Hallo Laca,
Laca55 hat geschrieben:Uns als Angehörige ist es bewusst, dass es unseren Partnern in ihren schweren Phasen einfach nicht möglich ist, Gefühle die sich im Grunde tief im Inneren befinden, nach außen zu lassen. In diesen Momenten regiert die Krankheit, wie du es schon erwähnt hast. Um so mehr weiß ich es zu schätzen, wenn die Krankheit bei meiner Freundin mal nicht die Oberhand hat, sie sich gut fühlt und dies auch mal wieder aus ihrem Innersten heraus lassen kann. Es muss verdammt schwer sein für den Kranken, genau zu wissen dass er starke Gefühle für seinen Partner hat, aber weder schöne noch fröhliche Emotionen zeigen kann.
Bei der Gefühllosigkeit geht es nicht darum, dass man seine Gefühle nicht zeigen kann, sondern dass man in dem Moment wirklich gar nichts fühlt. Ich habe hier im Angehörigenforum das schon öfter beschrieben, aber es ist gar nicht so einfach, das zu erklären. Gesunde Menschen kennen das anscheinend überhaupt nicht und für mich ist es so "normal", dass ich mir gar nicht vorstellen kann, dass man sich das nicht vorstellen kann.
Aber ich versuche es trotzdem immer wieder zu erklären und hoffe, es hilft euch.
Bei Depressionen ist es von den Gefühlen her so (wenn man mal die wenigen positiven Momente weglässt), dass man sich entweder richtig beschissen fühlt oder man gar nichts fühlt. Und zwar GAR nichts. Für NICHTS und NIEMANDEN. Es nicht möglich, Gefühle nach außen zu zeigen, nicht weil sie irgendwo unterbewusst schlummern und man bloß nicht in der Lage ist, sie zu zeigen oder auszuleben, sondern weil man wirklich gar nichts fühlt. Es ist alles gleich. Gutes und Schlechtes.
Das schlimme dabei ist, dass man als Betroffener vom Kopf her WEISS, dass eine bestimmte Situation eigentlich eine schöne Situation ist und man sich eigentlich gut fühlen müsste. Dass man sich über ein Geschenk freuen sollte. Aber da ist nichts. Es ist alles gleich. Jede Situation. Nichts ruft in einem irgendwelche Empfindungen hervor. Es gibt keine Prioritäten, was jetzt schön, schöner, am schönsten oder schlecht, schlechter, am schlechtesten ist. Weder das schöne Geschenk, noch das Buch, das man lesen könnte und sich mal ausgeliehen hat, weil es einen in dem Moment damals interessiert hat, noch ob das Telefon klingelt, noch ob man lieben Besuch bekommt, noch dass jemand einem hilft, noch dass da das Lieblingsessen vor einem steht, etc. etc.
Es ist nicht so, dass man innerlich fühlt, dass etwas einen freut, oder ärgert oder oder oder und quasi die Gefühle in einem eingesperrt sind und nicht nach außen können, sondern es ist einfach nichts da, was man nach außen zeigen könnte.
Ich befürchte, das hört sich jetzt noch schlimmer an, als wenn man sich nur vorstellt, dass der andere seine Gefühle nur nicht zeigen kann.
Ich habe gerade nach einem Vergleich gesucht, mit dem man das vielleicht besser darstellen könnte, aber das ist auch nicht so einfach... Vielleicht klappt es noch am ehesten mit einem Stromaausfall.
Der Strom wäre dann sozusagen die Gefühle. Der Strom ist ja auch immer da, egal, ob ich jetzt das Licht anhabe oder nicht. Wenn ich alle Stecker ziehe, gibt es den Strom in der Steckdose (mal so ganz laienhaft vorgestellt
) ja immer noch. Stecke ich die Stecker wieder in die Steckdosen, dann gehen wieder die Lampen an, die Waschmaschine, Spülmaschine, alles funktioniert wieder. Wenn man aber gar nichts fühlt, das ist, wie wenn der Strom ausfällt. Der Strom ist komplett WEG. In jedem Zimmer. Wenn ich den Stecker in die Steckdose stecke, geht die Lampe trotzdem nicht an. Egal, wie oft ich ihn in die Steckdose stecke. Und auch die anderen Geräte funktionieren nicht, aber nicht, weil die Geräte kaputt sind, sondern weil gerade einfach kein Strom da ist. Und ich kann noch so sehr versuchen, irgendwas an den Geräten und den Steckdosen umzubasteln, damit wieder Strom da ist und die Teile wieder funktionieren. Aber das kann ich mir sparen, denn solange der Stromausfall nicht behoben ist, wird auch kein Strom in den Steckdosen und so auch nicht in den Geräten sein. Dass aber gerade kein Strom da ist, heißt aber nicht, dass es nirgendwo auf der Welt keinen Strom mehr gibt. Und es heißt auch nicht, dass wir in unserem Haus nie wieder Strom haben werden! Irgendwann geht der Strom wieder an und alle Geräte funktionieren wieder, ohne dass wir irgendwas an ihnen geändert haben. Es heißt auch nicht, dass wir uns eingebildet haben, dass wir Strom haben und alle Geräte funktioniert haben! Es gibt den Strom schon, er war da und hat auch seine Wirkung gezeigt, jetzt ist er halt gerade nicht "anwesend". Irgendwann kommt er wieder und alles ist wie vorher.
