Was mir hilft besser damit umzugehen - als Angehöriger

Sybilix
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Was mir hilft besser damit umzugehen - als Angehöriger

Beitrag von Sybilix »

Hallo zusammen,

ich lese seit ein paar Tagen als Gast - da meine Partnerin kurz vorm Jahreswechsel "erkrankt" ist. Nach ca 4 Wochen Hausarzt, eine Woche später Psychiater, wiederum eine Woche später Beginn ambulante Therapie. Hat Sie sich selbst darum gekümmert. Letzte Woche dann stationäre Behandlung begonnen, nachdem Sie total am Boden war.

Ich möchte hier weniger auf unsere Situation und ihre spezielle Situation eingehen, als vielmehr was mir bisher auf dem Weg "neben ihr" geholfen hat den Mut nicht zu verlieren.

Warum distaniziert sie sich so extrem von mir, aber sucht Kontakt zu (engen) Freunden?

Das hat mich am meisten gequält, konnten wir doch vorher über alles reden. Es wollte nicht in meinen Kopf hinein, schon gar nicht konnte mein emotionales Empfinden auch nur Ansatzweise diesen Umstand tolerieren.
Es waren verschiedene Dinge, welche zusammen (mein) Puzzle gelöst haben:
Spiegel(Print) Artikel von dieser Woche (sinngemäß) "... der Partner kann kein Co-Therapeut sein. Das würde bei der betroffenen Person Scham und Wut auslösen und die Depression verschlimmern. Es wären keine gleichberechtigten Partner mehr"

Eine Freundin schrieb mir "...ich habe mit ihr telefoniert, sie schlägt sich tapfer". Ich konnte mehrere Stunden auf diese Nachricht nicht antworten, weil es mir (im Bezug auf meine Partnerin) so "nah" ging. Hier habe ich realisiert, das was Sie in mir auslöst, wenn das nur ansatzweise umgekehrt ist (in ihrem Zustand), kann ich verstehen dass Sie dem aktuell auf Teufel komm raus aus dem Weg gehen möchte. I.d.R. ist die Beziehung zum Partner die intensivste, nun fehlen aber auf einmal all die Emotionen (weil Fehlfunktion) und/oder es führt zum "emotionalen" Overkill. Was natürlich für (fast) alle anderen Personen nicht zutrifft...

Weiterhin hatte mir schon früher ein Freund (selbst depressiv gewesen aber zwischenzeitlich genesen) erzählt, warum ausgerechnet seine damalige Partnerin das "Problem" war. Sie war die einzige Person, welche sein künstliches Schutzschild durchbrochen hatte, welches ihn all die Jahre zuvor von den eigentlichen Problemen im Unterbewussten beschützt hatte.

All diese Teile haben mir geholfen zu akzeptieren bzw. eine blasse Ahnung zu bekommen, warum in ihr - unabhängig unserer bisherigen Beziehung - eine neue "Weltordnung" herrscht. Warum ihr Verhalten auf einmal (für mich) so irrational ist.

Warum kann Sie mit Freunden lachen (Bilder/Selfies) und in meiner Gegenwart nur trübsal?

Hier hat der ein oder andere Beitrag hier im Forum erwähnt, dass Betroffene oft in den meisten Bereichen des Lebens eine "Maske" aufsetzen bzw. das glückliche Schauspiel abliefern. Insgeheim strengt es sie aber doppelt und dreifach an.
Auch das hat sie jüngst selbst so bestätigt "Die Arbeit heute war ein Krampf, eigentlich wollte ich nicht. Das ganze Schauspiel hat mich soviel Kraft gekostet".

Es gibt sicher eine Vielzahl von möglichen Erklärungsversuchen warum dass dann ausgerechnet zuhause/beim Partner nicht stattfindet. Entweder weil schlicht die Kraft fehlt oder weil es ohnehin nichts bringen würde (oft kennt man sich dafür zu gut) oder, oder, oder.

Kann eine Depression für Angehörige etwas positives haben?

Sicherlich würden mich einige hierfür am liebsten Kreuzigen, ich wünsche es niemandem und wenn ich die Wahl hätte - ich würde diese freiwillig niemals treffen, aber...
Ich kann es nur negativ darstellen (genau die Hauptproblematik einer Depression): Warum ausgerechnet wir? Warum Sie/Er? Warum jetzt?
Oder ich kann die Positiven Dinge sehen:
- Das eigene Netzwerk kristallisiert sich auf einmal ganz anders heraus
- Freundschaften (wenn vorhanden) bekommen in vielen Fällen eine ganz neue Tiefe/Qualität - und wenn es nur "reden" ist
- Es ist eine Chance, danach (Genesung als Hoffnung) ein besseres/nachhaltigeres Leben zu führen
- Übersteht die Beziehung schweißt es m.E. noch mehr zusammen, übersteht die Beziehung nicht ist das zwar schmerzhaft, aber nicht das Ende aller Tage. Das Schlimmste für mich was schon immer Ungewissheit - und ein offensichtliches Ende ist alles andere als Ungewiss.

Ich habe Angst Sie/Ihn zu verlieren! Was kann ich dagegen tun?

Im Bezug auf den Betroffenen? Fast nichts... Abstand halten und wie so oft hier und überall anders: Auf sich achten, auch wenn man instant bereit wäre sein letztes Hemd für den Partner zu geben. Kontraproduktiv.
Ich kann es wieder nicht nachvollziehen, aber ich habe Ideen:
- Man möchte dem (gesunden) Partner nicht zur Last fallen (Scham?)
- Man möchte den (gesunden) Partner nicht runter ziehen
- Man möchte in dem Zustand nicht "gesehen" werden
- Es fehlt schlicht die Kraft ...
- oder
- oder
- oder...

Ich habe immer noch Angst Sie/Ihn zu verlieren - es lähmt mich regelrecht

Ja, das war meine erste Reaktion. Die ersten Tage waren schrecklich. Mir hat selbst für das Meiste der Antrieb gefehlt.
Nach einigen Gesprächen und Refklektion: Das ist nicht ihre Schuld, sonder meine ganz eigene Verlustangst. Das ist mein Problem (ja klar, durch Sie getriggert) - aber dafür kann Sie erstmal nichts.
Ich wollte es erst aufschieben, leider bin ich dann auch dieser Tage nachts aufgewacht und war froh darum, weil mir der Inhalt der Träume alles andere als Gefiel (Alpträume - wieder Verlustangst).
Selbst jetzt in der Klinik, habe ich Angst, Sie könnte sich in einen Leidensgenossen "verlieben" oder einfach nur einen "Seelenverwandten" finden und ich bin in Zukunft raus.
Das kann ich nicht ausschließen (gibt kein bisschen Extra-Hoffnung, verbessert auch nix) aber auch hier - die Diskussion/Gespräche mit Leidensgenossen (andere Angehörige oder selbst Betroffene) haben mir geholfen und helfen sicher auch Ihr. (z.b. Gruppentherapie u.a.).
Es ist für Sie wichtig, für mich nur deshalb ein Problem, weil mich meine Verlustängste quälen.

Es kommt vom Partner nichts (mehr). Ich komme damit nicht klar.

Hier bin ich schon früher zur "Weisheit" gelangt: Erwartungsmanagement!
Ich bin meines eigenen Glückes Schmied!
Blödes Gefasel? Mitnichten...

Wenn ich 100% erwarte und 80% bekomme bin ich enttäuscht.
Wenn ich 50% erwarte und 80% bekomme bin ich positiv überrascht.
Wer hat den Unterschied gemacht? Der Partner, der in beiden Fällen 80% kommuniziert oder ich, der die Erwartung geändert hat? Ihr kennt die Antwort.

Ich sage nicht dass das einfach ist bzw. sofort gelingt, aber man kann es lernen. Hilft auch bei vielen anderen Alltagssituationen viel glücklicher durchs Leben zu gehen.

Dann war ein Post hier im Forum ganz entscheidend, von einer selbst Betroffenen - warum man positive Dinge durchaus überbewerten darf, gar soll. Es war eine schöne Metapher bzgl eines Teichs/Sees.
In einem ölverseuchten, schmutzigen Tümpel ist eine einzelne, aufblühende Seerose etwas benennswert Schönes und darf auch als solches hoffnungsvoll betrachtet werden.


Keiner kann mir sagen wie lange das dauert. Es ist auf unbestimmte Zeit

Hier kann ich nur für mich / meine Annahmen sprechen bzw. die Hoffnung / Situation die wir haben (in stationärer Behandlung).
Voraussetzungen: Das Thema (Depression) ist erkannt. Es ist als "Problem" zugelassen. Man möchte es verbessern / ist in aktiver Behandlung.
Dann gibt es immer noch keine Leitlinie wie "10 Wochen Lieferzeit" aber auch hier ist der Groschen vor ein paar Tagen gefallen.

Wieder aus dem aktuellen Spiegel (sinngemäß): "...verläuft in Wellen von ~6-8 Monaten. Mit Behandlung im Schnitt ~4 Monate. Mag zwar auf dem Papier wie "nur" ein bisschen besser aussehen, aber für die Betroffenen gefühlte Lichtjahre weniger Leiden".
Ich weiss immer noch nicht ob ich die vergangenen 2 Monate anrechnen "könnte" oder nicht - spielt aber für mich nun keine Rolle mehr, da ich hoffe/erwarte dass mit den genannten Voraussetzungen ich einen überschaubaren Zeitraum überbrücken muss.
Danach wird nicht alles beim Alten (aus heutiger Sicht wohl wichtigste Erkenntnis, wieder bzgl. Erwartungsmanagement) sein... Menschen ändern sich, Beziehungen ändern sich und wenn die Liebe zum Partner stark genug ist, davon gehe ich aus, dann kann man sich neu aufeinander einspielen.

Hab ich auch was davon?
Ich weiss zwischenzeitlich dass z.b. bei der Hochzeit "in guten wie in schlechten Zeiten" nicht nur eine hohle Phrase ist, sondern ich meine es jetzt auch so. Ich kann es zu 1000% jederzeit neu unterschreiben. Und sollte Sie genesen (was ich natürlich inständig hoffe), so werde ich ihr zu gegebener Zeit einen neuen Antrag machen.

Was wäre wenn - Unklarheiten oder andere(s) Ängste

Was passiert im schlimmsten Fall? Klingt einfach, hilft aber.
Manche der worst-case Szenarien (für mich insbesondere Trennung) will ich nicht durchspielen, dennoch würde es helfen. Warum?
Vorfreude ist (oft) die schönste Freude. Gleiches Prinzip (nur im Negativen) gilt für die Angst. Man kann sie so schillernd und schrecklich ausmalen, dass einem schier Angst und Bange werden kann. Oder man überlegt was passieren könnte, was man tun würde und stellt fest - joa, ich bin immer noch da. Mir geht es (später) wieder gut. Die Erde dreht sich weiter... immer noch schmerzahft, aber viel weniger schrecklich.

ACHTUNG: Ich bin weder Therapeut noch Fachmann, man sollte halbwegs gesund sein / starkes Selbstwertgefühl, sonst könnte eine Auseinandersetzung mit solchen Szenarien einen runterziehen bzs. ins Gegenteil umschlagen.

Es hilft auch immens bei Entscheidungen - die leider trotz Depression nicht vertagt werden können. z.B. Jobwechsel, Hausbau etc. Es hängt sicher individuell von der jeweiligen Situation ab ob man sich für die Fortführung oder gegen eine Fortführung dieses Pfades entscheidet.
NEUE Entscheidung würde ich persönlich nach heutiger Erkenntnis "aussitzen" - diese sind (bei uns) oft wirklich willkürlich und leider kontraproduktiv. Auch hilft es hier bewusst Szenarien durchzuspielen, welche man sonst sofort von der Liste streicht z.b. Job nicht wechseln (ich war zwar unzufrieden, aber ich würde es auch dort noch aushalten), Hausbau abbrechen (sind zwar 30.000,- € oder mehr futsch - aber was ist das im Vergleich zum Verlust des Partners und man verkäuft das Haus dann 2-3 Jahre später ohnehin? Anders hätte man die Beziehung vielleicht retten können?etc.

Wir haben Urlaub (kürzlich) gebucht - sollen wir trotzdem hinfahren

ACHTUNG: Ich bin weder Therapeut oder Fachmann, hatte aber genau diese Situation und habe mich gemeinsam mit meiner Partnerin GEGEN den anstehenden Urlaub entschieden. Ich habe auch nach der Storno im Stillen lange gehadert. "soviel Geld für Storno/Anzahlung futsch" ... "hätten wir nicht warten sollen". Für mich: NEIN. Richtig gehandelt.
Urlaub ist i.d.R. zeitlich und räumlich sehr intensiv, genau kontraproduktiv für das gesteigerte Autonomiebedürfnis und (siehe oben - wegen dem Thema Maske/Schauspiel) doppelt und dreifach anstregend. Ich würde wieder stornieren.
Außerdem wäre es eine Frist gewesen, bis wohin eine Genesung den Urlaub "gerettet" hätte. Das wurde von vielen Stellen von Betroffenen als immenser Druck/zusätzlich belastend eingestuft = vermeiden!

Ich habe sicher noch das ein oder andere Vergessen (Achtsamkeit wenn einen die Emotionen überrollen - Innehalten, kontrolliert ausatmen - hilft mir meist gegen unverhoffte Tränen, die sind ja nicht immer passend...).

Weitere Ergänzungen sind natürlich gerne gesehen. Sicher ist in unserem Fall viel Glück dabei, da es vergleichsweise schnell in Behandlung etc. übergegangen ist.
Ich drücke allen direkt und indirekt Betroffenen die Daumen, dass mindestens Besserung eintritt, idealerweise eine Heilung stattfinden kann.

Mein (genesener) Bekannter sagt heute: Er fühlt sich vollständiger, bewusster, stabiler als zuvor - und er hat keine Angst dass es wiederkommen könnte, er hat ja alle Werkzeuge um damit auch alleine klarzukommen.

Danke fürs Lesen/zuhören.
Petra74
Beiträge: 5
Registriert: 1. Feb 2018, 11:14

Re: Was mir hilft besser damit umzugehen - als Angehöriger

Beitrag von Petra74 »

Danke, für lesen lassen.
DieNeue
Beiträge: 5554
Registriert: 16. Mai 2016, 22:12

Re: Was mir hilft besser damit umzugehen - als Angehöriger

Beitrag von DieNeue »

Hallo Sibilix,

vielen, vielen Dank für deinen Beitrag!!! Ich habe mir schon so oft gedacht, dass es eigentlich einen Thread geben müsste, wo mal die typischen Probleme von Angehörigen erklärt werden. Es kommen ja immer wieder die gleichen Probleme, Gedanken und Missverständnisse. Ich habe auch den Eindruck, es gibt für Angehörige und deren Fragen v.a. zu Beziehungen kein wirklich gutes Buch... Deshalb vielen Dank, dass du das alles so übersichtlich geschrieben hast!
Ich bin selbst Betroffene und kann das alles nur unterschreiben! :) :)

Ich bin auch diejenige, die den Text mit dem Weiher geschrieben hat ;) Es freut mich wirklich sehr, dass mein Text für dich so ausschlaggebend war. Ich habe schon öfter überlegt, ob ich mich nicht lieber aus dem Forum abmelden und alle meine Beiträge löschen soll, weil es ja schon sehr viele persönliche und private Sachen sind, die die ganze Welt lesen kann. Manchmal ist es auch etwas nervenaufreibend, wenn man Sachen erklärt. Da ist es wirklich schön zu hören, dass es einen Unterschied macht, ob man schreibt oder nicht. Danke, das freut mich wirklich sehr :D

Ja, es stimmt, dass einem leider niemand sagen kann, wie lange das alles dauert. Ich habe mittlerweile verstanden, dass man immer nur einen Schritt nach dem anderen machen kann und man sich auch trauen muss, auch Schritte zu gehen, ohne zu wissen, wie der Schritt danach aussieht. Das habe ich durch die Depression gelernt, das anders zu lernen wäre mir aber lieber gewesen.

