Hallo Eva2,
vielleicht wäre es etwas, mit deinem Therapeuten nach Prioritäten zu sehen? Wie du für dich Prioritäten setzen kannst und wo du mit deiner Energie, deinen persönlichen Möglichkeiten das meiste Bewirken kannst?
Ich persönlich engagiere mich gern ehrenamtlich. Dabei suche ich mir meist Aufgaben, bei denen ich direkt mit Menschen/Tieren in Kontakt komme, für meine Tätigkeit auch Wertschätzung erhalte und Erfolgserlebnisse habe, wenn ich sehe, dass ich etwas ändern kann und somit die Welt ein ganz winziges kleines Stückchen besser gemacht habe. Aber eigentlich braucht es dazu gar kein Ehrenamt.
Ich bin früher eine Zeit lang zur Schule geradelt. Dort begegnete ich sehr regelmäßig einer älteren Dame auf dem Rad mit Hunden, die nebenher liefen. Ich weiß gar nicht, ob sie mir zuerst einen guten Morgen gewünscht hat oder ich - jedenfall wars dann irgendwann so, dass ich ihr jedes Mal, wenn wir uns auf dem Radel entgegenkamen, ich ein fröhliches "Guten Morgen" zurief. Sie freute sich und grüßte zurück. Wir beide haben danach gestrahlt. Ich habe mich oft schon darauf gefreut, ihr zu begegnen, alleine, weil ich gemerkt habe, dass sie sich freut und mich das auch wieder freut
) Und ich finde, dass selbst solche Kleinigkeiten die Welt manchmal besser machen.
Paul Watzlawik hat in seinem Vortrag "Wenn die Lösung das Problem ist" (auf Youtube zu finden, sehr empfehlenswert!) ein sehr nettes Beispiel "die Kettenreaktion des Guten" beschrieben: Sie sehen an einem Regentag, dass jmd aus dem Auto aussteigt und die Lichter anlässt und Sie laufen dem Mann im Regen nach und sagen dem Mann: 'Sie haben bei Ihrem Auto die Lichter angelassen'. Der wird sich bestimmt sagen:'Der ist aber anständig. Der läuft mir im Regen 300m nach...' Wenn derjenige wiederrum jemanden sieht, der die Lichter anlässt, wird er sich fast verpflichtet fühlen, das selbe zu tun. Dank der Haltung des einen Mannes.
Bin zwar damit vllt etwas abgeschweift, aber woran ich gerade dachte: Vllt lässt sich auch auf kleine Ärgernisse manchmal mit unbeirrtem Verhalten das positive vorleben. Das irritiert manche und kann manchmal etwas ändern. (grummeliger Unaufmerksamkeit mit freundlichem ANsprechen/Grüßen begegnen... vllt hatte derjenige einen schlechten Tag und wird durch dich dann auf seine Außenwirkung aufmerksam)
Auf der anderen Seite steckte in deinem Supermarkt Beispiel auch etwas mit Grenzen stecken. Man muss nicht hinnehmen, dass einem jemand in die Hacken fährt.
Ich kenne es von mir, dass ich einen unerfüllbaren Anspruch an mich habe. Ich erwarte von mir oft, perfekt zu sein und fühle mich für viel zu viel verantwortlich. Logisch, dass man dann denkt, man müsse alles, was einen stört, selbst ändern. Unmöglich. Und trotzdem fühlt man sich schuldig, wenn man nichts tut.
Aber dadurch, dass ich mich in einem Bereich einsetze, kann ich mich bei anderen Dingen mit einem ruhigeren Gewissen zurücklehnen. Ich muss nicht eben noch die Welt retten. Ich muss gar nichts. Aber ich kann im Rahmen meiner Möglichkeiten im Kleinen mein Bestes tun. Selbst wenn es nur ein Lächeln oder ein kleiner Gefallen ist.
Was Nachrichten oder Weltschmerz angeht, bin ich tatsächlich relativ unsensibel bzw. vllt auch abgestumpft. Es ist meist zu viel, zu wenig mich betreffend und meist kriege ich es auch nicht mehr mit. Da filter ich automatisch. Wenn es jedoch um lokale Geschehnisse in meiner Umgebung geht, fühle mich deutlich mehr betroffen, mache mir dazu meine Gedanken und überlege mir, ob ich etwas ändern kann und dazu die Energie/persönlichen Möglichkeiten habe.
Was ich mir teils auch grad denke, ist, dass ich in manchen Bereichen vllt auch so etwas wie Resignation verspüre. Ich glaube, das Wort passt jetzt nicht unbedingt auf alle Bereiche, aber mir fällt gerade nichts passenderes ein. Die Erfahrung, dass es manchmal einfach Sissiphus-Arbeit ist oder man die einzige Person innerhalb eines Kreises ist, die etwas ändern möchte, während alle anderen Beteiligten keine Lust haben, es nicht für nötig halten etc.. Da sollte man wohl auf seine Energiereserven achten und überlegen, warum man alleine ist mit seiner Position.
Tut mir leid, dass es so ein langer und vllt auch verwirrender Text ist. Ich hoffe dennoch, es ist verständlich.
liebe Grüße,
somebody