Umgang mit Depression in neuer Beziehung

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Hadi
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Umgang mit Depression in neuer Beziehung

Beitrag von Hadi »

Hallo zusammen,

ich habe hier im Forum schon einiges gelesen und mich letztendlich angemeldet, da ich Rat brauche.

Ich bin Hadi, 30 Jahre alt, ein ziemlich aktiver Mensch. Ich führe eigentlich ein ziemlich gutes Leben - ich treibe viel Sport, spiele in einem sehr familiären Verein, ich habe einen klasse Job in Führungsposition indem ich aufgehe. Auch finanziell kann ich mich überhaupt nicht beschweren. In jungen Jahren litt ich unter chronosomatischen Störungen (ich habe mich auch geritzt), meine Eltern hatten sich getrennt, mein Vater war sehr gewalttätig. Ich habe es aber irgendwie rausgeschafft - habe meine Lehre gemacht, ein Studium und bin eigentlich absolut glücklich. Ich würde mich selber als sehr starken Menschen, der rationale Entscheidungen trifft und eher lösungsorientiert ist beschreiben.

Seit kurzem (Januar 2017) bin ich wieder in einer Beziehung. Die ersten Monate hat man natürlich totale Schmetterlinge im Bauch. Sie hat mich aber schon vorher gewarnt, dass sie stark depressiv ist und Medikamente nimmt. Ich selber bin ein Mensch, der Depression als eine Krankheit anerkennt und keiner der Sorte "stell dich nicht so an". Anfangs war auch alles super - es passt einfach. Irgendwann sagte sie mir, dass sie so glücklich ist und die Medikamente abgesetzt hat, weil es auch ohne geht. Ich riet ihr das nicht zu tun, aber sie hat auch ihren eigenen Willen. Wir waren viel unterwegs, machten Sport zusammen, waren mit dem Bike draußen.

Dann ging die Depression wieder los. Ich hatte mich vorher schon viel erkundigt, Gespräche geführt und im Netz informiert. Auch die Beipackzettel der Medikamente habe ich gelesen. Ich dachte ich wusste worauf ich mich einlasse.

Ich glaube auch den erneuten Auslöser (wenn es nicht das Absetzen der Antidepressiva war) erkannt zu haben.
Ich bin intern in der Firma aufgestiegen und fahre aktuell 75km/Strecke zur Arbeit(1-2,5h dank NRW Verkehr). Gar keine Frage, dass ich in die Nähe meiner Arbeitsstelle ziehen muss. Wir haben darüber gesprochen ob wir nicht direkt zusammenziehen möchten. Sie wohnt derzeit ca. auf der Hälfte der Strecke, allerdings ist sie durch ihr Pferd und ihre Familie/Freunde örtlich sehr gebunden. Da ich auch viel unterwegs bin, hat sie enorme Angst alleine zu sein. Wir kamen nicht auf einen Nenner. Nach diesem Abend ist die Depression wieder stark losgegangen.

Ebenso will sie unbedingt mittelfristig Mutter werden. Ich habe auch einen Kinderwunsch, aber bin der Meinung, dass ihr Wohlbefinden erstmal das Wichtigste ist. Ich habe auch Angst davor was mit dem Kind ist, wenn sie sich "zudrönt" weil sie einen schlechten Tag hat.

Ich arbeite sehr viel, aber ich versuche ihr zu helfen wo ich kann. Ich habe ihr klar gesagt, dass ich es verstehe und für sie da bin wenn sie mich braucht. Letztes Wochenende bin ich spontan mit ihr nach Paris gefahren. Es tat ihr super gut, ich habe endlich wieder ein glitzern in ihren Augen erkannt. Ich habe ihr eine Box geschenkt, in die sie alle tollen Erinnerungen packen soll - Quittungen, Servietten aus Restaurants, eine Spieluhr welche wir in Paris gekauft haben.

Es wird allerdings nun immer schlimmer. Sobald sie alleine ist, haut sie sich mit Medikamenten zu. Darauf komme ich kaum klar. Sie liegt da, total sediert und ist nicht ansprechbar. Es ist total schlimm sie so zu sehen und ich fühle mich einfach hilflos. Sie meint das hilft gegen die ganzen Gedanken - ist ok. Aber sie fährt auch so Auto und kommt bei mir an, ohne dass sie ohne Hilfe stehen kann. Das geht leider garnicht und ist ultra gefährlich. Ich habe sie heute nach der Arbeit angerufen und gefragt wie es ihr geht. Ich habe gemerkt, dass es ihr nicht gut geht und ich wollte unterwegs etwas zu Essen kaufen und zu ihr fahren. Sie hat mich nur angeschrien, beleidigt und mich mehrfach weggedrückt. Ich muss lernen damit umzugehen.

