, Lumpen) zur Annahme stelle im Nachbarort, mit Opas Leiterwagen. Der war an den Rädern eisenbeschlagen und macht einen Höllenlärm.
Daran, wie ich staunte, als ich zum ersten mal klassische Musik im Unterricht hörte. Dass ich absagen musste, ein Instrument zu lernen, weil der Weg in die Musikschule in diesem zarten Alter nicht zu bewältigen war, und zum Üben nicht recht Zeit und Anerkennung gewesen wäre.
Daran, dass ich in der Dorfbibliothek Dauergast war, einmal ein Buch über Marie Curie auslieh und danach das Kapitel über Kernphysik langweilig war, weil ich das da schon aufgesogen hatte. Danach machten die Lehrer ein paar Experimente mit mir. Daran, dass ich im Studium Formeln zusammen bastelte und erstaunt guckte, als man mir sagte, das war in Mathe aber noch gar nicht dran.
Und an den Schwedeneisbecher, den wir als Lehrmädels manchmal in der Eisdiele aßen.

Dann kam ja der Bruch, den ich bis heute nicht recht verkraftet habe.
Aber die Sachen, mit denen ich zu kämpfen hatte, sind dann auch welche, mit denen andere auch zu kämpfen hatten, wie ich öfter höre oder lese.

Wenn ich meine Familie so angucke, bin ich schon erstaunt. Es ist immer wieder das gleiche. Und niemand kam nach der Wende noch wirklich zu Potte. Alle haben mit langer Arbeitslosigkeit, chronischer Krankheit, überfordernden Lebensumständen zu tun. Dem Geld wird zu vieles geopfert: Gesundheit, Lebenszeit, .... Pendeln, wenig verdienen, Suff, chronische Krankheiten sind eher an der Tagesordnung, bei allen. Und das verstärkt seit der Wiedervereinigung. Wir waren 3 Geschwister, und meine Mutter bekam nur 1 Enkel. Alle hatten sehr mit sich zu tun, zu sehr.

Wenn ich an die Kontakte mit dem psychiatrischen Hilfssystem denke, gab es ja auch Dinge, wo ich mich heute frage, ob wir damals eher als Migranten gesehen wurden und manche Dinge nicht abgefragt wurden, aber auch das stimmt nur zum Teil. Es liegt ja auch daran, dass ich aus der Schuldennummer nicht mehr raus kam, und da einiges innerlich mächtig durcheinander kam bei mir, auch durch die Lebensumstände, in die ich deshalb kam.
Westdeutschen wäre es da genauso gegangen.

Es fühlt sich alles so an wie eine ewige Suche ohne irgendwo anzukommen.
Wenn ich an die Zeit "im Westen" denke, fällt mir nicht allzuviel positives ein. Ich denke an ergebnislose Mühsal, Einsamkeit, permanentes Scheitern, Überforderung, Existenzängste und Krankheit. Ewige Müdigkeit. Funktionieren bis fast zur Selbstaufgabe.
Immer diese Selbstzweifel, die ich in der DDR nicht so oft und intensiv hatte. Und die Frage, was denn mit mir nicht stimmt (gut, das wird langsam besser).
Oft denk ich: "Was für ein Ding: vom Hoffnungsträger zur permanenten Fürsorgeempfängerin."
Am schwersten ist zu verkraften, dass dieses Scheitern nicht nur mit Beruf und Arbeit zu tun hat, sondern sich so fundamental auf mich ausgewirkt hat, dass ich auch privat nix mehr groß hinbekommen habe. Von der ehemals Besten zur größten Ver... ja was?

Meine Schwester trifft öfter denjenigen, der kräftig an meiner Überschuldung mit gewerkelt hat. Er fragt ständig nach mir, lebt wohl nicht mehr ewig. Ich solle doch mal anrufen.
Ich höre ihn im Geiste immer fragen, ob ich denn Familie und Kinder habe, und was ich denn beruflich mache. Momentan wüsste ich nicht, wie ich reagieren soll, es wäre mir wohl zuviel.

