Depression. Ein vernichtendes Urteil?

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Tinga
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Depression. Ein vernichtendes Urteil?

Beitrag von Tinga »

Hallo,

Ich bin 31 Jahre alt und leide an Depression. Das ist es was mich so sehr beschäftigt und mir keine Ruhe lässt. Ich erkenne erst seit Kurzem, dass ich depressiv bin. Ich wollte mir das nie eingestehen. Ich hab das in der Vergangenheit immer verleugnet. Denn ich hatte Angst davor. Angst davor so zu werden wie meine Mutter, die schon seit meiner frühsten Kindheit an dieser Krankheit immer wieder leidet. Nie wollte ich so werden wie Sie.
Und noch einen Grund hatte ich es mir nie einzugestehen. Als kleines Kind war ich sehr krank. Die Auswirkungen dieser Erkrankung haben mich jahrelang eingeschränkt. Nie wieder wollte ich so krank sein, so ausgeliefert, so abhängig, so unselbstständig und schwach.
Für mich ist diese Diagnose einfach nur niederschmetternd, wie ein vernichtendes, endgültiges Urteil.

Tinga
Katerle
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Re: Depression. Ein vernichtendes Urteil?

Beitrag von Katerle »

Hallo Tinga, das mit dem sich eingestehen ging mir auch so, anfangs.

Ich war so 14, als ich bewusst spürte, dass mit mir was nicht stimmte. Ich hatte auch nur Ausreden. Konnte mich niemanden anvertrauen und so verdrängte ich all meinen Schmerz, was mir eines Tages zum Verhängnis wurde...

Vielleicht kannst du mal beschreiben, wie deine Mutter war, als sie an Depressionen litt. Meine M. empfand ich als liebenswert und aktiv, trotz Depressionen. Ich liebte sie... Ausserdem war es für mich schmerzhaft, mitzuerleben, wie sehr sie unter den Alkoholausbrüchen meines V. zu leiden hatte, auch mir machte das große Angst, neben früheren traumatischen Erfahrungen..., welche nicht mit meinen Eltern zusammenhingen. Sicher wollte das mein V. nicht, aber für mich war das alles sehr schmerzhaft und angsteinflößend... Ich wurde trotz allem selbständig erzogen und hatte auch frühzeitig Verantwortung übernommen in der Familie.

LG Katerle
anna54
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Registriert: 14. Sep 2010, 15:08

Re: Depression. Ein vernichtendes Urteil?

Beitrag von anna54 »

Hallo Tinga
willkommen im Forum!
Akzeptanz mit einer Diagnose wie Depression,das ist schwer und ein Weg,den man nur Schritt für Schritt gehen kann und dann ganz wichtig,mit fachkundiger Hilfe.

Ein großer und wichtiger Schritt,hier einen Anfang finden und auch hier gut ankommen im Forum.
Keiner muss allein das schaffen,wir sind hier!
Alles Liebe
anna54
Tinga
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Re: Depression. Ein vernichtendes Urteil?

Beitrag von Tinga »

anna54 hat geschrieben:Hallo Tinga
willkommen im Forum!
Akzeptanz mit einer Diagnose wie Depression,das ist schwer und ein Weg,den man nur Schritt für Schritt gehen kann und dann ganz wichtig,mit fachkundiger Hilfe.

Ein großer und wichtiger Schritt,hier einen Anfang finden und auch hier gut ankommen im Forum.
Keiner muss allein das schaffen,wir sind hier!
Alles Liebe
anna54
Hallo anna54,

vielen Dank für deine Worte. Heute ist es etwas leichter. Ein Tag nach dem anderen.

Grüße, Tinga
Tinga
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Registriert: 22. Aug 2017, 19:06

Re: Depression. Ein vernichtendes Urteil?

Beitrag von Tinga »

Hallo Katerle,

meine Mutter war auch liebevoll. Immer sehr besorgt und übervorsichtig. Gerade bei mir. Aber auch oft überfordert mit uns Kindern. Sie war immer leicht in Panik und jede kleine Sache war gleich ein rießen Problem. Mir tat Sie leid, dass Sie so leiden musste. Ich muss immer sehr mitleiden, wenn meine Mutter einen Schub bekommt. Sie hat natürlich versucht, das vor uns Kindern zu verbergen, als wir noch kleiner waren. In den letzten Jahren sagt sie immer : "Ich will euch damit nicht belasten..."

Wie ich schon sagte, wollte ich das nie für mich selber. Wer will das schon. Ich war der Ansicht, wenn ich nur taff genug werde, mich darin trainiere stark zu sein passiert mir das nicht selber. Ich fürchte damit habe ich mr erst recht eine Loch gegraben. Als hätte ich mich selber jahrelang verleugnet. Ich wollte die Anzeichen einfach nicht sehen.
saneu1955
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Re: Depression. Ein vernichtendes Urteil?

