Ich möchte mich vorstellen

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samtpfote
Beiträge: 22
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Ich möchte mich vorstellen

Beitrag von samtpfote »

Hallo an alle,

durch einen Bekannten bin ich auf dieses Forum aufmerksam gemacht worden und möchte mich kurz vorstellen:

Ich heiße Heike, bin 40 Jahre alt und seit 2001 wegen meiner Depressionen in psychotherapeutischer Behandlung. Seit September 2003 bin ich krank geschrieben, nachdem ich einen regelrechten Zusammenbruch hatte und seitdem hab ich das Gefühl, dass meine Krankheit erst so richtig ausgebrochen ist.

Ich glaube, ich war ein ziemlich guter Verdrängungskünstler, ich hab gelernt, mich immer zusammenzureissen und mich durchzubeissen. Ich hatte mehrmals in der Woche heftige Kopfschmerzen, oft mit Erbrechen und Übelkeit, Schlaflosigkeit, Unruhe, Depressionen und ich lebe, so lange ich denken kann, mit furchtbaren Ängsten. Mir macht sehr vieles Angst, vor allem Vorgesetzte, Behörden, Ämter und Ärzte. Denen fühle ich mich immer so ausgeliefert und machtlos. Ich habe immer versucht, durch soviel Arbeit wie möglich Anerkennung zu finden. Was heißt Anerkennung? Ich dachte immer, wenn ich viel arbeite, dann habe ich auch eine Berechtigung, an meinem Arbeitsplatz zu sein. Wenn ich irgendwo einen Fehler gemacht habe und dafür zur Rechnenschaft gezogen wurde, dann fühl ich mich wie ein kleines Kind, hilflos, absolut schutzlos, ausgeliefert und ganz winzig klein.

Ich habe immer getan, was andere von mir erwarteten, aber nie das, worauf ich Lust hatte. Selbst in meiner Freizeit hatte ich das Gefühl, durch ein "Arbeitspensum" mir Freizeit zu verdienen. Klingt bescheuert, aber es ist so. Und wenn ich dann die "wohlverdiente" Freizeit hatte, dann krieg ich meistens nix gebacken, was Spaß macht, weil ich dann entweder zu erschöpft dazu bin oder weil mich dann die Ängste wieder übermannen.

Ich habe immer das Gefühl, für etwas "bezahlen" zu müssen. Und jetzt erst recht, wo ich, anstatt im Büro zu sitzen und zu arbeiten, zuhause bin. Ich soll mir Zeit für mich nehmen, aber ich denke nur an die Firma und daran, dass ich meine Pflichten vernachlässige und meine Kollegen und Vorgesetzten im Stich lasse und denke oft, ich bin jetzt ein Sozialschmarotzer, der auf Kosten anderer lebt und das wiederum macht mich auch fertig.

Ich möchte am liebsten weglaufen, weit weit weg und weiß doch, dass ich dann all meine Probleme mitnehmen würde.

Ich habe oft das Gefühl, dass ich aus meinem Leben nix gemacht habe und würde so gerne etwas draus machen, habe aber Angst, zu versagen und zu scheitern.

So, wie ich bisher gelebt habe, habe ich ja wenigstens noch etwas geleistet und nun leiste ich gar nix mehr. Ich fühle mich nutzlos und denke, dass alle darauf warten, dass ich endlich wieder funktioniere. Aber je mehr ich diese Haltung übernehme, desto mehr blockiere ich mich selbst.

Ich fühle mich sehr gefangen.

Heike
Acedia
Beiträge: 400
Registriert: 12. Jun 2003, 10:47

Re: Ich möchte mich vorstellen

Beitrag von Acedia »

Liebe Heike,

wahrscheinlich wartest du schon ein wenig auf irgend eine Reaktion von uns. Erst einmal recht herzlich willkommen in diesem Forum!.
Gleich als du diesen Beitrag ins Netz gestellt hast, fühlte ich mich sehr davon berührt, wusste allerdings nichts darauf zu erwidern, weil ich eigentlich alles nur bejahen kann. Es ist sehr stimmig, was du da schreibst und sicher haben viele von uns, die die 40 überschritten haben, das Gefühl, aus ihrem Leben nichts gemacht zu haben. Das ist eine Fehleinschätzung und hat viel mit unserer Krankheit zu tun. Wie du selbst schreibst, hast du dich ja vor allem über die Arbeit definiert und diese zum beinahe ausschließlichem Inhalt deines Lebens gemacht. Auf einem Bein kann man nun mal schlecht stehen, denn wenn dieser Grund deines Lebens aus was auch immer für Gründen wegbricht, stellt man sein ganzes Leben in Frage. Genauso wenig wie der Partner der tiefe Grund seines Lebens sein kann, ist es auch die Arbeit. Der Sinn deines Lebens liegt in dir selbst, auch ohne Arbeit und Leistung hast du deinen Wert.

