Beziehung und Depression

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sway
Beiträge: 4
Registriert: 28. Mai 2017, 16:00

Beziehung und Depression

Beitrag von sway »

Hallo zusammen,

ich bin neu hier im Forum, habe mich auch schon durch ein paar Beiträge gelesen, aber ich habe irgendwie das Bedürfnis auch mal los zu werden, was bei mir los ist, auch wenn mir das extrem schwer fällt. Ich hoffe ich kriege das überhaupt irgendwie verständlich ausgedrückt, denn es ist schon ziemlich komplex und manchmal verstehe ich selbst gar nichts mehr.

Mein Freund, mit dem ich nun seit fast 10 Jahren zusammen bin, ist an einigen Tagen extrem niedergeschlagen, zieht sich zurück, kreist mit seinen Gedanken immer wieder um dieselben Themen, ohne zu einem Ergebnis zu kommen, geht dann auch weit in die Vergangenheit zurück zu Geschichten, die von außen betrachtet längst erledigt sind, zweifelt an sich (seinem Aussehen, seinem Charakter, seinen beruflichen Fähigkeiten usw.). Er kann sich von diesen Gedanken dann überhaupt nicht lösen. Meistens dreht es sich um seine Arbeit. Er hat mehrfach den Job gewechselt. Nach einer gewissen Zeit war er immer extrem unzufrieden. Das ging damals bis hin zu Suizidgedanken, wenn er nur daran dachte, nach dem Sonntag wieder da hin zu müssen. Er hat dann jetzt vor ca. einem Jahr eine Stelle angetreten, mit der er auch ganz zufrieden ist. Allerdings muss er bis dort hin eine Stunde Fahrt auf sich nehmen, was natürlich auch nicht optimal ist. Er sollte näher am Heimatort eingesetzt werden, aber das ist bislang leider nicht passiert. Ich verstehe auch, dass das für ihn frustrierend ist und generell für jemanden, der eh schon nicht so viel Kraft hat, auch sehr anstrengend. Er ist immer wieder nachdenklich, stellt alles in Frage, ist sehr unaufmerksam mir gegenüber, verletzend... In so einer Phase hat er auch schon mal die Beziehung beendet, aber dann nach einigen Tagen gemerkt, dass seine Unzufriedenheit sich gar nicht auf mich oder unsere Beziehung bezieht, sondern eher auf andere Dinge. Insgesamt hat er wahnsinnig hohe Ansprüche an sich selbst, aber auch an andere. Er ist deshalb oft enttäuscht.
Er hat dann aber auch andere - gute - Tage. Da ist er witzig, gut gelaunt, macht Pläne, trifft Entscheidungen, ist aufmerksam mir gegenüber, voller Tatendrang und Energie. Das sind dann die Tage, an denen ich immer Hoffnung schöpfe, nur um anschließend super enttäuscht und niedergeschlagen zu sein, wenn sich wieder alles ins Gegenteil umkehrt. Richtig verlässlich ist er dadurch für mich nicht mehr.

