Depressiv ohne psychischer Ursache

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music_is_life
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Depressiv ohne psychischer Ursache

Beitrag von music_is_life »

Ich hatte 2016 eine Thera mit Medikation. Mir ging es damit richtig gut. Ich glaubte, die Depression besiegt und im Griff zu haben.

Seit einem halben Jahr quäle ich mich wieder durchs Leben.

Mo - Fr morgens um 6:30 Uhr gerädert aufstehen, arbeiten (bin Informatiker), es strengt mich nichtmal an, Abends bin ich trotzdem bei 0 % Energie und schleppe mich auf die dann langersehnte Couch. Es ist ein monotoner Kreislauf. Ich bin davon so sehr genervt.

Jobwechsel? Nö. Andere kapitalistische Betriebe haben ja dasselbe Konzept der 40-Stunden-Woche. Und den gleichen IT-Käse. Wozu also? Es wäre nur eine Verlagerung zu einem anderen Ort.

Ich sehe einfach keinen Sinn in meinem Leben. Arbeiten, essen, schlafen, am Abend klitzekleines bißchen Zeit für sich - und das noch 30 Jahre lang.

Meine Leidenschaft für's Musikmachen schwindet. Wie soll man abends kreativ sein, wenn man so erledigt ist? Mein Antrieb ist aufgebraucht.

Ich habe keine finanziellen Probleme, ein schönes Eigenheim, bin nicht doof, eine Partnerin, die Verständnis hat, der Job ist ok und trotzdem scheint mein Hirn Serotonin partout nicht produzieren zu wollen.

Es gibt nichts Äußeres, das die Depression triggert. Meine Umweltbedingungen sind perfekt. Ich müsste täglich jubeln. Ich habe absolut NULL Grübeleien, ich habe einen gesunden Selbstwert, finde mich gut, liebe mich selbst, habe keine Sorgen, bin Kinderlos, bilde mich weiter, lese gern, meine Mitmenschen mögen mich, ich kann hin und wieder lachen und oft rum blödeln und Spaß haben.

Ich verreise hin und wieder, gehe mit Kumpels aus (wenn es die Energie zulässt), meine Blutwerte sind gut, ich bin körperlich gesund, ich sehe einfach keine Ursache. Es ist, als sei mein Hirn einfach nicht in der Lage, Serotonin zu produzieren.

Gibt es hier vielleicht Leute, die im Grunde scheinbar ohne psychischer Ursache depressiv sind?

Ich überlege schon, ob es nicht sowas wie ein Boreout-Syndrom ist. Oder eine Sommers-Depression (ich hasse Wärme). Ich komme einfach nicht weiter.

Zumindest habe ich jetzt einen Termin bei meinem Neurologen gemacht. Mal sehen, was er dazu sagt.
Flussi
Beiträge: 102
Registriert: 28. Mai 2017, 13:34

Re: Depressiv ohne psychischer Ursache

Beitrag von Flussi »

Hallo Music_is_life,

ich bin fachlich Laie. Wenn ich das so bei Dir so lese, fallen mir folgende Dinge ein.
Auch bei mir ist die wirtschaftliche Lage stabil. Für mich klingt Deine Schilderung nach Unterforderung im Job. Leere! Sinnlosigkeit!

Leere und fehlender Sinn: Das erlebe ich seit einiger Zeit in den Projekten. Man könnte es auch sein lassen.
Nachhaltige Lösungen kommen nicht zustande, was aber die Meisten nicht stört.
Ich bin dann scheinbar unterfordert (und genervt). Wobei sich die Unterforderung (Langeweile + Leere), wie
wie Überforderung anfühlt. Allerdings sehe ich bei mir schon ein paar Anläße für meine Depression (vermutlich einige in meiner Familie/genetisch, Erziehung zur Höchstleistung ohne Lob, Ängste als Kind, Anforderung Arbeiten und immer Arbeiten, Erfolg als Selbstverständlichkeit, etc.).

Ich habe den Eindruck, ich mach den Inhalt nun bereits zum wiederholten Male, trotz wechselnder Projekte.
Wie in dem Film "Und ewig grüßt das Murmeltier", komme ich mir dabei vor. Ich könnte wahnsinnig werden, wenn ich daran denke, dass ich das noch 16 Jahre machen muss und grübel über Alternativen nach (die ich dann außerhalb des Berufs, nicht finde). Zu Hause hocken ist auch schlimm. Sinnsuche ein ständiges Thema. Ohne Tagesstruktur geht es mir aber auch schlecht und meine Freunde haben tagsüber auch keine Zeit, um sich zu verabreden.