Ich habe gelesen, dass ich als "Angehöriger" stark auf mich selbst achten soll und habe dies gemacht. Anstatt zu ihr zu fahren bin ich nach Hause und habe mich in der Arbeit vertieft (mein Anker). Von ihr kamen per Whatsapp andauernd Beleidigungen und dass ich ja nicht für sie da wäre. Sie bräuchte mich, ich lasse sie im Stich etc.

Ich weiß, dass sie das Alles nicht so meint. Es ist eine Krankheit um die ich mich auch kümmern muss, wenn wir eine Zukunft haben wollen. Ich brauche allerdings auch meine Momente und weiß nicht wie ich ihr das klar machen soll. Ich kann und will nicht immer springen wenn sie es verlangt (auch um sie ein bischen zu fordern). Es ist grade sehr schlimm und auch wenn ich eine Kämpfernatur bin, die den Kampf gegen ihre Krankheit mit ihr und uns zuliebe angeht, stoße ich an meine eigenen Grenzen. Ich sage sogar berufliche Termine ab - das mache ich allerdings gerne um für sie da zu sein.

Was mich tierisch beunruhigt, ist, dass sie sich wenn ein schlechter Tag kommt total sediert. Die Medikamente sind heftig. Sie ist nichtmehr sie selbst und nicht mehr zurechnungsfähig. Praktisch total auf Droge. Sie hat danach Erinnerungslücken oder kann nicht mehr alleine Laufen. Übermorgen hat sie wieder einen Termin beim Therapeuten - es geht so nicht weiter!

Es ist einfach so deprimierend. Ich bin einen Tag mit ihr losgefahren in den Gartenmarkt um ihren Balkon schön zu machen, weil ich wusste, dass es sie ablenkt und so war es auch. Wir hatten einen tollen Tag, aber kurze Zeit später zählt dies alles nichtmehr. Es ist als wenn alles gelöscht ist. Wie kann ich es schaffen, dass sie sich in schweren Momenten an die schönen Dinge erinnert?

Ich habe es schon geschafft, dass sie täglich aufschreibt was für sie gut war und es in ihre Kiste packt(das tut sie auch). Ich wünsche mir, dass sie es irgendwann schafft diese Kiste aufzumachen um sich an die schönen Dinge zu erinnern und daraus Kraft schöpft. Ich persönlich, auch wenn ich mir sehr sehr viele Gedanken über alles mache, bin auch nicht bereit sie aufzugeben.

Das war ein langer Text, ich hoffe ihr habt Verständnis dafür.
Ich bin auf eure Meinung dazu gespannt.
Ich denke, dass ich grade zu Beginn meiner Erfahrung mit Depression auch viele Dinge falsch verstehe.

Vielen Dank für eure Hilfe,

Hadi
DieNeue
Beiträge: 5551
Registriert: 16. Mai 2016, 22:12

Re: Umgang mit Depression in neuer Beziehung

Beitrag von DieNeue »