Ich finde es bemerkenswert, wie schnell die Behandlung von der Freundin erfolgt. Bei mir hat sich das über Jaaaahre hingezogen, bis ich zu den richtigen Ärzten gekommen bin. Erst war ich bei einer Psychiaterin, die eine Psychotherapie nicht mal erwähnt hat. Alle Infos über Depressionen hatte ich aus dem Internet und von einer Freundin. Dann habe ich mir selber eine sehr gute Therapeutin gesucht, die ich über Umwege gefunden habe. In der Zeit bin ich umgezogen und habe mir eine andere Psychiaterin gesucht, die mich aber zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt einfach die Medikamente hat absetzen lassen, obwohl sie mich kaum kannte. Kurze Zeit später bin ich komplett zusammengebrochen und in der Tagesklinik gelandet. Da habe ich zum ersten mal andere Therapiearten gemacht (Ergo/Entspannung/Walken/etc.), das hat geholfen, aber gesund war ich da noch lange nicht. Die haben die Medikamente dann zumindest auf die Höchstdosis und es ging mir einigermaßen besser. Durch die hohe Dosis konnte ich aber nicht mehr schlafen :roll:
Dann habe ich die Psychiaterin gewechselt, weil ich ihr nicht mehr vertraut hab nach dem unvorsichtigen Absetzen. Dann war ich bei zwei anderen Psychiatern, die völlig inkompetent waren und überhaupt nichts machen wollten, obwohl es mir schlecht ging. (O-Ton: Wenn Sie nicht schlafen können, dann gehen Sie halt früher ins Bett. :roll: ) Es hat ein dreiviertel Jahr gedauert, bis ich nach der Tagesklinik einen kompetenten und freundlichen Arzt gefunden habe, der mich medikamentös viel besser eingestellt hat. Aber zu dem kam ich auch nur über Umwege über Beratungsstellen und weil meine Hausärztin einen Termin ausgemacht hat und nicht ich. In der ganzen Zeit ging es mir ziemlich schlecht und ich hatte (durch die Depression verursacht) Probleme im Studium und anschließend mit dem Jobcenter, weil ich wegen Krankheit beurlaubt war. Die anschließenden Jahre waren geprägt von Bürokratie, vielen Problemen mit dem Jobcenter und damit großen Existenzängsten, bis ich zwei Jahre nach der Tagesklinik auf meinen Wunsch stationär in eine Klinik ging. Die Klinik war für mich allerdings alles andere als gut, danach ging es mir jahrelang bedeutend schlechter. Erst jetzt nach vier Jahren komme ich langsam mit den Erfahrungen dort besser klar. Aber mittlerweile bin ich berentet...
Du siehst, es kann auch ganz anders gehen. Vielleicht war es vor 10 Jahren, als es bei mir anfing, aber auch noch anders. Ich denke, da waren Depressionen noch nicht so in der Öffentlichkeit präsent. Uns war eigentlich nicht klar, was die Krankheit wirklich bedeutet und auf was man wirklich achten muss. Aber da musste ich mich leider selber "durchwurschteln".
Du kannst wirklich froh sein, dass das bei deiner Freundin alles so schnell ging und sie jetzt schon in Behandlung ist. Ich denke, dass dadurch das Risiko kleiner ist, dass die Depressionen chronisch werden und noch mehr Probleme auftauchen. Der permanente Stress die ganzen Jahre über hat meinen Körper ziemlich kaputt gemacht. Ich hoffe, dass euch das erspart bleibt. Aber im Moment sieht es ja echt gut aus. :)
Sybilix hat geschrieben: Und sollte Sie genesen (was ich natürlich inständig hoffe), so werde ich ihr zu gegebener Zeit einen neuen Antrag machen.
Ich war ganz gerührt, als ich das gelesen habe. Das ist ECHT schön! Vor allem da man ja immer denkt, man ist eine Last und Zumutung für alle anderen.
Aber ich hoffe natürlich, du würdest sie auch nochmal heiraten, wenn sie nicht ganz gesund wird. ;)

Die Entscheidung mit dem Urlaub war meiner Meinung nach übrigens die richtige. Ich würde auch so gern mal wieder richtig Urlaub machen, aber ich weiß genau, dass mich das wieder total aus der Bahn werfen und mich nur stressen würde. Und wenn man dann merkt, dass man den Urlaub gar nicht richtig genießen kann, ist das zusätzlich deprimierend.
Sybilix hat geschrieben:Mein (genesener) Bekannter sagt heute: Er fühlt sich vollständiger, bewusster, stabiler als zuvor - und er hat keine Angst dass es wiederkommen könnte, er hat ja alle Werkzeuge um damit auch alleine klarzukommen.
Echt beneidenswert!

Ich wünsche euch beiden alles Gute und hoffe, dass es deiner Freundin bald besser geht!

Liebe Grüße,
DieNeue
Sybilix
Beiträge: 79
Registriert: 11. Mär 2018, 23:58

Re: Was mir hilft besser damit umzugehen - als Angehöriger

Beitrag von Sybilix »

Hallo DieNeue,

vielen Dank für deine Zeilen hat mich sehr gefreut etwas zurückgeben zu können.
Ich dachte erst den Roman will keiner lesen.

Leider habe ich auch den Eindruck gewonnen, dass ich zuviele Infos weggelassen habe - wir sind bereits (schon) verheiratet. ~10 Jahre, 2 Kinder (Kindergarten + Grundschule) und seit 1-2 im aktiven Hausbau / Planung. Den Haushalt stemme ich seit über 3 Monaten, seit einer Woche nun auch allein mit den Kids.

Wir haben viele positive Umstände, dass wir uns z.b. nicht noch Sorgen ums Geld / Existenz machen müssen, da ich weiter (fast) normal arbeiten kann.
Ich war ganz gerührt, als ich das gelesen habe. Das ist ECHT schön! Vor allem da man ja immer denkt, man ist eine Last und Zumutung für alle anderen.
Aber ich hoffe natürlich, du würdest sie auch nochmal heiraten, wenn sie nicht ganz gesund wird.
Das habe ich ihr sogar selbst gleich zu Anfang gesagt, die Entscheidung liegt nun einzig bei ihr, ob Sie mittel-/langfristig an der Partnerschaft festhalten möchte.
Leider sind solche Phasen/Erkrankung/auslösende Schicksalsschläge i.d.R. in der Lage massive Persönlichkeitsänderungen auszulösen, ein Restrisiko bleibt also immer.

Sind Betroffene eine Last für andere?

Ja und Nein. Natürlich ist es phyisisch anstrengend (man muss mehr Haushalt, ggf. alles allein machen, sich allein um Kinder kümmern o.ä.) und auch emotional (man leidet mit, man hat Angst, man kann mit dem irrationalen Verhalten nix anfangen etc.
Aber die Person gibt einem auch immense Kraft. Einerseits direkt durch die Liebe, gemeinsame Vergangenheit, durch ihre Anwesenheit, die Möglichkeit zu helfen, ein kleines Danke o.ä., wenn man sieht wie die Person Symptome dieser Krankheit zeigt (ToDo Listen für ganz ordinäre Alltagsdinge, Schlafprobleme und all die anderen Dinge).
Aber auch indirekt, wenn auch die zuvor negativen Aspekte wie Angst (welcher Art auch immer) kann man (in Teilen) kanalisieren und als eigenen Antrieb nutzen.
Und wenn man dann die Genesung oder vollständige Heilung begleiten darf, ist es sicher das größte Geschenk, was man mit allem Geld der Welt niemals hätte kaufen können...

Partner / Betroffene(r) meldet sich nur sporadisch/willkürlich

Aktuell kann ich rational nicht nachvollziehen, warum Sie z.B. einmal am Tag anruft, wenn Sie mich/uns aber nicht erreicht, es den Rest des Tages dann nicht mehr "passt". Irgendwo hat jemand (Betroffen) mal geschrieben, dass es genau nach eigenem Wunsch gehen muss, sonst gerät das Weltbild aus den Angeln... könnte hier eine mögliche Erklärung sein.

Reden ist Silber, Schweigen ist gold! *ZONK* - hier gilt (für mich) Reden ist Gold mit Sternchen

Ich habe das Glück oder das Pech? einige direkt oder indirekt Betroffene und zusätzlich noch vergleichsweise verständnissvolle Personen im Bekanntenkreis zu haben.
Es hilft mir ungemein, einiges zu schildern, bei engen Freunden auch sehr emotional/Ängste zu schildern.
Ein Freund brachte es wunderbar auf den Punkt "Du musst es auch mal politisch nicht korrekt formulieren. Und wenn Dich Dinge belasten, dann müssen die auch "raus". Du kannst nicht alles in Dich hineinfressen/schlucken, das macht Dich innerlich kaputt."
Auch merke ich dass nicht eine bestimmte Zielgruppe (z.b. ehemalig direkt Betroffene) die einzige Lösung sind. Es ist sicherlich als indirekt Betroffener/Außenstehender hilfreich viele Dinge besser einzuordnen, außerdem macht es mir den Eindruck, das ehemalig Betroffene weniger/kein Blatt vor den Mund nehmen. Sie benennen Dinge beim Namen, die andere teils aus Scham oder freundlichem Anstand nichtmal denken wollen...

Tagebuch - zwei Varianten
Ich habe der Kinder willen damit angefangen, ein Tagebuch zu schreiben, dass sie mit Inhalt + Bildern füllen dürfen. Dadurch haben sie die Chance indirekt mit ihrer Mutter zu kommunizieren.
Auf die konventionelle Weise (Telefon, SMS, Whatsapp etc) kann das u.U. sehr belastend sein für Betroffene. Auch für den Absender. Warum?
Wieder Erwartungsmanagement. Wenn ich etwas versende, i.d.R. mit der Intention eine Reaktion zu bewirken und sei es nur "Danke" oder "Dir auch". Wenn das aber nicht kommt... ist man (wieder) enttäuscht. Selbst Schuld.

Variante 2: Das eigene Tagebuch. Ich habe früher immer die Nase gerümpft und konnte NullKommaNull verstehen warum je irgendein Mensch auf Erden ein Tagebuch schreiben sollte... jetzt weiss ich es.
Es war zwar erst eine Episode, jedoch ist eine Packung Taschentücher in kürzester Zeit vollgeheult.
Die Belohnung für die Selbstqual... am nächsten Tag ging es mir deutlich besser.
Wer sich mit Hirnfoschung, Arbeitsoptimierung u.a. beschäftigt weiss, dass das Unterbewustsein erst loslassen kann, wenn es sicher sein kann, dass diese (wichtigen) Informationen festgehalten wurden und "nicht verlorengehen". Ob ich mir das dann regelmäßig durchlesen muss um den Effekt zu erhalten, kann ich aktuell noch nicht sagen. (Update: Nein, musste ich nicht.)
Bsp. Wenn ich "Milch mitbringen" auf einem Zettel in der Jackentasche vergesse, wird mein Unterbewusstsein feststellen "ich wurde betrogen". Ich muss an die Milch denken.
Wenn ich aber einen Zettel "Milch mitbringen" an den Kühlschrank hänge, sehe ich diesen jeden Morgen. Selbst wenn ich keine Milch kaufe, weiss mein Unterbewusstsein "alles klar, muss ich mir nicht merken steht da und wird nicht vergessen".
(Wirklich sehr vereinfachte Darstellung des Prinzips).

Indirekte Kommunikation mit Betroffenen

Es haben wiederholt Betroffene im nachhinein erwähnt, dass sie die unverbindliche Kommunikation (z.b. per Brief/Postkarte) sehr zu schätzen wussten. Es war eine Botschaft ohne direkten Druck zu antworten. Ich persönlich würde mir gut überlegen was ich auf einer Postkarte mitteilen würde... (Thema Briefgeheimnis).
Ich habe bisher (gefühlt) gute Erfahrung mit kleinen netten Gesten (z.b. Blumen gekauft, zuhause auf den Tisch gestellt, Foto gemacht und per Whatsapp mit einer unverfänglichen Botschaft versendet "Ich wünsche Dir eine schöne Woche")
Auch das wurde vereinzelt im nachinein als Positiv bewertet.
Ich kann nur sagen dass es in kleinen Dosen / in unserem Fall / in ausgewählten Fällen "funktioniert" hat. Pauschalisieren kann man nicht.

Noch einen schönen Abend,
Sybilix
Zuletzt geändert von Sybilix am 25. Apr 2019, 21:52, insgesamt 2-mal geändert.
Columbia
Beiträge: 72
Registriert: 3. Mär 2018, 15:08

Re: Was mir hilft besser damit umzugehen - als Angehöriger

Beitrag von Columbia »

Hallo Sibilix,
vielen Dank für Deine Beiträge, die ich gerne gelesen habe. Ich glaube, dass viele Angehörige sich und ihre Situation in Deinen Beschreibungen wiederfinden. Mir geht es zumindest so. Am schwierigsten ist es ja, mit seinen eigenen Gefühlen zurecht zu kommen: Trauer, Verlustangst, Fassungslosigkeit, Wut, Schuldgefühle ... Auch ich arbeite daran, mich von meinen Erwartungen zu lösen, die alles nur schlimmer machen, wenn sie nicht erfüllt werden. Leider ist das gar nicht so einfach.
Ebenso komme ich nur schwer damit klar, dass mich mein (Ex-)Partner (er hat gesagt, dass er keine Beziehung mehr führen kann, ich nicht) so ganz aus seinem Leben ausschließt, er mit anderen aber durchaus kommunizieren und sie besuchen kann. Du hast in Deinem Beitrag erwähnt, dass das daran liegen mag, dass man als Partner kein Co-Therapeut sein kann. Das habe ich gar nicht vor. Aber ich verstehe einfach nicht, warum man seine langjährige Partnerin so ganz aus seinem Leben schleudern muss. Und wenn ich mir das dann verdeutliche, kommt Wut in mir auf. Das kennen bestimmt viele. Im nächsten Moment schämt man sich dafür, aber sie muss einfach raus.
Auch ich führe seit einiger Zeit Tagebuch, weil es mir hilft, die Fülle meiner Gedanken festzuhalten und zu ordnen. Manchen Gedanken wird man einfach auch nur los.
Ich bewundere Deine Zuversicht und finde es gut, dass Du trotz aller Probleme an Eure Beziehung glaubst. Leider merke ich, dass ich mit jedem Tag des Schweigens meines Partners mutloser werde. Ich liebe ihn, wäre gerne an seiner Seite, aber es wird nicht zugelassen. Also bleibt mir nichts anderes übrig, als Abstand zu halten, mein Leben zu leben und zu versuchen, alles zu verarbeiten.
Dir und Deiner Familie wünsche ich alles Gute!
Columbia
Sybilix
Beiträge: 79
Registriert: 11. Mär 2018, 23:58

Re: Was mir hilft besser damit umzugehen - als Angehöriger

Beitrag von Sybilix »

Hallo Columbia,

die Zeit ist ein Teufelchen und dein größter Freund zugleich. Die Angst bleibt.

Mit der Zeit wird es immer schwerer die Hoffnung an das Gute aufrecht zu erhalten. Außerdem sieht man ja nicht die (erhoffte) Verbesserung. Es kommen Verzweiflung und (zwangsläufig) neue Ängste hinzu:
Wird das ewig so weiter gehen?
Kann ich vermeiden, aus Selbstschutz früher oder später auf Distanz zu gehen?
Macht es überhaupt Sinn noch daran festzuhalten? etc etc.