Beitrag von saneu1955 »

Hallo Tinga, herzlich willkommen hier im Forum. Sich einzugestehen, dass man Depressionen hat ist wohl uns allen sehr schwer gefallen. Lass dir Zeit, versuche ganz langsam, dich mit der Krankheit zu arrangieren, jede Depression verläuft anders und viele Depressionen sind heilbar.

Jede Diagnose ist erst mal ein großer Schreck, jeder von uns hier kennt das. Und es ist auch nicht damit abgetan, einfach zu sagen, bleib ruhig, dass geht sowieso nicht. Wichtig ist aber, dass du nicht sofort denkst, mein Gott jetzt ist alles vorbei.

Versuche erst einmal ein wenig Ruhe zu finden und dann Schritt für Schritt zu überlegen, was deine nächsten Schritte sein könnten.

Du findest in diesem Forum immer ein offenes Ohr und das ist doch schon mal ein Anfang.

Alles Liebe Saneu1955
Tinga
Beiträge: 9
Registriert: 22. Aug 2017, 19:06

Re: Depression. Ein vernichtendes Urteil?

Beitrag von Tinga »

Hallo,

heute ist es wieder schlimmer. Ich bin in der Arbeit und fühle mich so dumm. Ich kann nicht richtig denken und wenn dann nur Schlechtes. Ich muss auch immer zu daran denken, dass ich mich in einen unmögiche nicht lösbare Situation gebracht habe. Als hätte ich mich überschätzt und überhaupt alles falsch eingeschätzt.

Ich wickle derzeit ein kleines Projekt ab, dass ich in Absprache mit meinem Chef angeleiert habe. Ich dachte das wäre eine gute Idee um uns bei einem großen Firma zu profilieren und mögliche neue Projekte an Land zu ziehen, Und jetzt wächst mir das alles über den Kopf. Ich habe meinen Chef schon kontaktiert und Ihn um Rat in fachlicher Abgelegenheit gebeten. Er war auch kurz da am Freitag, aber seine Aussagen waren alle nicht hilfreich.
Meine Kollegen haben natürlich auch bemerkt, dass was nicht mir mir stimmt. Sie unterstützen mich sehr gut. Aber ich kann mich nur schämen.
Meine jetztige Stelle habe ich vor eineinhalb Jahren angenommen. Und schon bald hat sich bei mir der Eindruck verstärkt, dass meine Aufgabe ein einziges Himmelfahrtskommando ist. Und doch bin ich geblieben, weil ich dachte oder hoffte, das wird schon.

Und jetzt weiß ich nicht mehr, ob dieser Eindruck echt war oder ich einfach nicht geeignet für den Beruf oder ungenügend.

Ich hoffe, dass heutige Tag geht schnell vorbei.
Bittchen
Beiträge: 5430
Registriert: 2. Feb 2013, 18:02

Re: Depression. Ein vernichtendes Urteil?

Beitrag von Bittchen »

Liebe Tinga,

wenn du an einer Depression erkrankt bist,dann ist das die Zeit der Losigkeit.
Lustlos,freudlos,antriebslos und noch Vieles mehr.
Das sind Symptome der Krankheit,die uns vorgaukeln ,es geht nie mehr so wie vorher.
Ich koche sehr gerne und ich glaube auch,so wenigsten die Rückmeldung meiner Familie ,auch gut.
Wenn es mir schlecht geht ,habe ich nicht nur keine Lust,sondern ich weiß nicht, wie ich es überhaupt anstellen soll, ein Essen auf den Tisch zu bringen.
Deine beruflichen Herausforderungen kommen mir vor,dass dir viel Kompetenz abverlangt wird.
Den Job hast du bekommen,weil du die Anforderungen erfüllt hast.
Das kann dich im Moment überfordern,aber es geht auch wieder vorbei.
Es gibt ganz viele Symptome,aber die bleiben nicht und sind auch immer wieder anders.
Es ist ganz schwer zu akzeptieren ,dass es vorüber gehend sehr schwierig sein kann,sein Leben zu meistern.
Aber es gibt Hilfe,Psychotherapie,Medikamente und auch selbst kannst du viel tun.
Ja,wir Betroffenen wollen keinen belasten,genau wie deine Mutter das sagt.
Aber wir sollten uns fachliche Hilfe suchen,auf uns achten und nie die Hoffnung verlieren,dass es wieder besser wird.
Es ist kein vernichtendes Urteil,krank sein ist nicht schön,aber du kannst was dagegen tun.

