Schlechtes Gewissen

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Katerle
Beiträge: 11309
Registriert: 25. Sep 2014, 10:30

Schlechtes Gewissen

Beitrag von Katerle »

Hallo an alle im Forum,

also wie es schon die Überschrift zeigt, möchte ich ganz gerne mal eure Ansichten dazu lesen.

Und zwar, ich war vor meiner Erkrankung immer gerne für alle anderen da und als dann die Krankheit zum Ausbruch kam, fühlte ich mich einfach nicht mehr als wertvollen Menschen behandelt von einigen. Das war, ich fühlte mich total schwach und kraftlos und auch nicht in der Lage, einen Krankenhausbesuch zu machen bei einer schwerkranken Person. Wurde aber nicht verstanden von meiner Sm zum Beispiel und sie versuchte mir ständig ein schlechtes Gewissen zu machen und auch, weil ich berentet wurde. Das war echt die Hölle für mich gewesen. Versuchte trotz allem, dem standzuhalten und mich nicht runterziehen zu lassen, weil es wurden auch noch andere Leute aus der V. beeinflusst und auf ihre Seite gezogen. Ich stand ziemlich allein da...
Hinzu kam, dass mir immer wieder verdeutlicht wurde, dass ich nicht arbeiten WOLLTE, was so nicht stimmte..., bis dahin, als sie starb... Das ist zwar auch traurig, doch ich bin auch irgendwo erleichtert, dass dies nun endlich ein Ende hat, auch wenns etwas böse klingt.

Meine S., z. B., war auch immer für viele da und als es ihr jetzt mal wieder schlechter ging, erlaubte sie sich, auch mal NEIN zu sagen.Und da kam doch promt die Antwort von jemanden: "
"Danke für deine Hilfe"!... Das hatte meine S. ziemlich erschüttert.
Ich verstehe sie, wie sie sich nach der Antwort fühlte und ich versuchte sie da wieder aufzubauen.

Was meint ihr dazu?

Wünsche einen schönen Sonntag,
Katerle
retrochallenge1
Beiträge: 71
Registriert: 14. Feb 2015, 14:35

Re: Schlechtes Gewissen

Beitrag von retrochallenge1 »

Liebe Katerle,
ich kenne das auch sehr gut mit dem schlechten Gewissen.
Aber ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass Menschen, für die man einen persönlichen Wert hat, z.B. Freunde, das auch verstehen, wenn man sich nicht meldet, verabredet, oder einfach nur Ruhe braucht.
Meine wenigen Freunde 3- 4 , halten sowieso zu mir, ob ich in der Depression bin oder gerade auch nicht.
Anders sieht es in meiner Herkunftsfamilie aus.Da glaube ich, dass viele das einfach nicht verstehen wollen.Und wenn man sagt, dass man Depressionen hat, sind sie zwar nicht soo doof zu einem, aber was das bedeutet können sie nicht im Ansatz verstehen.Zudem merke ich ja auch an mir selber, dass ich dann auch keine Gespräche wiil.Durch die Krankheit bin ich auch unbequem geworden für andere.Ich will dann auch loswerden, was ich denke oder wissen will.
Ich habe 5 Geschwister, aber eigentlich nur zu meiner jüngsten noch einigermaßen einen Draht.
Aber auch das Verhältnis ist von meiner Seite aus abgekühlt, ertstens, weil sie Verabredungen nicht einhält und zweitens, weil sie meine ich wäre ein schwieriger Mensch.
Als ich das bei meinem Therapeuten besprach, meinte er zu mir, dass wäre ja sehr pauschal und an welcher Stelle ich schwierig wäre.Er hat das nach 8 Jahren noch nie so empfunden.
Außerdem denke ich, dass ein schlechtes Gewissen immer dann auftritt, wenn man Erwartungen anderer nicht erfüllt.
Das will ich nur noch bedingt.Den Egoismus, den ich an meinen Mitmenschen erkenne, habe ich nicht.Sicher ist das auch ein Grund für die Erkrankung.
Aber ich versuche öfter klar nein zu sagen.Mir gehts dadurch besser.Ich brauche das auch als Schutz.
Ich habe mal im Kindergarten meiner Kleinen gelesen, dass Nein das wichtigste Wort für Kinder ist.
Ich denke heute, dass sich das auch auf andere Menschen übertragen lässt.
Viele Grüße retrochallenge
T Ally
Beiträge: 595
Registriert: 30. Jul 2014, 14:34

Re: Schlechtes Gewissen

Beitrag von T Ally »

Hallo,

das schlechte Gewissen ist mein ständiger Begleiter, denn ich muss ja immer allen alles Recht machen und das geht ja leider nicht. Warum der Verstand da nicht gegen mein Gefühl gewinnt verstehe ich nicht.

Immer habe ich ein offenes Ohr für Freunde, Bekannte und Kollegen. Versuche, auf die Äußerungen einzugehen und meinen Eindruck dazu wiederzugeben. Aber wenn ich mal erzählen möchte oder etwas loswerden möchte, dann wenden sich einige ab oder hören gar nicht zu.
Wenn ich mal absagen möchte, dann werde ich bedrängt und teilweise wird mir dann doch eine Teilnahme abgerungen. Mein Gefühl schreit NEIN, aber niemand kann es hören, nur ich körperlich spüren. Das schlechte Gewissen und die Angst, andere zu enttäuschen, treibt mich dann dazu, meinen "Pflichten" nachzugehen.

Der Familie gegenüber versuche ich, belastbar und aktiv wie immer zu erscheinen um gar nicht erst das Gefühl zu bekommen, die könnten sich um mich sorgen und ich belaste diese.

