Kontakt zur Mutter abbrechen?

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Ani123
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Kontakt zur Mutter abbrechen?

Beitrag von Ani123 »

Mein Name ist Ani. Ich bin 28 Jahre, Angestellte im Öffentlichen Dienst, wohne alleine in einer Wohnung zur Miete, bin Single und habe keine Kinder.
Vor fünf Jahren erkrankte ich zum ersten Mal an Depressionen. Es folgten 17 Wochen in der Psychiatrie. Während dieser Zeit kapselten sich viele Leute von mir ab. Erst da habe ich gemerkt, wer wirklich zu mir steht und wer nicht. Meine Mutter hat mich während dieser nicht einmal besucht. Angerufen hat sie auch nur selten. Wenn dann kam die Initiative von mir aus und ich habe sie angerufen. Unser Verhältnis wurde dadurch nicht besser, eher schlechter und es führte zu einem Kontaktabbruch.
Meine Wünsche und ihre Vorstellungen gingen zuweit auseinander. Es folgten vier Monate Abbruch. In dieser Zeit rief sie häufiger an, nahm sogar Kontakt zur Psychiatrie auf, um darüber Informationen über mich zu bekommen, welche sie natürlich nicht bekam. Nach vier Monaten dann war die Sehnsucht von mir zu groß, ich ging mal ans Telefon ran. Sie hatte sich verändert, wir näherten uns wieder an, der Kontakt wurde wieder mehr. Doch sie veränderte sich zurück zum Alten. Ihre Verhaltensmuster kamen wieder.
Nach der Psychiatrie folgte eine Zeit meinerseits die keinesfalls leicht war. Verkehrsunfall, schwere Verletzungen davon getragen, Schwierigkeiten bei der Arbeit,..... Letzlich kündigte ich bei der Arbeit, weil es mich zu sehr belastete.
Für meine Mutter war sowieso immer nur die Arbeit Schuld an den Depressionen.
Ich wechselte den Arbeitsplatz, nach einem halben Jahr nochmal und bin nun seit vier Jahren beim gleichen Arbeitgeber.
Nicht immer läuft es da rund und es kam zu enormen Problemen zwischen mir und meiner Chefin (welche nun in Rente gegangen ist). Die Depressionen kehrten Anfang letzten Jahres zurück, wirklich eingesehen, dass es so ist, habe ich es erst im Sommer. Es folgten wieder 14 Wochen in der Psychiatrie. Für meine Mutter war wieder nur die Arbeit Schuld an allem.
Schon damals habe ich ihr erklärt, dass es auch mit meiner Kindheit zu tun hat (früher Tot von Papa, Mobbing in der Schule, Mutter nicht für mich da,....), doch das sieht sie nicht so.
Nach den 14 Wochen war ich wieder zu Hause. Eine Wiedereingliederung war geplant, wurde aber von meiner ambulanten Psychiaterin geendet, da sie mich noch nicht soweit sah und heute weiß ich auch, dass ich zu dem Zeitpunkt und auch jetzt noch nicht so weit bin. Für meine Mutter war das überhaupt nicht mehr verständlich .Schließlich sei meine Chefin doch weg und ich könnte doch endlich wieder arbeiten gehen.
Schließlich hätte meine Schwester das alles auch so überstanden und wäre nicht so lange bzw. gar nicht aus dem Beruf rausgewesen. Meine Schwester hatte auch Depressionen, hat sich deshalb ambulant behandeln lassen. Meine Mutter hat erst im letzten Sommer davon erfahren, dass sie auch daran erkrankt war und da war das schon fünf Jahre her. Als es ihr so akut schlecht ging, davon hat sie nichts mit bekommen. Das sie deshalb bei der Arbeit gefehlt hat, usw auch nicht.
Meine Mutter wohnt 150km von uns entfernt. Wenn man will, kann man einiges vor ihr verstecken, so auch das.
Sowieso hat meine Schwester in den Augen meiner Mutter das perfekte Leben. Verheiratet, Baby, eigenes Haus. Zurzeit zwar in Elternzeit, wird aber danach ihre Arbeit wieder aufnehmen. Hat aus ihren Augen nur selten bei der Arbeit gefehlt (sie hat es nur selten mitbekommen). Sie ist selten krank (ganz im Gegenteil zu mir). Sehen tun sich die beiden auch nur unregelmäßig, aber wenn sie bei mir ist (wohne in der gleichen Stadt wie meine Schwester), möchte sie diese auch unbedingt sehen. Umgekehrt ist das aber nicht so.
Ich wollte meine Arbeit wieder aufnehmen, fühlte mich so schwach. Ich hätte Halt, Unterstützung, Zuhören, Liebe gebraucht, bekommen habe ich das Gefühl von Ablehnung, dass ich alles falsch mache.
Meine ambulante Psychiaterin und meine ambulante Therapeutin waren bei der Meinung, dass ich nochmal einen stationären Aufenthalt brauche um mich zu stabilisieren.
Seit drei Wochen bin ich jetzt in einer psychosomatischen Klinik. Hier wurde zusätzlich zu der schweren Depression festgestellt, dass ich auch eine Posttraumatische Belastungsstörung habe.
Meine Mutter versteht überhaupt nicht, warum ich nochmal in die Klinik gehe. Ich sei doch schon so lange in der Psychiatrie gewesen. Aus ihrer Sicht war die Psychiatrie dann vergeudetet Zeit. Sie weiß genau, dass ich da gewesen bin wegen starker suizidaler Gedanken, aber irgendwie prallt das an ihr ab.
Nun bin ich wieder in der Klinik, möchte mir hier helfen lassen.
Ich wünsche mir Zuwendung, jemand, der mich mal in den Arm nimmt, zu mir hält, mir zuhört, mir Verständnis entgegen bringt. Doch all das bekomme ich von ihr nicht.
