Zukunft

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Ilonka
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Registriert: 18. Aug 2003, 23:49

Zukunft

Beitrag von Ilonka »

Hallo @alle,

ich habe heute einfach das Bedürfnis einiges niederzuschreiben und vielleicht hat der ein oder andere ja Zeit und Lust seine Meinung dazu zu sagen.

Ich bin jetzt 30 Jahre alt und seit 2 Jahren depressiv. Ich hatte wohl schon immer einen Hang dazu, allerdings wurde das sowohl von meinen Eltern als auch vom Arzt lapidar abgehandelt. "Sie ist eben melancholisch" waren die Worte des Arztes, meine Eltern nannten mich "das Sensibelchen". In der Schule (vor allem von der 5.-10. Klasse) wurde ich extrem gehänselt und ausgelacht, da ich leicht pummelig war. Dort bekam ich dann die "liebevollen" Titel wie "Nilpferd" oder "Tonne". Liebevoll sage ich deshalb, weil ich nicht glaube, daß mich irgend jemand bewußt verletzen wollte. Ich bin nach außen hin sehr locker damit umgegangen, habe darüber gelacht und so getan als würde es mir nichts ausmachen. Aber in meinem Innern hat es mich so tief verletzt, daß sich all das auf meiner Seele eingebrannt hat. Mit meinen Eltern habe ich darüber nie gesprochen, weil ich mich geschämt habe. Die Folge war, daß ich (auch durch das Vorbild meiner Mutter) nie ein selbstbewußter Mensch war, sondern eher immer zurückhaltend und schüchtern. Aber ich bin gut klar gekommen, konnte mich damit arrangieren und habe das ganze irgendwo in meinem Unterbewußtsein vergraben.

Vor 2 Jahren mußte ich eine traumatische Erfahrung machen (teilweise trenne ich dieses Erlebnis immer noch von mir) und so folgte der Sturz in eine tiefe Depression, was mir anfangs nicht so deutlich bewußt war. Ich sagte mir immer "nächste Woche wird alles wieder besser". Als ich während meines Urlaubs 3 Wochen die Wohnung nicht verlassen habe, wurde mir sehr schmerzhaft bewußt, daß es mir sehr viel schlechter geht als ich dachte. Oft habe ich Stunden Vorbereitung gebraucht bis ich die Wohnung verlassen konnte, wenn es nicht unbedingt sein mußte habe ich es vermieden überhaupt rauszugehen. Der Gedanke und die Angst, daß alle wieder über mich lachen und über mich reden könnten war größer. Freunde drängten mich eine Therapie zu machen, aber leider habe ich noch ein ganzes Jahr verstreichen lassen, bevor ich diesen Schritt gegangen bin. Leider mußte ich die Therapie abbrechen, da ich nach einigen Stunden gespürt habe, daß ich mich bei dem Therapeuten nicht so öffnen kann wie es notwendig ist. Im Oktober letzten Jahres hatte ich meinen letzten heftigen Sturz in die Tiefe. Medikamente habe ich die ganze Zeit über nie genommen und wie gesagt steht mir auch kein Therapeut mehr zur Seite.

Vor 1 1/4 Jahren habe ich meinen Freund kennengelernt und er stand in noch so harten Phasen immer zu mir. Da wir 160 km voneinander entfernt wohnen und jetzt zusammen leben möchten, habe ich mir eine neue Arbeitsstelle gesucht, meine jetzige Arbeit gekündigt und erlebe so im April einen kompletten Neuanfang, da ich dann von der Pfalz in den Spessart ziehen werde. Mein Selbstwertgefühl ist noch immer sehr niedrig, Selbstbewußtsein ist kaum vorhanden und ich spüre sehr viele Ängste und ziemlich krasse Gedankengänge (Schwarz-Weiss-Denken). Ich bin mir jetzt schon sicher, daß mich niemand der neuen Kollegen mögen wird, daß alle hintenrum über mich lachen werden. Das macht mir natürlich Angst und raubt mir meine ganze Vorfreude.

Gleichzeitig möchte ich dort die Therapie fortsetzen und frage mich welche Therapieform (Verhaltenstherapie, Psychoanalyse usw.) für mich die beste wäre.

Ilonka
Munder
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Registriert: 14. Jan 2004, 17:47

Re: Zukunft

Beitrag von Munder »

Hallo Ilonka,
während ich dein Post gelesen habe, dachte ich immer ich selbst hätte das geschrieben.
Weil meine Kindheit und meine Jugend, eigentlich mein ganzes Leben auch so verlaufen ist.
Ich kann gut verstehen wie du dich fühlst. Die tiefe Traurigkeit, die man immer verbergen muß.
Kannst du nicht zusammen mit deinem Hausarzt oder Neurologen herausfinden, was für eine Therapieform am besten für dich ist?
Du mußt einfach jemand finden, dem du dich öffnen kannst, alleine schaffst du das wirklich nicht.