Gute Besserung und liebe Grüße

Bittchen
Tinga
Beiträge: 9
Registriert: 22. Aug 2017, 19:06

Re: Depression. Ein vernichtendes Urteil?

Beitrag von Tinga »

@ Bittchen, danke für deine Worte.

Wir sind tatsächlich heute fertig geworden mit einem Großteil der Arbeit in diesem Projekt das ich betreue. Jetzt stehen nur noch 1 - 2 Tage Restarbeiten an. Und obwohl mich das eigentlich freuen sollte, bin ich wie versteinert. Das zumindest weiß ich ist auch ein Symtom von Depression.

Es wird auch schon getuschelt über mich. Ich werde in der Arbeit gemieden, was durchaus verständlich ist, bei meiner Laune. Aber ich kann nicht wochenlange zu Hause bleiben, bis es mir besser geht. Wie soll ich das begründen? ich weiß man muss nichts begründen . Krank ist krank aber dennoch im Zwischenmenschlichem ist das nicht immer einfach.

Wie geht Ihr damit in der Arbeit um? Meine Therapeutin hat mir geraten, in der Arbeit nicht zu erzählen, dass ich an Depression leide, weil die Vorbehalte und Vorurteile immer noch weit verbreitet sind und man sehr leicht abgestempelt wird. Ich hab es auch schon mal erlebt, dass eine Kollegin (das war in meiner vorherigen Arbeit) sehr gemoppt und belächelt wurde weil es ihr nicht psychisch nicht gut ging.

Ich nehme auch ein Medikament. Laif 900. Die vierte Woche jetzt. Aber ich fürchte ich merke keine wirklich Verbesserung. Wie lange muss man das Johanniskrautpreparat einnehmen, bis man ein Besserung merkt?
SarahLi83
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Re: Depression. Ein vernichtendes Urteil?

Beitrag von SarahLi83 »

Hallo und willkommen hier....

Ich leide knapp seit 10 jahren an depressionen. Zumindest wurde es damals so diagnostiziert... inzwischen glaube ich sind es aber viele jahre mehr.... wenn ich an meine pupertät denke so ca 20 jahre insgesamt...
Ich bin immer vor mir und der diagnose davongelaufen... habe alles versucht mich nicht damit auseinander zu setzen..hatte sogar mal wo ich dachte es geht mir super meine tabletten von heute auf morgen abgesetzt.dachte ich brauche es nicht mehr... so richtig auseinander gesetzt habe ich mich erst seit dezember letzen jahres.. dank meines therapeuten... und jetzt habe ich die letzen beiden sitzungen... und bekomme wieder angst...
Ich denke jeder hat am anfang mit der diagnose zurecht zukommen. Es ist auch nix wo man sich schämen muss...
Und das finde es wichtig damit umgehen zu können
SarahLi83
Beiträge: 55
Registriert: 19. Jun 2017, 09:00

Re: Depression. Ein vernichtendes Urteil?

Beitrag von SarahLi83 »

Tinga hat geschrieben:

Es wird auch schon getuschelt über mich. Ich werde in der Arbeit gemieden, was durchaus verständlich ist, bei meiner Laune. Aber ich kann nicht wochenlange zu Hause bleiben, bis es mir besser geht. Wie soll ich das begründen? ich weiß man muss nichts begründen . Krank ist krank aber dennoch im Zwischenmenschlichem ist das nicht immer einfach.

Wie geht Ihr damit in der Arbeit um? Meine Therapeutin hat mir geraten, in der Arbeit nicht zu erzählen, dass ich an Depression leide, weil die Vorbehalte und Vorurteile immer noch weit verbreitet sind und man sehr leicht abgestempelt wird. Ich hab es auch schon mal erlebt, dass eine Kollegin (das war in meiner vorherigen Arbeit) sehr gemoppt und belächelt wurde weil es ihr nicht psychisch nicht gut ging.
Ich gehe intwischen offen damit um... womit ich nicht herumlaufe ist mit meinem suizidversuch... aber ich stehe dazu depressionen zu haben....
In meiner alten arbeit war ich in den 17 jahren wo ich gearbeitet habe,deswegen aber nie gefehlt... und heute sehe ich das es ein fehler war.... bin nicht mehr mit freude in die Arbeit... habe meine miese laune an allen raus..

Heute weiß ich das es ein fehler war... ich hätte mal die eine oder andere auszeit gebraucht...
Tinga
Beiträge: 9
Registriert: 22. Aug 2017, 19:06

Re: Depression. Ein vernichtendes Urteil?

Beitrag von Tinga »

Hallo SarahLi83,

Ich merke auch, dass ich mir lange keine Pausen und keine Ruhe gegönnt habe. Leider kommt es bei mir immer überfallartig. Oder zumindest erkenn ich die Anzeichen nicht rechtzeitig.