Liebe Heike, wenn du jetzt krank geschrieben bist, dann gibt es dafür absolut keinen Grund, sich nutzlos zu fühlen oder seinen Arbeitskollegen gegenüber ein schlechtes Gewissen zu haben. Ich habe schon so oft die Erfahrung gemacht, dass man gar nicht so unentbehrlich ist, wie man es oft glaubt (und sich auch wünscht!). Die ersten Tage wird man vielleicht noch „vermisst“, aber dann haben sie die Arbeit so aufgeteilt, dass sie auch gut ohne mich zurecht kommen.
Liebe Heike, du schreibst von deinen Ängsten, die alle Lebensbereiche einschließen und dich in diesem Teufelskreis festhalten. Kann dir denn deine Psychotherapei da nicht helfen? Das wäre doch eine ganz wichtiger Bereich. Du musst herausfinden, woher diese Ängste kommen und wovor du dich wirklich fürchtest. Denn der eigentliche Grund deiner Angst ist so weit verschüttet, dass du ihn gar nicht mehr kennst und er mit Hilfe deiner Therapeutin wieder freigelegt werden müsste. Ich habe nicht so sehr viel Ahnung von Therapie, aber mein Gefühl sagt mir, dass diese Angst mit die Hauptursache für deine Depressionen und all diese anderen Symptome sind, die du nennst.
Warst du nach deinem Zusammenbruch mal in einer Klinik oder was ist passiert? Hast du überhaupt Vertrauen zu deiner Ärztin/Arzt, dass du über dein Innerstes reden kannst? Ich meine, wenn das nicht der Fall ist, bringt es ja gar nichts.

Liebe Heike, du musst nichts leisten, um ein Mensch zu sein, um ein erfülltes Leben zu haben oder um glücklich zu sein. Dieses Leistenmüssen macht dich krank, denn du machst dich abhängig von den Urteilen der anderen, obwohl das überhaupt keinen Wert hat. Was glaubst du denn, wofür du „bezahlen“ müsstest und vor allem wem musst du etwas bezahlen? Es wäre sicher hilfreich für dich, wenn du darüber mit deinem Arzt sprechen könntest.

Gruß Lea
samtpfote
Beiträge: 22
Registriert: 15. Jan 2004, 10:45
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Re: Ich möchte mich vorstellen

Beitrag von samtpfote »

Hallo Lea,

lieben Dank für deine Antwort.

Ich bin in psychotherapeutischer Behandlung und meine Ärztin ist sehr lieb und verständnisvoll. Nur das asbach-uralte Problem hab ich auch bei ihr und auch schon mehrmals bei ihr angesprochen:

Ich fühle mich auch bei ihr unter Zugzwang. Es klingt komisch, aber ich überlege jedes Mal vorher, worüber ich mit ihr reden könnte. Ich hab Angst, dass mir nichts einfällt und sie mich dann als Simulantin abtun könnte, bzw. sie meint, ich wäre doch gesund.

Die ganze Woche über habe ich diese tiefen und machtvollen Ängste und sie nehmen mir so viel Lebensfreude weg und wenn ich dann zu meiner Therapie gehe, scheint es weit weit weg zu sein und ich überlege krampfhaft, wie ich die heutige Stunde ausfüllen soll.

Das mit dem "für jede Freude bezahlen müssen".. tja, ich weiß nicht, woher es kommt, aber ich hatte es auch schon als kleines Kind. Jeder Nachmittag, an dem ich alles vergessen konnte und frei von Ängsten spielen und toben konnte, endete immer mit dem Gefühl: Dafür wirst du bezahlen müssen.