Gruß
Marga

Ich hoffe das dir hier im Forum viele Leute Rat geben können, die damit mehr Erfahrung haben als ich.
Ilonka
Beiträge: 77
Registriert: 18. Aug 2003, 23:49

Re: Zukunft

Beitrag von Ilonka »

Liebe Marga,

danke für Deine Antwort. Glücklicherweise kann ich mich meinem Freund gegenüber vollkommen öffnen. Aber verständlicherweise sind ihm Grenzen gesetzt, er ist manches mal mit meinen Gedankengängen völlig überfordert. Mein Hausarzt steht auf dem Standpunkt solange ich keine Medikamente einnehmen möchte, brauche ich auch keine Therapie.

Alles Gute wünscht Dir
Ilonka
Munder
Beiträge: 86
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Re: Zukunft

Beitrag von Munder »

Hallo Ilonka,

das du mit deinem Freund offen reden kannst ist wirklich gut. Das kann ich mit meinem übrigens auch. Da du selber spürst, das er überfordert ist, mußt du unbedingt eine Therapie anstreben.
Medikamente habe ich auch fast immer abgelehnt und habe auch deshalb eine Therapie abgebrochen. Oft braucht man mehrere Anläufe um da auch den richtigen Platz zu finden.
Suche doch einfach mal nach Therapeuten hier im Internet oder in den Gelben Seiten und rufe einfach mal an. Oder wende dich an eine Phsychosoziale Beratungstelle.
Ich hatte auch mal eine gute Beratung bei der Caritas.

Alles Gute für auch für dich

Gruß
Marga
Ilonka
Beiträge: 77
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Re: Zukunft

Beitrag von Ilonka »

Guten Morgen,

obwohl ich mich auf meinen "Neuanfang" (sowohl beruflich als auch privat) sehr freue, bin ich gestern abend wieder mal abgerutscht. Ich hätte so vieles tun müssen und es ging gar nichts mehr. Völlige Überforderung, Kraftlosigkeit, Angst und das Gefühl mir wächst alles über den Kopf. Dann gerate ich in einen Zustand der totalen Starre, kann gar nichts mehr tun, obwohl viele Dinge auf meinem Tagesplan stehen. Wie soll ich das alles schaffen? Am Samstag tapezieren - habe ich genug Kraft? Werden mich die neuen Kollegen mögen? Schaffe ich es meinen Nachfolger gut genug anzulernen? Tausende solcher Fragen gehen durch meinen Kopf und es gibt wieder einmal nur schwarz oder weiss, nichts dazwischen.

Soll ich jetzt doch das Medikament (Remergil 30 mg) einnehmen? Könnte ich dann mehr ertragen, besser durchhalten und mehr Kraft entwickeln?

Ich MUSS den Tag heute überstehen, nach der Arbeit meine Wohnung in Ordnung bringen, da morgen die Vermieterin mit einem Interessenten für die Wohnung kommt. Ich habe das Gefühl die letzte Kraft ist aus meinem Körper und meinem Kopf gewichen.

Warum kann ich mich nicht freuen - ich gehe doch jetzt den Weg, der mich glücklich macht, wonach mein Herz sich sehnt? Wo ist meine Zufriedenheit von früher? Ich habe mich verloren und halte es nicht mehr aus, daß jeder Tag nur noch eine Last ist.
Ilonka
Beiträge: 77
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Re: Zukunft

Beitrag von Ilonka »

Was kann der Grund für meine starke Müdigkeit sein? Ich gehe abends früh schlafen, kann auch gut ein- und durchschlafen und fühle mich trotzdem am nächsten Morgen todmüde und unausgeschlafen.
Munder
Beiträge: 86
Registriert: 14. Jan 2004, 17:47

Re: Zukunft

Beitrag von Munder »

Liebe Ilonka,

ich möchte dir wiederholt schreiben, das ich das was du schreibst alles selber auch erlebt habe. Die Starre, sowie das Überfordert sein und die Müdigkeit. Ich denke du bist völlig erschöpft, warum läßt du dich nicht krank schreiben?

Liebe Grüße
Marga
Ilonka
Beiträge: 77
Registriert: 18. Aug 2003, 23:49

Re: Zukunft

Beitrag von Ilonka »

Liebe Marga,

was hast Du gegen diese Symptome getan?
Ich kann mich nicht krank schreiben lassen, weil ich letzte Woche gekündigt habe, um am 01.04. eine neue Stelle antreten zu können. Das bedeutet, daß ich noch einiges im Büro regeln muß und unter anderem meinen Nachfolger anlernen muß.

Außerdem müssen mein Freund und ich unsere neue Wohnung tapezieren, meine Wohnung hier muß auch aufgelöst werden. Das ist jede Menge Arbeit.

Du kannst mit der völligen Erschöpfung schon recht haben. Ich hoffe nur, daß ich zwischen den beiden Jobs ein paar Tage Ruhe finden werde.