Ich versuche natürlich ihm zu helfen, höre ihm zu, auch wenn es immer die gleichen Dinge sind, versuche, ihn abzulenken, ihm nochmal vor Augen zu halten, was wir alles Gutes haben (gutes Einkommen, tolle Dinge, die wir unternehmen, geplante oder bereits gemachte Reisen, Familie und Freunde, auf die man sich verlassen kann usw.). Aber ich scheitere damit in den schlechten Phasen. Ich kann nicht dazu beitragen, dass es ihm besser geht. Und ehrlich gesagt trifft mich das ganz besonders, da ich mit psychisch kranken Menschen arbeite. Ich gebe anderen Leuten Tipps, aber selbst komme ich gar nicht mit der Situation klar, weiß nicht, was ich noch tun soll, wie ich das noch aushalten soll. In eine Behandlung begeben will er sich aktuell nicht. Er hat wahnsinnige Angst, dass das seiner Lebenszeitverbeamtung im Weg steht (was ja vermutlich auch nicht so unbegründet ist). Er war mal bei einer Beratungsstelle, aber der Mann hielt ihn nicht für depressiv und überhaupt hat er dann irgendwann keinen Beratungsbedarf mehr gesehen. Ich nehme an, dass das daran liegt, dass man Freund sich da auch ganz anders präsentiert hat. Er kann ja sehr offen, charmant und lustig sein. Ich konnte dort leider nicht mit hin gehen, weil ich beruflich in der Region so verankert bin, dass mich die Leute in diesen Stellen kennen und ich hätte kein gutes Gefühl dabei, Berufliches und Privates so zu vermischen. Er war auch einmalig bei einer Psychotherapeutin, aber die hat ebenfalls keine Behandlungsnotwendigkeit gesehen, sondern ihn eher im Hinblick auf berufliche Dinge coachen wollen. Sein Hausarzt hat starken Vitamin D-Mangel diagnostiziert, als er dort wegen extremer Müdigkeit und Antriebsarmut war. Seitdem nimmt er Tabletten, müsste also alles wieder im Rahmen sein. Aber psychisch hat sich leider nichts verbessert. Eine offizielle Diagnose gibt's also wie ihr seht nicht. Aber ich kenne mich ja auch ein bisschen aus und das ähnelt doch sehr dem, was meine depressiven Klienten oder deren Angehörige schildern bzw. auch dem, was ich von meinem depressiven Vater kenne.

Zu all dem hinzu kommt, dass ich gerne heiraten und eine Familie gründen würde - mit IHM natürlich. Aber da hat er - verständlicherweise - gerade gar keinen Nerv zu. Trotzdem verletzt mich das. Ich habe das Gefühl, immer nur zurück zu stecken und auch den Eindruck, mit niemandem richtig reden zu können. Unseren gemeinsamen Freundeskreis möchte ich da nicht mit reinziehen, zumal er da immer nur sein gut gelauntes Gesicht zeigt. Meine Freundinnen verstehen eh schon nicht, warum ich mich nach der Trennung nochmal auf ihn eingelassen habe, würden ein Gespräch über meine Sorgen also nur als Anlass nehmen, mir zu sagen, dass ich mich trennen soll (was ich nicht will!) und gleiches gilt wohl für meine Familie. Deshalb wende ich mich auch hier her.

Ich weiß einfach nicht weiter. Ich habe das Gefühl, wenn ich so weiter mache wie jetzt, dann gehe ich auch daran kaputt. Habt ihr irgendwelche Tipps für mich?

Tut mir leid, dass ich nun so viel geschrieben habe. Aber ich musste das jetzt einfach mal los werden und hoffe, dass vielleicht jemand wenigstens nachvollziehen kann, wie es mir geht, weil ich mich ehrlich gesagt furchtbar alleine fühle.
Löwenzähnchen
Beiträge: 30
Registriert: 29. Apr 2017, 14:19

Re: Beziehung und Depression

Beitrag von Löwenzähnchen »

Liebe sway,

ich glaube, Du bist mit Deiner Geschichte ganz und gar nicht alleine. Viele hier beschreiben ähnliches wie Du.
Bei uns ist die Situation etwas anders, wir sind seit 11 Jahren verheiratet und haben zwei Kinder. Was ich aber auch gut kenne ist, dass das Verhalten des Partners sich in der Depression so grundlegend ändert, dass er einem praktisch fremd wird. Mein Mann schaffte es lange Zeit das nach Außen noch weitestgehend zu kompensieren, zu Hause fehlte dann für vieles die Kraft und die Nerven.
Bei uns wurde die Erkrankung auch in der Beratungsstelle nicht erkannt ("nur Stress"). Sehr lange Zeit später und ein Jahr nach einer weiteren Fehldiagnose bei unserer Hausärztin, war es dann so schlimm, dass die Depression nicht mehr zu übersehen war. Bis dahin vergingen insgesamt etwa 9 Jahre! Sehr hilfreich war für uns der Selbsttest der Deutschen Depressionshilfe, den nahm mein Mann auch ausgefüllt mit zu unserer Ärztin. Sie bestätigte die Verdachtsdiagnose und überwies ihn dann sofort weiter in die Klinik-Ambulanz zur Behandlung.