Auf der anderen Seite ist die Zeit ein Freund. Man "gewöhnt" sich an die neue Situation, irrationales Verhalten erwischt einen nicht mehr unverhofft, auf viele Dinge kennt man nun schon eine Antwort bzw. weiss wie man (nach aktueller Erkenntnis) am besten (vermutlich) darauf reagiert.
Auch - vorausgesetzt man beschäftigt sich mit der Krankheit - weiss man womit man es zu tun hat. Man stellt fest "ich/wir sind nicht allein".

Zu den verschiedenen Ängsten die Du aufgeführt hast
Am schwierigsten ist es ja, mit seinen eigenen Gefühlen zurecht zu kommen: Trauer, Verlustangst, Fassungslosigkeit, Wut, Schuldgefühle ... Auch ich arbeite daran, mich von meinen Erwartungen zu lösen, die alles nur schlimmer machen, wenn sie nicht erfüllt werden. Leider ist das gar nicht so einfach.
Meine Glaubenssätze
Trauer - Es ist heilbar. Er/Sie ist nicht weg.
Warum bin ich traurig?
Wegen ihm/ihr oder wegen mir?
Was genau ist die Ursache?
Ein bestimmtes Verhalten, welches ich u.U. vermeiden kann oder (im Rahmen der Möglichkeiten) mit dem Partner/Betroffenen daran arbeiten könnte, dieses Verhalten zu vermeiden oder zu reduzieren (Dauer/Häufigkeit). Ist dieses Verhalten vom Betroffenen, welches mich so sehr verletzt u.U. eine Reaktion auf mein eigenes Verhalten?
Kann ich daran etwas ändern?
Kann ich den Auslöser für sein/ihr Verhalten ändern/vermeiden?

Es ist natürlich eine "traurige" Situation im weiteren Sinne, ich persönlich habe aber Trauer bisher nicht als Komponente der Ängste benennen können.

Verlustangst - Die bleibt. Die kann Dir keiner nehmen. Selbst die betroffene Person nicht. Wer etwas anderes behauptet... der lügt. Einzig das Verhalten/Interaktion kann Dir einen (berechtigen) Glauben geben, dass die Verlustangst unberechtigt sein könnte bzw. Du daraus Kraft zehrst diese besser zu handhaben.

Fassungslosigkeit - Worüber? Anfangs natürlich. Aber nach einigen Tagen/Wochen... was macht Dich noch Fassungslos? Es war schon da. Du kennst die Situation. Du/Ihr seid damit nicht allein. Die Reaktion oder Distanz des Partners:

Ich würde im übertragenen Sinne an einen Computer denken (die alten DOS Systeme). Stell Dir vor das Betriebssystem ist abgestürzt und kann nicht mehr richtig laden (z.B. Motherboard beschädigt bzw. eine Platinenverbindung ist durchgebrannt). Du siehst nur noch einen schwarzen, leeren Bildschirm. Da ist nichts außer Schwarz. (Schwarz/Dunkelheit ist von Natur aus negativ besetzt). Einzig ein kleiner, weißer blinkender Cursor, der hektisch blinkt und auf den nächsten Schritt wartet.
Nun versuch Dich in diese Situation zu versetzen. Würdest Du an Komplexe Interaktion (zwischenmenschliche Beziehung) denken? Könntest Du diese Verarbeiten? Nein, es fehlt die Basisumgebung.
Ohne Basisumgebung hast Du vermutlich auch keinen Zugriff auf (d)einen Speicher, Du kannst die normalen Standardbefehle/Operationen nicht mehr richtig interpretieren da die sonst installierten Programme nicht verfügbar sind/geladen werden. u.U. versuchst Du irgendetwas (verzweifelt, in der Hoffnung durch Zufall die richtige Lösung / Aktion auszulösen) ... es ist und bleibt willkürlich.

Wenn man nun den technischen Vergleich verlässt und auf die soziale Komponente zurückkommt, gelten immer noch viele der zuvor genannten Umgebungsparameter aber es kommen soziale Zwänge/ Erwartungen bzw. eigene Zwänge/Erwartungen hinzu.
Ich möchte den anderen nicht verletzten
Ich habe versagt (und schäme mich)
Ich kann den Erwartungen nicht entsprechen (und versuche daher die auslösende Situation zu vermeiden)
usw

Wut - Kommt immer wieder vereinzelt auf, insbesondere wenn kleine "Nadelstiche" unbewusst vom Betroffenen zu Dir gelangen.
Teils gehen diese mit ihrem Partner besonders schroff/dreist um, teils ist es auch einfach die eigene (enttäuschte) Erwartung dass Empfindung zu liebevollen Aktionen oder Worten führen müssten - es aber nicht tun.
z.B. eine Karte von Dir wird nicht beachtet, eine Karte von einem anderen Freund/Freundin ist auf einmal eine nette Geste.
Wenn es (wie bei uns) ums Besuchen geht, gehts um die Kinder und nicht um den Partner.
Aussagen wie "wäre Haus/Kinder/Hund oder xy nicht, wäre ich schon (temporär) ausgezogen"

Denke wieder an obigen Vergleich, es ist einfach die Unfähigkeit in der eigenen Umgebung mit diesen Situationen richtig umgehen zu können. Stell Dir vor Du gehst ohne Vorkenntniss auf eine Skiflugschanze, dass werden sehr viele, sehr schmerzhafte Bruchlandungen... und es kostet immense Kraft dies immer und immer und immer wieder (trotzdem) zu versuchen.
Ich habe es ihr auch gesagt - ich bin stolz auf Dich wie Du Dich mit der Situation auseinandersetzt, dass Du selbst aktiv wirst, dass Du Dir helfen lässt (wenn auch nicht von mir bzw. nur indirekt um alles andere als um Sie).

Schuldgefühlge - mal abgesehen von einer wirklich belastenden Partnerschaft (wovon ich hier in den meisten Fällen nicht ausgehen würde) sind diese schlicht fehl am Platz, auch wenn Sie sich von allein einschleichen.
Bist Du z.B. Schuld für ihre Arbeit?
Bist Du Schuld an z.b. einer schlechten/Schlimmen Kindheit?
Hättest Du an einem Schicksalsschlag etwas ändern/verhindern können?
Die meisten dieser oder ähnlichen Fragen werden sicher mit "nein" zu beantworten sein.
Die Schuld ist in den meisten Fällen daher unberechtigt.

Wenn wir nun auf den weiteren Verlauf der Krankheit blicken, kann es durchaus sein, dass dein/unser Verhalten schlecht für die betroffene Person sein kann.
Bedingt durch obige Ängste, insbesondere Verlustangst, versucht man instinktiv zu "klammern" oder einfach räumlich "nah" zu sein - was genau das Gegenteil bewirkt, da in den meisten Fällen größere Distanz zwingend notwendig ist.
Überzogene Fürsorge (die Person ist zwar krank, aber nicht unmündig) - kann auch zum Gegenteil führen, welches man eigentlich erreichen wollte. Das kann auch schon der Haushalt/Alltägliches sein, wo man sich nun "übermutternd" verhält.
Das Thema Mutter und diverse Muster (bemuttern, kontrollieren, überfürsorgliche Liebe etc) sind meinem Empfinden nach in den meisten Fällen für Betroffene zusätzlich belastend oder lösen "allergische" Abwehrreaktionen aus (auch wenn dies u.U. die gleichen Verhaltensweisen sind, die sich vorher in einer Beziehung etabliert hatten und akzeptiert waren).
Wieder s.o. - es gilt (wen auch hoffentlich nur temporär) eine neue Weltordnung.

Erwartungsmanagement
Eine kleine Übung für den Alltag:
Nimm eine Strecke von A nach B. Diese könnte ich, bei perfekter Verkehrslage in x1 (z.b. 30) Minuten erledigen. Wahrscheinlicher ist aber, dass man für diese Strecke x1+y (30+15) benötigt.
Wenn gerade eine Baustelle auf der Strecke liegt, man eine Umleitung fahren muss und noch eine zusätzliche Ampel Zeit kostet, erwartet man im besten Falle x2 (40). Realistischer ist aber x2+y (40+15).

Man MUSS seine Erwartung anpassen, weil der Frust sonst vorprogrammiert ist x1 (30) sind unrealistisch und mit der aktuellen (temporären) Situation NICHT ERREICHBAR.

Grundsätzlich liegt es immer noch an einem selbst, ob ich den Idealzustand oder den Normalzustand erwarte. Ich beeinflusse damit DIREKT meine Reaktion (positive oder negative "Überraschung") und zwangsläufig auch die damit verketteten Reaktionen anderer Personen.
z.B ich sage ich bin um 18 Uhr zurück, komme aber regelmäßig 15 Minuten zu spät... (genau das hab ich in der Vergangenheit leider falsch gemacht). Das ist etwas dass ich selbst in der Hand habe und sofort/in Zukunft besser machen kann.

Viel Erfolg und Durchhaltevermögen,
Sybilix
Zuletzt geändert von Sybilix am 18. Mär 2018, 22:11, insgesamt 1-mal geändert.
FrequentFlyer
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Registriert: 23. Dez 2017, 02:20

Re: Was mir hilft besser damit umzugehen - als Angehöriger

Beitrag von FrequentFlyer »

Hi Sibilix,

vielen Dank für deine Ausführungen. Ich hätte mir anfangs, als ich begann mich mit dem Thema Depressionen auseinanderzusetzen gewünscht, so kompakt und analytisch etwas zu finden was vor allem den Umgang mit dem Partner betrifft. Diese ganzen unterschiedlichen Aspekte habe ich mir über einen längeren Zeitraum hier im Forum, in Büchern, Zeitschriften (Wer hat nicht den Spiegel letzte Woche gelesen?), im Zwiegespräch mit anderen angeeignet. Es scheint auch tatsächlich kein ernst zu nehmender Ratgeber für Angehörige oder Partnern von an Depressionen erkrankten Menschen zu geben – vor allen Dingen auch einen wissenschaftlich fundierten Ratgeber. Ich selbst habe so meine Probleme mit Ratgebern mit dem Tenor: In zehn Schritten zum Erfolg. Auch hege ich den Verdacht, dass bei keiner Therapie das Umfeld eng mit einbezogen wird. Die Gründe dafür mögen in vielen Fällen auf der Hand liegen: Das Umfeld könnte auch der „Auslöser“, wenn dies überhaupt so Monokausal möglich ist, sein. Auslöser könnte auch die Unfähigkeit, die Erkenntnis des scheiterns der Beziehung sein – im Volksmund Liebeskummer genannt oder gesteigert eine Depression sein.
Für mich hat sich in den letzten Monaten ein wichtiger Aspekt herauskristallisiert: Wo stehe ich, wo stehe ich mit meinen Emotionen? Und macht es Sinn oder ist es überhaupt gut diese zurück zu nehmen zur Bewältigung und Überwindung einer angeblichen höheren Aufgabe, nämlich die Erkrankung unserer Partner? Meine (Ex)Partnerin ist ja nicht doof. Die weiß sehr wohl was ihr Rückzug für mich bedeutet und sie kennt mich auch, sehr gut sogar. Sie hat mich schätzen und lieben gelernt als jemand der zumindest versucht authentisch zu sein und nicht als jemand der, und ich übertreibe hier etwas, auf einmal als weichgespülter verständnisvoller Softie daherkommt. Der dann genau das macht was sie eigentlich nicht will – mein Verhalten total auf ihre Situation abzustimmen. Ferner gehe ich davon aus, dass sie im Gegensatz zu mir einen großen Erfahrungsschatz mit der Situation hat, zumindest sich schon seit längerem auch emotional damit beschäftigt hat. Kurzum, sie hat einen Vorsprung mir gegenüber. Versteh mich in diesem Punkt bitte nicht falsch, aber das Ende der Fahnenstange der Rationalität ist nun mal die Emotionalität. Vielleicht ein Beispiel hierzu: Ich habe vor einigen Jahren innerhalb sehr kurzer Zeit zwei mir nahestehende Personen durch Krebs verloren (Mutter und Schwester mit zwei kleinen Kinder). Ich war am Ende meiner Leistungsfähigkeit, ich war in tiefer Trauer. Meine damalige Frau hat intuitiv mir klipp und klar zu verstehen gegeben das ich für sie weiterhin attraktiv und begehrenswert bin, obwohl meine Libido so gut wie nicht vorhanden war. Dies bedeutete für mich auf der einen Seite Druck, auf der anderen Seite aber auch Gewissheit das da noch was da ist, weitreichender als "ich kann halt derzeit nicht" – jetzt am Beispiel der Libido verdeutlicht – es ging in Wirklichkeit um mehr. Oder anders: Wir können noch so viel rationalisieren, am Ende ist dies eine Herausforderung für unsere Emotionalität. Wir können alles richtig oder falsch machen. Und so könnte es sein, dass deine Frau genau weiß wie sehr du dies alles rationalisierst – sie kennt dich bestimmt gut. Und genau damit könntest du einen Druck erzeugen den du eigentlich gar nicht erzeugen willst. Und mal ganz ehrlich und nimm es bitte nicht persönlich. Wenn mich (und ich gehe davon aus, dass ich so halbwegs seelisch gesund bin) jemand mit einem emotionalem Thema wie etwa Liebe mit Rationalität begegnet und dies alles analytisch betrachtet und diesbezüglich auch noch meinen Standpunkt (vermeintlich) betrachten... ich würde rennen – so schnell ich kann. Wo wäre da mein Platz um meine Seele atmen zu lassen? - es ist ja alles von dir schon analysiert und katalogisiert worden. Eine sehr provokative Frage hierzu? Haben Menschen in deiner Nähe die Chance sich selbst emotional zu entwickeln? Oder erdrückst du sie mit deinen Analysen? Ich glaube ich kann mir diesbezüglich ein Urteil erlauben. Ein Stück weit ticke ich ähnlich. Aber irgendwann habe ich für mich erkannt: Ich bin blind für die Emotionen anderer. Absolut blind. Denn meine Analyse hat nichts mit der Analyse irgendeines anderen Menschen auf dieser Welt zu tun.
Ich für mich habe erkannt, dass ich mich selbst nicht verrate, mich selbst nicht verleugne, mich nicht verstelle. Ich werde meine eigene Hilflosigkeit nicht verbergen. Ich werde meiner Freundin die fünfzig Rosen zum Geburtstag schicken, obwohl sie diese nicht will. Warum? Weil das ich bin. Und das weiß sie, so kennt sie mich!

