Therapeut lehnt Behandlung ab

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stfnbrbr
Beiträge: 1
Registriert: 25. Jun 2018, 22:02

Therapeut lehnt Behandlung ab

Beitrag von stfnbrbr »

Hallo liebe Angehörige und Betroffene,

ich bin neu hier im Forum. Jedoch nicht ganz so "jungfräulich" in der Konfrontation mit der Krankheit als Angehörige.

Ich möchte gezielt nicht ganz so ausschweifend über "was bisher geschah" berichten, da ich relativ vorbehaltslos auf konkrete Fragen Antworten suche.

Mein Partner befindet sich aktuell in einer mittelschweren bis schweren Phase. Das schwankt tagesweise. Er geht Vollzeit arbeiten. Das ist noch das einzige, das gut funktioniert. Die restliche Zeit zeigt sich größtenteils nur noch das allseits bekannte Gesicht der Krankheit.

Der Prozess, dass er erneut von sich aus anerkennt, dass er fremde Hilfe in Anspruch nehmen sollte, hat sehr lange gedauert (> 1 Jahr). Zuletzt hat er darum gebeten, dass ich ihm helfe einen Therapieplatz zu bekommen. Er möchte es diesmal ohne Medikamente versuchen.

Ich habe für ihn versucht Termine bei verschiedenen Therapeuten in unserer Region zu bekommen. Viele davon haben jedoch bereits verweigert einen Termin für ein Erstgespräch zu vereinbaren, da der Patient schon selbst anrufen müsste. Ich verstehe das schon, Terminplanung...dann kommt da jemand nicht, weil der nicht mal in der Lage war einen Termin auszumachen usw.
Dennoch bin ich entsetzt. Bitte sagt mir: ist euch das auch schon mal so ergangen?

Einige Termine - wohlgemerkt für ein Erstgespräch, noch kein Therapieplatz - konnte ich dennoch für ihn vereinbaren.

Zum ersten Termin ist er aufgebrochen. Voller Hoffnung, dass es der erste Schritt in eine bessere Zukunft ist. Die Therapeutin hat sich sehr viel Zeit genommen und hat versucht rauszufinden, weswegen er eigentlich da ist. Hat ihm anschließend jedoch mitgeteilt, dass sie ihm keine geeignete Therapie dafür bieten könne. Vielmehr schlägt sie ihm vorrangig eine stationäre Therapie mit Medikamenten vor.

Frage auch hier: ist euch das auch schon mal so ergangen, dass ein Betroffener abgewiesen wurde?

Es folgen innerhalb der nächsten 4 Wochen noch 2 weitere Termine bei jeweils anderen Therapeuten, jedoch ist er jetzt extrem negativ eingestellt. Er hatte Panik vor den langen Wartezeiten eines Therapieplatzes. Jetzt kommt für ihn noch diese "Unbekannte" dazu. "Nimmt mich der Therapeut überhaupt an?".

Ich stoße hier an meine Grenzen die Hoffnung der Besserung aufrecht zu erhalten und bin für Feedback jeglicher Art dankbar.

Viele Grüße
Lavendel64
Beiträge: 549
Registriert: 27. Dez 2017, 14:44

Re: Therapeut lehnt Behandlung ab

Beitrag von Lavendel64 »

Hallo,

ich habe eine ähnliche Erfahrung (als Betroffene) gemacht. In der zweiten Stunde eröffnete mir die Therapeutin, dass eine ambulante Therapie - wie sie sie böte - in meinem Zustand nicht ausreichend sei und schlug eine stationäre Therapie vor. Das wirft einen erst einmal zurück, aber letztlich war es eine ehrliche Einschätzung meines Gesundheitszustandes.

Und ja: die Therapeuten möchten, dass der Betroffene selber anruft. Das ist für die Therapie sehr wichtig, denn es signalisiert, dass der Betroffene einsieht, Hilfe zu benötigen und bereit ist, hierfür große Anstrengungen zu unternehmen.

Wenn Du Dir nicht sicher bist, was dein Partner benötigt, versuche es einmal mit einer Institutsambulanz (in Kliniken mit psychiatrischer Abteilung). Medikamente können eine sinnvolle Begleitung einer Therapie sein - niemand wird deinen Partner überreden, sondern er wird sachlich darüber aufgeklärt und entscheidet dann selber. Man sollte sie bzw die Kombi Medis+Therapie nicht pauschal verteufeln. Die Institutsambulanz bietet beides in einem und auch die Termine sind dort vermutlich leichter zu vereinbaren. Dort würde eine Diagnose gestellt und der optimale Weg gemeinsam gesucht (ambulant / stationär / Tagesklinik).

Den Mut darf man nicht verlieren. Der Therapeut muss ein passendes Angebot haben und der Mienung sein, dem Betroffenen wirklich helfen zu können. Wenn er es sich nicht zutraut, ist es doch besser, er lehnt ab, als dass eine eventuell langwierige Therapie zu nichts führt.

Alles Gute für Dich und Deinen Partner. Es ist toll, wie Du ihn unterstützt. Manche Schritte muss er jedoch allein machen.

LG Lavendel
***Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen ***
Zarra
Beiträge: 5734
Registriert: 12. Mär 2010, 15:16

Re: Therapeut lehnt Behandlung ab

Beitrag von Zarra »

Hallo stfnbrbr,

meine Erfahrungen (als Betroffene) sind schon etwas "abgestanden" (das bitte berücksichtigen), doch ansonsten: Ja, ist mir schon passiert.