Als ich in der Psychiatrie war hat sie einmal mit der Therapeutin dort telefoniert. Diese hat ihr erklärt, was eine Depression ist und dass sie mir Verständnis mir gegenüber bringen muss. Am Telefon hat sie gesagt, dass sie das macht, in echt tut sie es nicht. Besucht hat sie mich dort nicht einmal. Angerufen auch nur sehr selten. Die Initiative kam immer eher von mir aus.
Immer mehr zieht mich das jetzt runter. Ich habe nie wirklich das Gefühl von ihr bekommen, dass sie sich um mich sorgt, um mich kümmern will, mich liebt. Ich habe sie lieb. Schließlich ist sie meine Mutter, ich war neun Monate in ihren Bauch. Sie hätte so viele Chancen gehabt mich nicht zu bekommen (Schwangerschaftskomplikationen), doch sie hat für mich gekämpft. Dafür danke ich ihr auch sehr. Doch in den Momenten wo es mir schlecht ging, wo ich sie gebraucht hätte (nach Papas Tod, als ich in der Schule gemobbt wurde, als ich Probleme bei der Arbeit hatte, als mein Bruder mich schlug, ...) da war sie nicht da. Schon da, aber sie hat nichts unternommen, wollte es nicht wissen.
Meine Therapeutin hier in der Klinik fragte mich gestern, was mich noch bei meiner Mutter halten würde. Warum ich den Kontakt nicht abbrechen würde? Sie würde sehen, das es mir sichtlich schlechter geht und ich könnte meine Mutter nicht ändern, sondern nur mich selbst. Und Personen, die mich runter ziehen, die mich nicht wertschätzen, die braucht man nicht im Leben.
Ich habe immer irgendwo zurückgesteckt, habe immer versucht ihr gerecht zu werden. Das musste ich auch, um überleben zu können (zumindest als Kind). Aber ich will das jetzt nicht mehr.
Meinen Bruder mag meine Mutter über alles. Für ihn tut sie alles. Für mich nichts, selbst wenn man sie um was bittet, dann hilft sie nicht. Meine Schwestern und ich sind alle früh ausgezogen und in eine andere Stadt (mit 16 bzw. 18). Mein Bruder wohnt nur ein Haus weiter; sie sehen sich täglich und er war schon über 30 als er "Hotel Mama" verließ.
Meine eine Schwester ist sehr still; der Kontakt zur Mutter minimal. Sie muss mit ihr zurecht kommen, weil Mama ihr Vormund ist. Sonst wäre es da vielleicht auch anders.
Zu meinen Schwestern habe ich Kontakt. Zur einen mehr, weil sie mit in der Stadt wohnt, wo auch ich wohne, zur anderen weniger. Zu meinem Bruder habe ich keinen Kontakt mehr. Da ist so viel vorgefallen (u.a. Gewalt gegenüber mir), dass es so wie es ist besser ist und das ist auch für mich ok.
Ich habe große Angst davor, dass wenn ich den Kontakt zur Mutter abbreche, dass ich ihn auch zu meinen Schwestern verliere. Meine Therapeutin sagte gestern dazu, dass ich zwar die Tür zur Mutter schließen werde, aber nicht zu meinen Schwestern. Letztlich müssen diese selbst entscheiden, ob sie die Tür zu mir dann auch offen lassen wollen oder schließen wollen und sollten sie diese schließen, so müsste ich das akzeptieren. Nur das fällt mir so schwer. Ich liebe die beiden so sehr. Sie sind doch meine Familie und dann würde ich meine ganze Familie verlieren.
Meine Mutter ist 66 Jahre, Single (hat nach dem Tot meines Vaters keinen Mann wieder gehabt und das ist 20 Jahre her), hat vier erwachsene Kinder und ist seit ca. 10 Jahren selbständig (konnte ihren Job als Angestellte wegen fehlender Kinderbetreuung damals nicht weiter ausüben und später wollte sie da nicht wieder hin zurück, obwohl sie es jederzeit gekonnt hätte. Ihr Arbeitgeber hätte sie gerne wieder gehabt).
Ich stehe jetzt vor einer schweren Entscheidung. Breche ich den Kontakt ab oder nicht. Wenn Abbruch, dann für immer. Ich möchte nicht, dass meine Mutter meint, es sei wieder nur auf Zeit. Das kann und möchte ich nicht nochmal durchmachen. Wenn dann ein endgültiger Strich und es ist vorbei. Doch das fällt mir so schwer. Es tut so weh wenn ich daran denke. Doch vielleicht geht es mir dann besser?
Ihr die Situation erklärt, wie es mir geht, was ich mir wünsche, das habe ich schon so oft, doch von ihr kommt nichts zurück. Auch jetzt wo ich in der Klinik bin; sie hat nicht einmal von sich aus angerufen oder war zu Besuch. Mein Bruder weiß noch nicht mal, dass ich in der Klinik bin. Sie kann mit ihm nicht darüber sprechen. Und mit anderen möchte sie auch nicht darüber sprechen, weil sie immer daran denkt, was die anderen dann von ihr denken, anstatt mal an mich, ihrer eigenen Tochter, zu denken. Als ich während der Psychiatriezeit mal bei ihr zu Besuch war hat sie überlegt, was sie meinen Bruder sagen soll, warum ich mitten in der Woche da sei und mir gesagt, falls Kunden oder Freunde/Nachbarn vorbei kämen, dass ich ihnen doch nicht sagen soll, wo ich zurzeit bin. Ich sollte sagen, dass ich Urlaub habe. Das zeigte mir deutlich, wie wenig sie mit der Situation zurecht kam und noch immer kommt.
Es ist jetzt ein langer Text geworden. Ich musste es mir mal von der Seele schreiben.
Was würdet ihr machen?.
esperanto2015
Beiträge: 208
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Re: Kontakt zur Mutter abbrechen?