LG
Columbia
Beiträge: 72
Registriert: 3. Mär 2018, 15:08

Re: Was mir hilft besser damit umzugehen - als Angehöriger

Beitrag von Columbia »

Hallo Sibilix und FrequentFlyer,

ich habe Eure Beiträge gelesen. Eine Depression lässt nicht nur die Welt des Betroffenen aus den Fugen geraten, sondern auch die der Angehörigen. Kein Wunder also, dass man versucht, für das irrationale Verhalten der depressiven Partner rationale Erklärungen zu finden. Man liest, tauscht sich aus, möchte Klarheit und stellt immer wieder fest, dass man an seine Grenzen stößt. Zu komplex ist das Krankheitsbild, als dass man dieses wirklich erschließen könnte, den Betroffenen selbst geht es wohl ähnlich.
Was also tun? - Ich kann momentan nur meinen Impulsen folgen und meine Gefühle zulassen, da sie sich rational nicht bändigen lassen. Sibilix, Du warst überrascht, wie man nach mehreren Tagen oder Wochen noch fassungslos sein kann. Ich bin es nach wie vor, eben weil ich trotz aller rationaler Erklärungsversuche die Krankheit und ihre Auswirkungen nicht wirklich fassen, also begreifen kann. Auch meine Traurigkeit über die Situation an sich lasse ich einfach zu und weiß, dass meine zeitweilige Wut, die mit Tränen einhergeht, nur eine Ausdrucksform dieser Trauer ist. Natürlich würde ich mir wünschen, dass ich mich besser im Griff hätte, aber das scheint nicht so leicht zu sein und deshalb will ich meine Gefühle auch nicht unterdrücken und versuche, sie nicht mehr zu bewerten. Mit Sätzen wie "Musst du schon wieder heulen!" oder "Das Leben geht weiter!" (Natürlich ist der Satz richtig.) mache ich mich nur selber fertig. Auch bin ich aktuell nicht in der Lage, mir zu vergegenwärtigen, was ich alles aus dieser Krise lernen kann. Da ich bereits die Lebensmitte erreicht habe, kann ich auf frühere Krisen zurückschauen und mich erinnern, wie ich sie damals bewältigt habe. Es waren aber andere Krisen und jede neue scheint eine neue Herausforderung zu sein, sonst könnte ich vielleicht jetzt mit mehr Erfahrung an die aktuelle herangehen. Es ist aber ebenfalls verständlich, dass Menschen negativen Erlebnissen etwas Positives abgewinnen wollen, um durchzuhalten: Wer weiß, wozu es gut ist ... Rückblickend weiß man es dann.
Ich finde es gut, FrequentFlyer, dass Du Deiner Partnerin die Rosen schenken willst, ohne wenn und aber. Sie sind ein Zeichen Deiner Liebe und ich wünsche Dir, dass sie als solches gesehen werden.
Ich war an diesem Wochenende unterwegs und habe meinem Partner eine Nachricht geschickt. Er hat kurz darauf geantwortet, ist wieder zu Hause und hat mir eine schöne Zeit gewünscht. Sind meine Erwartungen nun erfüllt worden? Einerseits ja, denn er hätte auch nicht reagieren oder mich zurechtweisen können, dass ich ihm nicht mehr schreiben soll. Andererseits war das nun die dritte Nachricht, die von mir ausging und auf die lediglich reagiert wurde. Darf ich erwarten, dass er sich wieder einmal bei mir (von sich aus) meldet oder ist das zu viel verlangt? Wenn ich mich nicht mehr melde, wird das dann als Desinteresse interpretiert? Und genau das ist es: Man kann diese Krankheit nicht wirklich begreifen. Und so schwankt man zwischen Hoffnung und Mutlosigkeit.
Wenn es heißt, dass die Krankheit im Schnitt in Wellen von 6 bis 8 Monaten verläuft, dann mag das statistisch richtig sein. Was aber sagen diese Zahlen wirklich über den Einzelfall aus? So ähnlich die Verhaltensmuster sein mögen, unsere Partner sind Individuen, die vor der Erkrankung Stärken und Schwächen hatten. Diese Persönlichkeitsmerkmale sind auch nicht weg, sondern vielleicht überdeckt von der Krankheit. Auch wird es einen wesentlichen Unterschied machen, wie der Einzelne mit seiner Krankheit umgeht: Akzeptiert er sie? Kann er sich gut auf die Therapie einlassen? Kann er das während der Therapie Erlernte auch später umsetzen? Entdeckt er während der Therapie neue Seiten an sich und will dann vielleicht ein neues Leben leben und nicht mehr in das alte und zu den altvertrauten Menschen zurückkehren? usw.
Viele offene Fragen.
LG Columbia
sunshine00
Beiträge: 13
Registriert: 9. Nov 2017, 21:54

Re: Was mir hilft besser damit umzugehen - als Angehöriger

Beitrag von sunshine00 »

@Columbia
...und welche Personen/Therapeuten umgeben und begleiten ihn und in welche Richtung lenken sie ihn?

Eure Gedanken und Überlegungen sprechen mir aus der Seele und tief aus dem Herzen.

LG sunshine
Sybilix
Beiträge: 79
Registriert: 11. Mär 2018, 23:58

Re: Was mir hilft besser damit umzugehen - als Angehöriger

Beitrag von Sybilix »

Hallo zusammen,

ich habe den Beitrag von FrequentFlyer heute morgen gelesen ... und er lässt mich den ganzen Tag nicht los.
Es ist nicht zum ersten Mal, dass ich ähnliches höre. Natürlich kommen da Emotionen hoch, wie z.b. Wut (Missverstanden zu werden) oder Enttäuschung (mich falsch ausgedrückt zu haben) aber ich bin letztlich dankbar darum, manchmal "knallhart" die Fremdwahrnehmung gespiegelt zu bekommen.

Mir geht es beleibe nicht darum diese Krankheit / Zustand / Symptome tod-zu-analysieren. Es ist lediglich meine (ganz persönliche Art) auf unsere/meine Situation zu reagieren.

Insbesondere als die Zweifel an der Beziehung (offen in den ersten Tagen ausgedrückt) mir an den Kopf geworfen wurden, war ich tagelang wie gelähmt. In blassen Ansätzen ähnliche Symptome wie Sie von Betroffenen beschrieben werden:
Appetitlosigkeit, Antriebslosigkeit, kein Freudempfinden, kein Interesse an Körperlichem/Libido etc etc.

Ich habe versucht es durch Gespräche mit (sehr) guten Freunden, mit (Ex)Betroffenen (unglaublich wie hoch die nicht öffentlich genannte Dunkelziffer ist) und Erklärungsversuchen durch Internetrecherche und z.b. hier im Forum lesen versucht zu verarbeiten.
Anfangs war es ein wirres "wie ein aufgescheuchtes Huhn" durch die Gegend (mindestens Gefühlstechnisch) rennen.
Ich habe mich dann darauf besonnen, was ich am besten kann: Dinge analysieren, Szenarien durchspielen und ggf. Pläne parat legen, mit dem Ziel die Angst zu reduzieren oder loszuwerden und mindestens mit dem Ziel meinen "Stresslevel" zu senken. Ursache war auch ein Betroffener der meinte "Setze Dich bewusst mit dem worst-case auseinander, auch wenn er Dir nicht gefällt, auch wenn es schmerzahft ist". Ich dachte ja ich könnte es einfach so lange wie möglich übermalen... mein Unterbewusstsein hat mich eines besseren belehrt.

Meine Frau hat mir vor Jahren mangelnde Fähigkeit Emotionen auszudrücken attestiert. Mittlerweile scheinen wir die Rollen getauscht zu haben.

Meine Intention hinter diesem Thread war zweideutig:
Eindeutiges Eigeninteresse, durch Mitteilen verarbeiten in der Hoffnung/Erwartung gehört (gelesen) zu werden.
Zum Zweiten um Anderen ggf. "das Leben leichter zu machen" durch - wie Du es richtig auf den Punkt gebracht hast:
Ich hätte mir anfangs, als ich begann mich mit dem Thema Depressionen auseinanderzusetzen gewünscht, so kompakt und analytisch etwas zu finden was vor allem den Umgang mit dem Partner betrifft.
Weiterhin erhebe ich keine Pauschalgültigkeit und auch nicht den Vorwurf, wenn jemand anders empfindet (Fassungslosigkeit) o.ä. Ich schildere hier nur, dass ich das (bisher) vermeiden konnte bzw. sich schnell abstellen lies. Es liegt aber an der individuellen Situation (schnelle Behandlung, schnelle Intensivierung der Behandlung etc) und an dem Punkt, dass ich hier sicher in "guten" Zeiten schreibe. D.h. gefasst und (meist) guter Dinge bin. Das schlägt sich dann auch auf den Schreibstil nieder. (Damit möchte ich nicht sagen dass das nur 10% des Tages so ist).

In einem Punkt bin ich doch Fassungslos, nämlich sehe ich das auch so:
Auch hege ich den Verdacht, dass bei keiner Therapie das Umfeld eng mit einbezogen wird. Die Gründe dafür mögen in vielen Fällen auf der Hand liegen: Das Umfeld könnte auch der „Auslöser“, wenn dies überhaupt so Monokausal möglich ist, sein. Auslöser könnte auch die Unfähigkeit, die Erkenntnis des scheiterns der Beziehung sein – im Volksmund Liebeskummer genannt oder gesteigert eine Depression sein.
Warum wird ein Partner, der ggf. den/die Betroffene schon aus ganz anderen Krisen geholt hat, ggf. dessen Selbstwertgefühl aufgebaut oder überhaupt erst ermöglich hat, nicht in eine (ganzheitliche) Therapie einbezogen? Warum erst so spät? Gäbe es keine Möglichkeit über einen Test/Einzelgespräch mit dem Partner o.ä. das früher zu evaluieren und den Partner früher in die Therapie einzubinden?
Wäre das nicht eine Win-Win Situation? Es gibt kaum jemanden der die betroffene Person besser kennt, es hätte unmittelbar positive Aspekte für Angehörige (Unwissenheit reduzieren / Beseitigen, das offen bekundete "Gebraucht zu werden", "Helfen dürfen", "eine besondere Rolle übernehmen", kaum jemand hätte solch ein Interesse an der Genesung des Betroffenen?).
Für mich hat sich in den letzten Monaten ein wichtiger Aspekt herauskristallisiert: Wo stehe ich, wo stehe ich mit meinen Emotionen? Und macht es Sinn oder ist es überhaupt gut diese zurück zu nehmen zur Bewältigung und Überwindung einer angeblichen höheren Aufgabe, nämlich die Erkrankung unserer Partner? Meine (Ex)Partnerin ist ja nicht doof. Die weiß sehr wohl was ihr Rückzug für mich bedeutet und sie kennt mich auch, sehr gut sogar. Sie hat mich schätzen und lieben gelernt als jemand der zumindest versucht authentisch zu sein und nicht als jemand der, und ich übertreibe hier etwas, auf einmal als weichgespülter verständnisvoller Softie daherkommt. Der dann genau das macht was sie eigentlich nicht will – mein Verhalten total auf ihre Situation abzustimmen. Ferner gehe ich davon aus, dass sie im Gegensatz zu mir einen großen Erfahrungsschatz mit der Situation hat, zumindest sich schon seit längerem auch emotional damit beschäftigt hat. Kurzum, sie hat einen Vorsprung mir gegenüber.
Dazu fällt mir ein: Diese Entscheidung habe ich rein emotional aus dem Bauch heraus getroffen. Ich will diese Frau, egal wie es ihr geht, egal wie sie (temporär) mit mir umgeht. Rational wäre die Entscheidung sicher genau 180° anders...
Deine Schilderung hat aber schon fast etwas vorwurfsvolles, Du unterstellst Sie wüsste was Sie Dir antut, dass Sie dies und jenes nicht von Dir verlangen kann. Auch dass Sie Erfahrungen (in schlechten Zeiten) anwenden kann.
Auch wenn ich (glücklicherweise) selbst sowas nie durchlebt habe, stelle ich mir vor dass all diese Programme und Fuktionen in einer schlechten Zeit bei Ihr fehlen. "Da ist nichts" ... "Es ist ihr egal". Du erwartest von Ihr etwas, dass Sie nicht im Stande ist zu vollbringen.

Den weiteren Part würde ich zu gerne kommentieren, ich würde aber nur in Verteidigung und Erklärung verfallen (weil es mir aus unerfindlichen Gründen nicht möglich erscheint rein rational zu antworten), was keinem nützt und an der Intention des Post vorbeigeht (zumindest der ursprünglichen :) )

Einen kleinen Ausflug: Ich habe mich mit Systemtheorie (ansatzweise) beschäftigt. Was sind Systeme. Warum existieren Sie etc. Unter anderem ging es um Terrorismus. Wertfrei über Terrorismus diskutieren. Eine wirklich extravagante und doch lehrreiche Übung. Es ist immens schwer das wertfrei zu diskutieren.
Außerdem findet man Erklärungsmuster, für ganz alltägliches (z.b. Wenn ich x/y als Ansprechpartner ersetze, verbessert sich der Service? Nein, weil die neue Person vom System entweder "eingenordet" wird oder "ausgesondert" wird. D.h. das System wird nur akzeptiertes Verhalten tolerieren). Wunderbares Thema um entspannter durchs Leben zu gehen, wenn man sich darauf einlässt und wirklich den Kern begreifen kann.

Worauf ich hinaus will: Das meiste Verhalten (insbesondere welches uns direkt wiederfährt) wird gewertet anhand gesellschaftlicher Norm oder individueller Erwartung.
Wenn ich das Verhalten was mir wiederfährt in meinen Kontext setze, ist es verletzend.
Wenn ich das Verhalten in den Kontext der Person setze, welche es ausführt, kann es sein dass es ganz anders interpretiert werden kann, gar MUSS. z.B. Kausal auf eine äußere Einwirkung und nicht mit böser Absicht selbstinitiert.
Wer war der Initiator des Verhalten? Wessen Kontext sollte ich zu einer "sauberen" Interpretation heranziehen? Richtig, der anderen Person.

Im Übrigen kaufe ich auch Blumen, obwohl mir eindeutig gesagt wurde "das könne ich mir sparen". Rational würde ich das Geld sparen, emotional ist es mir wichtig es trotzdem zu tun...
(Früher hätte ich rational Geld gespart. Derlei Erkenntnis bewerte ich für mich als Positiv, auch wenn es sein kann dass die Erkenntnis zu spät kam und am Ende nutzlos für den von mir gewünschten Ausgang des Ganzen war.)

Jetzt gesellt sich noch eine tolle Ergänzung von Columbia hinzu:
Sibilix, Du warst überrascht, wie man nach mehreren Tagen oder Wochen noch fassungslos sein kann. Ich bin es nach wie vor, eben weil ich trotz aller rationaler Erklärungsversuche die Krankheit und ihre Auswirkungen nicht wirklich fassen, also begreifen kann.
Wäre ich auch, wenn meine Frau die Krankheit trotz aller Anzeichen nicht als solche erkennen würde. Wäre ich auch wenn z.b. der Arzt ihr einfach ein Hormonpräparat verschreiben würde (ähnlich früher Frauenärztin: "Ich vertrage die Pille nicht, ich nehme zu" "Na dann machen Sie doch FDH!"). Wäre ich auch wenn Sie Wochen- und Monatelang auf einen Therapieplatz warten müsste. Wäre ich auch wenn...
Wie oben erwähnt: Ich beschreibe meine Situation, meine Erfahrung als Anhaltspunkt wie es ein KANN, was helfen KANN - niemals MUSS. Wenn es falsch rüberkam - mein Fehler, entschuldigt bitte.
Natürlich würde ich mir wünschen, dass ich mich besser im Griff hätte, aber das scheint nicht so leicht zu sein und deshalb will ich meine Gefühle auch nicht unterdrücken und versuche, sie nicht mehr zu bewerten. Mit Sätzen wie "Musst du schon wieder heulen!" oder "Das Leben geht weiter!" (Natürlich ist der Satz richtig.) mache ich mich nur selber fertig.
Solche Sätze hat mir zum Glück keiner gesagt. Ich denke nur "die Welt dreht sich weiter" ... mit oder ohne mir (hoffentlich mit).
Die Gefühle habe ich anfangs versucht pauschal/dauerhaft zu unterdrücken ... keine gute Idee. Nun versuche ich diese zu kanalisieren, in Gesprächen mit guten Freunden, wenn ich meine Ruhe habe (Musik o.ä.), Tagebuch etc. Ich habe den Eindruck, in dem Moment wo ich mich aktiv mit ihnen, zu von mir gewählten Zeitpunkten auseinandersetze, lassen diese mich den Rest des Tages in Ruhe. (bisher).
Auch ist diese Art der Erkrankung nichts Positives als solches, ich versuche nur die (wenigen) positiven Aspekte aus dem Grauschleier "ans Licht" zu holen und mehr Fokus zu geben.
Eine Art Gegengewicht zu den Nachteilen um das Gleichgewicht wieder herzustellen.
Es ist ein immenser Druck - Druck für Veränderung. Und genau das ist es. Veränderung temporär - und aus heutiger Sicht - auch dauerhaft. Idealerweise mit Partnerin ein (neues) Leben führen, im traurigsten Fall ohne Sie.
Ich rede mir ein (und nichts anderes ist es) dass unter anderen Umständen die Form der alltäglichen Partnerschaft auf ein "auseinanderleben/nebeneinanderherleben" hätte hinauslaufen können.
Ganz still. Ganz schweigend. Wenn ich eins mit Sicherheit sagen kann, dann dass dies so nicht mehr vorkommen kann.
Die Erkenntnis, dass ein rationaler Mensch (vielleicht ja auch übereifriger Selbstschutz? Meine Kindheit war auch nicht tadellos) viel emotionaler ist, als er es sich vorher eingestehen wollte.
Ich würde es vergleichen mit "die Liebe (neu) lernen".