Hallo Hadi,

hm, ziemlich heftig deine Situation. Normalerweise sollte man Antidepressiva noch mindestens ein halbes Jahr weiternehmen, wenn man das Gefühl hat, es geht einem wieder gut. Ich selbst habe einmal Medikamente (bin Betroffene) abgesetzt und der Schuss ging total nach hinten los. Es ging eine Zeit lang, aber dann kam der totale psychische und körperliche Zusammenbruch. Heute würde ich das nie wieder machen und finde deinen Rat, die Medikamente nicht abzusetzen, gut.
Hat deine Freundin die Medikamente ausgeschlichen oder einfach so abrupt abgesetzt?
Weißt du, welches Antidepressivum sie genommen hat? Und was sind das für Medikamente, mit denen sie sich jetzt "zudrönt"?
Wielange ist das jetzt her, dass sie die Medikamente abgesetzt hat und die Depression wieder losging?
Hadi hat geschrieben:Was mich tierisch beunruhigt, ist, dass sie sich wenn ein schlechter Tag kommt total sediert. Die Medikamente sind heftig. Sie ist nichtmehr sie selbst und nicht mehr zurechnungsfähig. Praktisch total auf Droge. Sie hat danach Erinnerungslücken oder kann nicht mehr alleine Laufen. Übermorgen hat sie wieder einen Termin beim Therapeuten - es geht so nicht weiter!
So kann es wirklich nicht weiter gehen, vor allem nicht, wenn sie dann auch noch Auto fährt. Meinst du mit Therapeuten einen Psychologen oder den Psychiater, der die Medikamente verschreibt?
Macht sie aktuell denn eine Psychotherapie?
Ist ihr das eigentlich bewusst, dass sie sich an Sachen nicht mehr erinnern kann und nicht mehr alleine laufen kann? Wenn nein, glaubt sie dir das?
Mal abgesehen davon, dass sie beim Autofahren sich und andere massiv gefährdet, kann sie das den Führerschein kosten. Vielleicht ist das ein Argument, das besser zieht? (Auch wenn das erstere eigentlich schwerer wiegen sollte, aber manchmal kann die Aussicht auf konkretere Folgen mehr bewirken).
Hadi hat geschrieben:Wir haben darüber gesprochen ob wir nicht direkt zusammenziehen möchten. Sie wohnt derzeit ca. auf der Hälfte der Strecke, allerdings ist sie durch ihr Pferd und ihre Familie/Freunde örtlich sehr gebunden. Da ich auch viel unterwegs bin, hat sie enorme Angst alleine zu sein.
Habt ihr auch überlegt, dass du evtl. in ihre Nähe ziehen könntest, dass sie aber trotzdem bei sich wohnen bleibt. Dann hättest du weniger zu fahren und die Hälfte der Strecke zu fahren, ist zwar auch blöd, aber machbar. Hab ich auch jahrelang gemacht.
Es heißt immer, dass man in einer Depression keine wichtigen Entscheidungen treffen sollte und das Umfeld (sofern es positiv ist) so stabil wie möglich bleiben sollte. Vielleicht ist diese Möglichkeit ein guter Kompromiss. Für sie würde sich erstmal nichts ändern, sie müsste keinen großen Umzug stemmen, aber ihr wärt näher beieinander und für dich wäre es zumindest weniger Strecke zu fahren.
Hadi hat geschrieben: Da ich auch viel unterwegs bin, hat sie enorme Angst alleine zu sein.
Warum hat sie Angst vor dem Alleinsein? Denkt sie, dass sie dann einsam ist oder dass sie dann ihren Haushalt etc. nicht gebacken bekommt, sich nicht versorgen kann etc.?
Hadi hat geschrieben:Sie hat mich nur angeschrien, beleidigt und mich mehrfach weggedrückt. Ich muss lernen damit umzugehen.
?
Hadi hat geschrieben: Von ihr kamen per Whatsapp andauernd Beleidigungen und dass ich ja nicht für sie da wäre. Sie bräuchte mich, ich lasse sie im Stich etc.
Echt schwierig, wenn sich ihr Verhalten so widerspricht. Meine schlimsten Phasen habe ich hinter mir und kann mich auch nicht erinnern, ob ich mich auch so verhalten habe oder nicht.
Es könnte sein, dass sie eigentlich schon will, dass du zu ihr kommst und ihr hilfst. Aber das blockt sie erst mal ab, und hofft aber trotzdem insgeheim, dass du kommst. Also dass sie unterbewusst quasi testet, wieviel du für sie tun würdest, ob du auch noch für sie da bist, wenn sie am wenigsten liebenswürdig ist. Glaube, das ist schon ein bisschen so ein typisches Wunschdenken von Frauen, auch wenn es nach Klischee klingt. Aber das ist nur Spekulation, könnte auch einfach nur an der Depression liegen. Aber vielleicht können dir hier Angehörige besser weiterhelfen.

Oder was vielleicht auch sein kann, wäre (das hab ich manchmal), dass sie sich überfordert fühlt, sobald man etwas will (wie spontan vorbeikommen). Ihr aufgebautes Kartenhaus für diesen Tag wird plötzlich zerstört und sie muss ihre Pläne ändern. Wenn ich sowas erlebe, dann bin ich auch leicht gereizt. Und irgendwann hat man sich an den Gedanken gewöhnt, dass der Tag doch anders verlaufen könnte und dann will man es plötzlich dann doch.

Auf jeden Fall ist es wichtig, dass du dich nicht zu sehr von ihr vereinnahmen lässt, sondern auch Sachen für dich machst. Und bei Beleidigungen kann man, denke ich, schon mal sagen, dass das so nicht geht. Man kann nicht alles mit der Krankheit erklären.
Hadi hat geschrieben:Ich denke, dass ich grade zu Beginn meiner Erfahrung mit Depression auch viele Dinge falsch verstehe.
Ja, das kann sein, aber ich finde es gut, dass du ihre Depressionen als Krankheit siehst und sie ernst nimmst. Das ist das wichtigste. Und auch alleine, dass man jemanden verstehen WILL ist eine gute Voraussetzung. Und auch die Idee mit der Box finde ich super!