Musikmachen macht Dir Freude?
Ändert sich was, wenn Du Musik machst?

Was sagt den die Wissenschaft zum Serotoninmangel? Es gibt vielleicht das Gehirn, dass es nicht schaft ausreichend Serotonin zu produzieren. Andere Hormone und Organe sind ja auch bei Krankheiten defekt, wie die Schilddrüse oder die Bauchspeicheldrüse.

Gut, dass Du den Fachmann aufsuchst. Bin gespannt, was der herausfindet.
Ich wünsche Dir eine baldige Besserung!
Flussi
music_is_life
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Registriert: 9. Nov 2014, 16:31

Re: Depressiv ohne psychischer Ursache

Beitrag von music_is_life »

An Unterforderung hatte ich auch schon gedacht. Ich glaube jedoch, dass jeder Beruf irgendwann ausgereizt ist. Ich habe teilweise Projekte, die sind aufwändig, inhaltlich jedoch absolut unspektakulär. Aber das ist okay. Es ist nicht mein Laden und ich mache es des Lebensunterhalts wegen.

Würde ich mein Tonstudio professionell betreiben, wäre das auch irgendwann nur Mittel zum Zweck. Und Popularität erscheint mir wenig spektakulär, zumal ich Anerkennung als eine Abhängigkeit sehe und damit irrelevant für das eigene Glück.

Daher mache ich die Musik rein zu meiner eigenen Entspannung.

Egal welchen beruflichen Weg ich einschlage, es ist alles emotionslos. Mein Leben ist vergänglich. Es ist irrelevant, was ich hier auf der Welt leiste. Es wird vergessen werden.

Und selbst historische Personen wie Mozart oder Einstein nützt es wenig, dass sie heute so viel Bewunderung ernten. Sie sind ja tot.

Und wenn meine Realität, mein "Glück", im Grunde nur durch Spannungsenladung im Millivoltbereich im Gehirn kreiert wird, fällt es mir sehr schwer einen Sinn des Lebens zu finden.

Ich weiß, dass das solche Gedanken Teil der Krankheit sind. Ich weiß auch, dass Depression heilbar ist. Ich bin gespannt, ob eine Medikamenten-Odyssee vll. mein Hirn wieder mehr Serotonin anreichern lässt auf Kosten von Nebenwirkungen im Sexualleben etc. :-/
Flussi
Beiträge: 102
Registriert: 28. Mai 2017, 13:34

Re: Depressiv ohne psychischer Ursache

Beitrag von Flussi »

Auf jeden Fall wünsche ich Dir baldige Besserung!
Ich werde wohl auch wieder Pillen nehmen müssen.

Viele Grüße
Flussi
Deprella
Beiträge: 103
Registriert: 30. Mär 2017, 14:10

Re: Depressiv ohne psychischer Ursache

Beitrag von Deprella »

Hallo music is life,

es ist wirklich schwierig zu sagen was du hast. Im Grunde bist du ja mit deinem Leben zufrieden. Zumindest schilderst du es so. Meine Depression habe ich weil ich mit mir und meinem Leben immer unzufrieden war und bin. Dann kommt noch die Tatsache dass ich während meiner Kindheit oft vernachlässigt worden bin und vieles alleine regeln musste ohne Lob. Meistens kam dann bei jedem kleinsten Fehler immer Anschiss von den Eltern. Auch wenn es in meinen Augen keine Fehler waren wurde es so rüber gebracht. Ich habe wirklich oft nur das gemacht was andere von mir wollten. Habe nie gemacht was ich wollte wehalb ich jetzt nicht weiß was ich wirklich will. Habe das ja von Kleinauf nicht gelernt auf mich und meine Bedürfnisse zu achten und zu hören. Ich wurde nie gelobt und lobe mich deshalb auch selbst nie. Eher das Gegenteil. Solche Sachen haben bei mir zu dieser Krankheit geführt. Bei dir ist es ja doch um einiges anders. Du bist ja zufrieden und glücklich mit deinem leben aber verspürt dieses Glücksgefühl nicht. Wie ist es in Situationen wo du mit deinen freunden lachst? Bist du dann nicht glücklich? Bekommst du da nicht dieses gefühl zu spüren? Ich finde es wirklich gut dass du den Neurologen aufgesucht hast. Denn einen psychische Ursache sehe ich da spontan jetzt auch nicht. Es sei denn es gibt einige Ereignisse die du noch verarbeiten musst oder bist mit etwas in deinem Leben unzufrieden. Vielleicht ist es aber doch was organisches. Bin gespannt was der Neurologe sagt.