Beitrag von esperanto2015 »

Ich würde einen sporadischen Email Kontakt aufrecht erhalten. Abbrechen oder nicht klingt zu Schwarz weiss. Ansonsten erstmal erforschen was dir wirklich wichtig ist.
Die grössten Menschen sind die, die anderen Hoffnung geben.
Philosophin
Beiträge: 377
Registriert: 26. Jan 2015, 12:42

Re: Kontakt zur Mutter abbrechen?

Beitrag von Philosophin »

Hallo,

ich finde nicht, dass ein Kontaktabbruch zur Mutter einem "Schwarz/Weiß-Denken" entspricht. Ich habe den Kontakt zu meiner Mutter das erste Mal mit 13 Jahren abgebrochen. Heute bin ich 20 und es gab dazwischen immer mal wieder vereinzelt Tage, manchmal auch Wochen, in denen wir wieder Kontakt hatten. Letztendlich musste ich aber immer wieder feststellen, dass mir der Kontakt zu meiner Mutter nicht gut tut und dass sich auch nichts klären lässt. Es geht mir insgesamt besser ohne Kontakt.

Manchmal bleibt nur noch ein Kontaktabbruch- so traurig das klingt. Aber manchmal steht so viel Frustration, Wut, Enttäuschung, Traurigkeit zwischen Kindern und ihren Eltern, die sich nicht verarbeiten/besprechen lässt, weil die Eltern einfach nichts davon annehmen oder wissen wollen, dass kein anderer Weg bleibt als fortan getrennte Wege zu gehen.

Was nützt es, immer wieder vergeblich darum zu ringen von den Eltern verstanden zu werden, die nichts verstehen wollen? Es kostet so viel Kraft und macht hilflos.

Außerdem muss ein Kontaktabbruch ja nicht ewig bestehen. Du kannst deiner Mutter ja auch ganz klar sagen/schreiben, dass du eine Kontaktpause für mehrere Monate/Jahre wünschst, weil du diese Zeit brauchst, um dich auf dich zu konzentrieren. Ich würde nie sagen, dass das ein Schritt für immer und ewig ist- denn das ist in der Tat "Schwarz-Weiß Denken" und in meinen Augen viel zu absolut, egal was vorgefallen ist.

Zu meinem Vater habe ich übrigens auch keinen Kontakt mehr. Es ist extrem hart aber es kommt auch Ruhe in die ganze Sache und vieles lässt sich in dieser Zeit aus einem anderen Blickwinkel betrachten. Wenn ich keinen Kontakt zu meinen Eltern habe, lässt meine Wut etwas nach und ich kann für vieles was meine Eltern Gutes getan haben, auch wieder so etwas wie Wertschätzung und Dankbarkeit empfinden. Dennoch überwiegt das Unverstandensein und der Kontaktabbruch ist für mich die einzige Option. Ich fühle mich so merkwürdigerweise fast mehr im Kontakt mit meinen Eltern als ohne Kontaktabbruch... klingt vielleicht etwas verwirrend, ist aber so.

Liebe Grüße

Philosophin
somebody
Beiträge: 221
Registriert: 3. Jul 2014, 10:55

Re: Kontakt zur Mutter abbrechen?

Beitrag von somebody »

Hallo ihr Lieben,
ich kann die Situation gut nachfühlen. Ich habe den Kontakt zu meiner Mutter vor 2 Jahren abgebrochen. Und es geht mir damit zum Teil besser. Jedoch habe ich vor, es evtl ein letztes Mal zu versuchen, Dinge zu klären, sodass ich mit mir im Reinen sein kann bzgl. dieser Angelegenheit. Auch von meiner Therapeutin kam da, ob ich es nicht schon oft genug versucht habe und ob es da wirklich noch etwas zusagen gibt, was nicht schon gesagt wurde. Letztendlich ringe auch ich nach Verständnis, gesehen werden, liebevoll und fürsorglich behandelt zu werden... Danach werde ich entweder versuchen, einen sehr oberflächigen sporadischen Kontakt zu halten oder eben dann doch wieder komplett abbrechen. Ich schließe mich der Meinung an, das so ein Kontaktabbruch nicht bis zum Tode sein muss. Auch nach 2, 5, 15 Jahren oder so kann es ja wieder zu Kontakt kommen, sofern man das will.

Wenn man nach Kontaktabbruch nie mehr das ernsthafte Bedürfnis hat, den Kontakt wieder herzustellen, dann ist es so und auch in Ordnung! Egal, was andere dazu meinen. Unsereins bricht den Kontakt nicht aus Jux und Dollerei ab. Es ist zu viel vorgefallen und wir müssen lernen, auf uns und unser Wohlergehen zu achten.

Vielleicht lässt sich ja bei deinen Schwestern vorfühlen, wie sie zu der Sache stehen? Ich kann verstehen, dass du fürchtest, sie damit auch zu verlieren. Bei deiner großen Schwester denke ich, dass sie den Kontakt zu dir nicht abbrechen wird. Bei deiner anderen Schwester weiß ich natürlich nicht, in welchem Einfluss von deiner Mutter sie steht. Letztendlich haben aber beide in der heutigen Zeit die Möglichkeit, sich frei zu entscheiden.
LaLeLu123 hat geschrieben:mich meine "Eltern" früher oder später das Leben kosten werden.
Das finde ich sehr sehr traurig. Ich wünsche dir sehr, dass dir dein eigenes Leben wichtiger ist und es schaffst dich zu befreien.

Liebe Grüße,
somebody
Simone80
Beiträge: 121
Registriert: 1. Apr 2018, 20:54

Re: Kontakt zur Mutter abbrechen?

