Psychiatrie ja oder nein?

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lululu
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Psychiatrie ja oder nein?

Beitrag von lululu »

Hallo Leute,

gestern habe ich mich in meiner Verzweiflung hier angemeldet, da ich nicht mehr so richtig weiter weiß und ich mir durch das Forum erhoffe, mich mit ebenfalls Betroffenen austauschen zu können. Denn so richtig verstehen tut mich mittlerweile niemand mehr - auch verständlich, denn ich bewege mich seit Wochen eigentlich im Kreis. Ich bin 26 Jahre alt und arbeite an einer Schule als Pädagogin. Ich habe seit ca zwei Monaten eine schwere Depression. Heute hatte ich einen ganz guten Tag, aber erfahrungsgemäß kann ich mich nicht darauf verlassen, dass das bleibt. Kennt ihr das auch? Es gibt Tage da denke ich, jetzt ist wird es besser, endlich! Und dann wach ich am nächsten Tag auf und es wieder so wie vorher.

Vor dem richtigen Ausbruch meiner Depression habe ich ca zwei Monate sehr viel gefeiert und habe sehr regelmäßig chemische Drogen konsumiert (Speed, MDMA, Ecstasy) und viel gegifft. In dieser Zeit ging es mir blendend, obwohl ich mich kurz vorher von meiner 8-jährigen Beziehung getrennt habe. Klingt komisch - aber die Drogen und eine neue Verliebtheit (mit dieser es nun vorbei ist) haben mich glauben machen ein neuer Mensch zu sein, endlich das Leben führen zu können nach dem ich mich so sehr gesehnt habe, hoffen lassen, dass es mir nun endlich besser geht. Diese Blase ist dann eines Abends beim Feiern geplatzt, da ich einen ziemlich großen Fehler gemacht und mich selbst nicht mehr wieder erkannt habe. Mehr möchte ich dazu nicht sagen, aber das war der Auslöser. Seit dem bin ich wie verändert. Ich konnte am Anfang der Zeit kaum schlafen, mich nicht mehr konzentrieren, war unfähig zu arbeiten, Gedanken kreisten in meinem Gehrin und verfingen sich zu einem dicken Wollknäuel. Bis Weihnachten vergingen zwei Wochen in denen es mir so erging. Als ich meine Familie über die Feiertage sah, konnte ich meinen inneren Zustand nicht verbergen, da ich unfähig war an irgendeinem Gespräch teilzunehmen, in Gesellschaft zu sein. So erzählte ich meinen Eltern und Geschwistern die ganze Geschichte.

Nach den Ferien ging ich zurück in meine WG und versuchte zu arbeiten. Meine Familie war davon nicht begeistert. Sie sagten ich solle in eine Klinik und Medikamente nehmen. Davon wollte ich aber zunächst nichts wissen. Eine Woche hab ich es nach den Ferien dann letztlich geschafft zu arbeiten. Danach habe ich mich auf Raten meiner Schwester und meiner Psychotherapeutin (die Therapie mache seit Mai 2017) für 3 Wochen krankschreiben lassen. Die Krankschreibung endet an diesem Mittwoch!!

Während der Krankschreibung hat sich an meinem Zustand kaum etwas verändert. Ich kann aber dank der Medikamente (Mirtazapin 30mg abends/Sertralin 50 mg morgens) wieder schlafen und mich teilweise wieder besser konzentrieren. Allerdings fing ich in der Zeit an mich selbst zu hauen, da ich mir in einigen Momenten (unter anderem) sage, dass ich zu früh das Handtuch geworfen habe und mich mehr hätte zusammen reißen sollen, um nicht den Anschluss an den Alltag und die Arbeit zu verlieren. Ich schlafe seitdem nicht mehr zu Hause in meiner WG, da mir meine Mitbewohner nicht so sehr vertraut sind, ich mich sehr schäme für meinen Zustand und mich nicht traue ihnen ehrlich zu sagen was los ist. Deswegen übernachtete ich also während der Krankkschreibung erst bei meinem Bruder in einer anderen Stadt, dann bei meinen Eltern, wo ich auch jetzt noch bin. Gerade die letzten Tage waren sehr schlimm und ich hatte immer wieder emotionale Zusammenbrüche, da der Tag meiner Entscheidung, ob ich mich nun selbst einweisen lasse oder wieder versuche zu arbeiten immer näher rückt. Die Vorstellung in eine Psychiatrie zu gehen und das allen zu erzählen, ertrage ich nur sehr schwer. Meine Mutter fleht mich mittlerweile an in eine Klinik zu gehen und meine Therapeutin rät mir ebenfalls dazu. Auch sonst ist meine ganze Familie und die paar Freunde, die eingeweiht sind, fest davon überzeugt, dass ich das jetzt brauche.