DDR interessiert keinen - stimmt nich ganz. Manche jungen Leute fragen viel. Und manche der heute älter gewordenen haben so viel mit ihrem Leben zu tun, auch durch die Wende, die haben gar keine Kraft zum Reden, oder keine Zeit.

Letztendlich fühle ich mich manchmal wie eine Migrantin durch diesen Bruch in der Biografie. Ich denke viel nach, auch über das Leben allgemein. Sicher, das macht viele Gefühle, und nicht nur die schönen.
Öfters denke ich, wie es wohl gewesen wäre, wenn ich so etwas wie Medizin oder Journalismus studiert hätte, oder eine Naturwissenschaft. Da hätte ich beruflich wesentlich bessere Chancen gehabt, als mit meinem Studium, was ja dann nur noch ein Bewerbungshindernis war. Da hätte ich wohl doch ein ganz anderes Selbstbild bekommen, was sich auch privat ausgewirkt hätte.
Ich sehe mich oft wie eine gefangene Verliererin, ewig nur zum Scheitern verurteilt, auf der ganzen Linie, als ob ich eine große Strafe abzuarbeiten hätte, die niemand abarbeiten kann, weil dafür das Leben eines jeden Menschen zu kurz ist. Und mir kommt oft die Frage, was denn diejenigen für Voraussetzungen hatten, die es im Westen irgendwie geschafft haben.

Aber letztendlich geht es auch bei mir nur noch um die letzten Lebensjahre. Jetzt bin ich Anfang 50, irgendwo in Süddeutschland. Ich mag so halbwegs in Frieden alt werden und mich nicht bis zu meinem Tod so quälen müssen. Wobei ich mir nicht ausmale, wirklich alt zu werden. Unter diesen Lebensumständen wünsche ich es wohl auch nicht. Und dass mir das Glück nochmal wirkich hold ist, damit rechne ich ebenfalls nicht, obwohl ich es mir schon wünsche.

So, ich höre jetz mal auf, ehe ich noch wirklich sentimental werde.

Achso, noch zum Kaffee: Ich trinke Tchibo und Melitta. Wenn man sich schon nix groß leisten kann, dann soll wenigstens der Kaffee wirklich schmecken.

LG Gertrud
Bittchen
Beiträge: 5430
Registriert: 2. Feb 2013, 18:02

Re: traurig, bedrückt, energielos um Wiedervereinigunstag he

Beitrag von Bittchen »

