"Gnade" vs. "Disziplin"

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Living4Tomorrow
Beiträge: 21
Registriert: 20. Okt 2016, 15:18

"Gnade" vs. "Disziplin"

Beitrag von Living4Tomorrow »

Hey ihr Helden,

ich hab schon länger nichts mehr von mir hören lassen, aber jetzt habe ich doch ein Thema auf dem Herzen, das vielleicht den einen oder die andere von euch auch interessieren könnte:

Wann ist es besser, gnädig zu sich zu sein (zB. länger liegen bleiben oder zu spät kommen zu dürfen, to Dos zu verschieben oder ausfallen zu lassen, ...)

und wann ist es besser, sich diszipliniert durchzuboxen? (zB. Sport, Leute treffen, zur Arbeit gehen, sich aufraffen, Dinge tun, Tagesroutine durchhalten, Verpflichtungen nachkommen, usw.)

Setzt ihr für euch mehr auf Gnade oder auf Disziplin?

Natürlich ist die goldene Mitte wohl irgendwo auch eine persönlichkeitsabhängige Gratwanderung, (wo der Chaot Grenzen für den Freiraum braucht, braucht der Workaholic Freiraum für die Grenzen), &keines der Extreme scheint mir spontan für mich optimal, & ich hab im Moment ehrlich keinen Plan wie ich das umsetzen möchte :?:
Ich selber würde sagen, dass ich meistens eher chaotisch & freiheitsliebend bin, zu viele Vorgaben stressen mich, aber bei Projekten arbeite ich strukturiert & ein paar Routineaktivitäten brauche ich wohl auch im Alltag.

Was sind eure Elemente im Tagesablauf, die fix sind, und was ist laissez faire? Empfehlungen bitte danke :D

Grüßeeee
kaizer
Beiträge: 79
Registriert: 21. Jul 2016, 14:30

Re: "Gnade" vs. "Disziplin"

Beitrag von kaizer »

Hi!

Ich finde, mir geht es besser damit, öfter mal lockerzulassen, wenn ich müde bin oder der Antrieb fehlt. Ich kann mir das allerdings auch besser erlauben als früher, weil ich selbstständig arbeite und mir die Zeit besser einteilen kann. Jahrelange Disziplin und ständiges Zwingen zum Überwinden haben jedenfalls eher noch mehr Kraft gekostet als etwas verbessert - ging als Angestellter aber eben oft auch nicht anders. Also lieber mal die Müdigkeit anerkennen und danach handeln, damit es besser wird, deshalb versumpft man ja nicht immer gleich völlig - worauf man sicher auch aufpassen muss.

Das steht aber im Gegensatz zur wohlmeinenden Auffassung vieler Ärzte und Therapeuten. Grad neulich hat mir mein Psychiater wieder mit auf den Weg gegeben, ich solle dem Drang, mich aufs Sofa legen, nicht nachgeben, wenn grad alles zu viel ist und ich müde bin. Ich hatte in dem Moment keine Lust auf Diskussionen, hab aber bei mir gedacht: Wieso denn eigentlich nicht? Ist das nicht sehr pauschal, die Leute immer zum Weitermachen zu drängen anstatt auch mal die Müdigkeit zuzulassen und auf den Wunsch des Körpers nach Ruhe zu hören?

Mit der Zeit sollte man versuchen herauszufinden, was für einen selbst stimmt, und sich ggf. dem schlauen Rat von Fachleuten widersetzen. Es gibt nämlich auch Therapeuten die sagen, dass der Weg zur Besserung über die Akzeptanz der Müdigkeit und Erschöpfung geht, nicht über den ständigen Kampf dagegen.
Rebekka51

Re: "Gnade" vs. "Disziplin"

Beitrag von Rebekka51 »

Hallo,

mir tut eine bestimmte Struktur am Tag gut. Genauso gut tut mir mich auzuruhen oder mir was gutes zu tun, wie z.B. Musik, Natur, lesen, Gespräche, Entspannung.

Es grüßt Rebekka
Bittchen
Beiträge: 5430
Registriert: 2. Feb 2013, 18:02

Re: "Gnade" vs. "Disziplin"

Beitrag von Bittchen »

Hallo,

da schließe ich mich kaizer an.
Eine gewisse Struktur halte ich ein ,morgens zur angemessenen Zeit aufstehen,
auch ins Bett gehe ich immer zur gleichen Zeit.
Für mich bedeutet, mich an Pläne halten, Druck.
Ich lege mich auch hin wenn ich es brauche,aber ich versuche tagsüber nicht zu schlafen und lenke mich dann anders ab,manchmal auch mit TV oder hier mit lesen und schreiben.
Denn sonst gerate ich ins grübeln und das tut mir gar nicht gut.

