Therapie für Angehörige?

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Dani05
Beiträge: 11
Registriert: 5. Jul 2017, 21:29

Therapie für Angehörige?

Beitrag von Dani05 »

Hallo zusammen,

Ich hoffe, dass ihr mir mit euren Erfahrungen etwas weiterhelfen könnt.

Ich bin Angehörige eines an einer Depression Erkrankten, mein Mann hat seit Anfang des Jahres die Diagnose, ich hab ihn aber schon seit Jahren immer wieder darauf angesprochen, ob er sich sicher ist, dass da nicht was im Busch ist. Über Weihnachten ist die Situation eskaliert, im Schnitt alle zwei Tage über ca. drei Wochen war er der festen Überzeugung, das es keinen Weg außer dem Suizid mehr für ihn gibt; das waren echt heftige Zusammenbrüche. Falsch oder nicht habe ich nicht den Notruf gewählt, sondern ihn bequatscht, bis sich die Situation etwas beruhigt hatte. Nach einer in der Phase letzten heftigen Eskalation, bei der er eine Türglasscheibe zerschlagen hat, hat er kapiert, dass er Hilfe braucht.
Aus beruflichen Gründen kommt "Therapie auf Rezept" (und damit alles Stationäre) für ihn nicht in Frage, er bezahlt daher privat alle ca. zwei Wochen eine Stunde Therapie. Über die Therapie selbst weiß ich gar nichts (er blockt da ziemlich ab), es klingt nur an, dass er seinem Therapeuten von den "Abstürzen" noch nicht mal wirklich erzählt.
Und: so richtig verbessern tut sich nichts, er stürzt nicht mehr dauernd ab und nicht mehr so tief, dass er quasi dabei wäre, das Haus zu verlassen, um sich direkt umzubringen, aber die Verzweiflung und die "Verlockung" ist nach wie vor da. Und auch die Zusammenbrüche ohne das Gefühl, dass er es gleich tut, sind furchtbar genug. Und die gibt es manchmal täglich, manchmal ist fünf Tage Pause.
Als wäre das nicht schon genug, ist unsere Ehe extrem konfliktreich und "vorbelastet", u.a. durch eine fast zweijährige Affäre von ihm und (beendete) häusliche Gewalt gegen mich. Eine Paarberatung blockt er momentan auch ab. Häufig kommt es zu ganz extremen Streitsituationen (mit anschließendem Absturz). Was er mir dann an den Kopf wirft, ist teilweise so übel, dass es schon wieder absurd ist. Das alles erschwert es mir so sehr, noch mehr für ihn da zu sein. Im Moment kann ich das, was er (in seinen Augen) von mir bräuchte, nicht leisten. Im Gegenteil, ich werde selbst immer dünnhäutiger, gestresster und weniger belastbar (auch wenn die Phase direkt nach Weihnachten, in der es mir richtig dreckig ging, vorüber ist). Mich überfordert völlig, was hier passiert. Und dadurch ruhe ich auch nicht mehr gerade in mir selbst und provoziere den ein oder anderen Konflikt.
Wohingegen er mir vermittelt, dass er eigentlich nur mehr Zuneigung von mir bräuchte (aber bloß keinen Sex...), dann würde alles schon wieder gut.
Bin ich soweit, dass ich nicht mehr kann, und eine Trennung andeute, gibt es sicher einen Absturz- entweder verzweifelt er dann tatsächlich und sieht keinen Sinn mehr im Leben oder er deutet an, ich könne das ja tun, müsste dann aber halt mit den "Konsequenzen" leben. Was dann meinen Handlungsspielraum gleich einschränkt.

Soweit grob zur Lage, sofern man das überhaupt adäquat beschreiben kann.

Und damit zu meiner Frage: hat von euch jemand Erfahrung mit einer Therapie als Angehöriger? Bringt das überhaupt etwas, solange sich die Situation nicht ändert? Kann man lernen, diese Abstürze zu ertragen? Ich habe das Gefühl, ich lasse immer mehr abprallen, aber eben nicht nur das Schlechte, sondern gleichzeitig auch das Gute.
Wir haben drei relativ kleine Kinder - schon für die muss sich was tun...

Ratlos,
Dani
Zarra
Beiträge: 5734
Registriert: 12. Mär 2010, 15:16

Re: Therapie für Angehörige?