Hoffe, ich konnte dir ein bisschen helfen.

Liebe Grüße,
DieNeue
Thomas K
Beiträge: 1
Registriert: 29. Mai 2017, 00:40

Re: Umgang mit Depression in neuer Beziehung

Beitrag von Thomas K »

Hallo Hadi,

ich kann Deine Situation komplett nachvollziehen.
Das letzte halbe Jahr betrachtet, könnte ich fast exakt den selben Text schreiben.

Bei uns ist der Unterschied, sie macht gar nichts.
Kein Arzt, Therapie oder Medikamente.

Laufe komplett gegen Wände.

Kam jetzt, in einer der depressiven Phasen, zur Trennung.
Dennoch lässt sie den Kontakt nicht abreißen.

Hab sie sehr direkt mit ihrer Erkrankung konfrontiert.
Sie hat alles abgestritten und ist dann in eine Angriffsposition übergegangen.

Vor ca. 10 Tagen dann ne Whatsapp. Sie wisse seit 10 Jahren von ihrer Depression, käme aber gut klar damit. - Das stimmt natürlich nicht.

Hab ihr zum wiederholten Mal Hilfe angeboten. Sie hat dann zwar signalisiert drauf eingehen zu wollen, seitdem aber wieder Blockade.

Das macht einen echt fast Wahnsinnig.
Löwenzähnchen
Beiträge: 30
Registriert: 29. Apr 2017, 14:19

Re: Umgang mit Depression in neuer Beziehung

Beitrag von Löwenzähnchen »

Lieber Hadi,

was das "Zudröhnen" anbelangt, kann ich mich da nur der Meinung von DieNeue anschließen. Stell Dir nur mal vor, wenn sie in dem Zustand ins Auto steigt und jemanden verletzt oder Schlimmeres.
Ich musste mir auch schon mal die Frage stellen, wie ich damit umgehe, als meine Schwiegermutter alkoholisiert und noch dazu mit meinem Kind im Auto bei mir ankam! Seit dem sieht sie die Kinder nur noch selten im Beisein von mir oder meinem Mann, mitfahren lasse ich sie nie wieder. Und sollte ich jemals wieder mitbekommen, dass sie alkoholisiert fährt rufe ich die Polizei - bevor sie jemanden überfahren kann. Das ist jetzt vielleicht etwas heftig - aber ein überfahrener Fußgänger wäre schlimmer, oder? Ich hätte immer Schuldgefühle, wenn ich wüsste, dass ich es verhindern hätte können, es aber aus falscher Rücksichtnahme nicht getan habe.

Zum Thema Kinder: solange Deine Partnerin ihr eigenes Leben nicht geregelt bekommt, wäre es ein großer Fehler zu Lasten des Kindes. Ich habe selbst zwei Kinder und einen depressiven Mann. Vor allem meine Große hat in den schlimmen Phasen (vor der Diagnose) sehr unter dem erkrankungsbedingten Verhalten ihres Papas gelitten. Und auch jetzt muss ich mich an schlechten Tagen überwiegend alleine um die Kinder kümmern. Zum Glück nimmt mein Mann sein Medikament und geht zur Therapie, es hat sich vieles schon gebessert. Andernfalls hätte ich mich zum Schutz der Kinder getrennt.

Zusammenziehen: hältst Du das für eine gute Idee, wenn es jetzt schon so schwierig ist?

Es tut mir wirklich leid, wenn das jetzt alles sehr direkt und nicht unbedingt positiv war. Ich finde es gut, wie unterstützend und rücksichtsvoll Du Dich verhältst. Aber wenn jemand sich selbst und/oder andere gefährdet, braucht es meiner Meinung nach keine Rücksicht sondern klare Ansagen und Konsequenzen.

Ich wünsche Dir von Herzen alles Gute

Löwenzähnchen
yogacat
Beiträge: 34
Registriert: 28. Apr 2017, 16:29

Re: Umgang mit Depression in neuer Beziehung

Beitrag von yogacat »

hallo hadi,

ich bin (ex-)partnerin also angehörige und finde die idee mit der kiste total toll. zwar glaube ich nicht, dass sie sich in einer phase diese dinge ansehen wird aber es ist schön dass es diese dinge gibt. in einer phase werden sie diese dinge nicht 'erreichen' befürchte ich. ich kenne das, dass man denkt der partner vegisst einfach das ganze schöne was war. vll kann da ein betroffener ein feetback geben.

