Hoffnung und Mut

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lisamarie25
Beiträge: 111
Registriert: 9. Mai 2016, 20:07

Hoffnung und Mut

Beitrag von lisamarie25 »

Nach mehreren Monaten möchte ich mich auch mal wieder bei euch melden.... und heute allen denen die hier ganz am Anfang stehen vielleicht einen Funken Hoffnung (mit einer großen Portion Realismus) geben.

Bei uns geht es nach wie vor auf und ab, mal haben wir bessere, mal schlechtere Zeiten. Mal mehr Nähe, mal wieder mehr Distanz.

ABER, es gibt UNS noch.

Vielleicht wird es nie "ideal" und vielleicht müssen wir unsere Vorstellungen von Beziehung völlig umkrempeln. Eins sei aber gesagt, es wird leichter. Man kann sich schon gewöhnen, man kann schon einen Weg finden wenn man das wirklich möchte und die Liebe groß genug ist.

Ich merke, dass ich mit der Depression meines Partners mittlerweile gelassener umgehe als vor einem Jahr, wo die Diagnose für mich neu war. ... und als vor zwei Jahren, als es keine Diagnose gab, nur Verhalten die für mich unerklärlich waren...

Ich kann ihn mittlerweile besser einschätzen, er ist vorhersehbarer geworden für mich. Nach dem Drama zu Weihnachten, habe ich die Planung meines Geburtstages ganz anders gestaltet. Er hat mir weder gratuliert und noch viel weniger haben wir gefeiert. Ich war irgendwie traurig aber habe es geschafft, mit Freunden ein schönes Geburtstagswochenende zu verbringen und ihm keinen Vorwurf zu machen.

Wir haben den Tag tot geschwiegen und nicht wie zu Weihnachten furchtbar gestritten. Es gibt keine Dramen mehr. Ich kann auch leichter "los" lassen und weiß, dass er wenn er allein sein möchte irgendwie zurecht kommt. Vielleicht nicht so gut wie ich es gerne hätte aber es geht... irgendwie.

Ich will hier nichts beschönigen und ich verstehe alle die gehen und nicht mehr an der Beziehung festhalten können oder wollen. Aber für alle die es sich schon noch wünschen: habt Mut. Habt Hoffnung. Es gibt keine Wunderheilung aber es gibt Mittel und Wege, das eigene Leben so zu gestalten, dass es trotz der Depression des Partners lebenswert ist. Ich bin nach wie vor ein glücklicher Mensch, ich werde nicht durch die Depression meines Partners selbst depressiv. Ich stehe voll im Beruf, habe eine schöne kleine Wohnung, eine Hündin und ein Katzenbaby die mir viel Freude schenken. Gute Freunde, mit denen ich meine Freizeit verbringen kann.

Ich fühle mich nicht mehr so hilflos und machtlos wie früher. Es mag sein, dass vielleicht die Depression unserer Partner wirklich nicht dauerhaft besser wird. Aber unsere Art damit zu leben kann sich verbessern. Früher ging es bei uns sehr dramatisch zu, das ist ganz weg, ich übe kaum noch Druck aus, er hat sich besser unter Kontrolle. Von mir kommen keine Vorwürfe mehr (wie gesagt nicht mal als er mich an meinem Geburtstag ignoriert hat...) von ihm aber auch keine bösen Worte. Er spricht teilweise wenig mit mir und ich sehe ihn selten aber wenn ich ihn sehe, erfahre ich Wertschätzung, wenn er mir schreibt, schreibt er mir etwas Nettes. Es kann sein, dass ich 1-2 Tage keine Antwort bekomme und selbst nur eine kurze Nachricht verfasse. Manchmal ist seine Antwort auch nur ein Smilie. Aber ich werde nicht mehr blockiert, aktiv beschimpft etc. Ich erzwinge keine Treffen mehr aber wenn ich ihn sehe kann er Nähe zulassen und ich seinem Arm einschlafen. Ich bekomme wieder einen Kuss wenn er sich von mir verabschiedet. Oder einfach nur so. Er findet liebe Worte für mich und kann mir seine Liebe zeigen. Der längste Zeitraum an dem wir uns nicht persönlich gesehen haben waren 3 Monate. Es war extrem hart, ihn so lange nicht zu sehen und nur über Whatsapp in Kontakt sein zu können. Nach 2 Jahren Beziehung und früher mal fast täglichen Treffen ist das schon ein Hammer. Aber es war nach den 3 Monaten genau wie früher. Zwar hielt das nur ein Wochenende an, dann wollte er wieder für zwei Wochen zurück in sein "Loch" aber zumindest ist er noch da.... der Mann den ich so sehr liebe.