Liebe Grüße und gute Besserung

Deprella
esperanto2015
Beiträge: 208
Registriert: 4. Apr 2015, 13:46

Re: Depressiv ohne psychischer Ursache

Beitrag von esperanto2015 »

Depression ist nun mal eine psychische Krankheit. Das mal vorweg. Du wirkst ideenlos. Bei einem Schachspiel gibt es nach wenigen Zügen Millionen von möglichen Szenarien. Im Leben doch noch so viel mehr! Schreibe Dir vielleicht mal ein paar krasse Szenarien auf, (so in der Art “heiraten“ “Vater sein“ etc) und suche dir etwas passendes aus, arbeite dann mit all deiner Kraft darauf hin.
Die grössten Menschen sind die, die anderen Hoffnung geben.
music_is_life
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Registriert: 9. Nov 2014, 16:31

Re: Depressiv ohne psychischer Ursache

Beitrag von music_is_life »

Dass die Depression eine reine psychische Erkrankung ist, ist nicht richtig. Alle Depressive haben einen gestörten Gehirnstoffwechsel (Mangel an bestimmten Gehirnbotenstoffen wie Serotonin oder Dopamin). Nur das löst die Symptome aus wie Leistungsmangel und eben die anderen bekannten Symptome. Richtig ist, dass die Ursachen häufig in der Psyche zu finden sind. Die ist bei mir aber rein. Ich schrieb ja bereits, dass es nichts gibt, das mich momentan belastet. Ich habe zu dem Thema Depression jahrelang Lektüre gepaukert und mich intensiv damit auseinander gesetzt. Ich bin aber natürlich nicht allwissend und zudem eben selbst betroffen.

Es wäre natürlich schön, wenn ich mit all meiner Kraft auf etwas hin arbeiten könnte, allerdings gibt es diese Kraft im Moment nicht. Wie ich bereits schrieb, ich habe keine anstrengende Arbeit, bin aber trotzdem bei 0 % Energie.

Ich denke, man kann mir im Moment hier nicht helfen. Es bleibt also nur den medikamentösen Weg abzuwarten.
Zarra
Beiträge: 5734
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Re: Depressiv ohne psychischer Ursache

Beitrag von Zarra »

Hi music_is_life,

es gibt rein körperlich ausgelöste Depressionen (Schilddrüsenunterfunktion; einiges weiteres). Und es gibt genetisch mitbedingte Depressionen.
(Klingt mir bei Dir vorrangig nicht danach, könnte ja aber dennoch sein.)

Wenn Dir Antidepressiva schon mal geholfen haben, kannst Du natürlich darauf hoffen, daß dies wieder passiert. - (Allerdings werden gerade in letzter Zeit Stimmen laut, daß man eigentlich den Mechanismus nicht wirklich kennt, der bei ADs wirkt. Daß eben die Serotoninmangelhypothese eine Hypothese ist. U.ä.)

Und es ist z.B. auch so, daß manche Menschen, die schon mal eine Depression hatten, bei der es zumindest auch mit einen benennbaren Auslöser gab (z.B. Trennung oder Tod), bei einer anderen Gelegenheit "scheinbar wie aus dem Nichts" wieder eine entwickeln. Wahrscheinlich sind die Gehirnstrukturen eben schneller in die depressive Richtung verschaltbar.

Und einige nennen einen Auslöser, wahrscheinlicher ist aber meist, daß es nur einer unter mehreren ist. Eine Sache allein läßt einen selten depressiv werden, so klar sind Ursache und Wirkung eben gerade im Psychischen nicht verknüpft. Und öfters hat es aber auch zusätzlich mit depressiven Reaktionsweisen auf Ereignisse zu tun.