es mag dir gruslig erscheinen aber wenns ihr so schlecht geht dass sie sich mit diesen medis zudröhnen muss dann ist das in ihren augen sinnvolles verhalten :/ aber du solltest ihr in nem lichten moment sagen wie du das empfindest.

ich bin immer gesprungen wenn er mich brauchte, zu jeder tages-/nachtzeit nur um mir nicht vorhalten zu lassen ich wäre nicht da gewesen. wie du es hälst musst du selbst entscheiden. mehr als 'da' sein kannst du in der sit nicht. du kannst nicht helfen, du kannst nur mit deiner anwesenheit den hauch von normalität reinbringen.

alles gute
In every life we have some trouble, but when you worry, you make it double.
Hadi
Beiträge: 6
Registriert: 25. Mai 2017, 20:24

Re: Umgang mit Depression in neuer Beziehung

Beitrag von Hadi »

Hallo ihr Lieben,

vielen Dank für eure Ratschläge. Ich versuche auf alle einzugehen. Ich mache einen Doppelpost. Im ersten schildere ich die aktuellen Ereignisse - im zweiten gehe ich auf eure Antworten ein.

Vorweg:

Heute war es besonders schlimm. Der Morgen war sehr gut, sie war gut drauf, wir haben uns auf den Tag gefreut. Sie hatte ein Gespräch beim Therapeuten und war echt gut drauf als sie wieder kam. Dann haben wir gemeinsam gefrühstückt, ich habe meine Witzchen gemacht - wie ihr der Frischkäse vom Messer fiel etc. Wir haben viel gelacht. Doch plötzlich hat sie während des Lachens Weinkrämpfe bekommen. Das ging ca. 1 Stunde. Immer ein Wechsel zwischen Weinen und Lachen im Sekundentakt. Sie hat sich dafür geschämt - sie weiß nicht was los ist. Dann ging es richtig los. Sie hat sich immer wieder hinterfragt wieso es ihr so schlecht geht - sie hat eine Wohnung, eine tolle Beziehung, einen Hund, einen Job, ein Pferd - einfach alles. Sie versteht nicht wieso sie dann depressiv ist. Also total kontrovers. Ich finde es aber gut, dass sie dies so sieht. Sie ist auch absolut nicht suizidgefährdet, auch wenn sie noch Borderline hat/hatte (vor 3 Jahren). Trotzdem ging es heute nicht mehr. Sie lag im Bett, schrie um Hilfe, wusste nicht mehr weiter. Sie hat von selbst die Klinik angerufen (in der sie wohl auch schon 2 mal war) und sich heute einweisen lassen. Ich habe sie hingefahren und stehe total hinter ihr. Auf dem Weg dahin konnte sie über meine Späßchen lachen.

Die Gute Nachricht: Sie ist aktuell in der offenen Klinik.

Die Schlechte: Ich habe als "nicht Angehöriger" keinerlei Möglichkeiten über Infos. Ich weiß nie wo und wie lange sie dort ist. Wenn sie mir nicht antwortet per Handy kann es immer sein, dass sie auf der geschlossenen Station gelandet ist. Ich weiß auch noch nicht wirklich wie ich mich verhalten soll. Das letzte Mal war sie 3 Monate dort. Ich weiß nicht was dort passiert. Ich versuche mich nun um alles zu kümmern: Den Hund, die Hasen etc. Ich bin selber nächste Woche wieder beruflich weg, aber ich bekomme das alles irgendwie hin. Wichtig ist, dass sie sich nicht noch Sorgen um alles was außerhalb ist machen muss.

Sie kann in der offenen natürlich per Whatsapp schreiben. Sie sagte, dass sie vorerst keine harten Medikamente bekommt, weil morgen erst ein Schwangerschaftstest gemacht wird. Ja, ich finde das gut! Auch wenn die Medikamente den Betroffenen im ersten Moment helfen, dienen sie doch nur dazu ihn/sie ruhig zu stellen. Sie ändern aber nichts. (korrigiert mich wenn ich falsch liege.

Eine Frage bezüglich der Arbeit. Sie hat vom Therapeuten heute die AU verlängert bekommen um 2 Wochen. Ich habe auf der Arbeit angerufen und dies mitgeteilt - alles ok.

Und nun wirds wieder kompliziert:

Ihre Chefin ist eine meiner besten Freundinnen. Sie weiß auch, dass sie wegen Depressionen krank ist und ist sehr einfühlsam und akzeptant. Wir arbeiten im gleichen Unternehmen. Ich habe vor 3 Monaten die gleiche Position wie ihre Chefin gehabt und es ist alles sehr kollegial, dann bin ich aufgestiegen. Ich habe mit ihrer Chefin, da pivate Freundin meinerseits, auch regelmäßig Kontakt und sie weiß auch was zuhause abgeht.