Ich aber habe unglaublich große Angst davor, dass mich ein Klinikaufenthalt noch viel weiter von dem realen Leben entfernt und mir so den Wiedereinstieg in Beruf und Alltag noch viel schwerer mache. Mit viel Kraftaufwand und Willensstärke würde ich es vielleicht schaffen wieder zu arbeiten. Wäre das nicht vielleicht besser als nun so lange auf einen Platz in der Klinik zu warten (ich rechne mindestens mit 4 Wochen), dann mindestens 2 Monate dort sein, um dann wieder zurückzukommen? Ich weiß einfach nicht ob meine Depression schwer genug ist, ob ich dort richtig bin. Wie sind eure Erfahrungen diesbezüglich? Ist das eurer Meinung ein Ort, an dem man zu sich selbst findet?
Vielleicht schieß ich mir damit ins eigene Bein. Mein Umfeld sagt mir aber, dass sie nicht mehr weiter wissen, ich was tun muss und sie das als einzige Lösung sehen.

Oh ha - jetzt hab ich einen riesen Roman geschrieben und bezweifle sehr stark, dass sich das tatsächlich jemand ernsthaft durchliest! Wenn doch, freue ich mich sehr, wenn ihr mir eure Gedanken dazu mitteilen würdet. Danke :)
Neti84
Beiträge: 56
Registriert: 23. Sep 2017, 20:42

Re: Psychiatrie ja oder nein?

Beitrag von Neti84 »

Liebe lululu,

es tut mir leid, dass du dich in dieser Lage befindest. Immerhin scheint bei dir da zu sein, das sich etwas um dich kümmert.
Selbst habe ich keine Ahnung mit Klinikaufenthalten, aber wenn deine Therapeutin auch der Meinung ist, dass du dahin gehen solltest, dann wird sie ihre Gründe haben.
Ich denke, ich hätte auch Mühe, für ein paar Monate weg zu sein. Vor allem würde ich Reaktionen von bescheuerten Menschen fürchten, verbunden halt nachwievor mit mangelndem Verständnis für Depressionen.

Auf der anderen Seite schreibst du, dass du dich nicht besser fühlst als vor 3 Wochen. Da ist zu erwarten, dass es erneut nicht klappen würde Das Problem sehe ich auch betreffend Wille: das tönt gut und schöne was du schreibst, aber wenn du in einer Depression drin bist, ist der Wille geschwächt, da die Depression einen Grossteil der Kontrolle an sich nimmt.

Ich wünsche dir alles Gute
ßßßß

Re: Psychiatrie ja oder nein?

Beitrag von ßßßß »

wie meist kommt darauf an

solltest du immer noch auf
"chemische Drogen konsumiert (Speed, MDMA, Ecstasy) und viel gegifft. " sein dann absolut ja. Auch Alkohol gehört dazu.
Als Entgiftung, das Zeug kann helfen Symptome zu unterdrücken, nur lösen tut es nichts. Dazu brauchst du einen freien Kopf.


"in eine Psychiatrie zu gehen und das allen zu erzählen" musst du ja nicht. Allerdings wenn du vorhast Beamtin zu werden könnte das problematisch werden.

Letztendlich endscheidend ist, würden dir die veränderten Umstände eines stationären Aufenthaltes mehr oder weniger bringen wie dein bisheriges vorgehen.
Eine gewisse Abgescheidenheit von deinem bisherigen Alltag, wenn der belastend ist. Und eine intensivere Beschäftigung mit dir selbst, ob das hilft oder schadet ist schwierig vorherzusehen.
win10
Beiträge: 68
Registriert: 17. Jan 2018, 16:52

Re: Psychiatrie ja oder nein?

Beitrag von win10 »

Hallo

Ich habe meine Depression nach fast einem Jahr überstanden. Ohne ärztliche Hilfe war das nicht möglich. In dieser Zeit war ich in ambulanter und klinischer Behandlung. Medikamente können auf Dauer nicht helfen, aber sie dämpfen die Symptome kurzfristig ab. Das ist notwendig um wieder etwas zu sich zu kommen. Wenn du ständig daran denkst was andere von dir halten, wirst du es auf Dauer schwer haben. Die Anderen denken sowieso was sie wollen. Das kannst du kaum beeinflussen.
Mir geht es jetzt seit einigen Jahren wieder gut, denn ich habe auch einige meiner Einstellungen über Bord geworfen.

Viel Glück win10
fatrate
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Registriert: 30. Jul 2017, 08:26

Re: Psychiatrie ja oder nein?

Beitrag von fatrate »

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T Ally
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Registriert: 30. Jul 2014, 14:34

Re: Psychiatrie ja oder nein?

Beitrag von T Ally »

Hallo lululu,

Du überlegst, ob Du durch Kraftaufwand wieder in den Alltag starten solltest. Ich wollte Dir mal meine Erfahrung dazu schildern. Denn genau das ist gerade mein Alltag. Und wie lange kann so etwas gut gehen?