In der Verhaltenstherapie wird das anders empfohlen,aber es ist wohl so ,dass wenn gar nichts mehr geht ,jede kleine Tätigkeit zählt ,um wieder in Gang zu kommen.
Wenn ich in einer schweren Krise war,habe ich mich auch mal zum duschen gezwungen.
Oder bin im Haus Treppen gelaufen,damit ich nicht total bewegungslos war.
Auch raus fahren und in der Natur Erholung finden,da habe ich mich auch schon zu gezwungen.
Wenn man noch voll im Arbeitsleben steht ,ist es schwierig nur auf seinen Körper zu hören.
Aber ich glaube,das ist das beste Rezept.
Natürlich auch professionelle Behandlung und auch eine Auszeit,wenn es nötig war,haben mir gut getan.
Wie ich noch gearbeitet habe, war es nicht immer möglich, sich so oft was Gutes zu tun.
Aber immer habe ich versucht zu lesen ,oder zumindest meinen Geist zu beschäftigen.
Für mich war und ist es wichtig erst einmal zu akzeptieren,ich bin erkrankt und nicht mehr so belastbar momentan.
Hätte ich das vielleicht früher so erkannt und mehr auf mich geachtet,hätte ich eventuell nicht
so oft Abstürze gehabt. Wer weiß das schon ?
Hätte ,hätte,Fahrradkette.
Es ist nicht zu ändern und ist vorbei.
Im Moment geht es mir gut,aber ich passe sehr auf, mich nicht zu überfordern und selbst positive Aktivitäten sollten sich bei mir mit Ruhe abwechseln.
Nur einen Termin am Tag wahr nehmen,da bin ich immer bedacht ,dass sich Pflicht und Spaß die Waage hält.
Eine Garantie nicht mehr in eine Krise zu geraten habe ich nicht,aber ich versuche zumindest
vorzubeugen.

Liebe Grüße Bittchen
Jeder Tag ist ein neuer Anfang.
Luna1966
Beiträge: 784
Registriert: 15. Dez 2015, 09:38

Re: "Gnade" vs. "Disziplin"

Beitrag von Luna1966 »

Ein Gruß in die Runde.

Gnade vs. Disziplin - das ist ein sehr interessantes Thema, dass mich aktuell auch beschäftigt …

Da ich mit Anfang 50 noch mitten im Berufsleben stehe, meine Kinder auch noch nicht alle ganz selbstständig sind bin ich auf einen disziplinierten, strukturierten Tagesablauf angewiesen. Das halte ich als Pflichtprogramm auch zwingend ein (Aufstehen, Hygiene, Arbeit, Einkauf, Essen, Post und ggf. Arzttermine)

dennoch

setze ich viel auf Selbstwahrnehmung und gönne mir Auszeiten, wenn ich sie brauche. Anders als in jungen Jahren bin ich weitaus gnädiger mit mir und meinem Haushalt, der Garten ist auch nicht immer akkurat gemäht und auch mein Partner muss deutlich mehr mit anpacken. Wenn ich im privaten Bereich mal eine Verabredung nicht einhalten will/kann, dann sage ich das jetzt auch ganz direkt und zwinge mich nicht mehr, an allen „freiwilligen“ Pflichtprogrammen teilzunehmen.

Als Fazit kann man sagen, nach Erledigung meiner Aufgaben gehe ich mit meiner freien Zeit absolut selbstbestimmend um. Die Kritik, die ich dafür ernte, versuche ich auszuhalten ;)

Luna
Krümel94
Beiträge: 9
Registriert: 21. Mär 2017, 17:13

Re: "Gnade" vs. "Disziplin"

Beitrag von Krümel94 »

Ein wahrlich spannendes Thema.

Für mich immoment ganz klar Gnade, wobei es der Grund ist warum ich wieder eine Therapie anfange. Ich lebe noch bei meinen Eltern. Ich bin 22 Jahre alt. Arbeite im 3 Schicht System und verbringe fast jede freie Minute die ich habe im Bett oder auf dem Sofa. Ich schaffe es immer pünktlich auf Arbeit zu sein und meine 8 bzw. 9 Stunden Arbeit durch zu stehen! Aber danach kann ich mich selten zu irgend etwas aufraffen. Bin ich ein mal zu hause ist der Tag meist für mich gelaufen.