Liebe Grüße
Ilonka
Munder
Beiträge: 86
Registriert: 14. Jan 2004, 17:47

Re: Zukunft

Beitrag von Munder »

Liebe Ilonka,

ich würde an deiner Stelle den Hausarzt um ein Benzodiazepine bitten. Erzähle ihm einfach alles so, wie du es hier auch schreibst. Ich hatte/habe für Notfälle das Medikament Gityl. Es besteht da natürlich ein Suchtgefahr. Könnte dir aber durchaus helfen, deine jetzige Situation durchzustehen. Mein Vorschlag ist einfach nur mal eine Notlösung, damit du das alles so vielleicht vorübergehend mal regeln kannst.
Kannst du dich niemanden aus dem Bekanntenkreis anvertrauen, der dich unterstützt?

Wichtig ist aber auf jeden Fall, das du deine Depression behandeln läßt. Auf jeden Fall druch eine Therapie.

Gruß
Marga
Munder
Beiträge: 86
Registriert: 14. Jan 2004, 17:47

Re: Zukunft

Beitrag von Munder »

Liebe Ilonka,

ich muß oft an dich denken und frage mich auch gerade in diesem Moment wie es dir wohl geht.
Leider habe ich meine Depression lange nicht so behandeln lassen wie es mir von Seiten der Ärzte vorgeschlagen wurde. Ich habe immer gepowert und bin nur im Notfall mal wieder zum Arzt. Ich habe es auch einfach lange nicht wahrhaben wollen, das ich eine wirkliche Depression habe. Oft hatte ich auch keine Energie und auch keine Zeit um eine Therapie zu machen oder fühlte mich vom Therapueten nicht ernst genommen. ( Kommt sicher aus der Kindheit, weil meine Erziehungsberechtigten meine Empfinlichkeit und Traurigkeit auch nicht ernst genommen haben und sie mich ja auch nur mochten, wenn ich besonders fleißig und tapfer war )

Um durchzuhalten habe ich den letzten Jahren Entspannungsübungen gemacht, das hat auch bedingt geholfen. Sport und Gymnastitik tun mir ebenfalls sehr gut.

Ilonka, ich möchte dir hiermit einfach nur sagen, das du auf jeden Fall etwas für dich tun mußt. Du mußt dein Selbstvertrauen aufbauen und einfach eine gewisse Zufriedenheit finden.
Das mit dem Umzug und den letzten Tagen im Betrieb ist natürlich im Moment eine starke Überbelastung. Denke dabei jedoch immer an deinen Neuanfang und denke mal positiv an deine neuen Kollegen - keiner ist vollkommen. Und es gibt auch nette Menschen.

Was würde denn gerade jetzt passieren, wenn du dir ein Bein brechen würdest? Du wärst krank geschrieben und es müßte im Betrieb auch ohne dich gehen.
Ich weiß ein Beinbruch das sieht jeder, die Seelenqualen jedoch keiner. Nur wir selber spüren diese und sind daher einfach verantwortlich für uns.

Liebe Grüße
Marga

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Ilonka
Beiträge: 77
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Re: Zukunft

Beitrag von Ilonka »

Liebe Marga,

es hat mich so berührt, als ich gelesen habe, daß Du an mich denkst. Danke Dir!

In dem was Du schreibst kann ich mich sehr gut wieder erkennen. Ich versuche mein Berufs- und Alltagsleben so gut es geht auf die Reihe zu bekommen und gehe nur im absoluten Notfall zum Arzt. Ich weigere mich nach wie vor Medikamente einzunehmen, weil ich Angst vor den Nebenwirkungen habe. Außerdem habe ich nicht den Eindruck, daß es den Betroffenen, die Medikamente einnehmen, besser geht als mir.

Was Du über mein Selbstvertrauen und meine Zufriedenheit sagst, ist sehr richtig. Aber wie kann ich Selbstvertrauen aufbauen? Ich habe oft sehr extreme Gedankengänge über mich selbst. Da ist gar kein Platz für Selbstvertrauen, obwohl ich wohl auf andere sehr selbstbewußt wirke. Gerade dieser Unterschied zwischen Wirkung und meinem eigenen Empfinden ist sehr anstrengend.

Das Problem mit den neuen Arbeitskollegen ist zunächst mal "gelöst". Heute morgen hat mein neuer Arbeitgeber angerufen und seine mündliche Zusage ("sie können sich absolut darauf verlassen") zurückgenommen, so daß ich jetzt erst mal wieder gefordert bin, bis April einen Job zu finden. Also wieder voll Power die nächsten Wochen.

Eine neue Therapie möchte ich erst an meinem neuen Wohnort beginnen - das lohnt sich hier nicht mehr. Wobei ich mir ziemlich sicher bin, daß die Veränderung, die ich erleben werde, sehr gut für mich sein wird. Und ich finde dort große Unterstützung von meinem Freund und seiner Familie. Dort kann ich einfach ich sein.

Hast Du eigentlich Deine Depression überwunden?

Sei lieb gegrüßt
Ilonka
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