Beitrag von Simone80 »

Hallo zusammen,

dies ist ein schwieriges Thema, auf das es wohl keine richtige Antwort gibt. Ich denke, Du solltest auf jeden Fall an Dich denken, was Dir in der jetzigen Situation gut tut. Ich verstehe sehr gut, dass Du auch Sehnsucht nach Deiner Mutter hast, das ist ganz natürlich und betrifft alle Menschen auf diesem Planeten. Ich habe das Gefühl, dass ein schlechtes Verhältnis zu den Eltern eine Strafe fürs Leben ist. Ich bin mit Anfang zwanzig aus Deutschland weggezogen um dieser Familienhölle zu entfliehen. Es ging mir danach auch besser, allerdings jetzt, wo ich selber Mutter bin, hat mich alles wieder eingeholt und ich musste feststellen, dass ich doch nicht alles hinter mich gelassen habe. Man braucht seine Eltern eben ab und zu, auch als Erwachsene. Mir hilft die räumliche Distanz aber auf jeden Fall. Ich telefoniere zwar relativ häufig mit meiner Mutter, aber sie weiss über mein Leben nur oberflächliche Dinge. Über meine Depression weiss sie nichts und ich werde ihr davon auch nie etwas erzählen. Am meisten reden wir über ihre Enkelkinder. Ich möchte auch, dass meine Kinder ihre Oma kennen und ein gutes Verhältnis zu ihr haben, Meine Mutter macht mir oft ein schlechtes Gewissen weil ich weggezogen bin und sie deshalb ihre Enkel so selten sieht. Das ärgert mich oft sehr und ich würde ihr dann gerne ins Gesicht sagen, dass sie selbst schuld ist. Ich verkneife es mir aber, weil ich weiss, dass sie dann wieder mal mit Selbstmord droht. Es ist immer eine Gratwanderung mit ihr, aber wegen meinen Kindern will ich den Kontakt nicht ganz abbrechen. Für mich funktioniert diese "nur übers Wetter sprechen" Strategie ganz gut. Mir hilft es auch, schöne Kindheitserinnerungen wieder aufzurufen. Meine Tochter ist jetzt in einem Alter, in dem sie ihre Mama noch bewundert, sie schön und lustig findet. Ich versuche mich daran zu erinnern, wie ich in diesem Alter war und wie ich meine Mutter damals gesehen habe. Ich möchte dieses Bild gerne weiter in mir tragen, dass da diese Mutter quasi in mir steckt, obwohl sie mit meiner heutigen Mutter nichts mehr zu tun hat. Aber wie gesagt, jeder geht anders damit um. Ich habe zwei Brüder die mit der Situation meiner Eltern ganz anders umgehen. Der andere hat zu meinen Eltern sehr wenig Kontakt und er sagte mal zu mir, dass alles erst vorbei ist, wenn unsere Mutter mal gestorben ist. Das klingt vielleicht hart, aber in seinem Fall verstehe ich es, er hatte von uns dreien am meisten zu leiden.

Ich wünsche Dir Ani ganz viel Kraft in dieser verzwickten Situation!
Zarra
Beiträge: 5734
Registriert: 12. Mär 2010, 15:16

Re: Kontakt zur Mutter abbrechen?

Beitrag von Zarra »

Hallo,

hm, es ist schon auch eine "Typ"-Frage; ... mir lag dieser komplette Abbruch irgendwie nie, ... sicher aber auch, weil ich einfach nie jemanden außer meinen Eltern hatte, der halbwegs nah und verläßlich war, und meine Eltern waren auch nicht gewalttätig o.ä.
-- Inzwischen sind meine Eltern verstorben, ich bin älter, ... und ich habe "gut reden".

Doch wenn ich mir überlege, was die letzten Jahre mit ihnen erträglich gemacht hat (und für mich und sie garantiert besser als ein kompletter Kontaktabbruch), dann ist es die nötige Distanz, die ich einfordern und herstellen mußte. Das ist keineswegs einfach, - aber möglich.

Ich bin keineswegs für einen Kontakt um jeden Preis. Ich hätte garantiert nicht alles mit mir machen lassen. Doch so wie ich ich bin, sind auch meine Eltern meine Eltern und können u.U. nicht aus ihrer Haut. - Wenn es kein grundsätzliches Wohlwollen gibt, wird es schwer; und dann verstehe ich auch jeden, der den Kontakt abbricht. - Bei mir ging es eher darum, Grenzen zu setzen, klar zu sagen, was ich nicht will - UND: konsequent zu sein.

Und @Ani123: Im Rückblick (!) stelle ich fest, daß es besser mit meinen Eltern ging, als ich eben kein besonderes Verständnis mehr von ihnen erwartete. Ich weiß: Leichter gesagt als getan. Trotzdem! Das kann man nicht mit 13 (@Philosophin) und ich konnte es sicher auch nicht mit 22.
Denn ich hätte auch ein Verständnis von ihnen gewollt, das sie mit ihrem Hintergrund einfach gar nicht bieten konnten. Ohne Böswilligkeit. Eher einfach Unfähigkeit. - Damit stand ich immer noch mit leeren Händen da, doch ich hatte vielleicht wenigstens kapiert, nicht irgendwo zu suchen und zu "fordern", wo es gar nichts Entsprechendes zu holen gab.

Irgendwann gilt es, die Eltern einfach als Eltern zu sehen, nicht mehr, nicht weniger. Und in "unseren" Fällen oft unperfektere Eltern. Nicht mehr zu ändern.
Und dann sein Leben in die Hand zu nehmen und das Beste daraus zu machen.