Wie soll ich dort kommunizieren? Meiner Meinung nach reicht es wenn die AU dort ist. Alles was danach kommt sehen wir. Auch wenn die Fragen natürlich kommen werden. Ich sehe es so: Arbeitgeber ist Arbeitgeber, auch wenn man befreundet ist - muss der AG wissen, dass sie in der Klinik ist?

Sorry wenn ich den Post splitte - es tut sehr gut das runterzuschreiben.

Hadi
Hadi
Beiträge: 6
Registriert: 25. Mai 2017, 20:24

Re: Umgang mit Depression in neuer Beziehung

Beitrag von Hadi »

So, zweiter Post. Ich möchte auf all eure tollen Kommentare eingehen und diese beantworten.

Die Neue
Hat deine Freundin die Medikamente ausgeschlichen oder einfach so abrupt abgesetzt?
Weißt du, welches Antidepressivum sie genommen hat? Und was sind das für Medikamente, mit denen sie sich jetzt "zudrönt"?
Wielange ist das jetzt her, dass sie die Medikamente abgesetzt hat und die Depression wieder losging?
Sie hat sie abrupt abgesetzt. Ich denke, dass sie halt Frühlingsgefühle wie jeder in einer frischen Beziehung hatte und dachte es ist gut so. Ich muss genau nachschauen was sie genommen hat. Irgendwas mit "Q". Sie hat die Medikamente Anfang Februar nicht mehr genommen und seit 2 Wochen ist die Depression wieder da.
Ist ihr das eigentlich bewusst, dass sie sich an Sachen nicht mehr erinnern kann und nicht mehr alleine laufen kann? Wenn nein, glaubt sie dir das?
Ja das ist ihr. Sie ist eigentlich sehr verantwortungsbewusst, aber kann dann einfach nicht anders.
Habt ihr auch überlegt, dass du evtl. in ihre Nähe ziehen könntest, dass sie aber trotzdem bei sich wohnen bleibt. Dann hättest du weniger zu fahren und die Hälfte der Strecke zu fahren, ist zwar auch blöd, aber machbar. Hab ich auch jahrelang gemacht.
Ich habe darüber nachgedacht. Das Problem ist, dass die Staustrecke auf dem letzten Drittel liegt. Ich bin öfters schon von ihr aus gefahren und da ich bis zur Autobahn über eine Bundesstraße muss, brauche ich von ihr aus genauso lange.
Es heißt immer, dass man in einer Depression keine wichtigen Entscheidungen treffen sollte und das Umfeld (sofern es positiv ist) so stabil wie möglich bleiben sollte.
Vielen Dank für den Tip! Ich werde das beherzigen.
Warum hat sie Angst vor dem Alleinsein? Denkt sie, dass sie dann einsam ist oder dass sie dann ihren Haushalt etc. nicht gebacken bekommt, sich nicht versorgen kann etc.?
Die Frage habe ich mir noch nicht gestellt. Ihren Haushalt, die Versorgung der Tiere etc. bekommt sie immer sehr gut hin. Ich bewundere sie dort und das sage ich ihr auch. Sie hat mir heute gesagt, dass sie die Kontrolle über ihr Leben verloren hat und das Einzige was sie kontrollieren kann das Essen ist. Sie hat seit Paris - letzte Woche Sonntag - nichts mehr gegessen.
Es könnte sein, dass sie eigentlich schon will, dass du zu ihr kommst und ihr hilfst. Aber das blockt sie erst mal ab, und hofft aber trotzdem insgeheim, dass du kommst.
Ja genauso ist es. Sie macht sich sehr viele Sorgen, dass ich wegen der langen Strecke einen Unfall haben könnte, oder dass ich mich nicht genug um mich selbst kümmere und nur um sie. Sie sagt auch, dass sie mich nicht belasten will. Ich solle auf meine Handballturniere fahren und sie alleine zuhause lassen, auch wenn es ihr schlecht geht. Sie will dass ich mich nicht verliere.

