Hilflos in der Beziehung mit meinem depressiven Partner

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hanna0310
Beiträge: 2
Registriert: 11. Feb 2017, 10:57

Hilflos in der Beziehung mit meinem depressiven Partner

Beitrag von hanna0310 »

Hallo zusammen,

ich schreibe hier, um mir einfach mal die Probleme von der Seele zu schreiben und vielleicht einige Antworten von Leuten zu bekommen, die in einer ähnlichen Situation sind oder diese sogar schon gemeistert haben.
Ich bin seit 1 1/2 Jahren mit meinem Partner zusammen. Er hat eine sehr schwierige Familiensituation und Kindheit hinter sich und am Anfang fiel mir durch meine und seine Verliebtheit nicht auf, dass die Probleme, die ihn seit seiner Kindheit verfolgen, ihn so enorm belasten, dass er eine depressive Symptomatik zeigt.
Am Anfang unserer Beziehung, ca. das erste 3/4 Jahr war er der liebevollste Mensch, den ich je kennen gelernt habe. Kein Wunsch blieb offen und er stürzte sich mit einer Energie in die Beziehung, die mich teilweise sogar abschreckte, da ich ein Mensch bin, der sehr darauf Wert legt, dass man sich trotz Beziehung nicht selber verliert. Trotzdem hatte ich auch das Gefühl ihm gut zu tun. Er sagte selber, dass er vor einigen Jahren in ein Loch gefallen ist und alle seine Interessen verloren hat. Er meinte, dass ich ihm geholfen habe diese Krise zu überstehen und fasste neuen Mut um sich z.B. wieder Hobbies zu suchen und mit dem Rauchen aufzuhören. Soweit so gut…
Wir waren schon immer ein sehr dramatisches Pärchen, da wir beide mit geringen Selbstwerten zu kämpfen haben. Vor allem beim Feiern gab es öfters große Dramen und Streitigkeiten, die sich jedoch immer wieder auflösten. Ich hatte immer das Gefühl, dass er betrunken während diesen Streits wie ausgewechselt ist. Er wurde kalt und traf mich gezielt mit seinen Worten. Mit der Zeit weitete sich diese Seite an ihm jedoch noch aus. Auch nüchtern wurde er immer häufiger zu diesem Menschen, der mir so unendlich fremd ist und wurde hart und kalt zu mir. Das machte mich dann immer unendlich fertig. Seine "kalte Fassade" hielt jedoch nie lange an. Danach brach er immer weinend zusammen und machte ich selber unendlich fertig und sagte, ich habe ihn nicht verdient und es tue ihm unendlich leid. Was mir zu dieser Zeit besonders auffiel, dass er ein unglaubliches Wutpotenzial in sich trug. Schon kleinste Aussagen brachten ihn dazu, komplett rumzuschreien und zu toben. Schon zu dieser Zeit äußerte ich die Bitte an ihn, sich an einen Therapeuten zu wenden. Es dauerte jedoch leider sehr lange, bis ein Therapeut gefunden war.
Währenddessen spitzte sich die Situation immer mehr zu. Der Wechsel zu der Fassade wurde häufiger und der „Zusammenbruch“ danach kam immer seltener. Und somit auch die Entschuldigungen für sein rücksichtloses Verhalten. Irgendwann kam dann der Punkt, an dem er sich von mir trennte, in genauso einer Fassaden-Phase. Wir beschlossen letztendlich jedoch noch weiter um die Beziehung zu kämpfen. Seitdem ist die Situation für mich fast nicht zu ertragen. Er geht zwar noch arbeiten, sonst spielt er jedoch die meiste Zeit PC, trinkt unendlich viel Alkohol mit seinen Freunden und raucht sehr viel. Kurzum, er tut alles um seinen Gefühlen nicht begegnen zu müssen. Er sagt es fällt ihm schwer, unbeschwerte Zeit mit mir zu verbringen, da er immer Kopfschmerzen bekommt und einen enormen Druck auf sich verspürt. Laut seinen Aussagen liegt dies daran „dass seine Freunde ihm im Endeffekt egal sind und nur ich zähle“. Dies verursacht jedoch einen so hohen Druck, dass er daran zerbricht und mich im Endeffekt doch sehr oft mit Worten und Taten verletzt.
Nach den Therapiestunden geht es ihm immer besser. Dabei ist jedoch das Problem, dass diese höchstens alle zwei Wochen stattfinden. Ich habe mich eingehend mit dem Thema Depression befasst und immer mehr festgestellt, dass die enorme Wut bei Männern ein typisches Symptom ist. Daher habe ich zunehmend das Gefühl, dass diese zweiwöchigen Sitzungen einfach nicht genug sind. Ich würde ihm gerne vorschlagen, mal einen Neurologen/Psychiater aufzusuchen, doch ich weiß nicht genau wie er darauf reagieren würde, da er mir bei dem Thema Antidepressiva schonmal vorgeworfen hat, ich wolle ihn unter Drogen setzten, obwohl ich es nur sehr kurz angesprochen hatte. Der Therapeut hat sich wohl ebenfalls gegen Antidepressiva ausgesprochen. Doch das kann doch nicht alles sein? Mein Partner hat fast jeden Tag unerträgliche Kopfschmerzen und versucht fast immer sich irgendwie von seinen Problemen abzulenken.
Ich mache mir einfach so viele Sorgen, weil ich das Gefühl habe, dass ich gerade der einzige Zugang zu seinen tieferen Emotionen bin und er mich deshalb auch so sehr wegstößt. Ich habe Angst was mit ihm passiert, wenn er sich doch wieder trennt…Zurzeit habe ich das Gefühl, er versucht alle seine Probleme auf unsere Beziehung zu projizieren, weil es leichter für ihn ist, die Schuld in uns zu suchen, anstatt sich mit dem Schmerz zu beschäftigen. Das ist ja auch absolut nachvollziehbar, aber ich denke er ist grad an einem Entscheidungspunkt in seinem Leben und ich habe Angst, dass es ins Negative kippt. Ich versuche ihm zurzeit einfach nur absolute Akzeptanz entgegen zu bringen und habe auch das Gefühl nicht mehr machen zu können. Aber es ist so schwer den Menschen, den ich liebe so zu sehen. Er ist so ein wundervoller Mensch, aber da ist soviel Schmerz in ihm und der frisst ihn auf und ich fühle mich einfach nur unendlich hilflos…
Vielleicht hat ja der eine oder andere von Euch ein paar Tipps oder auch nur aufmunternde Worte für mich. In jedem Fall danke, dass Ihr diesen doch sehr langen Text gelesen habt, es hat schon ein bisschen geholfen, dass ganze in Kurzform mal niederzuschreiben.
Löwenzähnchen
Beiträge: 30
Registriert: 29. Apr 2017, 14:19