@Ani123
Meine Therapeutin hier in der Klinik fragte mich gestern, was mich noch bei meiner Mutter halten würde. Warum ich den Kontakt nicht abbrechen würde? Sie würde sehen, das es mir sichtlich schlechter geht und ich könnte meine Mutter nicht ändern, sondern nur mich selbst. Und Personen, die mich runter ziehen, die mich nicht wertschätzen, die braucht man nicht im Leben.
Recht gebe ich Deiner Therapeutin mit dem Satz: "ich könnte meine Mutter nicht ändern, sondern nur mich selbst". Hart, aber wahr. Du wirst wahrscheinlich von Deiner Mutter nicht bekommen, was Du Dir wünschst (das Verständnis, wie Du es Dir wünschst). Und man muß keinesfalls einen häufigen Kontakt mit Menschen pflegen, die einen aus welchen Gründen auch immer "runterziehen". Auch wenn es sich um die Mutter handelt. - Ein sehr oder auch sehr, sehr, sehr reduzierter Kontakt ist für mich persönlich aber etwas sehr anderes als ein kompletter Kontaktabbruch. (Ein kompletter Kontaktabbruch würde mich heißen, daß ich nicht mehr wissen will, wenn der andere umzieht, stirbt, etc. etc. - Vielleicht gibt es da auch andere Verständnisse davon??) Ja, vielen geht es durch einen - wirklichen oder eben nur vermeintlichen - "Befreiungsschlag" erst mal besser (von daher wundere ich mich eher, daß ich das nie gemacht habe; wahrscheinlich war mir die Tragweite bewußt; und ich habe lieber herumgestritten oder Entsprechendes niedergeschrieben); ich würde auch nicht behaupten, daß dieser immer falsch ist; und ja, "Distanz einzufordern und aufrechtzuerhalten" kann mehr Kraft kosten - die Weihnachts- und Geburtstagskarte schreiben oder dann auch anrufen, aber nicht auf wöchentliche Telefonate eingehen.
Ich stehe jetzt vor einer schweren Entscheidung. Breche ich den Kontakt ab oder nicht. Wenn Abbruch, dann für immer. Ich möchte nicht, dass meine Mutter meint, es sei wieder nur auf Zeit. Das kann und möchte ich nicht nochmal durchmachen. Wenn dann ein endgültiger Strich und es ist vorbei. Doch das fällt mir so schwer. Es tut so weh wenn ich daran denke. Doch vielleicht geht es mir dann besser?
Das klingt mir eher danach, als ob da noch Therapie notwendig sei. - Ich glaube, daß Du Dich von der "erträumten und nicht vorhandenen Mutter "in Dir"" verabschieden mußt. Was Du mit der realen machst, ist eine andere Sache. (Die wirst Du dann auch nicht herzen und dauernd sehen, aber vielleicht irgendeinen halbwegs vernünftigen Umgang mit ihr finden.)
und mir gesagt, falls Kunden oder Freunde/Nachbarn vorbei kämen, dass ich ihnen doch nicht sagen soll, wo ich zurzeit bin. Ich sollte sagen, dass ich Urlaub habe. Das zeigte mir deutlich, wie wenig sie mit der Situation zurecht kam und noch immer kommt.
Naja, ich würde da schon einen Unterschied machen. Das eine ist die Sache, wie Deine Mutter auf Dich eingeht, ob sie wissen will, wie es Dir geht etc. - Das andere ist ihr Umfeld; und ja, ich kann Deine Mutter da verstehen, und die Nachbarn meiner Eltern wußten auch nichts von meinen Problemen - und mir war das sehr, sehr recht!! ... es geht sie einfach nichts an, mir wäre das viel zu persönlich.
Ich wünsche mir Zuwendung, jemand, der mich mal in den Arm nimmt, zu mir hält, mir zuhört, mir Verständnis entgegen bringt. Doch all das bekomme ich von ihr nicht.
Als ich in der Psychiatrie war hat sie einmal mit der Therapeutin dort telefoniert. Diese hat ihr erklärt, was eine Depression ist und dass sie mir Verständnis mir gegenüber bringen muss. Am Telefon hat sie gesagt, dass sie das macht, in echt tut sie es nicht. Besucht hat sie mich dort nicht einmal. Angerufen auch nur sehr selten. Die Initiative kam immer eher von mir aus.
Immer mehr zieht mich das jetzt runter. Ich habe nie wirklich das Gefühl von ihr bekommen, dass sie sich um mich sorgt, um mich kümmern will, mich liebt. Ich habe sie lieb. Schließlich ist sie meine Mutter, ich war neun Monate in ihren Bauch. Sie hätte so viele Chancen gehabt mich nicht zu bekommen (Schwangerschaftskomplikationen), doch sie hat für mich gekämpft. Dafür danke ich ihr auch sehr. Doch in den Momenten wo es mir schlecht ging, wo ich sie gebraucht hätte (nach Papas Tod, als ich in der Schule gemobbt wurde, als ich Probleme bei der Arbeit hatte, als mein Bruder mich schlug, ...) da war sie nicht da. Schon da, aber sie hat nichts unternommen, wollte es nicht wissen.
Ja, Du hättest sie gebraucht - und sie war nicht da. Und darüber darfst Du traurig und wütend und was auch immer sein! Ich nehme aber an, daß Du damals (Kindheit, Jugend, etc.) und heute trennen mußt. Du bist heute nicht mehr so auf sie angewiesen, wie Du das damals warst.

Das Nicht-Besuchen: Wußte sie, daß Du das gerne gehabt hättest? (Ich wollte es z.B. überhaupt nicht. - Und in einem Fall kam das meinen Eltern aber garantiert auch sehr entgegen, weil sie stark befangen gewesen wären, "Angst" gehabt hätten.)
Ich habe nie wirklich das Gefühl von ihr bekommen, dass sie sich um mich sorgt, um mich kümmern will, mich liebt.
Es kann sein, daß es so ist. Es kann aber auch sein, daß sie es vielleicht einfach gar nicht so zeigen kann??!?