Klar fehlt mir mein Partner wenn er wieder auf Distanz geht. Die Liebe ist aber immer noch groß genug, dass mir er mit Depression lieber ist als ein andere "ganz normal"....
Bittchen
Beiträge: 5430
Registriert: 2. Feb 2013, 18:02

Re: Hoffnung und Mut

Beitrag von Bittchen »

Hallo liebe lisamarie,

es tut wirklich gut deinen Bericht zu lesen.
Zwar bin ich Betroffene,aber auch ich veränder mich in der Beziehung zu meinem Mann sehr stark,wenn ich in einer Krise bin.
Nach sehr langer Krankheit, mit wiederholten Einbrüchen, bin ich so froh,das wir diesem Druck stand gehalten haben.
Wenn dein Partner dir seine Liebe zeigt und auch Nähe zu lassen kann ,ist das ein großer Fortschritt.
Glaube auch an eine vollständige Genesung,das ist auch möglich.
Mir geht es jetzt ein halbes Jahr sehr viel besser.
Es kam nicht so, als hätte ich einen Schalter umgelegt und es war gut.
Es ging stetig etwas besser,immer auch mit ein paar Rückschritten.
Das lasse ich zu und habe im Moment mehr Gelassenheit,obwohl meine Empfindlichkeit geblieben ist.
Weiterhin alles Gute für dich und deinen Partner.
Er kann sich glücklich schätzen ,dich zu haben.
Du machst das wirklich richtig und gestaltest deine Freizeit auch mit Freunden weiter.
Das ist so wichtig,damit du selber nicht abdriftest.
Mein Mann geht dann sehr viel in die Natur wenn es mir schlecht geht
oder er tobt sich körperlich beim Holz machen für uns aus.
Immer solltest du an dich selbst denken,denn es hilft nicht,wenn du dich auch einigelst.

Liebe Grüße Bittchen
Löwenzähnchen
Beiträge: 30
Registriert: 29. Apr 2017, 14:19

Re: Hoffnung und Mut

Beitrag von Löwenzähnchen »

Liebe lisamarie,

danke für Deine Worte! Wir hatten letztes Weihnachten eine richtig schlimme Phase, das Medikament wirkte nicht mehr und die Belastung war für alle in der Familie groß. Da hätte mir genau so ein Beitrag im Forum richtig gut getan - und bestimmt erreichst Du damit gerade einige, die dadurch vielleicht wieder ein bisschen Hoffnung und Kraft schöpfen können.

Akutell befinden wir uns wieder in einer kleinen Krise, (meinem Eindruck nach) ausgelöst durch den bevorstehenden Klinikaufenthalt meines Mannes. Seit dem der Brief von der Klinik kam, dass es im Juni losgehen wird, haben wir wieder viele schlechte Tage. Deine Erfahrung im Umgang damit ähnelt meiner. Inzwischen akzeptiere ich, dass es eben so ist und versuche das Beste daraus zu machen. Das ist nicht immer einfach, wir haben zwei Kinder (3 und 10 Jahre). In schwierigen Zeiten hat das Wohl der Kinder oberste Priorität. Was mit einschließt, gut für mich selbst zu sorgen.
Ich habe gelernt, dass es in Ordnung ist, wenn andere Sachen dann liegen bleiben, es zu Hause nicht so ordentlich ist und wir bei Bedarf auch mal Hilfe von Freunden in Anspruch nehmen. Auch zwischen mir und meinem Mann hat sich viel verändert. Wir streiten nur noch selten. Er öffnet sich langsam, wenn es ihm nicht gut geht und teilt sich mit, anstatt sich abzuschotten oder Wutausbrüche zu bekommen. Das gelingt nicht immer, aber immer öfter. Vieles ist insgesamt besser als vor einem Jahr und wesentlich besser als in den Jahren vor der Diagnose (wir sind inzwischen 11 Jahre verheiratet, depressive Phasen hatte er rückblickend über die ganze Zeit hinweg und auch schon davor).