Liebe Gertrud,liebe Mitleser,

sehr oft frage ich mich,warum mir so viele Schicksalschläge nicht erspart geblieben sind ?
Bringt mir das was?
Ich habe keinem Menschen,auch nur in geringster Absicht was Böses getan oder auch gegönnt.
Da fällt mir der Satz meiner letzten Therapeutin wieder ein"Vielleicht ist es ihr Schicksal immer schwere Ereignisse in ihrem Leben gut bewältigen zu können."
DieNeue hat mir da eine gute Antwort geschrieben.
Diese Dame habe ich auch noch aus anderen Gründen dann schnell "abgeschossen."
Jetzt auch noch die Diagnose Polyneuropathie bei mir.
Ich bin davon überzeugt,meine Nerven wurden durch die Psychopharmaka geschädigt,das kann ich nicht rückgängig machen
Die Diagnose macht mir sehr zu schaffen und hat mir auch heute Nacht wieder den Schlaf geraubt.
Lebenswege liebe Gertrud, sind sehr oft durch viele Brüche gezeichnet.
Da ist es egal wo wir unsere Kindheit verbracht haben,es kommt darauf an wie stark und mit wie viel Liebe wir erzogen worden sind ,unsere Talente gefördert worden sind usw.
Ja,auch welche Bildung und Wohlstand die Eltern hatten ist wichtig.
Chancengleichheit gibt es heute noch nicht,das ist dummes Gelaber.
Heute ist die ehemalige DDR für mich immer einen Besuch Wert.
Schon einige schöne Orte haben wir da erkundet.
Nur nach Riesa,wo meine Verwandschaft wohnt,da zieht es mich nicht mehr hin.
Den Ort kenne ich noch aus meiner Kindheit.
Denn ich durfte meine Oma ja vor dem Mauerbau, bei ihren Besuchen ihrer Tochter und begleiten.
Da habe ich noch sehr gute Erinnerungen dran.
So ändern sich die Zeiten und auch die Menschen.
Sehr vielen wird schon als Kind das Rückgrad gebrochen und eingeredet wie wenig sie wert sind.
Das passiert nicht nur durch die Eltern, aber die spielen da auch eine große Rolle.
Die eigene Veranlagung (Gene)sind auch noch wichtig.
Falsche Entscheidungen,Verarmung durch Krankheit usw.sind ausschlaggebend für den weiteren Verlauf des Lebens.
Selber Schuld ? Ost ,West ,auch das ist egal .
Da fragen wir uns oft ,wenn wieder etwas eingetreten ist,was wir nur sehr schwer verkraften können,warum gerade ich.
Schulden, wer kann sich frei sprechen,nicht auch falsche Entscheidungen getroffen zu haben,weil er zu sehr vertraut hat?
Wer hat da Schuld ? Auch der Verursacher,der uns da rein geritten hat,dem wir vertraut haben.
Das tut weh.
Wenn das so ist,will ich auch keinen Kontakt mehr.
Gerade bei einer depressiven Störung steht oft die eigene Schuldfrage im Raum.
Nein wir sind nicht Schuld,wir haben uns Krankheit nicht gewünscht,egal welche.
Aber Depressionen wirken besonders perfide auf Körper ,Geist und Seele.
Hätte,hätte, Fahrradkette,was würde das heute noch ändern wenn wer immer wieder mit der Vergangenheit hadern.
Oder früher war alles besser.
Nein,war es nicht,nur anders.
Scheitern können wir überall.
Es ist vorbei!!!
Wir können die Vergangenheit nicht mehr ändern und die Zukunft hat noch nicht statt gefunden.
Nur HEUTE zählt,das ist eine ganz wichtige Weisheit von AA.
Die nächsten 24 Stunden können wir planen,dann hört es aber schon auf.
Jede schwere Krankheit oder Unfall, kann uns sehr aus der Bahn werfen.
Es ist egal wo wir geboren sind,ob Ost oder West, es gibt überall Biographien die sehr tragisch sind.
Da haben wir es doch noch ganz gut getroffen,angesichts des vielen Leids auf dieser Welt.
Aber jeder kennt nur seinen eigenen Schmerz und der wiegt im Moment bei mir schwer.
Aber ich bin nicht Schuld daran !!!
Auch die Frage"Warum gerade wieder ich",wird nicht beantwortet werden.
Die guten Erinnerungen kann uns keiner nehmen,aber die schlechten bleiben leider auch und haben auch viel Schaden in unseren Seelen angerichtet
Egal wo wir leben ,ob im Osten oder im Westen,wenn es uns schlecht geht,ist es egal wo wir sind,unseren Rucksack nehmen wir mit.
Wir können nicht davor weglaufen,da können auch Therapeuten nur begrenzt helfen.
Ich möchte keine Mauer mehr,auch nicht im Kopf,daran habe ich nur schlechte Erinnerungen.

Einen guten Sonntag und liebe Grüße
Bittchen

PS.Ich trinke auch schon sehr lange Jakobskaffee liebe Gertrud ,das gönne ich mir auch.
Die Zeiten ändern sich.
Jeder Tag ist ein neuer Anfang.
Katerle
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Re: traurig, bedrückt, energielos um Wiedervereinigunstag he

Beitrag von Katerle »

Die Menschen in Ost und West werden alle so ihre Erfahrungen gemacht haben. Und ich muss ehrlich sagen, ich bin ganz froh, dass es die Wiedervereinigung gab. Aber es muss noch einiges passieren, dass die Mauern in den Köpfen der Menschen verschwinden. Es war nicht alles schlecht im Osten, aber ebenso wohl auch im Westen. Ich wünschte mir, dass die Begriffe, "Ossi und Wessi" verschwinden, überhaupt abwertende Kommentare und das wir weiter mehr zusammenwachsen. Jeder hat da eben seine Meinung. Liebe Grüße Katerle
Christiane1
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Re: traurig, bedrückt, energielos um Wiedervereinigunstag he

