Depression: mit oder ohne Medikamente aushalten?

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Ivy
Beiträge: 3
Registriert: 24. Mai 2018, 19:47

Depression: mit oder ohne Medikamente aushalten?

Beitrag von Ivy »

Ich wünsche einen guten Abend...

Ich schreibe hier zum ersten mal, was aber nicht heisst, dass ich ein "Depressionsleuling" bin.
Eigentlich leide ich schon seit 20 Jahren an wiederholten depressiven Phasen, mit und ohne Medikamenten. Chronisch, manisch DEPRESSIV aufgrund meiner Vergangenheit; so wurde es
diagnostiziert. Habe mehr erlebt, als die Seele im Stande war zu verkraften bzw. zu verarbeiten.
Eigentlich bin ich "aus therapiert". Habe jahrelange psychologische Gesprächstherapien und Klinikaufenthalte hinter mir. Diverse Medikamente ausprobiert bzw. verschrieben bekommen.
Aufgrund Kinderwunsch erfolgte immer mal wieder die Medikamentenabsetzung, das heisst habe auch Phasen im Leben ohne Medikamente geschafft. Aufgrund einer schweren körperlichen Erkrankung mit mehreren Op´s und unheimlich schlimmen Nebenwirkungen dieser Tabletten, hatte ich die Medikamente ausschleichen lassen, was meine Ärztin nicht wirklich gut fand. Seit 02/18 kämpfe ich mehr oder weniger mit mir, ob ich nicht doch wieder Medikamente nehmen soll. Weil dann ist alles irgendwie doch einfacher. Sie stellen ruhig, man ist zufrieden mit dem, was man hat und was andere für einen entscheiden. O.K. diese bleiernde Müdigkeit und diese Nachtschweissattacken lässt man sich dann auch gefallen, weil man eh nichts mehr selbst realisiert.

Aber wer bin ich unter Medikamenten? Ich habe das Gefühl, dass mir unter Medikamenten alles egal ist, sogar mitunter Fragen zur Partnerwahl...
Ohne Medikamente denke ich viel klarer und kann zum Teil wieder entscheiden, was ich will und was nicht bzw. was mir gut tut oder nicht. Aber diese schlimmen Gefühle der "Einsamkeit", "Traurigkeit", "inneren Leere" und "inneren Unruhe - Angst" spüre ich dann auch umso schlimmer... Meine Sehnsucht nach dem Leben und nach dem verpassten Leben, aufgrund meiner Vergangenheit wird dann unsagbar zur Last, sodass es mich fast erdrückt...

Hat es von euch schon mal Jemand auf Dauer geschafft, einen Weg aus der Depression zu finden, ohne Medikamenteneinnahme. Ich glaube für die Ärzte, jedenfalls meiner Neurologin, ist es selbstverständlich und normal mich mit Tabletten voll zu pumpen. Ich gehe alle 1/4 Jahr hin, sie spricht mit mir und drückt mir ein Rezept über diverse Medikamente in der Hand und das schon seit Jahren.

Wenn es jemand erfolgreich geschafft hat, sich mit seiner Depression ohne Medikamenten zu arrangieren und auch so etwas wie ein glückliches Leben verspürt, dann bin ich für jede Anregung,
Gedankenanstoß oder Austausch/Meinung sehr dankbar.

Ganz liebe Grüße und einen schönen Abend an alle leidenden Seelen

Ivy
Katerle
Beiträge: 11386
Registriert: 25. Sep 2014, 10:30

Re: Depression: mit oder ohne Medikamente aushalten?

Beitrag von Katerle »

Hallo Ivy,

bei mir wr es so, dass ich anfangs Medikamente bekam, die aber dann später wieder abgesetzt werden konnten, was in meinem Interesse lag und des Arztes.
Leider ging es mir später sehr schlecht, meine Angst wurde schlimmer und ich war erneut auf Medikamente angewiesen. Als es mir zunehmend besser ging, war ich erneut dafür, ohne Medikamente auszukommen. Doch dann kam erneut ein schlimmer Rückfall und ich musste leider wieder auf Medis eingestellt werden, bis heute. LG Katerle
Ivy
Beiträge: 3
Registriert: 24. Mai 2018, 19:47

Re: Depression: mit oder ohne Medikamente aushalten?

Beitrag von Ivy »

Ich danke für deine Antwort. Es ist so unendlich schwer...
Vielleicht gehört die Depression einfach zu uns. Aber ich sehe auch, wie die Tabletten mich ein anderes Leben führen lassen, als nach dem, was ich mich sehen...

Vielleicht sind Depressionen auch nur unausgelebte Lebenswünsche...ich weiss es nicht.

Ganz liebe Grüsse und viel Lebenskraft an dich

Ivy
Peter1
Beiträge: 3399
Registriert: 15. Apr 2018, 12:06

Re: Depression: mit oder ohne Medikamente aushalten?