Alles Gute für Dich! Liebe Grüße

Löwenzähnchen
Wachstumschance-D
Beiträge: 11
Registriert: 24. Mär 2017, 01:04

Re: Hoffnung und Mut

Beitrag von Wachstumschance-D »

Liebe Lisamarie.

Toller Beitrag, danke dafür.

Insbesondere halte ich Ihren Hinweis "Ich kann ihn mittlerweile besser einschätzen, er ist vorhersehbarer geworden für mich." für sehr wertvoll.

Ich wünsche allen Partnern und Angehörigen von Betroffenen, dass sie sich mit der Erkrankung auseinandersetzen und Wissen aneignen.

So kann so viel Schlimmeres vermieden werden. Eben weil vieles klarer und vorhersehbarer wird und so manche Aggressionen nicht persönlich genommen zu werden brauchen etc. ...
lisamarie25
Beiträge: 111
Registriert: 9. Mai 2016, 20:07

Re: Hoffnung und Mut

Beitrag von lisamarie25 »

Danke für eure lieben Antworten :) Ich denke, der gegenseitige Beistand hier ist für alle sehr wichtig. ich freue mich über jede Nachricht.

Bittchen, der Austausch mit Betroffenen ist besonders interessant. Von den Betroffenen hier zu lesen, dass unser Beistand geschätzt wird, hat es mir erlaubt, auch kleine Zeichen der Wertschätzung meines Partners mehr wahrzunehmen.

Löwenzähnchen ja ganz genau, wir müssen nicht immer wie Maschinen funktionieren. Auch ich habe mir diesen Druck abgenommen.

Anfangs war sein Verhalten für mich absolut unerklärlich, ich wusste nie was als nächstes kommt. Mittlerweile kann ich es ganz gut einschätzen, so bleibt ihm viel Druck und mir viele Enttäuschungen erspart.
Es war auch ganz schrecklich für mich wenn nach einem gefühlt großen Fortschritt oder Moment der Nähe wieder Distanz kam. Mittlerweile sehe ich das so, dass es ihn offenbar viel Kraft kostet, Nähe zu zeigen und ich es zu schätzen weiß, dass er sich bemüht... ich verstehe das so, dass er danach einfach wieder Zeit für sich braucht und das ist ok.
yogacat
Beiträge: 34
Registriert: 28. Apr 2017, 16:29

Re: Hoffnung und Mut

Beitrag von yogacat »

hey lisamarie und ihr anderen,

ich kann den eindruck von dir bestätigen. es kommt mir auch so vor, dass es ne weile gut geht und wenns zu lange ist, kommt wieder was. die zeichen dafür sind schleichend. bei meinem partner war es der verlust vom nebenjob den er sehr gern weiter gemacht hätte(befristet) und probleme und abbruch der lehre. er ging sehr viel abends weg, hat getrunken und keinen tagesablauf mehr gehabt. und dann kam der krach.

vielen vielen dank für deine einschätzung und deine erfahrung, es freut mich soo dass es auch andere schaffen wieder gemeinsam auf die beine zu kommen und die (wenigen) guten tage zu schätzen.

wie schaffst du es in den phasen ohne ihn, nicht aufzugeben? bist du dir seiner liebe so sicher dass du weißt dass er wieder zu dir findet? habt ihr sowas wie regeln fetgelegt?
ich vermeide den kontakt in der phase grade aber wenn mir was einfällt was ich sagen will, schreibe ich es auf n notizzettel, so geht es nicht verloren und ich muss es nicht in mich reinfressen.
hast du da tipps?
In every life we have some trouble, but when you worry, you make it double.
lisamarie25
Beiträge: 111
Registriert: 9. Mai 2016, 20:07