Beitrag von Christiane1 »

Hallo Gertrud,

ich lese so eine Art Lähmung bei dir heraus, wobei ich jetzt nicht weiss, welchen Anteil daran die Krankheit bei dir hat. Oder ob deine Ermüdungserscheinungen hauptsächlich resultieren aus der Summe an verpassten Möglichkeiten/Jahren.

Es ist noch nicht zu spät für dich, deine Begabungen irgendwo einzusetzen.
Vielleicht wäre es hilfreich sich erst einmal darüber im klaren zu sein, was den inneren Druck aktuell ausmacht. Vergleiche mit anderen - in diese Falle tappe ich auch öfter - führen zwangsläufig zu negativer Bilanz, wenn man den Anspruch an sich selbst zu sehr hochschraubt.

Ich habe in meinem Leben bisher drei starke Rückspiegelungen erlebt, die mich für einige Zeit komplett erstarren liessen und jedesmal aus anderen Gründen. Die erste war mit ungefähr siebzehn, als ich realisiert hatte, wie schlecht es mir ging.
Die zweite kam mit ungefähr Ende dreissig, als ich noch immer unverheiratet und kinderlos war, aber immerhin schon die Fragen nach meinem privaten Status aufgehört hatten.
Die anderen zogen zuvor an mir vorbei diesbezüglich, aber auch deren Leben hatte sich verändert, Kinder waren grösser, Ehen zum Teil leider schon aufgelöst, ich konnte mich aber gut untermogeln und fiel zu meiner Erleichterung nicht mehr weiter auf. Bis dahin dachte ich immer, ich sei vom anderen Stern.
Die dritte Phase erlebe ich jetzt seit vielleicht einem Jahr und sie hat viel mit dem Älterwerden zu tun, das ich heute und jetzt am liebsten stoppen würde, aber so ist es nun mal.

Übrigens, die DDR war meisterlich darin, die eigenen Bürger in gelernter Abhängigkeit zu halten. Es konnte in vielen Fällen demnach gar nicht gutgehen, als die zwei Systeme plötzlich aufeinanderprallten, aber für mich persönlich war es ja auch keine Umstellung, nur eine Bereicherung. Wie seltsam sich der Westen aber schnell im Osten breitmachte, konnte ich 1990 feststellen als ich - diesmal ohne Visum - den Ort in Brandenburg besuchte, in dem bis wenige Jahre zuvor noch Grosstante und Grossonkel von mir gelebt hatten, die die Wende leider nicht mehr erlebt hatten. Deren Sohn, mein Grosscousin hatte sich kurz nach der Wende totgesoffen, auch ihn sah ich nie wieder. Aber der kleine Ort hatte sich schon verändert. Zwar sahen die mir urvertrauten und geliebten Strassen und Häuser noch so aus wie vor dem Mauerfall, es roch auch genau so vertraut, nur hingen plötzlich Marlboro-Plakate herum wie Aliens im Supermarkt.
Das empfand ich damals als ekligen überfallartigen Beutezug in "mein" zweites Zuhause.

In meiner Firma in Lübeck (Medizintechnik) fingen etliche junge, neue Leute an, wo ich nach und nach erfuhr, woher sie kamen. Das ging ganz schnell mit Vermischung und am meisten gewundert hatte mich deren Abschlüsse, also irgendwie jede/r Ingenieur gefühlt.
Die Möglichkeit bestand also und das ganz ohne "Ballonflucht". Verdammt, was hat das alles nur mit uns gemacht.