Ich finde es sehr mutig in der Arbeit zuzugeben, dass du Depressionen hast. Ich kann mir das eigentlich nicht vorstellen. ich habe Angst abgestempelt zu werden. Wie ist deine Erfahrung?

Ich wünsch dir schöne, freudige Gedanken. Habe das Gefühl, du kannst die auch gebrauchen.

Liebe Grüße
tinga
Tinga
Beiträge: 9
Registriert: 22. Aug 2017, 19:06

Re: Depression. Ein vernichtendes Urteil?

Beitrag von Tinga »

Hallo ihr lieben,

Ich hatte heute eine Vorgespräch in einer psychosomatischen Klinik. Hab jetzt eine Termin Anfang November..... Bin im Gespräch mit der Psychologin dort in Tränen ausgebrochen.... Auf dem Heimweg ging es mir dann etwas besser. Aber jetzt habe ich wieder ganz schlechte Gedanken. Die Psychologin sagte, dass das ein guter Schritt ist. Ich tu mich immer noch sehr schwer mit der Diagnose.
Ich möchte mich gerne ablenken. Und diesen Gedanken entfliehen. Es fällt mir nur alles so schwer und ich bin sehr leicht frustriert. Was macht ihr, wenn ihr diesen Gedanken entfliehen wollt?
liebe Grüße
Tinga
Kaktusblüte
Beiträge: 25
Registriert: 27. Aug 2017, 09:39

Re: Depression. Ein vernichtendes Urteil?

Beitrag von Kaktusblüte »

Hallo Tinga,

keine Pausen, das kenn ich. so rein vom Verstand her, weiß ich, dass man Pausen erzwingen sollte, wenn man die Anzeichen nicht erkennt. Wenn es mir wieder besser geht, denke ich immer, dass ich das ausnutzen muss, weil es mir in naher Zukunft wieder schlecht gehen könnte und ich dann gar nichts mehr schaffe. Aber genau das ist eigentlich falsch.

Gedanken entflieen, wenn sie drängend sind, ist bei mir zumindest, schwer möglich. Die sind fast zwanghaft. Was etwas den Druck rausnimmt, ist, nicht dagegen ankämpfen, sondern sie zuzulassen. Das ist auch ziemlich schwer.

LG Kaktusblüte
SarahLi83
Beiträge: 55
Registriert: 19. Jun 2017, 09:00

Re: Depression. Ein vernichtendes Urteil?

Beitrag von SarahLi83 »

Hallo Tinga,

Ich habe lange gebraucht das ich mir eingestanden habe das ich krank bin. Wollte es nicht wahr haben...damals vor 10 jahren war es auch noch anderst als heute.ich hatte jetzt genau vor 1 jahr meinen suizidversuch. Mein psychiater hat mir nach meinem klinikaufenthalt einen hammer therapeuten vermittelt... ohne lange wartezeit. Habe leider am 25.9 meinen letzen therapietag. Da er in rente geht. Ich habe bei ihm viel über mich selber gelernt.und habe auch angefangen auf meine seele zu hören..ich habe mir vorher nie Pausen gegönnt, bzw habe ich jede Pause vermieden. Damit ich mich nicht mit mir selber abgeben muss.. weil damit war ich dann überfordert...
Ich habe meinen job aufgeben müssen.. manche sind gut mit meiner diagnose zurecht gekommen.manche eher weniger. Problem war aber auch bei mir selber zu suchen. Da ich mir keine pausen gegönnt habe war ich auch sehr reizbar... und bin schnell explodiert... und das war oftmals recht übel...ich war überfordert, hätte es aber nicht zugegeben...
Jetzt bin ich entspannter... und habe am Dienstag ein Vorstellungsgespräch... mal schauen wie es läuft..
Tinga
Beiträge: 9
Registriert: 22. Aug 2017, 19:06

Re: Depression. Ein vernichtendes Urteil?

Beitrag von Tinga »

Hallo SarahLi83,
ich wünsche dir viel Erfolg für dein Vorstellungsgespräch nächste Woche.
SarahLi83
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Registriert: 19. Jun 2017, 09:00

Re: Depression. Ein vernichtendes Urteil?

Beitrag von SarahLi83 »

Hallo Tinga,

Danke das kann ich gut gebrauchen.

Das lernen auf den körper und auf seine seele zu hören ist nicht einfach.... das bedarf manchmal einen etwas längeren weg und auch evtl hilfe eines guten therapeuten... ich bin um meinen verdammt froh. Auch wenn er jetzt dann ob rente geht... aber ich konnte viel von mir lernen....
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