Beitrag von Zarra »

Hallo liebe Dani,

spätestens wenn ich "drei relativ kleine Kinder" lese, denke ich mal eher, daß Ihr als Familie eine Beratung oder ggf. Therapie braucht. Nicht umsonst gibt es ja auch systemisch arbeitende Therapeuten. (Familienberatungs-, Psychologische Beratungsstellen oder natürlich u.U. entsprechende Psychotherapeuten.) Ich glaube nicht, daß Du das allein stemmen kannst. (Dann schon eher er allein, wenn (!) er die passende Behandlung bekommt.)
Aus beruflichen Gründen kommt "Therapie auf Rezept" (und damit alles Stationäre) für ihn nicht in Frage, er bezahlt daher privat alle ca. zwei Wochen eine Stunde Therapie. Über die Therapie selbst weiß ich gar nichts (er blockt da ziemlich ab), es klingt nur an, dass er seinem Therapeuten von den "Abstürzen" noch nicht mal wirklich erzählt.
Keine Ahnung, ob das wirklich stimmt (daß es gar nicht in Frage kommt) oder ob es ein Nicht-Wahrhaben-Wollen darstellt oder ... (Ja, es kann klare Nachteile haben. Andererseits: Wenn die Krankheit nun mal da ist ...!) (Stationär: Man muß ja nicht unbedingt direkt vor Ort.)

Soweit mein Eindruck als Betroffene,
Zarra
Grimmi
Beiträge: 13
Registriert: 30. Sep 2016, 17:34

Re: Therapie für Angehörige?

Beitrag von Grimmi »

Hallo Dani,
natürlich kann man sich als Angehöriger Hilfe suchen.
Ein Problem sind nur die kurzfristigen Hilfen, die ja möglichst schnell verfügbar sein sollen.
Wir wohnen in einer Universitätsstadt und hier gibt es zBsp. ein Institut für Psychotherapie. Das ist eine Ausbildungstelle für Psychotherapeuten. Bei uns gibt es relativ schnell Termine(Wartezeit ca. 1-2 Wochen) und es kann über die Krankenkasse abgerechnet werden. Auch dein Mann kann das ambulant in Anspruch nehmen. Wieso glaubt dein Mann eigentlich, dass der Beruf so wichtig ist, dass die eigene Gesundheit hinten anstehen muss?
Als Selbstzahler geht es eigentlich bei jedem Psychtherapeuten relativ schnell.
Dann sind da noch weiter Beratungsstellen, wie von beiden Kirchen und dem Krisendienst die ihre Hilfe als Überbrückung bis zur psychtherapeutischen Behandlung anbieten.
Mir haben die Gespräche viel gebracht. Es hat mich entspannt für eine Zeit und ich war mir wieder sicherer, was und wohin ich in meinem Leben will.
Außerdem war das Lesen im Forum sehr hilfreich. Hier habe ich gelernt die Depression und ihre Auswirkungen besser zu verstehen. Ich bin den Betroffenen, die hier offen schreiben, sehr dankbar dafür.
Allerdings glaube ich auch, dass sich Männer mit dieser Erkrankung sehr schwer tun. Bei uns hat es 9 Jahre und einen Suizidversuch gebraucht, bis sich mein Mann ernsthaft um eine Therapie bemüht hat.
Jetzt wartet er auf seinen Rentenbscheid für die Erwerbsminderungsrente. Und auch das hat endlos lange Gespräche gebraucht. Geduld, da sein und wenn nötig zu helfen ist, glaube ich, am wichtigsten bei dieser Erkrankung.
Noch was: Nach dem Lesen deines Textes hab ich mich gefragt, warum du eigentlich bei ihm geblieben bist. Häusliche Gewalt und/oder längere Affäre geht in meinen Augen garnicht.
Ich weiß, mit 3 Kindern ist es total schwierig allein. Irgendwie find ich aber, dass es zuviel ist.

Alles Gute für euch
Grimmie
Dani05
Beiträge: 11
Registriert: 5. Jul 2017, 21:29

Re: Therapie für Angehörige?

Beitrag von Dani05 »

Hallo zusammen,

Danke schon mal für die Antworten.
Ich warte gerade ab, ob nicht doch was in Richtung gemeinsamer Paarberatung/ -therapie "beim Profi" in Gang kommt. Er hat es mir in Aussicht gestellt, so wirklich weiter geht es diesbezüglich aber leider nicht. Das wäre mir das Liebste.
Daher habe ich meine Überlegungen Richtung eigener Therapie gerade eingefroren.
Bei einer kirchlichen Beratungsstelle war ich vor einigen Monaten ein paar mal, die konnten aber leider mit dem Thema Depression wohl gar nichts anfangen und haben nur ihr Standard-Eheberatungsprogramm ("Was würden Sie sich denn in Ihrer Ehe wünschen") abgespult; daher habe ich wenig Hoffnung oder Vertrauen in den Weg, leider.
Liebe Grüße
Dani
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