Durch viele alltägliche Situationen (man muss häufig Dinge für den Betroffenen übernehmen) kann man sich neu/besser in die Person hineinversetzen, was für die Zeit nach der Erkrankung immens hilfreich sein kann, im angemessenen Maß Verständnis zu haben.
Ich war an diesem Wochenende unterwegs und habe meinem Partner eine Nachricht geschickt. Er hat kurz darauf geantwortet, ist wieder zu Hause und hat mir eine schöne Zeit gewünscht. Sind meine Erwartungen nun erfüllt worden? Einerseits ja, denn er hätte auch nicht reagieren oder mich zurechtweisen können, dass ich ihm nicht mehr schreiben soll.
Ähnliches bei uns. Würde ich persönlich (emotional) positiv sehen. Es hätte knapper sein können oder gar nichts kommen können. Die Antwort liefert aber auch folgendes...
Andererseits war das nun die dritte Nachricht, die von mir ausging und auf die lediglich reagiert wurde. Darf ich erwarten, dass er sich wieder einmal bei mir (von sich aus) meldet oder ist das zu viel verlangt? Wenn ich mich nicht mehr melde, wird das dann als Desinteresse interpretiert? Und genau das ist es: Man kann diese Krankheit nicht wirklich begreifen.
Eine (Ex)betroffene Kollegin schilderte mir zum gleichen Sachverhalt, ganz hart. "Lass Sie in Ruhe. Ganz. Lass Sie kommen. Lass Sie den ersten Schritt machen. Die kommt von ganz allein. Mich hat es damals tierisch genervt, dass mein Partner mich mit Zeug zugemüllt hat. Ganz sein lassen".
Ich wollte das nicht hören. Ich wollte es ihr nicht glauben (wollte es emotional nicht, weil rational ganz einfach). Und trotzdem bemühe ich mich nach Leibeskräften NICHT den ersten Schritt/die erste Nachricht o.ä. zu gehen. Und ja... es tut "weh" aber: Es kommt auch was, von Ihr aus. Sporadisch. Ungeplant. Aber es kommt. Ich behaupte zu keiner Zeit dass es bei euch ähnlich sein muss. Ich für mich habe entschieden "einen Versuch ist es Wert", allein schon mangels besseren Wissens.
Wenn es heißt, dass die Krankheit im Schnitt in Wellen von 6 bis 8 Monaten verläuft, dann mag das statistisch richtig sein. Was aber sagen diese Zahlen wirklich über den Einzelfall aus?
Auch diese Ungewissheit quält mich. Ich weiss nur es ist endlich. Aber das Ende kenne ich nicht bzw. das wann. Noch nichtmal das wie.
Entdeckt er während der Therapie neue Seiten an sich und will dann vielleicht ein neues Leben leben und nicht mehr in das alte und zu den altvertrauten Menschen zurückkehren? usw.
Das ist die größte aller Sorgen/Ängste: Wenn alles "umsonst" wäre. Wenn es alle guten Bemühungen nicht vermögen wieder eine gemeinsame Basis zu schaffen, selbst eine neue Nicht.
Das wäre der SuperGAU. Einziger, lächerlicher, nutzloser Trost: Die Ungewissheit im Bezug auf die Person wäre weg.

Und nun, weil ich zu lange getippt habe zwischenzeitlich von Sunshine
...und welche Personen/Therapeuten umgeben und begleiten ihn und in welche Richtung lenken sie ihn?
Das weiss ich nicht. Da lässt sie sich nicht in die Karten sehen. Daher muss ich meinen Erklärungsversuch generell, mit ihren Verhaltensmustern im Sinn "drumherum" bauen.
S.o. bzw. von FreuquentFlyer - Partner werden, wenn überhaupt, oft erst spät in die Therapie eingebunden.

Ich hoffe ich konnte etwas mehr Emotion rüberbringen als zuvor, es ist auch keine Aneinanderreihung von ErkläungsVERSUCHEN und auch weniger strukturiert.

Einen schönen, restlichen Abend zusammen.
Sybilix
Columbia
Beiträge: 72
Registriert: 3. Mär 2018, 15:08

Re: Was mir hilft besser damit umzugehen - als Angehöriger

Beitrag von Columbia »

Hallo Sibilix,
ich finde, dass Du in Deinem letzten Beitrag sehr gut erklärt hast, wie Du versuchst, mit Deiner/Eurer Situation umzugehen. Letztlich greifen wir in problematischen Situationen auch immer auf das Handwerkszeug zurück, das uns vertraut ist und sich in der Vergangenheit bewährt hat. Und dazu gehört nun einmal - schon berufsbedingt -, dass wir rational vorgehen. Taucht im Alltag ein Problem auf, versuchen wir, darüber nachzudenken, uns Klarheit zu verschaffen und mit der Hilfe unseres Verstandes eine Lösung zu finden. Zumindest ist das bei mir so. Selten entscheide ich aus dem Bauch heraus, da muss es schon so sein, dass mir keine Zeit bleibt und ich spontan entscheiden muss. Aber die Regel ist das nicht. Daher fällt es mir auch gar nicht leicht, mit einer irrationalen Situation, die den üblichen Gesetzmäßigkeiten nicht mehr folgt, umzugehen.
Bestimmt kennst Du auch den Satz "Kein Mensch ist eine Insel." Ich habe den Eindruck, dass dies auf an Depressionen erkrankte Menschen nicht unbedingt zutrifft. Mein Partner scheint durchaus eine Insel zu sein, die Menschen in seinem Umfeld sind allenfalls mehr oder weniger weit entfernte Nachbarinseln. "Meine Insel" ist vermutlich eher weiter von seiner entfernt. Ohne zu wissen, was während Therapiegesprächen genau vor sich geht, stelle ich mir vor, dass die "Hauptinsel" im Mittelpunkt steht. Ich weiß nur, dass mir mein Partner vor ca. einem Monat gesagt hat, dass er verschiedene Dinge ausprobieren soll, zum Beispiel den Austausch mit anderen Betroffenen. Ich glaube nicht, dass das der einzige Ratschlag des Therapeuten war. Damals meinte mein Partner allerdings auch, dass diese Gespräche mit dem Therapeuten nicht viel bringen würden, wobei diese ablehnende Haltung vielleicht auch wieder krankheitsbedingt ist. Unbekannt ist mir natürlich auch, was mein Partner dem Therapeuten erzählt. Ja, es ist schade, dass man als Angehöriger und damit Teil des Gefüges nicht wenigstens teilweise in die Therapie einbezogen wird. Da nimmt man eher in Kauf, dass sich Angehörige selbst einen Therapeuten suchen, was in diesem Forum des Öfteren zu lesen ist.
In den letzten beiden Tagen merke ich, wie ich mich allmählich an die neue Situation gewöhne. Das heißt nicht, dass ich sie gut finde und nicht mehr traurig bin, aber ich kreise nicht mehr den ganzen Tag um dasselbe Thema. In den ersten Tagen/Wochen spukte mein Partner selbst während der Arbeit in meinem Kopf herum. Ich hoffe, dass mir das in der nächsten Zeit noch besser gelingt, weil mir einfach diese "Auszeit" gut bekommt und mir hilft, mich innerlich etwas zu distanzieren. Ich schließe allerdings nicht aus, dass es wieder Tage geben wird, an denen ich einfach nur niedergeschlagen und den Tränen nahe bin. Diese Tage werde ich dann durchstehen müssen.
Liebe Grüße
Columbia
schlumpfbär
Beiträge: 9
Registriert: 24. Jun 2017, 18:20

Re: Was mir hilft besser damit umzugehen - als Angehöriger

Beitrag von schlumpfbär »

Hallo liebe Leidensgenossen,
Ich bin überaus fasziniert, wie sich unsere Geschichten ähneln. Erst hier hab ich richtig verstanden, dass das ein Großteil des Verhalten meiner Frau in den letzten Jahren mit ihrer Depression zusammen hängt. Dies hat mir schon sehr geholfen.

Meine Situation
- Wir sind seit fast 19 Jahren zusammen und haben 2 Kinder (7 + 4).
- Meine Frau war Mitte 2015 aufgrund der Doppelbelastung mit 2 Kindern und einen davon sehr anstrengend (weil Hochintelligent und ständig unterfordert), desweiteren waren die Kinder und ich ständig krank, schon im Burnout.
- zu Weihnachten 2015 ist mein Bruder gestorben, meine Frau hat die Polizei empfangen :-(
- Im Frühjahr darauf ist dann eine sehr wichtige Freundin und sehr wichtige Bezugsperson für uns und vor allem für meine Frau ebenfalls gestorben.

All dies hat dann tatsächlich bei meiner Frau schleichend endgültig zur Depression geführt.
Ich möchte auch nicht verschweigen, dass ich seit Jahren an einer leichten Depression leidete.

Sie hat in dem Jahr noch versucht für mich da zu sein und ist meinen Bedürfnis nach Nähe (Umarmungen etc. ) entgegen gekommen.

Doch das Jahr war schon von leichten Konflikten geprägt und sie hat sich in der Zeit immer mehr von mir zurückgezogen. Hier war mir und ihr glaube ich auch nicht bewusst, dass sie eine Depression hat.

Zum ersten Jahrestag vom Tod meines Bruders kam es dann zur Eskalation. Meine Frau konnte kein Mitgefühl zeigen oder hat auch nur einmal nachgefragt wie es mir geht. Da bin ich selbst zusammengebrochen, aufgrund der Trauer um meinen Bruder und der Verletzung durch meine Frau (Mir war die D immer noch nicht bewusst). Ich wurde zum ersten Mal in unserer Beziehung laut und seither hatte unsere Beziehung endgültig einen Knacks und die Fassade konnte nicht mehr aufrecht erhalten werden.

Im folgenden Jahr haben wir versucht unsere Beziehung wieder zu kitten, aber haben das Thema Depression aus den Augen gelassen bzw. nicht für die Gefühlskälte etc. in Betracht gezogen.

Meine Frau hat mir dann im Frühjahr offenbart, dass sie es kaum noch aushält neben mir zu schlafen. Sie braucht ihren Freiraum um sich zu "finden". So hat sie in unserem Schlafzimmer ihr Zimmer eingerichtet. Für mich war das ein Tritt in die Magengegend. Aber ich habe wie ihr auch versucht alles zu machen um die Beziehung zu retten und bin für ein halbes Jahr ins Wohnzimmer gezogen. Gleichzeitig hat sie offenbart, dass sie ersten generell kaum noch was fühlt und auch mir gegenüber zwar noch Liebe empfindet, aber nicht mehr so wie ich mir das wünsche.

Für mich war es die Hölle. Ich brauche Nähe wenn es mir schlecht geht meine Frau Abstand...

In dem Jahr haben wir sehr viel gestritten. Problem ist wir haben hier wieder unterschiedliche Bedürfnisse. Wenn was in meiner Seele brennt möchte ich es mit meiner Frau ausdiskutieren sie möchte am liebsten gar nichts reden bzw. keine Probleme ansprechen. "Lass uns einfach normal sein" :roll: Aber natürlich ist nichts normal...

Ich hatte auch noch andere Parallelen wie ihr. Ich möchte keine Blumen mehr von dir etc.

Vor Weihnachten dieses Jahres haben wir uns irgendwie zusammengerauft und haben uns wieder relativ gut verstanden und haben als Eltern und Paar einigermaßen gut funktioniert. Wir hatten einfach panische Angst vor Weihnachten, dass es wieder so eskaliert. Doch danach hat sich meine Frau wie von mir vorab befürchtet wieder zurückgezogen.

In den letzten Wochen in Hinblick auf den zweiten Todestages unserer Freundin hat sie sich wieder immer weiter zurückgezogen. Kein freundlicher Blick, keine Berührung - Kälte. Für mich war es unerträglich und ich sagte ihr ich kann so nicht weitermachen. Prompt 3 Tage später sagt sie mir, dass sie sich nicht mehr vorstellen kann jemals wieder Sex zu haben. Mit mir oder jemand anderen. Als würde Sie oder die Krankheit es darauf anlegen mich aus der Beziehung zu treiben.
Gleichzeitig sagt sie, dass sie nicht unsere Beziehung beenden möchte. Aber sie sagt auch, dass sie mich verstehen würde, wenn ich aus der Beziehung fliehen möchte.

Sie hat auch schon Mitte des Jahres eine Kur beantragt, wurde natürlich abgelehnt. Auch besucht sie seit November 2016 eine psychologische Heilpraktikerin. Sie kann sich bei ihr sehr gut öffnen aber ich sehe keinen richtigen Fortschritt.

Für mich war bis in den letzten Tagen nicht wirklich klar, dass ihr Verhalten mit der Depression zu tun hat. Das hilft mir sehr es nicht mehr so persönlich zu nehmen. Danke an euch und das Forum!!

Ich werde jetzt versuchen sie weiter zu unterstützen sich noch intensiver unterstützen um eine Kur etc. zu kümmern. Auch das Thema Erwartungshaltung war für mich eine Hilfe.

Keine Ahnung ob das hier noch jemand etwas gebracht hat außer mir...

Trotzdem Danke

Schlumpfbär
Sybilix
Beiträge: 79
Registriert: 11. Mär 2018, 23:58

Re: Was mir hilft besser damit umzugehen - als Angehöriger

Beitrag von Sybilix »

Hallo zusammen,

es sind ein paar Tage vergangen und ich bin gedanklich und emotional ein deutliches Stück vorwärts gekommen.

Ein Kollege hat mir einen Hinweis auf das "human-givens" modell gegeben, ein Ansatz der in England/Irland verbreitet ist und sich - ganz vereinfacht - auf den Schlaf konzentriert.
Annahme: Man versucht mit einem größeren Anteil an Tiefschlaf (verzweifelt) gewisse Ereignisse/Umstände/Gedanken (vergebens) zu verarbeiten. Dadurch fehlt der benötigte leichte Schlaf zur körperlichen Erholung. Da sich die "Aufgaben" stapeln ist eine Art Teufelskreis. Es fehlt die Kraft, man verstrickt sich in "bösen Träumen/Gedanken". Die Spitze des Eisbergs ist dann Mitten in der Nacht aufwachen = aus den Träumen flüchten.