Somit ist mein ganzes Leben eigentlich eine Show und ich versuche, dem schlechten Gewissen aus dem Weg zu gehen. Auf Kosten meiner Kraft.

Gesunder Egoismus ist wichtig, ich darf / kann ihn mir aber nicht zugestehen. Und die Trennung zwischen Egoismus und Selbstfürsorge ist ein schmaler Grad. Ich habe Angst, als Egoistin abgestempelt zu werden.

Wenn ich mal versuche, meine Grenzen zu verteidigen und für mich zu sorgen, dann beschweren sich z.B. meine Kollegen über mich, weil ich nicht wie gewohnt funktioniere. Und diesem Druck halte ich nichts Stand.

Ein sehr schwieriges und großes Thema!
Katerle
Beiträge: 11309
Registriert: 25. Sep 2014, 10:30

Re: Schlechtes Gewissen

Beitrag von Katerle »

Danke euch Lieben, für eure Antworten. :)

@ manu

Tut mir auch leid mit deiner Sm... Meine war auch neidisch, echt krass...

Danke für die Grüße an meine Schwester. Ja, mit dem Helfersyndrom war bei mir auch und schon sehr zeitig. Man muss da wirklich aufpassen, nicht ausgenutzt zu werden. Das ist bei meiner S. nicht anders.

Aber auch mein M. wollte es anderen auch gerne immer recht machen und helfen.

@ retrochallange

Gut, dass du diese Erfahrung gemacht hast. Ich habe zum Glück auch ein paar Leute, die das verstehen oder auch nachvollziehen können. Inzwischen weiß ich auch, wo meine Grenzen sind.
Das heißt, ich helfe gerne, aber nicht mehr allen und jedem.

Das stimmt, was du schreibst mit den Erwartungen erfüllen. Zwei Geschwister von mir verstehen mich auch ganz gut.

Es ist ja auch einfacher, zu sagen, man ist ein schwieriger Mensch, anstatt bei sich Fehler zu suchen.

@ T Ally

Mit dem offenen Ohr für alle anderen, war bei mir auch so. Als ich dann krank war, hatte ich es sehr vermisst, dass mal jemand Zeit oder ein offenes Ohr hatte. Meine Therapien taten mir ganz gut...

Verstehe dich da sehr gut, dass du auch gerne mal was erzählen oder loswerden möchtest.

Du kannst lernen, kein schlechtes Gewissen bei anderen zu empfinden. Das geht auf Dauer zu Lasten deiner Gesundheit und Kraft.

Machst du eine Therapie?

Wünsche euch weiterhin alles Gute,
Katerle
Neti84
Beiträge: 56
Registriert: 23. Sep 2017, 20:42

Re: Schlechtes Gewissen

Beitrag von Neti84 »

Hallo zusammen,
ich denke, es ist sehr wichtig, dass wir, mit Depressionen, uns distanzieren und abgrenzen. Ich habe den Eindruck, dass gerade wir diejenigen sind, die oft allen alles recht machen möchten. Und wohl sind auch wir diejenigen, welche gute Opfer sind, um ausgenützt werden, z.B. von Personen, welche in der Lage sind, andere zu manipulieren.
Ich kenne das schlechte Gewissen sehr gut. Vor allem meiner Mutter gegenüber. Sie hat eigentlich schon ein Leben lang Probleme, Beziehungen zu pflegen und fühlt sich oft einsam und nicht gewollt. Als Kind habe ich das selbstverständlich nicht realisiert und wurde darum (vielleicht unbewusst von ihr) ein Opfer von ihr. Inzwischen weiss ich, dass dies nicht meine Probleme sind und habe mich seit ein paar Jahren ihr stark distanziert; es gibt lediglich noch ein paar Treffen pro Jahr. Zu Beginn war es schwierig und ich fühlte mich schlecht; aber ich habe realisiert, dass ich auch zu mir und zu meiner jungen Familie gut schauen muss; denn diese ist jetzt meine Basis und es lohnt sich, da meine Energie einzubringen.
Inzwischen ist es mir weniger wichtig, was andere über mich sagen. Mir ist es nicht mehr so wichtig, ständig Bekannte und Verwandte zu treffen. Lieber bin ich im Kreise meiner Familie und/oder verbringe ich Zeit mit Menschen, die mir gut tun. Und die Menschen, die mich wirklich mögen, die sind auch da für mich. Es sind sehr wenige, dafür sind das sehr gute Menschen, welche in Not auch für mich da wären.
Gerade während meiner starken depressiven Phasen habe ich von meinen Eltern und meinen Geschwistern kaum Unterstützung erhalten, vielmehr wurde die Krankheit weggeschwiegen und tabuisiert. Mit der Zeit realisierte ich, dass ich mit ihnen nicht rechnen kann. Dies hat mich zum einen stark verletzt, aber hat mir auch gezeigt, wie die Lage ist. Mit der Zeit wurde es mir zu blöd, viel Energie in diese Personen zu investieren und begann, mich zurückzunehmen. Und für mich ist es viel besser, wie es jetzt ist. Ich fühle mich freier und unabhängiger.
Ein schlechtes Gewissen habe ich inzwischen nicht mehr, denn ich denke, am Ende ist es mein Leben und ich bin verantwortlich dafür, dass es mir gut geht. Dies heisst natürlich nicht, dass ich nicht auch für andere da bin oder jmd. helfe, sondern dass ich in meinem Leben auch begonnen habe, an mich zu denken.
Katerle
Beiträge: 11309
Registriert: 25. Sep 2014, 10:30

Re: Schlechtes Gewissen

Beitrag von Katerle »

Danke Neti für deinen Beitrag. Finde mich gerade wieder in einigen Punkten, die du erwähntes und verbringe auch Zeit mir Leuten, die mir guttun. LG Katerle
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