Es hat sich in mir so festgesetzt, dass ich kaum noch etwas geniessen kann. An allem finde ich die möglichen Haken und Haare in der Suppe. Nichts ist so schön, dass es nicht wieder irgendeinen Aspekt daran gibt, der sich so sehr in den Vordergrund drängelt, dass ich mich gar nicht mehr so richtig freuen kann. Und das widerum macht mir auch Schuldgefühle, vor allem, wenn mir jemand wirklich eine Freude machen will und sich wahnsinnig Mühe gibt.

Dann fühle ich mich sehr undankbar, schuldbewußt und voller Selbstverachtung, dass ich jetzt dem Gebenden auch noch seine Freude vermiese.

Es ist ein Teufelskreis, aus dem ich so gerne ausbrechen würde.

Heike
Acedia
Beiträge: 400
Registriert: 12. Jun 2003, 10:47

Re: Ich möchte mich vorstellen

Beitrag von Acedia »

Liebe Heike,

ein wenig kenne ich diese Angst vor Ärzten und sie ist ja meistens auch nicht unbegründet. Da steckt ja meistens auch eine unangenehme Erfahrung dahinter. Auch ich bin aufgrund meiner übergroßen Ängstlichkeit und Zurückhaltung von Ärzten als Simulantin abgetan worden und habe noch heute an den körperlichen Folgen zu leiden, weil es viel zu spät erkannt wurde. Dieses Misstrauen gegenüber Ärzten lässt sich auch nicht so ohne weiteres hinwegschieben.
Mit Psychiatern habe ich ebenfalls keine guten Erfahrungen gemacht. Auch ich habe mir immer genau überlegt, wie ich die Stunde ausfüllen kann und fein sortiert, was ich ihm auf keinen Fall erzähle. Aber wie schon oben gesagt, hilft einem das nicht weiter. Du musst schon immer wieder deine Angst und auch deine Zurückhaltung ansprechen und sicher wäre es für deine Therapeutin auch hilfreich, wenn sie wüsste, dass du nicht weißt, was du sagen sollst. Es ist doch ihre Aufgabe, dir zu helfen, diese Blockade in dir aufzubrechen und dich in die verborgene Welt deiner Gefühle hinein zu begleiten. Tief in dir drinnen liegt der Grund, warum du dich so schützt und einmauerst, du musst ihn ans Licht holen, um im Bild zu sprechen, damit du ihn dir ansehen kannst und deine Angst einen Namen bekommt.

Vielleicht darf ich dir noch einen Tipp geben. Versuch doch mal, dir vor einer Therapiestunde einfach nichts zu überlegen, was du sagen willst. Sie wird dich vermutlich fragen, wie es dir geht und dann beschreibst du deinen gefühlten Zustand, einfach so. Es könnte auch helfen, wenn du sie nicht ansiehst beim Sprechen, sondern versuchst, in dich selbst hineinzusehen und das zu erzählen, was du da gerade „entdeckst“. Manchmal kann das der Anfang für ein wirklich gutes und hilfreiches Gespräch werden.

Erinnerst du dich denn konkret an Ereignisse, wo du für deine Freude hast „bezahlen“ müssen? Woher kommt diese Angst, an alles einen Haken zu sehen? Natürlich darfst du diese Frage nicht hier im Detail beantworten, das wäre wohl zu öffentlich und die Gefahr, dass dich jemand aus Versehen verletzt, ist sehr groß. Aber vielleicht wäre das ein Thema für deine Therapie?

Hab Geduld, liebe Heike, es wird dir bestimmt gelingen, aus diesem Teufelskreis auszubrechen. Mit Hilfe einer Freundin, eines Freundes oder eines Therapeuten. Liest du denn manchmal Fachbücher zu dem Thema Depressionen oder Psychotherapien? Auch das kann einen manchmal ein ganzes Stück weiterhelfen.

Liebe Grüße
Lea
lele
Beiträge: 78
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Ich möchte mich vorstellen

Beitrag von lele »

Hallo!
Ich weiss nicht recht, ob das der richtige Ort ist, aber die Überschrift stimmt. Ich möchte mich auch vorstellen. Eigentlich wieder vorstellen, denn ich war bis vor ca. einem Jahr auch hier.
Erinnnert sich noch jemand an mich?
Es ging mir ziemlich schlecht und ich war 5 Monate in der Psychiatrie und bin jetzt noch in teilstationärer Behandlung.
Es geht mir immer noch nicht gut, aber ich durfte in der Zeit einiges lernen, was ich gerne auch hier weitergeben würde.
Ich wünsche allen Lesern und Schreibern hier einen schönen Abend!!!
Würde mich sehr freuen, wenn jemand ein kurzes hallo gibt, auch wenn mich noch jemand kennt! Sonst auch!
Lele
artemis
Beiträge: 912
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Ich möchte mich vorstellen