Re: Hilflos in der Beziehung mit meinem depressiven Partner

Beitrag von Löwenzähnchen »

Liebe Hanna,

steht denn die Diagnose Depression fest oder ist es das, was Du vermutest? Es gibt ja auch andere psychische Erkrankungen, die eventuell in Frage kämen. Aber das kann mit Sicherheit nur ein Psychiater abklären.

Wenn es Dir mit der Situation so schlecht geht, solltest Du auch Hilfe für Dich selbst suchen (Beratungsstelle, ggf. auch Therapeut). Als es bei uns so schlimm war, dass ich an meine Grenzen kam, habe ich auch für mich therapeutische Unterstützung gesucht. Das hat mir sehr geholfen, besser mit der Erkrankung meines Mannes umzugehen und vor allem zu lernen, besser auf mich und meine eigenen Bedürfnisse zu achten und gut für mich zu sorgen. Es war auch eine Zeit lang unklar, ob wir das gemeinsam schaffen oder eine Trennung der bessere Weg ist (zum Schutz unserer Kinder und meinem eigenen). Auch darüber solltest Du nachdenken, wenn sich die Situation nicht bessert.

Wegen Antidepressiva: das sollte in Absprache mit Deinem Partner vom Psychiater nach Diagnosestellung entschieden werden (nicht vom Therapeuten). Normalerweise ist Alkohol bei Antidepressiva-Einnahmen nicht erlaubt oder zumindest sehr stark einzuschränken (laut der Ambulanz-Ärztin meines Mannes: 1/2 Glas Sekt oder Wein zu besonderen und seltenen Anlässen ist o.k.)

Pass bitte gut auf Dich auf!

Liebe Grüße
Wachstumschance-D
Beiträge: 11
Registriert: 24. Mär 2017, 01:04

Re: Hilflos in der Beziehung mit meinem depressiven Partner

Beitrag von Wachstumschance-D »

Liebe Hanna,
ich schließe mich Löwenzähnchen exakt an.
Alles Liebe für Sie:))
hanna0310
Beiträge: 2
Registriert: 11. Feb 2017, 10:57

Re: Hilflos in der Beziehung mit meinem depressiven Partner

Beitrag von hanna0310 »

Danke erstmal für eure lieben Worte und Tipps!!

Naja das mit der Diagnose ist auch etwas schwierig. Aus irgendeinem Grund sagt der Therapeut nicht ganz klar seine Diagnose. Mein Partner spricht allerdings ihm gegenüber immer von einer Depression und er verneint es nicht. Also geht es wohl auf jeden Fall in die Richtung. Eine klar Diagnose würde mir aber denke ich auch schon weiterhelfen...
Denkt ihr ich sollte meinen Partner nochmals empfehlen auch mal einen Psychiater aufzusuchen?
Ich will ja nicht mal unbedingt, dass er Medikamente einnimt, aber ich glaube eine klar medizinische Diagnose könnte auch ihm weiterhelfen, oder was meint ihr?
Ich bin bereits in Therapie, allerdings liegt bei dieser der Fokus eher auf der Aufarbeitung meiner eigenen Selbstwertproblematik. Aber ihr habt Recht, vielleicht sollte ich den Fokus zurzeit etwas verschieben, weil es ja doch sehr belastend ist...

Vielen Dank euch nochmal!
Löwenzähnchen
Beiträge: 30
Registriert: 29. Apr 2017, 14:19

Re: Hilflos in der Beziehung mit meinem depressiven Partner

Beitrag von Löwenzähnchen »

Liebe Hanna,

letztlich muss Dein Freund wissen, ob er eine klare Diagnosestellung vom Psychiater möchte. Du kannst es ansprechen, aber seine Entscheidung musst Du respektieren.

Bei mir war es so, dass der Fokus der Therapie zunächst wegen der Belastung durch die Depression meines Mannes auf Krisenintervention lag.
Meine Therapeutin arbeitet tiefenpsychologisch. Sie war eigentlich immer offen für das was gerade bei mir anstand. Wenn es schwere Phasen mit meinem Mann gab, stand das im Vordergrund. Wenn es gerade gut lief, kümmerten wir uns um meine eigenen "Baustellen" - die ja auch Einfluss auf die Partnerschaft haben. Das Komplettpaket war für mich gerade richtig :). Vielleicht kannst Du mit Deinem Therapeuten/Deiner Therapeutin darüber reden, ob er/sie es für sinnvoll hält, sich auch um deine Partnerschaftsprobleme zu kümmern?

Alles Gute für Dich!
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