Ich dachte erst "HokusPokus"... dann bin ich vor wenigen Tagen eher zufällig über die App meiner SmartWatch mit Schlaftracking gestolpert und habe mir die Schlafprofile angesehen. Leider hatte ich Ende 2017-Feb 2018 aufgrund kleinerer Probleme diese aus = keine Daten.
Die letzten Wochen sehen aber deutlich anders aus, als noch vor einem halben Jahr (=größer Tiefschlafanteil).
Gepaart mit dem Aufwachen aus den (Alp-)träumen sind daher meine "Alarmglocken" angegangen, schließlich möchte ich nicht auch in eine (zumindest leichte) Depression abrutschen.

Außerdem hatte ich mir (wegen meiner eigenen Verlustängste) folgendes Buch gekauft:
Die neue Medizin der Emotionen: Stress, Angst, Depression: Gesund werden ohne Medikamente
Ich bin noch am Beginn, es ist aber ganz grob eine Symbiose aus Darwin und Freud. Es geht um zwei getrennte Hirne, das innere limbische, welches eng mit sämtlichen Körperfunktionen verbunden ist (weil es diese steuert) und auch für Emotionen zuständig ist. Und das rationale (Neokortex). Beide sind unabhängig, können sich aber in bestimmten Situationen gegenseitig "abschalten/ausblenden".

Beispiel: Man fährt mit dem Auto auf der Autobahn, unterhält sich und achtet nur unterbewusst auf den Verkehr. Es tritt unverhofft eine gefährliche Situation ein. Das limbische Gehirn übernimmt die volle Kontrolle und stellt alles andere (temporär) ab. Übertragen handelt es sich um Angst/Gefahrensituation.
Wen es interessiert was das alles auslöst = Angst(forschung). Dort wird das super erklärt, was alles ausgelöst wird (Verdauung eingestellt = kein Appetit, Libido wird "abgeschaltet", Immunsystem hochgefahren etc etc).

Viele der Symptome findet man letztlich auch bei der Depression wieder.

Ich möchte gar keine Kausalität unterstellen, aber das Prinzip des "Abschalten" des rationalen Denkens hilft u.U. ungemein um zu verstehen warum Betroffene "nichts mehr auf die Reihe bekommen".

Auch wird von einem Gleichgewicht der Beiden gesprochen, welches wenn aus den Fugen geraten, sich dauerhaft "verschieben" kann. (Andere Bezeichnung für "ausbrennen/Akku leer").

Von Columbia:
Selten entscheide ich aus dem Bauch heraus, da muss es schon so sein, dass mir keine Zeit bleibt und ich spontan entscheiden muss. Aber die Regel ist das nicht.
Das habe ich früher auch so gesehen, in den vergangenen Jahren aber verstärkt versucht auf meinen Bauch zu hören - auch ohne "Not". Ich hatte festgestellt das man spätere Ereignisse sehr früh "im Bauch" als "Vorahnung" spürt. Im Positiven wie im Negativen.
Es wird angenommen dass das Unterbewusste (limbische) viel Leistungsfähiger ist und schon "vorauspuzzelt" und das rationale nicht hinterherkommt bzw. "die Worte" dafür fehlen. Dann spürt man es nur im Bauch.
Ich weiß nur, dass mir mein Partner vor ca. einem Monat gesagt hat, dass er verschiedene Dinge ausprobieren soll, zum Beispiel den Austausch mit anderen Betroffenen. Ich glaube nicht, dass das der einzige Ratschlag des Therapeuten war.
Gleiches hier, nur sehr spärliche Mitteilung. Manche Ratschläge mögen ja auch auf deine Person bezogen sein und deine Reaktion könnte alles andere als erfreut sein. Daher vielleicht einfach der Versuch diesem aus dem Weg zu gehen?

Wir hatten gerade jüngst das Thema Besuchen... der Arzt rät davon ab. Warum?
Der Kinder wegen.
Es geht ihnen aktuell gut und das Heimweh hält sich in Grenzen. Wenn eine (bei ihr intenstive) Therapie / Aufarbeitung der Vergangenheit stattfindet, ist Sie mitunter stark durch den Wind/nach am Wasser gebaut. Dies könnte am Ende den gegenteiligen Effekt bei den Kindern haben. "Warum freut sich Mama nicht mich zu sehen?" "Warum ist Sie (immer noch) so traurig?".
Es mögen also u.U. ganz logische Gründe im Hintergrund zu (uns als Betroffenen) unangenehmen Empfehlungen vorliegen.
In den letzten beiden Tagen merke ich, wie ich mich allmählich an die neue Situation gewöhne. Das heißt nicht, dass ich sie gut finde und nicht mehr traurig bin, aber ich kreise nicht mehr den ganzen Tag um dasselbe Thema. In den ersten Tagen/Wochen spukte mein Partner selbst während der Arbeit in meinem Kopf herum. Ich hoffe, dass mir das in der nächsten Zeit noch besser gelingt, weil mir einfach diese "Auszeit" gut bekommt und mir hilft, mich innerlich etwas zu distanzieren.
Ich beobachte in den letzten Tagen gleiches bei mir. Es kommt noch eine Gewisse Gelassenheit dazu, da mit jedem Kontakt ein paar mehr Informationen zu mir gelangen. Weil mit der "Gewohnheit" eine Art Vertrauen in die neue Situation entsteht. Es wird in gewissem Maße "vorhersehbar". Auch passt sich ganz automatisch die Erwartung an (zumindest bei mir).

Auch ein "Hi" an Schlumpfbär, die Geschichten ähneln sich so, weil die Grundmuster für alle von uns gleich sind. Es fühlt sich trotzdem immer "gut an" nicht allein zu sein.
Was Du von eurer Situation erzählst, bin ich nicht verwundert an welchem Punkt ihr zwischenzeitlich angelangt seid. Es tut mir leid dass es schon so lange geht und die Anzeichen nicht früher erkannt wurden.
Meine Frau hat mir dann im Frühjahr offenbart, dass sie es kaum noch aushält neben mir zu schlafen. Sie braucht ihren Freiraum um sich zu "finden". So hat sie in unserem Schlafzimmer ihr Zimmer eingerichtet. Für mich war das ein Tritt in die Magengegend.
Dito hier. Ich habe aber das abgelehnt
Aber ich habe wie ihr auch versucht alles zu machen um die Beziehung zu retten und bin für ein halbes Jahr ins Wohnzimmer gezogen.
Warum? Rational hätte ich es (für Sie) getan, mein Bauchgefühl hat aber "nein" gesagt und ich habe es daher abgelehnt. Das ist (meine persönliche Entscheidung) auf dem schmalen Grat zwischen Hingabe/Aufopferung und auf sich selbst zu achten. (Man kann auch wunderbar nebeneinander liegen ohne sich "zu nahe zu kommen".)
Für mich war es die Hölle. Ich brauche Nähe wenn es mir schlecht geht meine Frau Abstand...
Klassischer Interessenskonflikt :(
Hat mich daran erinnert dass es bei einem Freund genau konträr zu mir war. Seine Frau war betroffen und wollte dass er Urlaub nimmt um bei ihr zu sein und ihr Kraft zu geben. Es kann sich trotz Parallelen an manchen Stellen konträr verhalten.
In den letzten Wochen in Hinblick auf den zweiten Todestages unserer Freundin hat sie sich wieder immer weiter zurückgezogen. Kein freundlicher Blick, keine Berührung - Kälte. Für mich war es unerträglich und ich sagte ihr ich kann so nicht weitermachen. Prompt 3 Tage später sagt sie mir, dass sie sich nicht mehr vorstellen kann jemals wieder Sex zu haben. Mit mir oder jemand anderen. Als würde Sie oder die Krankheit es darauf anlegen mich aus der Beziehung zu treiben.
Gleichzeitig sagt sie, dass sie nicht unsere Beziehung beenden möchte. Aber sie sagt auch, dass sie mich verstehen würde, wenn ich aus der Beziehung fliehen möchte.
Solche besonderen Tage sind besonders emotional und belastend. Hier wurde auch sehr oft schon Weihnachten thematisiert (Forum). Das Grundmuster ist das gleiche. Besonders intensiv/besonderes Ereignis/besondere Erwartung = Veränderung der Belastung/Situation.

Die mangelnde Vorstellung für Sex trotz Wunsch die Beziehung fortzuführen passt zusammen, wenn man - siehe weiter oben - voraussetzt, dass die Libido einfach "aus" ist. Abgeschaltet, für den Moment bzw. solange die Krankheit anhält.
Auch die andere Aussage passt, man möchte dem Partner (aus Verständnis? Liebe?) nicht zumuten auf all das zu verzichten, noch dazu wenn er sich besonder aufopfert?
Für mich war bis in den letzten Tagen nicht wirklich klar, dass ihr Verhalten mit der Depression zu tun hat. Das hilft mir sehr es nicht mehr so persönlich zu nehmen. Danke an euch und das Forum!!
Herzlichen Glückwunsch - für mich war das eine der, wenn nicht DIE wichtigste Erkenntnis. Sonst kommt man aus der Hölle der Selbstzweifel nicht heraus. Außerdem kann man kaum klar denken und sucht hinter den falschen "Büschen" nach der Lösung (welche dort nicht zu finden ist).
Ich werde jetzt versuchen sie weiter zu unterstützen sich noch intensiver unterstützen um eine Kur etc. zu kümmern.
Bleib am Ball, auch mein erster Vorschlag zur Kur wurde "abgeschmettert". Aber ganz wichtig: Sie ist nicht unmündig, daher frag am besten "ob Du Dich darum kümmern darfst" sonst schlägt das ins Gegenteil um und Sie blockt. Dann wären all deine Bemühungen umsonst.

Es bringt immer was sich etwas von der Seele zu schreiben. Eine Art digitale Selbsthilfegruppe. Und manche Puzzle sind wir heute noch nicht imstande zu lösen. Die Lösung kommt unverhofft irgendwann daher und das hier war ein Teil dafür.

Ein herzliches "Danke" in die Runde
Sybilix
Columbia
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Re: Was mir hilft besser damit umzugehen - als Angehöriger

Beitrag von Columbia »

Hallo Sibilix,

schlechten Schlaf und Albträume, die einen aus dem Schlaf reißen, habe ich in den letzten Wochen auch erlebt. Am nächsten Tag fühlt man sich dann wie gerädert. Ich träume immer noch viel, aber seit ein paar Tagen stelle ich fest, dass die Träume positiver sind. Ich möchte das für mich so deuten, dass sich in meinem Inneren einiges verändert und ich mit mir allmählich besser zurecht komme, auch wenn das an den äußeren Umständen, die ich bedauere, nichts ändert.
Du hattest in einem Deiner Beiträge geschrieben, dass Deine Frau in einer Klinik gerade eine Therapie macht. Wie lange soll die Therapie dauern? - Dass es für Eure Kinder wohl von Vorteil ist, wenn nicht zu viele Besuche stattfinden, kann ich verstehen, vor allem um sie von den von Dir erwähnten Enttäuschungen zu bewahren. Ich kann mir vorstellen, dass es wirklich schwierig ist, kleinen Kindern zu erklären, was man selbst kaum begreifen und in Worte fassen kann. Aber Deinen Schilderungen entnehme ich, dass Du das ganz gut machst.
Auch ich habe in den vergangenen Wochen viel über das Thema "Depression" gelesen, einfach um besser zu verstehen, was sich gerade abspielt. Leider gibt es nicht allzu viele gute Bücher, die sich an Angehörige richten.
Nochmals zum Thema Therapie: Dass eine solche anstrengend ist und die Aufarbeitung der eigenen Probleme und Vergangenheit viel Kraft kostet, kann ich nachvollziehen. Auch, dass der Betroffene in dieser Zeit stark mit sich selbst beschäftigt ist und sich anderen nicht widmen kann. Ich hoffe und gehe davon aus (auch in Bezug auf meinen Partner), dass die Therapie an dieser Stelle nicht stehen bleibt. Ziel wäre es doch, dass sich der Blickwinkel des Depressiven wieder weitet. Um ein glückliches Leben führen zu können (davon bin ich überzeugt), muss der Weg vom ICH zum DU führen. Und mit DU meine ich nicht ausschließlich eine Partnerschaft, sondern auch andere Menschen im Umfeld des Erkrankten. Das können Kinder, Enkelkinder, andere Verwandte, Freunde, Bekannte usw. sein. Ich glaube nicht, dass man Zufriedenheit erfahren kann, wenn man dauerhaft nur um sich selbst kreist und sich aus Beziehungen, welcher Art auch immer, zurückzieht. Natürlich braucht unser ICH immer wieder einmal Rückzugsmöglichkeiten (das kennt jeder), aber es braucht auch ein DU, mit dem es sich austauschen und etwas unternehmen kann und von dem es sich angenommen, geschätzt und geliebt fühlt. - Leider weiß ich, wie gesagt, nicht, wie die Therapie meines Partners abläuft und welche Ratschläge er bekommt, ob und wie weit ich ein Thema in diesen Gesprächen bin. Vielleicht bin ich auch schon abgehakt oder gar nicht so wichtig. Für mich steht jedenfalls fest, dass weder mein Partner noch der Therapeut wissen können, was ich genau denke und fühle und wie ich in bestimmten Situationen reagieren würde. Da handelt es sich um Vorannahmen.

Schönes Wochenende
Columbia
Sybilix
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Re: Was mir hilft besser damit umzugehen - als Angehöriger

Beitrag von Sybilix »

Hallo Columbia,

danke für deine positive Einschätzung (Thema Kinder). Sie sind - soweit möglich - unbeschwert.
Dauer der Therapie: Noch offen. Es waren mal anfangs 2-4 Wochen erwähnt, woraus schnell 4-8 Wochen wurden. Mal vielen >4 Monate, zuletzt 8-12 Wochen. Die Wahrheit liegt irgendwo da... Ich für mich erwarte 1-6 Monate, wobei ich natürlich hoffe dass es kürzer geht. Aber schneller als 4 Wochen ist unrealistisch. Wenn von Anfang an Medikamente zum Einsatz kamen, diese oft 2-4 Wochen brauchen um "anzuschlagen", wären 6 Wochen fast schon "optimum" im Sinne der Kürze. Denke ich aber nicht bzw freue mich wenn es so käme.

Ich war jüngst bei einer Veranstaltung zur Depression, Referent ein Facharzt aus einer Psychiatrischen Klinik. insgesamt sehr aufschlussreich und zugleich hoffnungsvoll. Man merkte wie er, als auch in den Workshops an manchen Stellen "pausiert" wurde bzw. nur zögerlich geantwortet, weil sich der Krankheitsverlauf und Krankheitsbild schwer pauschalisieren lassen.
Dennoch war der Grundtenor durchweg positiv, weil i.d.R. heilbar (Ausnahme chronisch).

Wenn man - wie es vielen Betroffenen widerfährt - Ablehnung / Distanz zu spüren bekommt, ist die eindeutige Aussage "das ist die Krankheit / die kranken Gedanken die sprechen".
Insbesondere das Auf- und Ab was hier oft beschrieben wurde, sind vereinzelt "gute Tage" bzw. die (noch) intakten guten/liebevollen Seiten der Person.
Menschen sind soziale Wesen und brauchen die Nähe/Beziehung zu anderen um gesund zu sein oder werden. Auch wurde der positive Aspekt einer intakten Partnerschaft für die Rückfallquote aufgeführt. (Intakt ~10%; Nicht intakt ~60% Rückfallquote)!!!


Im Workshop zum Thema Paare/Angehörige war auch wieder die Kernbotschaft: Nach sich selbst (als Angehöriger sehen), Sport treiben, an die frische Luft gehen, schöne Dinge tun und GENIEßEN! (Auch wenn einem das komisch erscheint, frei dem Motto "Dir geht es schlecht und ich amüsiere mich"... es ist wichtig.)
Man benötigt die Kraft um dem (kranken) Partner einen (positiven) Spiegel vorhalten zu können.