Beitrag von artemis »

Hallo Lele,
ich erinnere mich an deine Namen aber an keine Details.
Deshalb erstmal nur einen lieben Gruß an dich.
Arte
gelberosen
Beiträge: 560
Registriert: 26. Jul 2003, 08:20

Re: Ich möchte mich vorstellen

Beitrag von gelberosen »

Hallo Lea,

nichts vornehmen, erst das Gefühl beschreiben... Das muß ich mir merken, könnte mir noch sehr hilfreich sein. Ich hatte mal einen Traum, in dem meine Therapeutin vorkam. Ich wollte vor ihr wegrennen, aber sie lächelte nur, und ich konnte nur noch langsam gehen. Einige Tage später wußte ich, daß ich eigentlich vor meinen Gefühlen wegrennen will, und daß das nicht mehr geht.

Lieben Gruß
die Besserung
Anne1
Beiträge: 3
Registriert: 15. Jul 2003, 11:27

Re: Ich möchte mich vorstellen

Beitrag von Anne1 »

hallo ihr,

ich habe endlich den mut bekommen mich hier zu melden. eine mitpatientin hat mir die empfehlung bereits im juli v.j. gegeben. habe bis jetzt aber immer nicht den inneren antrieb gehabt.
möchte mich auch kurz vorstellen. bin 40 Jahre und habe seit einem jahr mit schwersten depressionen zu kämpfen. habe bereits mehrere aufenthalte in einer klinik hinter mir, und habe immer noch angst.
zurzeit befinde ich mich in ärzlicher behandlung bei einer neurologin und einer therapeutin. habe es wieder mit arbeit versucht, merke aber dass ich dem ganzen noch nicht gewachsen bin. bin nach wie vor antriebslos und das schlimmste ist diese leere und diese gefühlslosigkeit.
diese teilweise lma-stimmung.
ich fühle mich so unwohl und denke auch oft, wann kann ich endlich wieder mal lachen.
ich habe bis jetzt auch nicht den mut gehabt mich einer selbsthilfegruppe anzuschließen, da ich immer denke, dass es ja eigentlich nicht gut sein kann, wenn man ueber seine qualen berichtet und trost und hilfe bei gleichgesinnten sucht.


gruss anne
anne
Anne1
Beiträge: 3
Registriert: 15. Jul 2003, 11:27

Re: Ich möchte mich vorstellen

Beitrag von Anne1 »

hallo ihr,

ich habe endlich den mut bekommen mich hier zu melden. eine mitpatientin hat mir die empfehlung bereits im juli v.j. gegeben. habe bis jetzt aber immer nicht den inneren antrieb gehabt.
möchte mich auch kurz vorstellen. bin 40 Jahre und habe seit einem jahr mit schwersten depressionen zu kämpfen. habe bereits mehrere aufenthalte in einer klinik hinter mir, und habe immer noch angst.
zurzeit befinde ich mich in ärzlicher behandlung bei einer neurologin und einer therapeutin. habe es wieder mit arbeit versucht, merke aber dass ich dem ganzen noch nicht gewachsen bin. bin nach wie vor antriebslos und das schlimmste ist diese leere und diese gefühlslosigkeit.
diese teilweise lma-stimmung.
ich fühle mich so unwohl und denke auch oft, wann kann ich endlich wieder mal lachen.
ich habe bis jetzt auch nicht den mut gehabt mich einer selbsthilfegruppe anzuschließen, da ich immer denke, dass es ja eigentlich nicht gut sein kann, wenn man ueber seine qualen berichtet und trost und hilfe bei gleichgesinnten sucht.


gruss anne
anne
Conny37
Beiträge: 244
Registriert: 24. Mai 2003, 21:34

Re: Ich möchte mich vorstellen

Beitrag von Conny37 »

Hallo Anne!

Habe jetzt erst diesen Beitrag hier gefunden, irgendwie ist der wohl untergegangen. Und nun kann ich mich ja outen - ich bin die "Mitpatientin", und freue mich, dass du es endlich hierher geschafft hast!!

Es umarmt dich
Conny
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