Das heißt, wenn euer Partner gar nichts fühlt, dann ist das nicht nur bei euch so. Deshalb kann oder sollte man im besten Fall (ja, ist leichter gesagt als getan) diese nicht vorhandenen Gefühle nicht überbewerten. Ich versuche das auch immer wieder. Ich weiß, dass es diese Leere gibt. Ich sitze manchmal da und bin wie auf dem Sofa festgeklebt. Kann mich zu nichts aufraffen, weil mich gar nichts interessiert, alles gleich ist, alles sinnlos, mich gar nichts anspricht. Und ich weiß genau, dass ich wann anders schon die Motivation dafür hätte oder mich Sachen interessieren. Im Moment aber ist alles gleich und es ist egal, ob ich es mache oder nicht. Das regt mich dann so auf! Ich weiß aber, dass das von der Depression kommt, und deshalb ist es ein bisschen einfach zu ertragen, wenn ich das so akzeptiere, dass es immer wieder diese Phasen gibt, wo entweder alles beschissen ist oder wo einfach gar nichts geht und ich nichts fühl. Trotzdem sind solche Tage einfach scheiße und manchmal kann ich auch nur abwarten, bis diese Phase vorbei ist und meine Motivation und Interesse wieder langsam kommen. Bis der Strom quasi wieder angeht.
Von daher denke ich, dass wenn ein Partner sagt, er fühlt nichts für den anderen, dann ist eben einfach nichts da, was man fühlen geschweige denn ausdrücken könnte. Was aber nicht heißt, dass der andere einen überhaupt nicht liebt oder man dem anderen egal ist. Für Angehörige ist es wahrscheinlich furchtbar zu denken, der andere will einen nicht, weil er so anders ist als sonst, und für uns Betroffene ist es ätzend, wenn man weiß, dass man normalerweise etwas fühlen "sollte" und ja auch gern möchte. Man fühlt sich dann nicht mehr normal, ist selber verunsichert, weil man das nicht einschätzen kann... vielleicht kann man versuchen, zu beobachten, wie es meistens nach solchen Zeiten der Gefühllosigkeit normalerweise weitergeht. Wenn der Partner einem dann normalerweise auch wieder Liebe entgegenbringt, kann man sich theoretisch vielleicht eher vom Kopf her sagen, dass gerade "Stromausfall" ist, der aber normalerweise auch irgendwann wieder vorbei geht und man sich deswegen nicht jedesmal Sorgen machen muss, ob es nicht doch auf der ganzen Welt keinen Strom mehr gibt oder ob die Stadtwerke einen vielleicht vergessen beim Strom-Wieder-Anschließen. Was natürlich schwer ist, wenn die Stimmung ständig im Stundentakt rauf und runter geht, oder der andere sich nicht helfen lassen will etc. Ideal wäre es, wenn beide die Situation so sehen könnten.
Ich will nicht sagen, dass das einfach ist oder ich die Superlösung für eure Probleme habe, aber ich hoffe, dass ich euch ein bisschen weiterhelfen kann.
Achja, diese Gefühllosigkeit nennt man auch das "Gefühl der Gefühllosigkeit". Vielleicht kann man sich das so vorstellen, dass anstelle der anderen Gefühle dieses Gefühl getreten ist.
Den Beitrag von Philipp finde ich echt super! Mir ging es, als ich angefangen habe, hier im Angehörigenforum mitzulesen, auch so. Es hat mich auch sehr betroffen gemacht und ich war teilweise echt entsetzt, wieviele Schwierigkeiten durch Depressionen in Beziehungen entstehen können und wieviele Beziehungen dadurch auch in die Brüche gehen. Von daher finde ich es toll und auch beruhigend, dass es auch solche Beziehungen gibt wie die von dir, Philipp.
Philipp88 hat geschrieben:Aber sei dir immer sicher: Dein Partner liebt dich sehr, es ist für ihn enorm wichtig dich als Partner zu haben, Gerade ich den schweren Zeiten. Dann kann (Kann!) er es nicht zeigen, (obwohl er es gerne möchte). Mache ihm klar, dass du diese schwere Zeit mit ihm durchstehen wirst. Dies ist ein Enorm wichtiger Faktor für den Depressiven, diese Phasen durchzustehen. Zu wissen, dass jemand da ist, dass er nicht alleine ist.) Für mich ist eine feste Umarmung sehr hilfreich, auch wenn vielleicht von mir keine Reaktion kommt. Keine Worte, nur das Zeichen dass du für ihn da bist.
Das finde ich auch sehr wichtig. Und mir würde es, denke ich, auch helfen.
Philipp88 hat geschrieben:Wenn es möglich ist nimm Druck von ihm oder unterstütze ihn, dass der Druck auf ihn weniger wird. Durch, Verantwortung, sind oft Auslöser einer depressiven Phase. Hilf ihm, zu ordnen was er alles tun muss, oder eben nicht tun muss.
Das finde ich auch hilfreich. Einfach dieses Prioritäten setzen, was wirklich wichtig ist und was nicht. Entscheidungen zu treffen ist bei mir immer wieder eine riesen Überforderung (meistens eher die kleineren Entscheidungen im Alltag), und dadurch dass ich schlecht Prioritäten setzen kann, habe ich oft die Situation, dass ich allein daran verzweifle, dass ich nicht weiß, was ich jetzt machen soll, weil alles gleich wichtig erscheint.
Es gab mal diesen Thread hier, vielleicht hilft der euch auch weiter:
https://www.diskussionsforum-depression ... 57&t=35827" onclick="window.open(this.href);return false;
Liebe Grüße und einen schönen Sonntag noch!
DieNeue