Hilft jetzt zu dem Thema nicht so sonderlich weiter aber ich würde mir mehr Disziplin für mich wünschen. Kann es immoment einfach nicht umsetzen.

LG Krümel94
knalltüte
Beiträge: 71
Registriert: 25. Dez 2016, 22:19

Re: "Gnade" vs. "Disziplin"

Beitrag von knalltüte »

Ich denke das ist ein sehr individuelles Thema.

Ich wünsche mir oft mehr Ruhe. Aber ich weiß nicht ob sie mir gut tun würde oder ob ich dann erst Recht versumpfen würde.

Ich habe allerdings auch einen ziemlich strukturierten Tag.
Ich muss mich um mein Kind kümmern und dafür sorgen das sie rechtzeitig im Kiga ist z.B. und der Hund braucht auch seine drei Gassirunden täglich.
Dazu kommen dann meine Termine (Therapie, Betreuerin, Familienhilfe z.B) und der Haushalt muss ja auch noch gemacht werden.

Ich finde oft nicht sonderlich viel Zeit zum ausruhen und abends nach der Gassirunde falle ich dann völlig platt ins Bett.

Ich finde es für mich aber auch schwierig den Haushalt z.B. mal mehr schleifen zu lassen. Ich bin generell eher der chaotische Typ, das heißt super sauber ist es bei uns eh nie. Wenn ich dann noch den Haushalt schleifen lasse dann siehts gleich unbewohnbar aus und das will ich dann auch nicht, dann verzichte ich eher auf eine Pause.
Wenn ich auf diese Pausen mitten am Tag nicht mehr verzichten kann und immer mehr Chaos bei uns einzieht dann ist oft der Zeitpunkt gekommen wo ich wieder einen Klinikaufenthalt brauche, ist für mich also ein Indiz dafür das es mir besonders schlecht geht.

viele Grüße und wünsche euch allen ein schönes Osterwochenende.
Seide
Beiträge: 1644
Registriert: 4. Apr 2015, 12:49

Re: "Gnade" vs. "Disziplin"

Beitrag von Seide »

Hallo,
eine Therapeutin hat mir das Wort " Disziplin " nahe gelegt.
Jetzt will ich mich damit befassen.
Deshalb habe ich den Thread nach oben geholt.

Mich interessiert, wie Ihr damit umgehen könnt.
Mir fehlt jegliche Disziplin.

Liebe Grüße Eure Seide :hello:
T Ally
Beiträge: 595
Registriert: 30. Jul 2014, 14:34

Re: "Gnade" vs. "Disziplin"

Beitrag von T Ally »

Hallo liebe Seide,

bei mir ist es genau anders herum. Ich bin sehr strukturiert und pflichtbewusst. Disziplin habe ich quasi mit der Muttermilch aufgenommen. Somit wurde mir von Seiten der Therapeuten dazu geraten, mal fünfe gerade sein und Gnade walten zu lassen. Das gelingt mir jedoch nicht, somit bin ich hinsichtlich meiner Erschöpfung immer nah am Abgrund.

Meine Wohnung ist immer vorzeigbar, ich gehe laufen um sportlich aktiv zu sein und nicht dick zu werden. Das wäre der absolute Horror für mich. Zudem soll Sport ja gut sein bei Depressionen, davon merke ich allerdings gar nichts. Ich habe nie die Schule geschwänzt oder im Job blau gemacht. Ich gebe mich meinen spontanen Einfällen nicht hin, denn erst muss die Pflicht erledigt werden und die Erwartungen der anderen müssen erfüllt werden. Ich könnte niemals einfach im Bett bleiben, denn aufstehen und duschen gehören am Morgen dazu. Den Wunsch einfach weiterzuschlafen habe ich schon.

Meine Therapeutin sagte damals, ich hätte einen immens starken inneren Richter, der mir mein Leben diktiert und mir keine Freiräume lässt.
Erst war sie der Meinung, dass ich sehr reflektiert sei und mein Pflichtbewusstsein zu einer schnellen Heilung beiträgt. Aber das Gegenteil ist der Fall. Ich darf nichts ändern, dann frisst mich mein schlechtes Gewissen auf.

Somit ist es meines Erachtens wichtig, den richtigen Weg zwischen den Extremen zu finden. Weder zu diszipliniert noch zu luschig.

Liebe Grüße und alles Gute für Dich
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