Lieber Gruss
Christiane
Christiane1
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Re: traurig, bedrückt, energielos um Wiedervereinigunstag he

Beitrag von Christiane1 »

Hallo katerle,

abwertende Kommentare kenne ich auch, allerdings nicht hier, oder siehst du da etwas?
Nicht alles verpauschalisieren, das wünsche ich mir.
Liebe Grüsse
Christiane
Lieblingsuli
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Re: traurig, bedrückt, energielos um Wiedervereinigunstag he

Beitrag von Lieblingsuli »

Katerle hat geschrieben:Aber es muss noch einiges passieren, dass die Mauern in den Köpfen der Menschen verschwinden.
Wir bauen jeden Tag neue.
"Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern"

Lothar de Maizière
Peter1
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Re: traurig, bedrückt, energielos um Wiedervereinigunstag he

Beitrag von Peter1 »

Und wir reißen sie wieder ein !!!

Peter
Ich wollte nie erwachsen sein, hab immer mich zur Wehr gesetzt. Von außen wurd ich hart wie Stein, und doch hat man mich oft verletzt (Nessaja P. Maffay=
Lieblingsuli
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Re: traurig, bedrückt, energielos um Wiedervereinigunstag he

Beitrag von Lieblingsuli »

Mauern brauchen wir nicht, aber die Realität ist leider eine andere, Peter1. Schau dir an, was zur Zeit im Osten der Republik passiert.
"Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern"

Lothar de Maizière
Cinderella12
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Re: traurig, bedrückt, energielos um Wiedervereinigunstag he

Beitrag von Cinderella12 »

Man, da hat man eben den Text fertig geschrieben, schon stehen 5 neue Kommentare da. Naja, so ist es halt. Also hier zu spät:

Hallo ihr,

die DDR... habe ich GsD nicht mehr wirklich mitbekommen, nur noch ein paar Monate davon. Aber ich bin froh, darin nicht lang gelebt zu haben und finde es schlimm, wenn jemand sagt, er will sie wieder zurück. Ich schaue aber manchmal Sendungen an, was sich alles geändert hat zwischen Ost und West. Traurig, dass sich da noch viel unterscheidet und in vielen Köpfen die Mauer immer noch da ist. Mir würde im Traum nicht einfallen vorher zu fragen, ob er aus Ost oder aus West ist-naja, manchmal merkt man es ja eh am Dialekt. In meinen Augen auch falsch, dass jeder auf den anderen schimpft, (gar nicht mal ihr, sondern die interviewten dort) hat nicht jeder ein gutes Leben verdient? Schicksalschläge gibt es unendlich viele. Auch andere Menschen leiden, nicht immer nur man selbst nur, lassen manche es möglichst niemanden wissen.

Warum bei anderen das Gras scheinbar grüner wächst, darüber lässt sich nur spekulieren. Denke bei so was immer in Richtung Karma lässt grüßen, um geistig zu wachsen, zu viele negative Gedanken, zu viel in sich, was unbrauchbar ist wie Eifersucht, Hass oder einfach Pech gehabt. Aber trotz allem: Arschbacken zusammen kneifen und weitergehen. Und nein, mein Leben ist an vielen Stellen auch nicht gerade rosig. Aber dass man nie dran schuld ist, glaub ich auch nicht, da schiebt man nur die Verantwortung von sich. Manches haben andere verursacht, an anderen Stellen muss man aber auch mal vor der eigenen Haustür kehren.

Christstollen gibt es hier inzwischen auch schon. Aber vermutlich nicht so gut, wie die Originale.

@Gertrud,

kannst du denn mit irgendjemandem (außer hier) über die ganzen Dinge reden? Die Wende ist ja doch schon eine ganze Weile her (bei mir so ziemlich mein ganzes Leben). Und wenn du immer noch damit zu kämpfen hast, müssen die Wunden sehr tief liegen... Aber überall gibt es Probleme, in der DDR sowieso. Vielleicht kam bei dir damals einiges zusammen und die Wende als größter Einschnitt im Leben/Ereignis hat das Fass zum Überlaufen gebracht? Vielleicht hat sie ein Trauma oder so was hinterlassen? Du musst dich nicht als Versagerin fühlen. Da gibt es ganz andere, die machen alles falsch und fühlen sich wie die größten Helden.