Beitrag von Peter1 »

Hallo Ivy
Ich bin zur Zeit in einer psychiatrischen Klinik, um meine Medikation einzustellen. Seit meiner Kindheit leide ich an Depressionen. Mal mehr, mal weniger. Zuerst kamen die Episoden nur ganz selten, und auch nur für ein paar Tage,aber nach zwei Schicksalsschlägen lassen sie mich nicht mehr los. Erst hier in der Klinik habe ich gelernt, gegen die Depressionen zu kämpfen. Ohne Medikamente hätte ich diesen Kampf verloren. Natürlich sind die Medis nur zur Unterstützung der Therapie gedacht, wie lange ich sie nehmen muss, wird die Zukunft zeigen.Die Ads haben meine dunklen Gedanken beseitigt, und das war für mich das Wichtigste. Nach der Entlassung können meine Partnerin und ich mein Leben wieder so aufbauen, wie ich es haben möchte, das wäre ohne Psychopharmaka usw. nicht möglich gewesen.

VlG Peter
Ich wollte nie erwachsen sein, hab immer mich zur Wehr gesetzt. Von außen wurd ich hart wie Stein, und doch hat man mich oft verletzt (Nessaja P. Maffay=
Bittchen
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Registriert: 2. Feb 2013, 18:02

Re: Depression: mit oder ohne Medikamente aushalten?

Beitrag von Bittchen »

Liebe Ivy,

das ist ein Thema, da scheiden sich die Geister.
PP verteufel ich nicht,aber es kann nur jeder für sich selbst entscheiden,wie er damit umgeht.
Mittlerweile gibt es dazu sehr verschiedene Meinungen,auch von Fachleuten.
Ich habe über 30 Jahre immer wieder andere Ads geschluckt.
Auch sehr hoch dosiert ,Neuroleptika und Lithium habe ich immer verweigert.
Diagnosen hatte ich auch ganz verschiedene, aber am Ende steht seit Jahren eine "Rezidivierende Depression."
Eine Hypomanie hatten Ads bei mir auch mal kurzfristig ausgelöst,aber nur am Anfang, nachdem ich aus einer depressiven Phase raus gekommen bin.
Nachdem ich vor 18 Monaten langsam,nach 7 Jahren hochdosiert Es-Citalopram, ausgeschlichen habe,hatte ich schon recht lange Absetzsymptome(8 Monate).
Die Symptome waren wie bei einer schweren Depression,ich habe das durchgestanden und heute geht es mir ohne Medikamente nicht schlechter wie mit.
Zwar bin ich nicht geheilt,das können Medikamente nicht leisten,aber Nebenwirkungen habe ich nicht mehr.
Das ist schon sehr viel Wert.
Mir geht es auch jetzt,durch äußere Ereignisse nicht gut,aber auch dabei helfen mir keine Pillen.
Aber ich bin wieder in einer Verhaltenstherapie,da fühle ich in der schwierigen Zeit, zumindest verständnisvoll begleitet.

Im Thread hier im Forum "Pharmakotherapie",habe ich die Spätfolgen geschildert bei mir.
Vielleicht möchtest du da mal über "Polyneuropathie"informieren.

Es kommt immer darauf an, wie schwer die Beeinträchtigungen sind.
Langfristig oder vorbeugend haben mir die Medikamente nicht geholfen.
Mir wurde von meinem Facharzt immer gesagt :"Die Depression ist noch da,das Gegenteil konnte ich ja nicht beweisen.
Dann habe ich wieder Ads genommen.
Da habe ich sehr viele durch,auch Mao-Hemmer.
Heute weiß ich ,es waren auch immer wieder Absetzsymptome dabei,die bei mir immer wieder durch zu schnelles Ausschleichen entstanden sind.
Darüber habe ich mich im Forum ADFD sehr gut informieren können.
Wenn es mir weiterhin so geht wie jetzt,werde ich keine PP mehr nehmen.
Sollte ich noch größere Probleme bekommen ,ginge ich erst einmal in eine Klinik ,die mit Entspannungsmethoden und Naturheilmittel arbeitet.
Zu mir gehören Ads nicht,das weiß ich mittlerweile sehr gut,aber dass sie kurzfristig unterstützen können,wage ich nicht abzustreiten.
Bei mir kommt Chemie eher nicht mehr in Frage.

Liebe Grüße
Bittchen
Jeder Tag ist ein neuer Anfang.
Ivy
Beiträge: 3
Registriert: 24. Mai 2018, 19:47

Re: Depression: mit oder ohne Medikamente aushalten?

Beitrag von Ivy »

Vielen lieben Dank Peter1 und Bittchen für eure Antworten.

Sich immer wieder neu reflektiern und niemals stehen bleiben; ich glaube darum geht es.
Vielleicht ist die "Depression" unsere Lebensaufgabe.