In meinem Leben gab es einerseits "unstimmige" Teile, die ich immer benennen konnte, - und es gab aber auch Teile, deren Unstimmigkeit ich nicht sehen wollte, die ich mir schönredete, nicht in böser Absicht, aber durchaus mit Folgen. Klar kann man auch nicht alles ändern. Wahrzunehmen, was vielleicht unbefriedigend ist, auch wenn es von außen toll aussieht, kann der Seele auch schon mal gut tun. Ich habe eine Arbeitsstelle aufgegeben, als ich wirklich per Zufall mich auf eine andere bewarb - ich hatte Kommentare zu den Nachteilen von Freunden und Bekannten erwartet; was kam, war: "Du warst doch schon lange unzufrieden." (Mir war auch nicht klar gewesen, daß ich das Freunden so klar vermittelt hatte.) (Wobei die Hauptauslöser meiner Depression sicher woanders lagen. Bzw. damals noch nichts manifest war.)

Du wärst nicht der erste, der in bestimmte Richtungen gar nicht schaut.

Dann: Dein "nicht anstrengender" Job. Körperlich vielleicht nicht. (Und vielleicht bräuchte Dein Körper körperliches Auspowern??) Aber Du tust was in der Zeit, vielleicht brauchst Du Konzentration (?), vielleicht ist aber auch einfach "Zuwarten" anstrengend.

...

Liebst Du Deine Partnerin? Löst sie emotional etwas aus? ... oder ist es egal, ob sie da ist oder nicht?

Wie war Deine vergangenes Leben, Deine Kindheit und Jugend? Hattest Du liebevolle Eltern, die Dich in Deinen emotionalen Bedürfnissen wahrgenommen haben? Hattest Du ausreichend Kontakte?

Ich kann Deine Jobüberlegungen gut nachvollziehen. Doch, mal krass gesagt: Als Gärtner hättest Du einen anderen Tageslauf! Und als Wanderführer oder Reiseleiter auch.

Meine Gedanken. Sie müssen weder auf Dich zutreffen noch etwas bei Dir auslösen. Schließlich tickt jeder Mensch ein wenig anders.

LG, Zarra
kaizer
Beiträge: 79
Registriert: 21. Jul 2016, 14:30

Re: Depressiv ohne psychischer Ursache

Beitrag von kaizer »

Ich frage mich, ob die Umstände wirklich so super sind, wie sie dir vielleicht vom Kopf her erscheinen.

Ich hab die Erfahrung gemacht, dass ich bei vielen Sachen gedacht habe: Ist doch alles super so! Ich müsste doch glücklich sein! Es stimmt doch objektiv alles!

Aber was vom Kopf her sinnvoll und passend erscheint, muss für die Seele nicht unbedingt auch passen. Ich hab bei einigen Aspekten hinterher gedacht, dass ich doch viel früher hätte merken müssen, dass es für mich nicht stimmt und dass ich damit nicht glücklich sein kann, aber der Verstand ist eben manchmal schneller und lauter als die Seele.

Gerade beim Job ging es mir ähnlich. Auch der super bezahlte, sichere, von den Arbeitszeiten günstige Job kann einen, auch wenn auf dem Papier alles super aussieht, zermürben, wenn er nicht zu einem passt oder nicht erfüllend ist. Jedenfalls wenn man dafür sensibel genug ist und die Seele nicht erfolgreich dauerhaft wegschieben kann.

LG
music_is_life
Beiträge: 140
Registriert: 9. Nov 2014, 16:31

Re: Depressiv ohne psychischer Ursache

Beitrag von music_is_life »

Zarra, kaizer, habt Dank für eure Antworten!

Zarra, bezüglich meiner Kindheit sehe ich nichts mehr, was unverarbeitet, unverstanden oder noch immer "schlummern" könnte. Ich habe in der Therapie vor 2 Jahren die Kindheit bis ins tiefste Detail abgearbeitet. Ich hatte eine hervorragende Therapeutin und konnte damit meine Belastungen vollständig abarbeiten. Ich habe meinen Eltern innerlich verziehen und habe keine Angst vor Ablehnung mehr. Mein Leben drehte sich um 180° in eine positive Richtung.