LG, Zarra
Simone80
Beiträge: 121
Registriert: 1. Apr 2018, 20:54

Re: Kontakt zur Mutter abbrechen?

Beitrag von Simone80 »

Hallo,

ich finde Zarras Beitrag sehr treffend. Man kann die Kindheit nicht mehr ändern und auch die Eltern werden sich nicht mehr ändern. Ich bin früher auch oft in meinen Kindheitserinnerungen hängen geblieben und heute noch ärgere ich mich über das Verhalten meiner Eltern. Aber nun, da ich mit meiner eigenen Depression zurechtkommen muss sehe ich auch, dass meine Eltern teilweise nicht anders konnten. Ich verstehe sie viel besser obwohl ich nicht alles akzeptieren oder vergeben kann. Meine Kindheit hat bei mir auch eine Wunde hinterlassen, die anscheinend bis heute nicht verheilt ist, zumindest ist sie wieder aufgebrochen. Ich denke, dass man in vielen Lebensstationen immer wieder über die selben Dinge stolpert, aber mit mehr Lebenserfahrung ist man vielleicht besser auf sie vorbereitet :)
Simone80
Beiträge: 121
Registriert: 1. Apr 2018, 20:54

Re: Kontakt zur Mutter abbrechen?

Beitrag von Simone80 »

Liebe LaLeLu123,

Ich kann mir vorstellen, dass in solch einem Fall es wirklich schwierig ist, das Verhalten der Eltern zu verstehen geschweige denn damit klarzukommen. Ich selbst war das bevorzugte Kind, das Nesthäkchen, musste mir aber als Gegenleistung seit meiner Kindheit alle persönlichen Probleme und Selbstmordgedanken meiner Mutter anhören, war und bin immer noch ihr persönlicher Mülleimer. Meine Mutter sagt auch ganz offen, dass ich ihr am wichtigsten bin, meine Brüder wären ihr nicht so wichtig. Als das dritte Kind endlich ein Mädchen war, war sie überglücklich. Das wirkt sich auch auf die Enkelkinder aus, nur meine Kinder bedeuten ihr wirklich was, sie sagt das auch so. Und das finde ich ganz schrecklich, in diesen Momenten empfinde ich meine Mutter als emotionales Monster, und ich kann es einfach nicht nachvollziehen. Ich selbst habe ein Mädchen und einen Jungen und sie bedeuten beide die Welt für mich. Natürlich verstehe ich, dass man als Mutter vielleicht im Lauf der Zeit zur Tochter ein innigeres Verhältnis aufbaut, aber die Liebe wird doch niemals weniger, egal welches Geschlecht.

Hast Du darunter zu leiden, dass Deine Eltern Dich anders behandeln/behandelt haben als Deine Geschwister? Ich selbst bin froh, dass meine Brüder mich dafür nicht hassen, dass ich die Bevorzugte bin. Wir haben ein gutes Verhältnis und halten zusammen. Wie ist das bei Dir?

LG Simone
Zarra
Beiträge: 5734
Registriert: 12. Mär 2010, 15:16

Re: Kontakt zur Mutter abbrechen?

Beitrag von Zarra »

Liebe LaLeLu,
Wie ist es, wenn Eltern dem einen Kind gegenüber Liebe zeigen und sie ausdrücken können, dem anderen Kind gegenüber jedoch nicht?
Ich kenne die Situation einfach nicht, hatte sie nicht, da ich - leider - keine Geschwister habe.

Ich weiß nur, daß meine Eltern auch "geprägt" waren und nicht aus ihrer Haut konnten. Wobei meine durchaus noch teils Gefühle gezeigt haben. (Bei mir persönlich war es wohl spezieller: Beide Eltern wohl nicht klinisch und doch "traumatisiert". Meine Mutter Vertriebene (die Kriegsereignisse plus ... haben ihr z.B. keine Berufsausbildung ermöglicht), mein Vater ein uneheliches Kind in einem katholischen, doch eher fast dörflichem Umfeld. Beide eher dann Unterschicht. Die waren mit einem Kind, das halbwegs intelligent war und vor allem mehr wollte, einfach überfordert, so sehr sie diese Kind wohl auch liebten. Und sie waren untergründig immer noch mit sich und dem Erfahrenen beschäftigt - mein Vater hat eigentlich nie etwas verbalisiert, meine Mutter um so mehr.)

Liebe LaLeLu, - ich weiß es nicht: ... es gibt dieses "Halb-Platte", daß Jungs bevorzugt werden (männlicher Nachwuchs, da ... Pliplapliplaplüsch ...). - Es kann auch sonst Unterschiede geben. - Vergleiche schaden immer, doch natürlich lassen sich manche auch nicht wirklich vermeiden, weil sie einfach naheliegend sind. -- Mir hat meine Mutter ja auch immer meine Wahrnehmung abgesprochen (das sei nicht so gewesen, wie ich das berichten würde - ... wer soll entscheiden, wer von uns beiden recht hat?!? ... - ... ich kann übersensibel gewesen sein, meine Mutter kann Dinge verleugnen, weil es ihr Selbstbild ankratzen würde ... ... u.U. kommt beides zusammen, wovon ich inzwischen ausgehe).

Weißt Du, so wenig wie man in einer Ehe Treue EINFORDERN kann, so wenig kann man bei Eltern Gerechtigkeit zwischen Geschwistern einfordern. Es wäre schön, wenn es so wäre. Wenn es nicht so ist, kann man sich nur mit den TATSACHEN "arrangieren" bzw. seine Schlußfolgerungen ziehen.