Die Partner werden selten (früh) in eine Therapie eingebunden. Wenn der Partner/die Partnerschaft das Problem ist, muss diese natürlich eingebunden werden. Sonst aber eher kontraproduktiv, da u.U. Altlasten einer zur Zeit intakten und möglicherweise kraftspendenden Beziehung "ausgegraben" werden. Oder auch Themen, die sonst einfach weggeschwiegen werden und kein akutes Problem sind, sollten zu dieser Zeit nicht unnötig aufgewühlt werden.
Es gab auch ein paar statistische Werte, z.b. sagen 60% der betroffenen Frauen, dass vor der Depression Partnerschaftsprobleme da waren... mitunter ein Grund warum der Partner nicht von Anfang an eingebunden ist/wird.

Ich würde es nicht so schwarz malen wie Du es formulierst
Leider weiß ich, wie gesagt, nicht, wie die Therapie meines Partners abläuft und welche Ratschläge er bekommt, ob und wie weit ich ein Thema in diesen Gesprächen bin. Vielleicht bin ich auch schon abgehakt oder gar nicht so wichtig.
Natürlich bist Du wichtig. Wenn nicht jetzt, dann spätestens danach.
Und das mit dem Abschreiben ist glaube ich eine Fantasie / Unterstellung die Angehörige (hatte auch schon solche Gedanken) machen, aus den vielfältigsten Gründen. Ich werde aber den Eindruck nicht los, dass vergleichsweise selten die Partnerschaft wegen eine Depression in die Brüche geht. S.o. bei vielen Frauen (warum mehr Frauen? Wahrnehmung/sensibler für Beziehungsthemen?) ist die Depression ggf. wegen/durch Beziehungsprobleme verstärkt oder gar ausgelöst worden.

Auch Männer haben Depression, na klar, aber offiziell viel öfter der Arbeit wegen (Modelabel BurnOut). Held der Arbeit und so. Fraglich bleibt ob das wirklich die zugrundeliegende Ursache ist oder Männer einfach besser die eigentlichen Emotionen ausblenden und sich dann augenscheinlich der Arbeit opfern...

Ebenfalls ein schönes Wochenende,
Sybilix
DieNeue
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Re: Was mir hilft besser damit umzugehen - als Angehöriger

Beitrag von DieNeue »

Hallo Coumbia,
Columbia hat geschrieben:Auch, dass der Betroffene in dieser Zeit stark mit sich selbst beschäftigt ist und sich anderen nicht widmen kann. Ich hoffe und gehe davon aus (auch in Bezug auf meinen Partner), dass die Therapie an dieser Stelle nicht stehen bleibt. Ziel wäre es doch, dass sich der Blickwinkel des Depressiven wieder weitet.
Ob sich durch eine Therapie alleine der Blick zu Anderen hin irgendwann ändert, kann ich nicht sagen. Bei mir waren es, glaube ich, die Medikamente, die meinen Blick wieder geweitet haben und mich andere Leute wieder wahrnehmen haben lassen. Wenn die schwere dunkle Wolke mal weg ist, kann man auch wieder besser sehen, und auch weiter als die eigene Nasenspitze ;) . Ich habe irgendwann wieder angefangen, anderen Komplimente zu machen. Das ist dann auch anderen aufgefallen. Vorher, als ich voll in der Depression gesteckt bin, habe ich andere nicht mehr wirklich wahrgenommen, auch einfach, weil man, wenn man ums Überleben kämpft, sich nicht um solche Kleinigkeiten wie die neue Frisur von jemand anderem kümmern kann. Mit der Zeit kam das dann wieder. Und jetzt ist das wieder wie vorher. Ich brauche zwar viel Zeit für mich alleine und Treffen mit anderen sind anstrengend, aber ich freue mich wieder über und mit anderen, bedanke mich bei Anderen auch für Kleinigkeiten, überlege mir gerne Sachen, mit denen ich anderen eine Freude machen kann, frage bei Personen nach, wie es ihnen geht... Ich denke, es braucht halt (leider) Zeit und viel Geduld. Therapie wirkt halt auch nicht von heute auf morgen. Es kann auch sein, dass man am Anfang gar nicht mal merkt, dass sich etwas verändert, aber später oder im Nachhinein sieht man es dann.
Columbia hat geschrieben:Leider weiß ich, wie gesagt, nicht, wie die Therapie meines Partners abläuft und welche Ratschläge er bekommt, ob und wie weit ich ein Thema in diesen Gesprächen bin.
In einer guten Therapie wird dein Partner keine konkreten Ratschläge bekommen. Je nachdem, ob er eine Verhaltenstherapie macht oder eine tiefenpsychologische Therapie, kann es sein, dass er mal "Hausaufgaben" bekommt, die er umsetzen soll (Verhaltenstherapie) oder ob es eher darum geht, Dinge zu verstehen.
Ich kam mit einem tiefenpsychologischem Ansatz besser klar, weil es mir oft schon besser geht, wenn ich Dinge verstanden habe und sie besser einordnen kann. Verhaltenstherapie kenne ich nur aus der Klinik, da wurde eher darauf geschaut, dass man etwas "macht", so à la "Machen Sie Sport", "Machen Sie einen Wochenplan", "Machen Sie Ihre Entspannungsübungen", "Gehen Sie unter Leute". Wenn man Angst vor irgendwelchen Dingen hat, wie z.B. vor dem Aufzugfahren, andere anzusprechen o.ä., kann sowas geübt werden, indem man Übungen zuhause durchführen soll (wie z.B. "Fragen Sie jemand Fremden nach der Uhrzeit".)
Aber ein guter Therapeut wird seinem Klienten niemals einfach sagen "Verlassen Sie Ihre Frau!" oder "Kündigen Sie Ihren Job! ...Denn ich weiß ja viel besser als Sie, was für sie gut ist". Ein guter Therapeut bearbeitet das mit seinem Klienten zusammen.
Meine Therapeutin hat mir in ca. 3 Jahren nur in zwei einzigen Fällen genau gesagt, was ich (nicht) machen soll. Und da hat sie betont, dass sie das sonst nicht macht, aber in der Situation eingreifen muss, weil die Folgen für mich wirklich schädlich gewesen wären. Und ihre Meinung war auch nachvollziehbar und ich bin dankbar, dass sie mir das auch gesagt hat. Und auch, dass sie extra betont hat, dass ihr bewusst ist, dass sie mir einen konkreten Rat gibt, und sie auch den Unterschied kennt, wann sowas angebracht ist und wann nicht.
Wenn ein Therapeut dem Klienten jedes mal nur sagt, was er genau machen soll, dann ist das keine Therapie und weder zielführend noch verantwortungsvoll.

Liebe Grüße,
DieNeue
DieNeue
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Re: Was mir hilft besser damit umzugehen - als Angehöriger

Beitrag von DieNeue »

Hallo,
Sybilix hat geschrieben: Wenn man - wie es vielen Betroffenen widerfährt - Ablehnung / Distanz zu spüren bekommt, ist die eindeutige Aussage "das ist die Krankheit / die kranken Gedanken die sprechen".
Ich verstehe nicht ganz, was du meinst. Wäre super, wenn du mir das nochmal erklären könntest. Danke!

Zur Einbindung von Angehörigen in die Therapie:
Auf der einen Seite finde ich, dass die Sicht der Angehörigen wirklich zu wenig gehört wird. Gerade, wenn es um Gespräche beim Arzt geht, kann es hilfreich sein, die Sicht von außen zu hören, da Außenstehende manche Veränderungen deutlicher mitbekommen. Aus dem Grund habe ich auch mal meine Mutter zum Psychiater mitgenommen. Sie kann manche Sachen eben viel besser im Vergleich von mir mit gesunden besser erklären. Für mich ist mein Zustand ja mittlerweile normal und manche Sachen fallen mir schon gar nicht mehr auf.
Andererseits gibt es wie schon gesagt Angehörige, die das Problem sind, oder die sich im Arztgespräch besitzergreifend verhalten, oder den Betroffenen anschließend zu sehr beeinflussen, und es gibt auch Therapeuten/Ärzte, denen das einfach egal ist.

Andererseits muss man aber auch sagen, dass es die Therapie des Betroffenen ist und keine Paar-/Familientherapie, so heftig das für Angehörige jetzt klingen mag. Ich habe auch mal überlegt, eine Sitzung zusammen mit meinen Eltern zu machen, weil ein Thema sie auch betroffen hat. Aber irgendwie wollte ich das dann doch nicht.
Ich fand es eine unangenehme Vorstellung, wenn sie oder wer anders in den "sicheren Raum", in "meinen" Raum bei meiner Therapeutin kommen. Und da dann ihre Meinung diskutiert wird. Es hört sich vielleicht bescheuert an, aber ich wollte diesen Raum für mich behalten, als sicheren Ort, wo kein Einfluss von außen reinkommt. Weiß nicht, ob man das nachvollziehen kann. Es ist schon eine gewisse "Privatsphäre", die man dort hat, und allein die Vorstellung, dass meine Eltern genau wissen, wo ich bin, wie das dort aussieht, wie meine Therapeutin ist, wie ich mit ihr rede,... irgendwie wollte ich das nicht.
Es ist auch eine seltsame Konstellation, wenn man jemand dritten mit in die Sitzung bringt. Zum einen ist da die Beziehung von mir zu meiner Therapeutin. Sie kennt mich sehr gut, ich bin vertraut mit ihr, sie weiß Sachen über mich, die meine Eltern nicht wissen, und Sachen über meine Eltern, von denen meine Eltern nicht wissen, dass sie sie weiß. Und dann ist da noch die Beziehung von meinen Eltern zu meiner Therapeutin. Sie kennen sich gar nicht, nur über das, was ich erzählt habe, und meine Eltern haben noch dazu irgendeine Erwartung.
Und meine Therapeutin muss neutral dazwischen stehen, da sie nicht einfach meine Seite vertreten kann, sondern ja irgendwie vermitteln soll. Und man selber sitzt dann irgendwie dazwischen, da man als einzige mit beiden Parteien eine enge Beziehung hat.
Und ich will auch ehrlich gesagt dann nicht darüber reden, wie meine Therapeutin so ist, was sie gesagt hat, wie meine Eltern das fanden, was sie an ihr kritisieren usw. Ich möchte, dass das einfach nur mein Platz ist.
Vielleicht bin ich da etwas eigen, oder es liegt daran, dass es die Eltern (von denen man sich ja sowieso irgendwann mehr abgrenzen und lösen will) waren und nicht der Partner.

Fragen zu Therapieinhalten... manchmal ist es okay darüber zu reden. Aber manchmal, v.a. nach einer längeren Zeit, gibt es auch einfach Sachen, die zu komplex sind, um sie jemand anderem, der nicht dabei war, zu erklären. Und jedes Mal nach der Therapiestunde zuhause zu reporten, um was es ging, damit der Andere alles nachvollziehen kann, muss echt nicht sein. Man geht ja zur Therapie, damit man nicht alle Probleme bei seinem Partner abladen muss.
Es könnte für den Angehörigen auch belastend sein, wenn er manche Dinge weiß und sich dann seine Gedanken macht, was die jetzt alles über einen reden oder was man selber machen kann bei dem Thema, oder dass man sich (unnötig) Selbstvorwürfe macht, weil mal irgendein Thema angeschnitten wurde, das aber gar nicht so wichtig ist, aber sobald man es mal erzählt hat, sitzt es im Kopf des Anderen fest und er fängt an zu denken...
Für mich würde ich es auch nicht wollen, viel aus der Therapie zu erzählen, da ich mich nicht auch noch mit der Reaktion meiner Angehörigen beschäftigen und irgendwelche unnötigen Probleme lösen will, die es nicht geben würde, wenn man nichts erzählt hätte. Nicht weil es mir egal wäre, wie meine Angehörigen sich fühlen, sondern, weil es manchmal einfach die Situation (unnötigerweise) noch komplizierter machen würde.
Eine Therapie hat ja auch irgendwie mit den Sinn, dass man sich professionelle Hilfe holt und dadurch nicht immer mit den Angehörigen diese Probleme wälzen muss.
Was ich manchmal gemacht habe, war, zu erklären, wie meine Therapeutin arbeitet, so dass die anderen sich zumindest etwas darunter vorstellen können, was und wie wir dort reden. Oder icch habe mal nachgefragt, was andere über das Thema denken oder wie sie mich sehen.
Sobald irgendwer anders mitredet, ändert sich auch die Geschwindigkeit bzw. die Menge an Input, die verarbeitet werden muss. Es wird manchmal wirklich empfohlen, die Probleme gefühls- und kopfmäßig beim Therapeuten zu lassen, damit man im Alltag nicht zu sehr durch die ständigen Gedanken über den Therapieinhalt eingeschränkt wird.
Sybilix hat geschrieben:Man merkte wie er, als auch in den Workshops an manchen Stellen "pausiert" wurde bzw. nur zögerlich geantwortet, weil sich der Krankheitsverlauf und Krankheitsbild schwer pauschalisieren lassen.
Das hört sich nach einem sehr guten Workshop an! Ich mag immer gar nicht mehr irgendwelche Dokus über Depressionen schauen oder lesen, weil oft ein sehr einseitiges Bild von Depression gezeigt wird und mich das immer aufregt, weil es oft nicht mit dem übereinstimmt, was ich erlebe. Deswegen finde ich es schön, dass der Dozent die Sache differenzierter erklärt hat.
Sybilix hat geschrieben:Auch wurde der positive Aspekt einer intakten Partnerschaft für die Rückfallquote aufgeführt. (Intakt ~10%; Nicht intakt ~60% Rückfallquote)!!!
Sybilix hat geschrieben:Auch wurde der positive Aspekt einer intakten Partnerschaft für die Rückfallquote aufgeführt. (Intakt ~10%; Nicht intakt ~60% Rückfallquote)!!!
Das tut gut zu hören (zumindest wenn man keine oder eine intakte Beziehunghat ;) )
Sonst wird einem ja meisten gesagt, dass Beziehungen mit depessiven Mensch einfach nur furchtbar sind. Tut gut zu hören, dass Beziehungen nicht nur anstrengend, sondern auch gut für den Betroffenen sein können und dass es nicht immer die Depressionen sind, die die Probleme auslösen.

Liebe Grüße und gute Nacht, bzw. schon einen guten Morgen ;)
DieNeue
Sybilix
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Re: Was mir hilft besser damit umzugehen - als Angehöriger

Beitrag von Sybilix »

Hallo DieNeue,

Du hast recht - ich habe meinen eigenen Gedanken verdreht und beim gegenlesen ist es mir nichtmal aufgefallen.
Wenn man - wie es vielen Betroffenen widerfährt - Ablehnung / Distanz zu spüren bekommt, ist die eindeutige Aussage "das ist die Krankheit / die kranken Gedanken die sprechen".
Ich meinte: Wenn man - wie es vielen Angehörigen widerfährt - Ablehnung/Distanz (von Betroffenen) zu spüren bekommt, ist die eindeutige Aussage (des Vortragenden/der Referenten) "das ist die Krankheit/die kranken Gedanken die (aus dem Betroffenen) sprechen".

Ich hoffe nun ist es besser verständlich. Mein Fehler.