Mittlerweile war ich beim Psychiater und habe mit einer Medikation angefangen. Es geht mir wesentlich besser. Jedoch sind die befürchteten Nebenwirkungen eingetreten. Zumindest aber habe ich wieder einen klaren Kopf.
Ich glaube daher, die Ursache ist, dass mein Job mich langweilt und ich bei jedem Leistungsanspruch, der im Job nunmal auf mich gerichtet ist, innerlich trotztig reagiere und die Aggression oder Spannung, die dabei innerlich entsteht, eben nach innen richte. Ich falle dann in eine Depression, da ich keine Bewältigungsstrategie sehe, diesem Job nicht mehr ausgeliefert zu sein. Ein Ausweg, etwas anderes zu suchen käme aber nicht in Frage, zumal ich eine Immobilie besitze und ein sicheres Einkommen unumgänglich ist. Zudem ist das Gehalt gut, das Klima ist in Ordnung, nur eben die Tätigkeit an sich erfüllt mich nicht. Aber wo bitte hat man Erfüllung im Job? Nach 8 Jahren ist es nunmal überall Routine.

Es ist also eine Zwickmühle, aus der ich glaube nicht ausbrechen zu können, die mich depressiv macht.

Ich denke, dass mein Ziel lauten muss, mich damit anzufreunden, dass mein Leben nunmal aus einer 40-Stunden-Woche bestehen wird, oder eine Reduktion der Stunden, was wiederum starke Einbüßen im Lebensstandard bedeuten würde, oder eben eine ganz andere Lösung.
Zarra
Beiträge: 5734
Registriert: 12. Mär 2010, 15:16

Re: Depressiv ohne psychischer Ursache

Beitrag von Zarra »

Hallo music-is-life,
Ich glaube daher, die Ursache ist, dass mein Job mich langweilt und ich bei jedem Leistungsanspruch, der im Job nunmal auf mich gerichtet ist, innerlich trotztig reagiere und die Aggression oder Spannung, die dabei innerlich entsteht, eben nach innen richte. Ich falle dann in eine Depression, da ich keine Bewältigungsstrategie sehe, diesem Job nicht mehr ausgeliefert zu sein. Ein Ausweg, etwas anderes zu suchen käme aber nicht in Frage, zumal ich eine Immobilie besitze und ein sicheres Einkommen unumgänglich ist. Zudem ist das Gehalt gut, das Klima ist in Ordnung, nur eben die Tätigkeit an sich erfüllt mich nicht. Aber wo bitte hat man Erfüllung im Job? Nach 8 Jahren ist es nunmal überall Routine.
Spannung, Aggression nach innen richten - vermutlich ist es das. Diese Überlegung klingt zumindest sehr nachvollziehbar auf mich.

Damit Du mich nicht falsch verstehst: Mir war auch immer ein regelmäßiges und ausreichendes Einkommen wichtig; zumal ich es bei mir schon so sehe, daß das eher antidepressiv wirkt. Unsicherheit kann mich zwar kurz zu Höchstleistungen anspornen, das könnte ich aber sicherlich nicht dauerhaft aushalten; ganz abgesehen vom emotionalen Hin und Her.

Trotzdem muß man sich gerade bei angeblich vorgegebenen Werten fragen, ob sie wirklich das bringen, was "die Gesellschaft" oder das Umfeld behauptet, was man selbst zu meinen scheint. Manchmal kann weniger auch mehr sein.

Dann:
1. Kannst Du innnerhalb der Firma etwas an Deiner Tätigkeit ändern? Oder Dich auf eine andere Stelle innerhalb der Firma bewerben?
2. Anderer Umgang mit der Situation: Da könntest Du auf alle Fälle versuchen anzusetzen. Wobei das nicht funktioniert, wenn man sich Situationen schönreden will, die einfach nicht schön sind. Das kann nur dann funktionieren, wenn tatsächlich ein anderer Umgang mit der Situation möglich ist ... und wenn er Dir, nach "Umlernen", möglich ist. (Man kann sich ändern, aber eher leicht, die Schwerpunkte verschieben; aber man wird nicht komplett anders werden, aus einem Tiger wird kein Schoßhündchen werden und umgekehrt.)
[...] vollständig abarbeiten
Deine gute Therapeutin und Dich in Ehren, nur: "bearbeiten" ja; auch so, daß man halbwegs gut bis gut damit leben kann; doch ungeschehen wird dadurch nichts, und vermutlich werden Spuren in Dir bleiben. - Falls ich doch nicht recht haben sollte und etwas anderes auch noch möglich ist: Umso besser!!