Re: Hoffnung und Mut

Beitrag von lisamarie25 »

hallo yogacat,

ja, es geht wirklich. es ist ein ganz eigenartiges Leben. Ich lebe teilweise über Wochen als wäre ich Single, bin es aber nicht. Ihm ist es zB am liebsten, wir treffen uns in seiner Wohnung. Ich bin im März umgezogen und er kennt meine neue Wohnung nicht mal. er nimmt sich aber immer vor zu kommen.. naja... Er bringt mich bis zur Eingangstür kommt dann aber nicht mit hoch. solche Dinge.

Das klingt jetzt vielleicht eigenartig aber wir hatten bevor er die Diagnose Depression hatte und in dem ersten Jahr mit der Depression als alles für mich neu war, so oft Schluss gemacht und er ist jedes einzelne mal wieder zurück, so dermaßen oft, dass es für mich mittlerweile klar ist, er kommt wieder. Nein, Regeln haben wir keine, ich hatte mal versucht welche aufzustellen aber er wehrt sich sehr erfolgreich dagegen.
Es gab eine Zeit, da brachte ich ihm über Monate täglich sein Mittagessen. Das habe ich fast immer beim Portier abgeben müssen und er hat es sich dann später geholt wenn ihm danach war... das war quasi ein "ich bin da auch wenn du gerade nichts von mir hören willst", aber obwohl er sich sehr darüber gefreut hat, hat er es geschafft auch das erfolgreich zu boykottieren. Wenn es ihm mal wieder zu viel "Nähe" war kamen dann Dinge wie "bring mir nie wieder Essen".

seit ich selbst auch etwas Distanz wahre, ist er achtsamer mir gegenüber. Alleine gelassen will er nämlich auch nicht werden....

Ja, ich "hebe" mir Themen zum Teil auch auf, wenn wir uns dann sehen will er auch alles wissen, da kann es vorkommen, dass ich über Stunden fast alleine rede ;-) Ich glaube, der beste Tipp ist, die Zeit produktiv zu nutzen. Du sollst nicht später das Gefühl haben, du hast dein Leben mit Warten verbracht. Warten, dass er sich wieder meldet, warten auf das nächste Treffen, warten auf einen Fortschritt....
Je schöner du dein eigenes Leben gestaltest und je sinnvoller du die Zeit in der er auf Distanz ist nutzt, umso besser. Komischerweise verbessert das auch die Beziehung zu ihm, es nimmt ihm den Druck und er sieht dich außerdem als attraktiven Partner. Meiner hat mir mal gesagt, er findet das so großartig was ich alles mache und es motiviert ihn so. Das war eines der schönsten Komplimente.
Ich glaube, das gibt dem anderen auch Halt. Depressive geben sich selbst oft an allem die Schuld und leiden sehr unter der Vorstellung, "schlecht" für den Partner/die Familie etc zu sein.

In der ersten Phase kamen von mir viele Vorwürfe, wir hatten viel Streit. Ich denke, dadurch ging es ihm noch schlechter. Der depressive Partner hat zwar nicht die Absicht, den anderen "zugrunde zu richten" oder "fertig zu machen", merkt aber sehr wohl, dass es dem Partner schlecht geht und bezieht das auf sich. Auch wenn sie es vielleicht nicht so ausdrücken können, haben Depressive oft das Gefühl den gesunden Partner "nicht verdient zu haben". In dem mein Partner sieht, dass ich mein Leben lebe und glücklich bin, zeige ich ihm gleichzeitig, dass das Leben mit ihm schön ist. Dass er ein wertvoller Mensch ist, der mein Leben bereichert. Und nicht jemand, der mein Leben zur absoluten Katastrophe macht. Ich denke das ist ein wichtiger Aspekt, niemand hat gerne das Gefühl er ist am Unglück seines Partners schuld.
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