Deine Schilderung bzw. deine persönliche Sichtweise kann ich sehr gut verstehen. Mir und vielen Angehörigen geht es sicher weniger darum allen Sitzungen beizuwohnen (wer das möchte, ist dort ohnehin fehl am Platze), sondern zu einer frühen Phase u.U. informiert zu werden. Wie läuft sowas ab, gibt es etwas für mich zu tun, vielleicht einfach nur dass man keine Angst haben muss, dass der Betroffene (Partner/Angehörige) sich in diese Therapie begibt, da in den meisten Fällen kein Vorwissen über ähnliches vorliegt und die Unwissenheit einfach teuflisch ist - da man sich so viel Unsinniges bzw. Falsches ausmalt(en kann).
Würde ich mich in eine betroffene Rolle versetzen, würde ich auch keine 3te Person in dieser "Intimsphäre" haben wollen, aus ganz unterschiedlichen Gründen.

Bzgl des Forum/Workshop - ich finde es auch besser, wenn verschiedene Sichtweisen oder möglichen Resultate besprochen werden und nicht eine Geradlinigkeit vorgetäuscht wird, welche nicht gegeben ist.
Es gab auch einen Spruch: "Depressionen sind ansteckend". Da kommen wir wunderbar zu deinem nächsten Punkt: Ich denke per se ist eine Beziehung zu einem depressiven Menschen nichts schlechtes. Sie ist erstmal schwierig und belastend, ohne Kenntnis zu den Hintergründen schlicht weder nachvollziehbar noch erträglich.
Es gibt sicher Umstände (z.b. Betroffener sieht es nicht ein krank zu sein; lehnt jede Hilfe ab) wo eine dauerhafte Beziehung sicherlich wenig Hoffnung/Positives bietet. Gute Verfassung/Belastbarkeit vorausgesetzt, kann eine Beziehung (aus meiner Sicht) durchaus funktionieren. Gefährlich wäre nur (s.o.) wenn man sich "ansteckt" weil man der Ansteckung bzw. zusätzliche Belastung (dauerhaft) nicht standhalten kann. Aber selbst dann kann es Umstände geben (z.b. sich gegenseitig aufbauen) wo es funktionieren könnte.

Auch wenn eine (intakte) Beziehung mittelfristig / im Anschluß positives bietet, bietet diese in der Anfangsphase der Depression sicher sehr viel zusätzliche (emotionale) Belastung. Egal wie gut der Angehörige reagiert, da ja durch die intensive Beziehung der Partnerschaft beim Betroffenen eigene (zu hohe?) Erwartungen durch den Partner vermutet werden und zusätzlichen Druck bedeuten. Andererseits kann es immens wichtig sein jemanden zu haben, der einem "den Rücken frei hält" und sich um alltägliches / Kinder / Papierkram etc. kümmert.
Wie immer... zwei Seiten der Medaille.

Grüße,
Sybilix
Columbia
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Re: Was mir hilft besser damit umzugehen - als Angehöriger

Beitrag von Columbia »

Hallo Sybilix,

so einen Vortrag mit Workshops zum Thema Depression hätte ich mir für mich auch gewünscht. Ich hatte im Internet recherchiert, ob es so etwas oder eine Selbsthilfegruppe vor Ort gibt, bin aber nicht fündig geworden.
Es ist schon einmal schön zu hören, dass die Genesung mit der entsprechenden Hilfe gut gelingen kann und die Verletzungen durch den Partner, die man als Angehöriger wegstecken muss, wirklich Teil des Krankheitsbildes sind. Ich könnte mir auch nicht vorstellen, dass sich mein Partner innerhalb kurzer Zeit charakterlich von einem liebevollen, fürsorglichen Mann zu einem gleichgültigen Menschen verändert hat. Eine schreckliche Krankheit, auch weil sie den wahren Kern einer Person so verdeckt.

LG Columbia
Columbia
Beiträge: 72
Registriert: 3. Mär 2018, 15:08

Re: Was mir hilft besser damit umzugehen - als Angehöriger

Beitrag von Columbia »

Hallo DieNeue,

danke für Deinen Beitrag und Deine Erläuterungen zum Thema Therapiegespräche. Mir ist dadurch so manches klarer geworden und ich kann nachvollziehen, warum Angehörige weitgehend aus diesen Gesprächen herausgehalten werden. Auch kann ich verstehen, dass für Betroffene die Therapiesitzungen ein Schutzraum bleiben sollen, in dem sie sich frei äußern können.
Bei mir ist es ja nun so, dass mein Partner von sich aus keinen Kontakt mehr zu mir sucht. Da ich aber die Beziehung nicht einfach aufgeben möchte, habe ich ihm in den vergangenen Wochen Kurznachrichten (nicht viele) geschickt, einfach um zu zeigen, dass ich an ihn denke und ihn nicht abgeschrieben habe. Keine dieser Nachricht hat irgendeinen Vorwurf enthalten. Jedenfalls hat er auf diese Nachrichten kurz, aber unverbindlich geantwortet. Nun möchte ich Dich als Betroffene um eine Einschätzung bitten. War meine Vorgehensweise aus Deiner Sicht sinnvoll und soll ich weiterhin kurze Nachrichten schicken (auch wenn von ihm nichts kommt) oder soll ich das bleiben lassen? Gäbe es eine andere Möglichkeit, Kontakt zu halten, ohne Druck aufzubauen? Oder muss ich akzeptieren, dass meine Bemühungen ins Leere laufen, solange er nicht bereit ist, von sich aus Kontakt aufzunehmen?
Für eine kurze Einschätzung wäre ich Dir wirklich dankbar.

LG Columbia
DieNeue
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Re: Was mir hilft besser damit umzugehen - als Angehöriger

Beitrag von DieNeue »

Hallo Columbia,

puh, da hast du dir die Richtige ausgesucht ;) Ich hab keinerlei Beziehungserfahrung, ich kann dir also nur meine Einschätzung als Depressive geben. Aber selbst da... puh... die Situationen, die mir einfallen würden, die sind nicht wirklich vergleichbar.
Ganz spontan würde ich sagen, dass ich ihm einfach weiterhin ab und zu eine Nachricht schreiben würde, so wie du es gerade machst, ganz ohne Vorwürfe. Aber ich habe keine logische Begründung dafür, das ist jetzt rein gefühlsmäßig. Ich würde mich, denke ich, schon freuen, wenn ich merke, dass jemand an mich denkt. Du warst ihm ja nicht egal und du spamst ihn ja jetzt auch nicht voll. Ich denke, es wäre nur gut, wenn du ihn in deinen Nachrichten nicht bemitleidest, sowas zieht nur zusätzlich runter.
Sprichst du ihn denn auf die Depression an in deinen Nachrichten?

Vielleicht hilft es dir ja auch, dir den Worst Case vorzustellen. Was wäre das schlimmste, das passieren könnte, wenn du ihm weiterhin schreibst bzw. wenn du ihm nicht mehr schreibst?

Hilft dir das ein bisschen? Es macht auch nichts, wenn es Nachrichten sind, auf die man nicht antworten muss, manchmal ist man auch einfach zu k.o. um zurückzuschreiben, oder auch um überhaupt zu denken. Da ist es gut, wenn man einfach mal nur lesen kann.

Vielleicht kann dir ja noch jemand anders dir einen Rat geben.

Du machst das schon! Ich finde es jedenfalls schön, dass du ihn nicht aufgibst :)
Liebe Grüße,
DieNeue
DieNeue
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Re: Was mir hilft besser damit umzugehen - als Angehöriger

Beitrag von DieNeue »

@ Columbia:
Mir ist noch was eingefallen zu deiner Frage, inwieweit du Thema in der Therapie bist. Als ich mit der Therapie angefangen habe, ging es u.a. um eine nicht zustande gekommene Beziehung. Das ist zwar schon ein bisschen anders als bei dir, aber bei mir ging es damals z.B. eher darum: Wie gehe ICH jetzt mit der Situation um? Warum habe ICH mich so und so verhalten? Habe ICH bestimmte Muster? Ist das auch bei meinen anderen Beziehungen so? Warum trifft MICH dieses und jenes gar so sehr? Wie bin ICH eigentlich? Irgendwann auch: Was habe ICH daraus gelernt? Was kann ICH in Zukunft anders machen?
Wir haben eigentlich nie SEIN Verhalten analysiert. Klar, es würde wahrscheinlich auch mehr Verhalten zu bereden geben, wenn eine Beziehung da gewesen wäre. ;) Was ich aber damit sagen will, ist, dass es, nur weil noch eine zweite Person mit reinspielt, es nicht ständig um diese Person gehen muss. Vielleicht hilft das auch ein bisschen zur Beruhigung ;)
DieNeue
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Re: Was mir hilft besser damit umzugehen - als Angehöriger

Beitrag von DieNeue »

Hallo Sybilix,
Sybilix hat geschrieben:Mir und vielen Angehörigen geht es sicher weniger darum allen Sitzungen beizuwohnen (wer das möchte, ist dort ohnehin fehl am Platze), sondern zu einer frühen Phase u.U. informiert zu werden. Wie läuft sowas ab, gibt es etwas für mich zu tun, vielleicht einfach nur dass man keine Angst haben muss, dass der Betroffene (Partner/Angehörige) sich in diese Therapie begibt, da in den meisten Fällen kein Vorwissen über ähnliches vorliegt und die Unwissenheit einfach teuflisch ist - da man sich so viel Unsinniges bzw. Falsches ausmalt(en kann).
Das ist auch total verständlich und ich fände es auch sehr gut, wenn es das gäbe. Man wird da so alleingelassen. Man hat keine Ahnung und muss sich selber alle Infos aus dem Netz oder sonst woher holen. Ich fände es z.B. super, wenn eine Psychiatrische Praxis/Klinik/Verband regelmäßig solche Infoveranstaltungen machen würden, sowohl für Angehörige als auch Betroffene. Es gibt ja regelmäßig neue Leute, die die Diagnose bekommen haben, und deren Angehörige und alle stehen vor den gleichen Problemen.
Wenn man als Patient in eine Klinik kommt, hat man da normalerweise auch Psychoedukation, d.h. man bekommt Infos zur Krankheit etc. Wer aber nicht in eine Klinik geht, bekommt solche Infos meistens nicht. Ärzte haben ja meistens wenig Zeit. Als ich meine Diagnose bekommen habe, wurde mir gesagt, wie ich die Medikamente einnehmen soll und dass ich jeden Tag rausgehen soll wegen dem Sonnenlicht. Alle anderen Infos habe ich von einer betroffenen Freundin, aus Büchern und v.a. aus dem Internet. Für mich hätte ich es auch gut gefunden, wenn ich viele Infos damals schon gehabt hätte.
Wobei ich nicht weiß, ob ich das vor 8 Jahren schon alles so überrissen und es für nötig gehalten hätte, alles schön umzusetzen. Manches sieht und versteht man leider erst im Nachhinein...
Wenn man eine richtig schwere Depression hat, dann wäre man auch gar nicht mehr in der Lage, zu so einer Veranstaltung hinzugehen. Aber dafür wäre man dann (hoffentlich) in der Klinik und würde da dann (hoffentlich) irgendwann auch die nötigen Infos bekommen. ;)

Aber für Angehörige ist das Ganze natürlich auch aufregend. Es kann sich ja kaum jemand was unter einer "Psychotherapie" vorstellen. Und unter den verschiedenen Arten ja sowieso nicht. Ich konnte mir auch nicht vorstellen, wie genau einem so etwas helfen soll, was da gemacht wird, dass das nicht nur ein bisschen normales Sich-von-der-Seele-reden ist...
Mein Großvater mütterlicherseits war auch sein halbes Leben lang psychisch krank (durch den Krieg) und auch öfters in der Psychiatrie. Als mein Vater vor einigen Jahren einen Burnout hatte, sollte er eine Reha machen. Das war dann die Hölle für meine Mutter, weil sie die Psychiatrie halt von damals kannte und dachte, ihr Mann und sie erleben jetzt den gleichen Horror. Dabei ist die Psychiatrie mittlerweile ganz anders. Aber wirklich umfassend aufgeklärt hat sie dann auch keiner. Sie haben dann zumindest erreicht, dass mein Vater nicht in die gleiche Klinik musste wie mein Opa damals. Mein Vater war auch erst skeptisch, was das alles in de, und es war auch manchmal nicht so einfach in den Therapien. In manchen Sachen sieht man erst auch mal keinen Sinn oder findet sie blöd. (Manche findet man manchmal auch hinterher noch blöd ;) )
Als ich dann aber in die Tagesklinik sollte und wir die Klinik besichtigt haben, wurde auch das Soziale Kompetenztraining erwähnt. Ich war eh schon total fertig von der Vorstellung da hin zu müssen. Und mein Papa so: "Au ja, Soziales Kompetenztraining ist gut, das ist voll super!"
Und meine Mutter: "Sei duuu mal leise..." :lol:
Mittlerweile finde ich Soziales Kompetenztraining auch gut und hilfreich. ;)
Wenn man weiß, um was es geht und man sich mehr drunter vorstellen kann, ist das alles weniger angsteinjagend. Deswegen finde ich es auch so schade, dass es keine wirklichen Ratgeber für Angehörige gibt, wo auch solche Fragen geklärt werden, wie ihr sie habt.

Bei Beziehungen denke ich mir, dass es mit Sicherheit einen Unterschied macht, ob man beim Zusammenkommen der Beziehung schon von der Krankheit weiß und der Betroffene damit gut umgehen kann oder ob beide noch nie damit zu tun hatten und plötzlich damit konfrontiert werden und lernen müssen zurechtzukommen. Ich denke, ich würde dem Anderen erklären, wie ich ticke, was meine Einschränkungen sind, was vielleicht mit mir schwierig werden könnte, was ich brauche, damit mein Verhalten nachvollziehbar ist. Ich würde den Anderen da nicht ins offene Messer rennen lassen.
Naja, und wenn der Andere die Krankheit verheimlicht, nicht drüber reden will, sich nicht als krank sieht, sich nicht helfen lassen will, egal, ob man schon lange zusammen ist oder sich erst kennenlernt, ist dann wahrscheinlich der schlimmste Fall.
Meine Eltern sind übrigens immer noch zusammen und glücklich miteinander, obwohl sie so eine schwere Zeit miteinander durchgemacht haben.

Liebe Grüße und gute Nacht!
DieNeue
DieNeue
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Re: Was mir hilft besser damit umzugehen - als Angehöriger

Beitrag von DieNeue »

Sybilix hat geschrieben:Ich meinte: Wenn man - wie es vielen Angehörigen widerfährt - Ablehnung/Distanz (von Betroffenen) zu spüren bekommt, ist die eindeutige Aussage (des Vortragenden/der Referenten) "das ist die Krankheit/die kranken Gedanken die (aus dem Betroffenen) sprechen".
Alles klar, habs jetzt gecheckt! Danke!
Succubus
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Re: Was mir hilft besser damit umzugehen - als Angehöriger

Beitrag von Succubus »

Hallo zusammen,

Bei meinem Mann und mir ist das bezüglich der Therapie etwas anders. Nach jeder meiner Sitzungen sprechen wir entweder kurz darüber oder bei für uns wichtigen Themen auch mal intensiver. Die Gespräche gehen dann eher in die Richtung wie ich die Sitzung empfunden habe und welches grobe Thema besprochen wurde. Mir war das von Anfang an auch wichtig ihn mit einzubeziehen damit auf seiner Seite keine wilden Fantasien entstehen.
Mit der Zeit hat sich auch gezeigt dass es für mich eine gute Übung ist negative Themen nicht bis ans Ende der Zeit aufzuschieben wie ich es früher gerne gemacht habe.
Es ist quasi nichts anderes wie sich nach Feierabend über die Probleme im Büro zu unterhalten, nur ich berichte halt von meiner Therapie^^
Don't feed the troll :-)
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