LEIDER ist es so, daß man schauen müßte, was eigentlich nicht paßt - und, sorry, das kriegt ein Betroffener (KRANKER!) in diesem Fall in aller Regel nicht hin, ich habe es jedenfalls nicht hingebracht. Es kann auch am Therapeuten liegen (mal platt: zu unerfahren - jedenfalls für die auftretende Komplexität des Krankheitsbildes oder oder). Es kann an der Akutheit der Krankheit oder deren Heftigkeit liegen. Es fällt einfach verdammt schwer, sich nicht persönlich abgelehnt zu fühlen, auch wenn es in manchen Fällen zumindest genausoviel mit dem Therapeuten zu tun hat. Und "natürlich" wollen Therapeuten viel lieber motivierte Patienten ...

Wenn Dein Partner arbeiten geht, mag die Terminvereinbarung zu bestimmten Zeiten für ihn nicht möglich sein, und ich kenne es schon auch, daß beruflich noch etwas geht, während man für sich selbst nicht eintreten kann, weil man gar keine Worte dafür hat, trotzdem kann man erwarten, daß er vorher mit dem Therapeuten telefoniert - vielleicht kannst Du das ja anbieten zu Zeiten, in denen Dein Partner das kann - sozusagen: Du machst den Telefontermin aus, den Dein Partner dann selbst wahrnehmen muß.
Hat ihm anschließend jedoch mitgeteilt, dass sie ihm keine geeignete Therapie dafür bieten könne. Vielmehr schlägt sie ihm vorrangig eine stationäre Therapie mit Medikamenten vor.
Hat sie das "begründet"? Sie wird ja irgendwas dazu gesagt haben.

Und ja, man braucht in der Regel einen langem Atem, auch hinsichtlich der Wartezeiten, ich persönlich kenne das nur mit vielen Monaten Wartezeit, ca. 3 bis 4 Monate wären schon wenig. Keine Ahnung, ob sich das inzwischen verbessert hat. Es ist zum Teil auch regional unterschiedlich - und: Das Quäntchen Glück oder Pech sollte man auch nicht vergessen! Das ist hier sogar noch öfter der Fall als sonst.

Therapeut B kann ganz anders reagieren als Therapeut A. (Ich war vor zig Jahren aus jetzt irrelevanten Gründen praktisch fast parallel bei zwei Psychiatern: Ich schätze, daß ihre Diagnosen nicht so unterschiedlich waren. Ihre Behandlungsvorschläge waren es allerdings. "Witzigerweise" hat sich das eher sehr gut ergänzt und eben nicht ausgeschlossen oder widersprochen.) Wenn allerdings drei Therapeuten das gleiche sagen oder raten, würde ich mir schon überlegen, ob sie nicht doch recht haben.

LG, Zarra
Sybilix
Beiträge: 79
Registriert: 11. Mär 2018, 23:58

Re: Therapeut lehnt Behandlung ab

Beitrag von Sybilix »

Hallo zusammen,

ich schildere kurz ein ähnliches Erlebnis für mich als Angehöriger:

Hausarzt kennt auch meine Frau (Ausgangspatient) bzw. hat dort die "richtige" Erstdiagnose gestellt.
Ich war dann u.a. wegen Trennung bei ihm - Diagnose A.
Mit der Überweisung war ich <1 Monat bei einer Psychiaterin und habe Diagnose B bekommen.
Wiederum <1 Monat bei einem Erstgespräch bei einer Therapeutin.
Ergebnis: Sie hat mich "weggeschickt" um nachzudenken / klarzustellen WOBEI ich Hilfe benötige. Sie hat sich Zeit genommen, zugehört, richtige und wichtige Fragen gestellt aber letztlich war/ist mein Zustand nicht hilfsbedürftig oder nicht "hilfsfähig".
Es kann sein dass man nicht loslassen möchte, dass man sich nicht auf eine Therapie einlassen kann/will, es kann sein dass das Problem nicht greifbar ist etc.

Es gibt viele Gründe. Problematisch ist natürlich bei Depressionen, dass eine bestimmte Erwartung vorliegt und eine Akzeptanz eines anderen Ausgangs nur schwer bzw. nicht möglich ist. Das gelang mir als Angehörigem deutlich besser.

Du könntest Therapeuten abtelefonieren und die jeweiligen Sprechzeiten in Erfahrung bringen, dann müsste dein Partner wie zuvor vorgeschlagen selbst "nur" noch anrufen.

Leider gibt es kein Patentrezept. Es kann aber sein, dass ihr ohne Diagnose die Nadel im Heuhaufen sucht. So unterschiedlich die Therapieformen, so unterschiedlich die Fachgebiete.

Weiterhin schreibst Du, er möchte es diesmal ohne Medikamente versuchen. Das ist eine durchaus legitime, aber sehr persönliche Entscheidung. Wenn ein Therapeut aus seiner Überzeugung Medikamente für einen potentiellen Therapieerfolg als tragende Säule einschätzt, wird er u.U. auch deshalb "ablehnen".

Ich wünsche viel Erfolg und Kraft, die von euch gewählten Parameter (keine Medikamente / pauschal ausschließen, nicht selbst anrufen, ...) erschweren die Suche zusätzlich, das muss euch bewusst sein.

Grüße,
Sybilix
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