Ich bin absolut nicht fit, meine Fassade sitzt und ich gehe seit nunmehr 1,5 Jahren ohne längere Ausfälle zur Arbeit. Vor etwa zwei Jahren wurde ich von meiner Therapeutin in die Klinik "verbannt" unter Einschaltung des sozialpsychiatrischen Dienstes; ich konnte mich dagegen nicht mehr wehren.
Meine Befürchtung war, was die Leute und besonders die Kollegen, denken. Das mein Arbeitgeber mich anschließend loswerden möchte. Es hat einige Tage gedauert, bis ich mich auf die Umgebung, die Menschen und die Termine dort einlassen konnte. Und ich kann jetzt sagen: Es war gar nicht schlimm! Mir hat der Abstand vom Alltag und seinen Anforderungen gut getan. Meinen Job habe ich noch, auch wenn mein Arbeitgeber versucht hat, mir einen Abschied zu versüßen. Und Familie und Bekannte haben mir gegenüber nichts negatives geäußert.

Wenn Du also das Bedürfnis nach einer Auszeit vom Alltag hast und merkst, dass Deine Kräfte einfach nicht mehr vorhanden sind, dann denke ernsthaft darüber nach. Ob Dir eine weitere Auszeit in Deiner Umgebung ohne weitere Hilfsangebote außer einem wöchentlichen Therapietermin hilft, kannst nur Du beurteilen. In einer Klinik sind jedenfalls Fachleute für Dich da.

Meine Erfahrung ist, dass die Tagesklinik für mich Stress pur war. Zum Einen liegt es wohl daran, dass ich einen recht langen Anfahrtsweg hatte, da ich ländlich wohne und die zuständige Klinik durch öffentliche Verkehrsmittel nicht erreichbar ist. Mit dem Auto stand ich täglich im Stau. Neben dem Programm dort noch einkaufen und Haushalt, dass hat mir viel Kraft geraubt.

Allerdings ist auch der Wechsel von dem "Alltag unter der Käseglocke" in den Alltag mit all seinen Anforderungen nicht zu verachten und kraftraubend.

Wie anfangs erwähnt, schleppe ich mich nun seit Monaten ziemlich zuverlässig in meinen Vollzeitjob mit regelmäßigen Überstunden. Ein Leben neben dem Job gibt es kaum. Das findet fast ausschließlich auf dem Sofa und im Bett statt. Eigentlich lese ich recht gern, selbst das schaffe ich nicht mehr. Kleinigkeiten überfordern mich und heute beim Einkauf haben mich die vielen Menschen innerlich so aggressiv gemacht, dass ich froh war, als ich endlich wieder an der frischen Luft war. Nach mehreren Wochen habe ich heute erstmals wieder gekocht, da ich endlich einmal vor dem Abend Feierabend gemacht habe.

Meine Therapeutin hat damals zu mir gesagt, ich solle überlegen, was ich einer guten Freundin raten würde. Und dies mal für mich selbst in Betracht ziehen. Dies setze ich nun gerade mit meiner Nachricht an Dich um.
Eigentlich könnten wir gemeinsam in die Klinik gehen, glaube ich :oops:

Ich warte darauf, dass mein Körper endlich streikt und mich aus den Puschen haut, damit ich einen Grund für eine Auszeit habe. Diesen "Wunsch" einem Arzt gegenüber auszusprechen, das schaffe ich einfach nicht!
Zudem wäre dann wohl auch mein Job ernsthaft in Gefahr. Davor habe ich Angst, da ich mir einen Neustart nicht zutraue; eigentlich möchte ich diesen Job aber auch gar nicht, da nebenher für mich kein Leben möglich ist. Aber wie sieht dann meine Zukunft aus?

Sei Du vernünftiger als ich und zieh zeitig die Reißleine, damit eine Änderung und ein lebenswertes Leben für Dich möglich sind.
Deinem Beruf und Deinem Text entnehme ich, dass Du den Intellekt hast und weißt, dass Drogen einfach nur totaler Mist sind. Also lass den Sch***! Das ist keine Lösung!
Auch dabei, den nötigen Abstand dazu zu finden, kann Dir eine Klinik helfen!

Ich drück Dir die Daumen und wünsche Dir alles Gute!
lululu
Beiträge: 4
Registriert: 4. Feb 2018, 22:17

Re: Psychiatrie ja oder nein?

Beitrag von lululu »

Vielen Dank für eure Antworten. Ich habe mich für einen Aufenthalt in der Klinik entschieden. Ab morgen werde ich dennoch wieder arbeiten, da die Wartezeit sehr lang ist. Es ist ein Versuch - ich hoffe es klappt!
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