LG, Zarra
kaizer
Beiträge: 79
Registriert: 21. Jul 2016, 14:30

Re: Depressiv ohne psychischer Ursache

Beitrag von kaizer »

Das mit dem "Anfreunden" mit einer Situation, die einem nicht gut tut, ist eben so eine Sache. Manche können das, andere nicht.

Mir gings ja ähnlich, ich fühlte mich gefangen in einem Job, der mich nicht erfüllt hat, wollte mich aber unbedingt damit anfreunden, auf Zwang sozusagen. Bei mir hat's nicht geklappt, ich war einfach konstant unglücklich.

Ich muss dabei an das Bild eines Balls denken, den man versucht, mit Druck unter Wasser zu halten, bis er einem dann plötzlich um die Ohren fliegt...
Caro_Wien
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Registriert: 27. Mär 2016, 18:14

Re: Depressiv ohne psychischer Ursache

Beitrag von Caro_Wien »

Hallo:)

Mir geht es ganz ähnlich wie dir. Ich hatte vor 5 Jahren das erste Mal Depressionen und da gabs schon ein paar Dinge in meinem Leben die gerade nicht so gepasst haben (regelmäßiger Cannabiskonsum und Erkrankung meines Bruders). Allerdings alles ganz gut bearbeitet bzw. den Konsum weggelassen und es kam immer immer wieder. Jeder Versuch ohne Medikamente klar zu kommen, ging früher oder später in die Hose. Auch ich muss sagen dass bei mir im Leben subjektiv alles tip top ist. Gutes Verhältnis zur Familie, viele Freunde, Sport, Studium und Ausbildung. Und meine Ausbildung interessiert mich wirklich und macht mir zumindest momentan wirklich spaß. Zu dem gehe ich seit 4 Jahren in Therapie und auch da is viel weiter gegangen. Arbeiten gerade auch sehr intensiv an dem Thema Aggression, was ein weng meine Schwäche ist.
Naja all in all würd ich sagen bin ich eine selbstbewusste Person die mitten im Leben steht aber dennoch ihre Medikamente brauch um zu "funktionieren"
Bei mir ist auch familiär/genetisch einiges an Vorbelastung da(macht aber sicher auch nicht alles aus)

Wäre es für dich finanziell möglich etwas weniger Stunden zu arbeiten? Vielleicht nur 30?
Dann hättest du mehr Zeit für die schönen Dinge im Leben wie deine Partnerin oder die Musik?

40h Job wär für mich glaub ich auch nix..bin einfach nicht mehr so belastbar. Mal schaun wie das bei mir wird wenn ich ins berufsleben einsteige.

LG
Caro
music_is_life
Beiträge: 140
Registriert: 9. Nov 2014, 16:31

Re: Depressiv ohne psychischer Ursache

Beitrag von music_is_life »

Ja, mit dem Job "anfreunden", das ist denke ich mein Kampf zur Zeit. Natürlich könnte ich "was Neues" suchen. Es ist aber so, dass ich nicht alle 3 Jahre einen neuen Job suchen möchte. Und inhaltlich ist der Job wirklich nicht so schlecht. Es ist meine innere Einstellung der Arbeit im allgemeinen gegenüber. Mir sind die 8 h am Tag einfach zu viel. Ich möchte Abends noch Musik machen. Die ist mein Leben. Das ist, was mich am Leben hält. Doch für die habe ich Abends kaum noch Kraft.

Auf der anderen Seite ermöglich mir der Job eben genau diese Musik. Studiogeräte sind teuer. Für ein amtliches Gerät gehen da locker mal 1000 EUR drauf. Und im Grunde baue ich das Ton-Studio noch immer auf.
Es ist eine Zwickmühle. Der Job ermöglicht mir, meinen Traum zu leben, allerdings nur auf Sparflamme. Gleichzeitig raubt er mir so viel Kraft.

Mit dem Ton-Studio selbständig werden? Nun, ich kenne den Markt. Er ist momentan gesättigt. Die wenigsten können von diesem "Traum" leben. Daher brauche ich diesen Job als Informatiker.

Es kommt mir manchmal vor, als würde ich auf hohem Niveau jammern.

Jetzt mit den AD ist das alles besser geworden. Außerdem hatte ich schlechte Schilddrüsen-Werte und habe auch hier Medikamente, die mir zumindest ein wenig Hoffnung machen.
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