Löwenzähnchen
Deine Partnerin ihr eigenes Leben nicht geregelt bekommt, wäre es ein großer Fehler zu Lasten des Kindes.
Ja, darüber denke ich auch viel nach. Der Therapeut heute meinte es würde ihr gut tun. Deshalb setzt man natürlich keinen kleinen Menschen in die Welt. Wir haben aber beide einen sehr starken Kinderwunsch. Sie bekommt ihr Leben eigentlich sehr gut geregelt. Ich bin total stolz auf sie weil sie alles schafft - außer mit sich selbst klarzukommen wenn die Depression zuschlägt. Wie oben beschrieben hat sie sich selber eingewiesen, da sie weiß, dass sie es alleine nicht schafft. Sie ist auch wenn sie die Anfälle hat immer absolut rational.
Zusammenziehen: hältst Du das für eine gute Idee, wenn es jetzt schon so schwierig ist?
Naja was heißt schwierig. Ich sehe das auch rational. Ich werde die Beziehung nicht wegen einer Krankheit beenden. Wir tun uns gut und sind uns sehr wichtig. (wir kannten uns auch vor der Beziehung schon Jahre) Ich könnte bei ihr sein und müsste nicht immer erst mit 200 über die Bahn rasen wenn sie mir schreibt, dass sie mich braucht. Zudem wäre es in meinen Augen Quatsch nun wieder umzuziehen um dann in 6 oder 12 Monaten erneut umzuziehen. Unabhängig vom Schwangerschaftstest morgen - der würde die Entscheidung natürlich sofort treffen.
Es tut mir wirklich leid, wenn das jetzt alles sehr direkt und nicht unbedingt positiv war.
Es braucht dir nicht Leid tun. Ich kann damit umgehen und bin dankbar für jeden Rat. Vielen Lieben Dank für dein Posting


yogacat
ich bin (ex-)partnerin also angehörige und finde die idee mit der kiste total toll. zwar glaube ich nicht, dass sie sich in einer phase diese dinge ansehen wird aber es ist schön dass es diese dinge gibt. in einer phase werden sie diese dinge nicht 'erreichen' befürchte ich. ich kenne das, dass man denkt der partner vegisst einfach das ganze schöne was war.
Danke für das tolle Feedback. Ich bin da voll deiner Meinung. Aber ich denke, dass das menschliche Gehirn irgendwo immer Erinnerung speichert und wenn sie sich nur einmal von 10 dran erinnert, dass sie eine Box öffnen kann und es ihr besser geht, hat sich das schon gelohnt. In der Box ist eine Spieluhr mit Beethovens "Für Elise" aus Paris. So hat das Gehirn auch eine akkustische Erinnerung. Sie hat die Box auf jeden Fall mit in die Klinik genommen. Das war das Erste was sie gepackt hat.


Vielen lieben Dank für all eure Erfahrungen, Kommentare und Postings.
Ich habe für mich entschieden dieses Wochenende mit meinem Handballclub auf ein Turnier zu fahren um weg zu kommen und für mich selber etwas zu tun. Ich bin aber immer in Kontakt mit ihr. Klingt zwar total blöd - "Du hast deine Liebe in die Psychatrie gebracht und fährst am nächsten Tag zum Pfingstturnier", aber mein Leben geht weiter. Ich bin immer da wenn sie mich braucht und irgendwann geht dann unser gemeinsames Leben weiter.

Ich muss mich auch erstmal auf die neue Situation einstellen.

Liebe Grüße,
Hadi
Löwenzähnchen
Beiträge: 30
Registriert: 29. Apr 2017, 14:19

Re: Umgang mit Depression in neuer Beziehung

Beitrag von Löwenzähnchen »

Hallo Hadi,

danke für die Antwort. Ich möchte gerne noch was dazu schreiben. Du sagst, deine Freundin dröhnt sich mit Medikamenten so zu, dass sie kaum noch laufen kann und fährt in dem Zustand Auto. Wie stellst du dir das mit einem vollkommen abhängigen, hilflosen Baby vor, das seine Mama zu jeder Tages- und Nachtzeit fordert, egal wie es ihr gerade geht??! Da verstehe ich den Therapeuten ehrlich gesagt nicht.

Liebe Grüße

Löwenzähnchen
yogacat
Beiträge: 34
Registriert: 28. Apr 2017, 16:29

Re: Umgang mit Depression in neuer Beziehung

Beitrag von yogacat »

hey hadi,

gibts was neues bei dir/euch? konntst du sie in der klinik besuchen oder möchtet ihr das nicht?

ich finde es super von dir wie du damit umgehst mit dieser dämlichen situation. dass du da so ruhig bleiben kannst, dafür beneide ich dich echt.

ich drück dir beide daumen dass sich die lage wieder entspannt hat.

mfg, yc
In every life we have some trouble, but when you worry, you make it double.
Hadi
Beiträge: 6
Registriert: 25. Mai 2017, 20:24

Re: Umgang mit Depression in neuer Beziehung

Beitrag von Hadi »

Hallo zusammen,

es ist schon länger her, dass ich mich gemeldet habe, aber einfach weil ich nicht dazu komme und abends nurnoch einfach erledigt bin.