Was sagen eigentlich Deine Eltern dazu? Sehen sie die Ungleichbehandlung auch und geben sie zumindest latent zu?
Simone80 hat geschrieben:Meine Mutter sagt auch ganz offen, dass ich ihr am wichtigsten bin, meine Brüder wären ihr nicht so wichtig.
Liebe Simone, das finde ich ziemlich unreflektiert von Deiner Mutter und auch ziemlich schwierig für Dich. Sei froh, daß Deine Brüder Dir das nicht allzu übel nehmen! - Und paß hinsichtlich des "Mülleimers" wirklich auf Dich auf, denn das ist es nicht wert.

LG, Zarra
Ani123
Beiträge: 44
Registriert: 29. Mär 2018, 22:04

Re: Kontakt zur Mutter abbrechen?

Beitrag von Ani123 »

Gestern gab es ein Telefonat mit meiner Mutter, wo sie sich erstmal nur nach meiner Schwester erkundigte und als sie dann fragte, wie es mir geht, und ich anfing ihr davon zu erzählen, merkte ich schon, dass sie es gar nicht hören will. Dann ist es aus mir rausgebrochen. Ich habe ihr gesagt, dass ich das Gefühl habe, dass es sie gar nicht interessiert, wie es mir geht, dass sie sich nie von sich aus meldet, außer sie möchte was, dass ich mich alleingelassen fühle, dass ich mir Rückhalt und Zuwendung wünsche. Sie sagte dann, dass sie mir doch all das geben würde. Ich meinte dann, dass das so bei mir nicht ankäme. Sie sagte dann, dass sie die Vergangenheit nicht rückgängig machen kann. Ich meinte dann, dass es gar nicht nur die Vergangenheit sei, sondern auch die Zeit jetzt. Sie sei auch jetzt nicht für mich da. Und sie sagte dann, dass sie doch nun da sei, mit mir telefonieren würde, dass sie auch an mich denken würde, sich wünscht, dass es mir wieder besser geht. Ich meinte dann, dass sie immer darauf bedacht sei, die "heile Welt" zu wahren, nur keine Probleme ansprechen oder haben, doch das könnte ich nicht mehr. Ich sei wütend, enttäuscht und traurig, weil sie nicht da gewesen ist, wo ich sie gebraucht hätte, aber auch, weil sie jetzt immer noch nicht da ist und sie mir kein Verständnis entgegen bringt. Das verneinte sie dann und sagte, dass sie doch genug Verständnis für die vorhandene Situation hätte. Und zudem würde mir in der Klinik doch auch nur negatives eingeredet, dass sie alles falsch gemacht hätte. Ich sei total kalt geworden und solle ihr doch dankbar sein und es wertschätzen, was sie alles für mich getan hat. Doch zurzeit kann ich das nicht. Eher im Gegenteil. Der Satz hat mich sehr getroffen. Als sie dann auch noch meinte, dass wir und dann ja auf dem Geburtstag meiner Schwester sehen werde sagte ich, dass ich das nicht glaube, da ich nicht so weiter machen kann wie jetzt und Distanz brauche. Dazu sagte sie nur, dass müsste ich ja wissen, ob ich Distanz bräuchte oder nicht. Telefonat endete dann auch.
Ich fühlte mich danach echt mies. So als läge ich am Boden. Ich weiß nicht, ob ich wirklich so kalt geworden bin, und Dankbarkeit und Wertschätzung geben, für was? Dafür, dass sie nie da war, dass ich mit 8 Jahren nach Papas Tot von einen auf den anderen Tag erwachsen werden musste, selbstständig, dass sie mir nie zugehört hat geschweige denn versucht hat Probleme zu lösen, dass sie mir Steine in den Weg gelegt hat, dass sie immer darauf bedacht war und ist, dass ja keiner erfährt was gerade los ist, somit auch nicht, dass ich zurzeit in Therapie bin. Sie hat immer versucht die Starke zu spielen und dabei meine Bedürfnisse gar nicht gesehen und beachtet. Das tut weh. Gestern war ich wirklich fertig. Heute geht es schon wieder, wobei ich gar nicht weiß, wie es wirklich weiter gehen soll.
Meine Therapeutin hier in der Klinik sagte mir, dass ich gut schauen soll, welche Personen mir gut tun und es manchmal besser ist, Dinge und Personen hinter sich zu lassen, wenn diese einen negatives zufügen, also einen runter ziehen. Doch wo ordne ich meine Mutter ein? Fördernd ist das was sie tut nicht. Andererseits ist sie meine Mutter und ich habe auch positive Gefühle (Liebe) für sie. Doch zeitgleich ist da die Wut, Trauer, gewisserweise auch Hass. Und ich weiß gerade nicht, was überragt.
mime
Beiträge: 1282
Registriert: 6. Sep 2013, 13:28

Re: Kontakt zur Mutter abbrechen?

Beitrag von mime »

Hallo Ani,

zu deinem letzten Beitrag von heute: Was die Therapeutin sagt, finde ich bedenkenswert, nämlich zu schauen, WER (oder was) einem selbst gut tut. Mir fällt es nicht leicht zu lesen, wie sehr dich deine Situation momentan bzw. seit langem schon so quält - und mir tut das wirklich leid für dich. Bei dem familiären Hintergrund und dem frühen Tod deines Vaters ist es für mich sehr verständlich, dass der Fokus sehr auf deiner Mutter lag und liegt; und sicherlich ist da in der Vergangenheit einiges geschehen, was zu großen Verletzungen geführt hat.

Ich denke, dass beides seinen Platz haben wird: das Aufarbeiten von Vergangenem, aber auch das "Nach-vorn-Schauen". Es ist richtig, dass man die Vergangenheit nicht ändern kann, und (leider) auch nicht die Personen, die einen enttäuscht haben. Vielleicht wäre es sinnvoll zu schauen, was dich jetzt während des Klinikaufenthaltes stabilisieren kann - manchmal muss man für sich eine Pause einlegen (und das Vergangene ausblenden), um das "Jetzt" wieder zu spüren - vielleicht gibt es ja Dinge in der Klinik, die dir gut tun, die dir vielleicht sogar ein bisschen Freude bringen.