Dein Selbstbild kannst du sehr wohl noch ändern. Da gibt es sehr gute Bücher und Hörbücher dazu. Was das Geld angeht... Stell dir vor, du wärst reich, du könntest dir alles leisten, wetten, du hättest deine Probleme wie sie jetzt sind immer noch? Zwar einen besseren Kontostand, aber für das andere hilft es dir auch nicht weiter, da braucht es schon ein anderes Bewusstsein dafür/ eine andere Einstellung. Dafür ist es noch nicht zu spät und wenn du nicht grad morgen überfahren wirst oder einen Herzinfarkt kriegst- die Gesellschafft wird nachgewissenermaßen immer älter und älter und älter. Da hast du schon noch einige Jahre vor dir. Mach sie dir doch noch ganz schön!

Das wünsche ich dir jedenfalls sehr! lg Cinderella
Peter1
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Re: traurig, bedrückt, energielos um Wiedervereinigunstag he

Beitrag von Peter1 »

Hallo Lieblingsuli
Ich war die letzten drei Monate Quasi von der Aussenwelt abgeschnitten. In der Klinik hing zwar ein Fernseher, aber den habe ich nicht ein mal benutzt. Ich wollte einfach nur meine Ruhe haben, um Musik zu hören.
Was meinst du mit "was im Osten der Republik passiert?

Peter
Ich wollte nie erwachsen sein, hab immer mich zur Wehr gesetzt. Von außen wurd ich hart wie Stein, und doch hat man mich oft verletzt (Nessaja P. Maffay=
Lieblingsuli
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Re: traurig, bedrückt, energielos um Wiedervereinigunstag he

Beitrag von Lieblingsuli »

Ich rede von den politischen Entscheidungsprozessen und den Erfolgen, die die AfD in den neuen Bundesländern erzielt.
"Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern"

Lothar de Maizière
Peter1
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Re: traurig, bedrückt, energielos um Wiedervereinigunstag he

Beitrag von Peter1 »

Hallo Uli
Die AfD hat nur solche Erfolge, weil zu wenig Wahlberechtigte ihr Recht auch wahrnehmen. Wenn die AfD Wähler merken, das ihre Partei keine Teilhabe an politischen Entscheidungen bekommt, verschwindet die AfD wieder. Für braune Gedanken ist in unserer Politik kein Platz.

Peter
Ich wollte nie erwachsen sein, hab immer mich zur Wehr gesetzt. Von außen wurd ich hart wie Stein, und doch hat man mich oft verletzt (Nessaja P. Maffay=
Katerle
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Re: traurig, bedrückt, energielos um Wiedervereinigunstag he

Beitrag von Katerle »

Christiane1 hat geschrieben:Hallo katerle,

abwertende Kommentare kenne ich auch, allerdings nicht hier, oder siehst du da etwas?
Nicht alles verpauschalisieren, das wünsche ich mir.
Liebe Grüsse
Christiane
Hallo Christiane,

nein hier nicht, mehr in meiner Umgebung und das ist einfach nur traurig... Liebe Grüße
Gertrud Star
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Re: traurig, bedrückt, energielos um Wiedervereinigunstag he

Beitrag von Gertrud Star »

Hallo ihrs,

von Mauern merke ich hier ebenfalls nix.
Jedoch wenn ich mal unterwegs bin, wird immer noch gemutmaßt, was wir Ossis damals so an uns gehabt haben sollen und so. Und kein Wunder dass....

Peter, wenn du nach Chemnitz googelst, findest du sicher Infos zu den Ereignissen vor einigen Wochen.

Eure Beiträge habe ich aufmerksam gelesen, und melde mich später nochmal dazu.