Ich war zuletzt beruflich viel im Ausland und habe sie allerdings wenn ich da war immer besucht. Sie hat mal solche und mal solche Tage. Es ist enorm schwierig. Ich fahre morgens um 6:30 zur Arbeit und danach immer direkt noch 40km Umweg zu ihr. Meistens bin ich erst gegen 20:45 zuhause, da sie bis 20Uhr im Stadtteil unterwegs sein darf.

Ich habe herausgefiltert, dass sie ein enormes Problem hat wenn ich eigenen Freiraum anmelde oder einfach unterwegs bin ohne dass sie dabei ist. Umso schwieriger wenn ich im Ausland unterwegs bin und sie einen ihrer "Anfälle" hat, weil ich abends noch zum Geschäftsessen gehe. Sie schreibt dann immer ziemlich fiese und teils konfuse Dinge. Auch als ich zuletzt da war und ihr gesagt habe, dass ich mich auf einen freien Tag freue an dem ich mal garnichts mache, hat sie es direkt falsch verstanden und geweint. Dann wurde es wieder fies.

Sie versteht es direkt so, als wenn ich keine Zeit mit ihr verbringen will. "Du hast die ganze Woche Zeit für dich." Sie sieht halt nur schwarz und weiß. Ich verstehe das, aber es wird ehrlich gesagt auch immer schwerer damit umzugehen. Ich habe auch schon mein Handy einen Abend abgeschaltet, weil ich nicht mehr "zwischen den Welten" wechseln konnte. Auch wenn es weh tut und auch für sie schmerzhaft ist, muss ich mich denke einfach mehr rausnehmen. Ich merke, dass ich langsam an Grenzen stoße was meine eigene Belastung angeht.

Mal eine andere Frage - bald steht das leidige Thema Krankengeld auf dem Tisch - und dann wirds sehr kritisch mit ihrer finanziellen Lage. Sie will dann die Behandlung abbrechen und wieder arbeiten gehen, da sie das volle Gehalt braucht. Ich halte davon überhaupt nichts, das muss auch irgendwie anders gehen, sonst ist die ganze Behandlung für die Katz. Wie steht ihr zu der Sache?

Vom Arbeitgeber gibt es überhaupt keinen Druck. Sie soll sich Zeit nehmen, ich bin dort in sehr engem Kontakt mit ihren Vorgesetzten.

Beste Grüße
Hadi
Hadi
Beiträge: 6
Registriert: 25. Mai 2017, 20:24

Re: Umgang mit Depression in neuer Beziehung

Beitrag von Hadi »

Hallo ihr Lieben,

es ist jetzt 2 Monate her, seit ich das letzte Mal etwas geschrieben habe. Ich möchte trotzdem meine Erfahrungen mit euch teilen - vielleicht hilft es ja dem/der ein oder Anderen weiter.

Es hat sich herausgestellt, dass sie am Tag ihres "Zusammenbruchs" ihren Eisprung hatte und wie der liebe Gott es wollte ist sie tatsächlich schwanger. Wir sind momentan sehr glücklich darüber, aber natürlich entstehen dort auch viele Sorgen..

Zu ihr: Sie ist nun knapp 6 Wochen "draußen" und geht seit 4 Wochen auch wieder arbeiten. Sie nimmt regelmäßig ihre Medikamente. Ich hatte einen Termin mit ihrer Therapeutin - soweit ich es beurteilen kann sind die Depressionen vorerst im Griff. Die Schwangerschaft entwickelt sich auch prächtig. Natürlich ist ihr übel, sie ist müde etc... aber das sind wohl gesunde Merkmale.

Ich bin nun zu ihr gezogen um sie im Alltag zu unterstützen. Es funktioniert echt gut. Ab und an merkt man ihr schon an, dass ihr Borderline Syndrom durchkommt, vor allem was meine Raucherei etc angeht. Dann geht sie direkt auf 180.

Ich denke aber wenn sie das Medikament regelmäßig nimmt, ist es nach außen hin soweit ok. Meine Frage ist: Habt ihr ggf. Erfahrungen mit Depression in der Schwangerschaft? Ist es nach außen ok, aber innen staut sich vielleicht viel auf? Bekommt das Baby davon etwas mit?

Ich weiß nicht wie die Medikamente wirken - dämmen sie nur ein? Also ziehen sie eine Art Gürtel um die Gefühle?

Gruß,

Hadi
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