Die Vergangenheitsaufarbeitung kann auch ein Teil des Therapiekonzepts sein, ich weiß ja nicht, worauf der Schwerpunkt dieses Klinikaufenthalts liegt, doch ich kann mir vorstellen, dass es gut wäre, beides gedanklich ein bisschen zu trennen.

Ob es momentan sinnvoll ist, mit deiner Mutter zu telefonieren, kann ich nicht beurteilen. Nur, wenn es dich immer wieder aufs Neue verletzt, dass du von ihr nicht das bekommst, was du dir wünschst, meine ich, dass es vielleicht besser wäre, da mal für eine gewisse Zeit eine Pause zu machen. Wie oft habt ihr denn Kontakt miteinander? Von wem geht der Kontakt aus, und ist er von dir erwünscht?

Du wirst das Vergangene nicht am Telefon klären können. Eltern, speziell Mütter, so meine Erfahrung, treibt ebenfalls die Angst um, dass in der Therapie Negatives auf sie zurückfällt. Manchmal sind sie selbst damit konfroniert, etwas falsch gemacht zu haben und dass das während der Therapie der Tochter dann ans Licht kommt.

Dass du "kalt" gegenüber deiner Mutter geworden sein sollst, kann ja auch etwas mit Selbstschutz zu tun haben, mit dem Wunsch auf Abstand, den deine Seele vielleicht jetzt braucht. Oder es ist der Beginn des Prozesses, der sich "Abgrenzung" nennt. [Ich habe mich während meiner Therapie auch von meiner Mutter abgrenzen gelernt, das war für beide nicht leicht, aber notwendig]. Man kann auch nach einem Abgrenzungsprozess wieder aufeinander zukommen - das bedeutet nicht, dass man den Kontakt auf Dauer abbrechen muss: Man lernt, dem anderen bzw. sich selbst Grenzen zu setzen.

Ich wünsche dir, dass du für dich die Lösung findest, die dir gut tut - und dass dir der Klinikaufenthalt erst einmal Entlastendes bringt, und dass du stabilisiert aus der Klinik kommen kannst. Um sich um das Vergangene kümmern zu können bzw. dieses aufzuarbeiten muss manchmal erst eine gewisse Grundstabilität erworben werden. Und vielleicht ist das erst einmal ein Ziel des Aufenthalts.

Alles Gute für dich wünscht dir
Mime
Wir müssen lernen,
die Menschen weniger auf das, was sie tun und unterlassen,
als auf das, was sie erleiden, anzusehen.

(Dietrich Bonhoeffer)
punktine
Beiträge: 40
Registriert: 24. Mär 2018, 19:37

Re: Kontakt zur Mutter abbrechen?

Beitrag von punktine »

Liebe Ani,

es tut mir sehr leid zu lesen, in was für einer Situation du steckst.
Deine Mutter spürt genau, wie sehr du dir einen guten Kontakt zu ihr wünscht und das gibt ihr die Macht, dich am langen Arm verhungern zu lassen.

Den Kontakt zu deiner Mutter würde ich als "giftige Beziehung" bezeichnen und die Mühe, die du dir um diese Beziehung gibst, tut dir nicht gut...

Ich bin sicher, du weißt das alles und trotzdem ist der Wunsch da, es möge sich etwas ändern.
Das kann ich gut verstehen...
Einen anderen Menschen können wir leider nicht ändern: Nur unsere Einstellung / Haltung zu dieser Person.

Sie wird dir immer Schuldgefühle machen - So ist sie eben!
Du wirst es ihr nie recht machen können, aber du kannst dich um dich kümmern:
Eine gute Selbstfürsorge betreiben.
Ziel sollte sein, nicht so abhängig von ihrem Verhalten zu sein.
Du solltest für dich selbst der wichtigste Mensch werden und dich um deine Bedürfnisse kümmern.
Sie wird es nicht tun.
Du wirst immer wieder enttäuscht werden.
Erwarte nichts von ihr.

Ich weiß, das ist sehr! schwer.
(Ich versuche mich gerade emotional von meinem Ex-Freund (Narzisst) zu lösen und habe dieselben Aufgaben vor mir.

Ich wünsche dir sehr, dass dich ihr Verhalten nicht mehr so triggert.
Vielleicht kannst du ja in der Klinik eine Strategie erarbeiten, wie du in Zukunft mit der Situation umgehen kannst...

Herzliche Grüße, punktine
retrochallenge1
Beiträge: 71
Registriert: 14. Feb 2015, 14:35

Re: Kontakt zur Mutter abbrechen?

Beitrag von retrochallenge1 »

Liebe Ani, dein Thema ist mir sehr vertraut.Durch meinen momentanen Klinikaufenthalt ist das auch bei mir ein Thema , dass in Bearbeitung ist.
Es ist wichtig, dass du unterscheidest: du liebst deine Mutter als Person, aber nicht ihr Verhalten.
Distanz ist das Richtige zur Zeit, bis du stark genug bist.
Du bestimmst wen du wie nah an dich heranläst.
Die Vergangenheit kannst du nicht ändern, deine Mutter auch nicht.
Andere Menschen verändern sich nicht für dich, du musst deine Haltu g zu ihnen ändern.
Lass nicht zu, dass deine Mutter so große Macht über dich hat.Du brauchst das Gängelband nicht mehr.
Du bist ja schon lange erwachsen.
Es hilft den Schmerz über Vergangenheit in einem Ritual zu begraben.Dann bist du freier für dich.
Ich wünsche dir alles erdenklich gute.
Liebe Grüße
retrochallenge
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