LG Gertrud
DieNeue
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Re: traurig, bedrückt, energielos um Wiedervereinigunstag he

Beitrag von DieNeue »

Hallo zusammen,

zur Zeit der Wende war ich noch ein Kleinkind, aber ich finde eure Erzählungen sehr spannend.
Ich denke eigentlich gar nicht in Ost und West. Allerdings habe ich auch keinen Kontakt zu Leuten aus Ostdeutschland. Ich hatte mal lange Jahre eine Brieffreundin aus Sachsen, aber das Thema DDR/BRD war nie Thema für uns. Eher so Unterschiede wie, dass "no" auf Sächsisch nicht "nein" heißt, sondern "ja" ;) Auch ein Mitpatient in der letzten Klinik kam aus Sachsen. Aber auch da habe ich nicht im Geringsten an Ost und West gedacht. Es fallen nur immer ma so kleine Sachen auf, wie z.B. dass er in der Schule Russisch gelernt hat. Bis dahin hatte ich noch nie jemanden in meinem Alter kennengelernt, der in der Schule Russisch gelernt hat. Aber das fällt mir wahrscheinlich auch nur auf, weil ich Russisch an der Uni hatte und mich generell für Sprachen interessiere. Und vielleicht sind wir auch einfach zu jung, um das so präsent zu haben...

Generell finde ich die Geschichte um den Mauerbau/Wende sehr interessant. Wenn ich mir vorstelle, dass in meinem Ort eine Mauer gebaut wird zwischen mir und dem Nachbarhaus und wir die Leute nicht mehr einfach so besuchen können... das stelle ich mir furchtbar vor.
Bei uns in der Nähe waren Flüchtlinge aus der Ukraine untergebracht, die ziemlich erstaunt waren, dass Deutschland einmal getrennt war und jetzt wieder ein Land ist. Sie fanden das auch ermutigend für ihr Land, das ja auch durch die Annektion der Krim in einen russischen und ukrainischen Teil getrennt wurde. Ich finde es schon gut, dass es die DDR nicht mehr gibt, mit der ganzen Stasi-Spitzelei, den Repressionen usw., aber es ist sehr schade, dass durch die (wie ich finde, ja eigentlich positive) Wende viele Leute auch sehr in ihrem Leben herumgebeutelt wurden und teilweise immer noch damit zu kämpfen haben. Ich denke, das vergisst man wahrscheinlich schnell bei solch einem Großereignis.
Witzig finde ich irgendwie immer, dass die Mauer eigentlich nur "aus Versehen" gefallen ist, weil einer im Fernsehen nicht wusste, was er sagen sollte. Und dann, zack, war plötzlich die Mauer offen. Vielleicht wäre der Übergang für die Leute leichter gewesen, wenn er geplant gewesen wäre. Wer weiß... vielleicht hätte es dann aber auch nie einen Übergang gegeben.

@ Bittchen:
Bittchen hat geschrieben:Da fällt mir der Satz meiner letzten Therapeutin wieder ein"Vielleicht ist es ihr Schicksal immer schwere Ereignisse in ihrem Leben gut bewältigen zu können."
... das schwere Ereignis mit der Therapeutin hast du dann ja auch gut "bewältigen" können. Selbsterfüllende Prophezeihung! :lol:

Liebe Grüße und schreibt ruhig weiter, ich finde es sehr interessant!
DieNeue
irma
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Re: traurig, bedrückt, energielos um Wiedervereinigunstag he

Beitrag von irma »

Hallo Gertrud,

Ja das würde mich ehrlich gesagt auch mal sehr interessieren. Habt ihr an euer System geglaubt, niemand war arbeitslos usw. ?

Also ich kann nur sagen, ich habe mich so für uns alle gefreut vereint zu sein, doch mehr für euch, weil es euch ja nicht so gut ging. Ich habe abends meinen Sohn noch aus dem Bett geholt und habe heulend zü ihm gesagt, Deutschland ist wieder eins und er kam sehr verschlafen aus dem Bett und hat noch ein bißchen fernsehen dürfen damals. Alle kamen mit ihren Trabis, das sollte er sehen. Er war 10 Jahre alt. Und wir haben vorm Fernseher gesessen und geweint.

Irma
artig musst du nicht sein; es reicht, wenn du grossartig bist. (dieter becker)
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