Vielleicht gibst Du Deinem Freund mal den Fragebogen? Mein Mann wollte bis dahin nicht wahr haben, dass mit ihm etwas nicht in Ordnung sein könnte. Aber so ein Fragebogen ist neutral und aussagekräftig, das konnte er annehmen.

Ich wünsche Dir von Herzen alles Gute!

Löwenzähnchen
sway
Beiträge: 4
Registriert: 28. Mai 2017, 16:00

Re: Beziehung und Depression

Beitrag von sway »

Hallo Löwenzähnchen,
vielen lieben Dank für deine Worte. Es tut gut zu wissen, dass man damit nicht ganz allein ist (auch wenn ich euch allen und euren Angehörigen natürlich wünschen würde, dass ihr das nicht durchmachen müsstet).
Die Idee mit dem Selbsttest ist gut. Ich weiß, dass damals mit ihm in der Beratungsstelle ein Test gemacht wurde, der eine Depression ausgeschlossen haben soll. Habe aber keine Ahnung, welcher Test das genau war und unter Umständen, wenn mein Freund nen guten Tag hat, verzerrt das eh das ganze Bild. Ich werde mit ihm mal darüber sprechen.

Was bleibt, ist das Problem, dass er sich nicht traut, sich behandeln zu lassen wegen der in einiger Zeit anstehenden amtsärztlichen Untersuchung zwecks Lebenszeitverbeamtung. Einerseits denk ich halt, dass es jetzt notwendig und richtig wäre, sich ärztlich über sinnvolle Behandlungsmöglichkeiten beraten zu lassen und diese in Anspruch zu nehmen. Andererseits wäre es natürlich auch ein großer Rückschlag, wenn die Beamtung dann futsch ist, ergo beruflich wieder alles im Eimer ist, was er sich jetzt mühsam aufgebaut hat... Das sind so verdammt schwierige Entscheidungen. Ich kann mich gar nicht richtig auf meine Dinge konzentrieren.
Was macht ihr so, um was für euer eigenes Wohlbefinden zu tun?
Liebe Grüße
natalia2
Beiträge: 41
Registriert: 26. Jan 2017, 20:13

Re: Beziehung und Depression

Beitrag von natalia2 »

Hallo Sway,
steht denn definitiv nochmal eine amtsärztliche Untersuchung an? Wie lange ist das noch hin? Ja, die Lebenszeitverbeamtung steht bei einer Therapie leider auf dem Spiel, und das ist nicht gerade unwahrscheinlich :( Ich würde mir die Frage stellen, wie lange diese noch hin ist und ob es möglich ist, das noch zu überbrücken. Wenn es ihm allerdings so schlecht geht, muss man natürlich abwägen, ob das die Lebenszeitverbeamtung wert ist. Puh, keine einfache Entscheidung, denn es steht auf beiden Seiten ganz schön was auf dem Spiel...
sway
Beiträge: 4
Registriert: 28. Mai 2017, 16:00

Re: Beziehung und Depression

Beitrag von sway »

Hallo Natalia,
Danke für deine Worte.
Ich weiß gar nicht genau, wann die Untersuchung ansteht. Ich glaube aber Anfang nächsten Jahres, also noch ne Weile hin. Ich denke mir halt auch, dass es ihm ja sicher noch schlechter geht, wenn er dann dadurch so arge berufliche Schwierigkeiten bekommt. Aber hmpf... das ist wirklich ein Mist. Schade, dass bei der Untersuchung oft so rigoros vorgegangen wird.
Liebe Grüße
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