"Schmerz und Leid sind immer unvermeidlich für eine hohe Intelligenz
und ein großes Herz.
Die wirklich großen Menschen müssen, glaube ich, große Traurigkeit auf Erden haben."

Fjodor Dostojewskij
DieNeue
Beiträge: 5834
Registriert: 16. Mai 2016, 22:12

Re: Depression: mit oder ohne Medikamente aushalten?

Beitrag von DieNeue »

Ivy hat geschrieben: Die wirklich großen Menschen müssen, glaube ich, große Traurigkeit auf Erden haben."
Na, gut, dass ich nur 1,60m bin! :D
Katerle
Beiträge: 11386
Registriert: 25. Sep 2014, 10:30

Re: Depression: mit oder ohne Medikamente aushalten?

Beitrag von Katerle »

Ivy hat geschrieben:Ich danke für deine Antwort. Es ist so unendlich schwer...
Vielleicht gehört die Depression einfach zu uns. Aber ich sehe auch, wie die Tabletten mich ein anderes Leben führen lassen, als nach dem, was ich mich sehen...

Vielleicht sind Depressionen auch nur unausgelebte Lebenswünsche...ich weiss es nicht.

Ganz liebe Grüsse und viel Lebenskraft an dich

Ivy
Danke IVy. :)
Lavendel64
Beiträge: 553
Registriert: 27. Dez 2017, 14:44

Re: Depression: mit oder ohne Medikamente aushalten?

Beitrag von Lavendel64 »

Hallo Ivy, ich nehme Sertralin und bekomme damit reichlich Stabilität. Ich habe nicht das Gefühl in Entscheidungen eingeschränkt zu sein, sondern einfach nur etwas aktiver (ich komme zB morgens besser aus dem Bett).

Grundsätzlich sehe ich es so: ich nehme sonst keine Medis und warum sollte ich mich mehr quälen als notwendig? Ich war lange Zeit dagegen und habe mich geweigert, aber inzwischen sehe ich das Sertralin als echte Hilfe an. Das Absetzen im vorletzten Jahr war auch kein Problem - danach ging es ein Jahr "ohne", doch in der jetzigen Krise habe ich es wieder eingesetzt. Natürlich immer unter ärztlicher Betreuung.

LG Lavendel
***Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen ***
Laura7
Beiträge: 22
Registriert: 30. Jul 2018, 22:38

Re: Depression: mit oder ohne Medikamente aushalten?

Beitrag von Laura7 »

Hallo Ivy,

ich kann mir vorstellen, dass es schwieriger ist, ohne PP zu leben, wenn man mal gespürt hat, dass sie einem geholfen haben. Die Versuchung muss groß sein.

Ein weiterer Aspekt ist, dass man nicht ausschließen kann, dass das Gehirn sich durch PP dauerhaft verändert hat und die Konsequenz chronische Depressionen sind.
Psychiater würden zu einer Art Drogendealer...

Ich denke, es macht in jedem Falle Sinn, intensiv darüber nachzudenken, welche Alternativen es gibt, die Stimmung zu haben:
Hat man Freunde, die man kontaktieren kann, wenn es einem akut schlecht geht, man sich einsam fühlt?
Ein Urlaub kann einen auf andere Gedanken bringen.
Auch gegen ein abendliches Glas Wein ist nichts einzuwenden.
Sport...

Ich denke schon, dass man die möglichen NW und Langzeitschäden von ADs im Auge behalten sollte.
Ich bin mir nicht sicher, ob man 90-100 Jahre alt werden kann, wenn man Jahrzehnte ADs eingenommen hat. Aber es stellt sich die Frage, ob man so alt werden will.
Es steigt vlt. auch das Risiko, dass man früher als normal an die Dialyse muss.
Und es ist realistisch, dass das den Psychiater kalt lassen wird.


Aber was ist besser: Ein langes Leben mit seelischem Leid oder ein kürzeres glücklicheres, leichteres Leben? Es ist eine sehr schwierige Abwägung.

Man sollte versuchen, zu antizipieren, wie man sich fühlen wird, wenn die bekannten körperlichen Langzeitschäden sich einstellen... Das würde wahrscheinlich zu noch schwereren Depressionen führen und die Einnahme weiterer Medikamente erfordern.
Und wie reagiert man am Tag X an dem einem gesagt wird: Aufgrund der Leber oder/und Nierenwerte dürfe man keine ADs mehr einnehmen.

Ein Kompromiss ist vlt. die Lösung.
Warum nicht zeitweise ADs einnehmen? In dieser Zeit schöpft man Kraft für die nächste Episode ohne Medis...

Das Absetzen ist sicherlich nicht unproblematisch. Da hilft notfalls das erwähnte ADFD.

Der Grundsatz: So niedrig dosiert wie möglich, so wenige Medikamente wie möglich kann nicht schaden. Und immer mal neue auszuprobieren, um bessere, unschädlichere zu finden.
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