Depression bleibt trotz Veränderungen

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kaizer
Beiträge: 79
Registriert: 21. Jul 2016, 14:30

Depression bleibt trotz Veränderungen

Beitrag von kaizer »

Hi!

Da es gerade in einem andren Thread angesprochen wurde und mich sehr interessiert, ob andere ähnliche Erfahrungen gemacht haben, wollte ich dies mal rauslösen.

Ich bin 33 Jahre alt und habe seit etwa 15 Jahren mit Depressionen zu tun. Mit Studium und Co hat zwar alles trotzdem irgendwie geklappt, aber es war alles ziemlich anstrengend und mit großem Kampf verbunden, inklusive Therapien und Tagesklinik.

Großen Anteil an der langen Zeit hatte bestimmt auch, dass ich die Signale vielfach nicht richtig verstanden und die nötigen Konsequenzen gezogen habe, sondern weiter den Vorstellungen anderer gefolgt bin. Z. B. im festen Bürojob bleiben, obwohl es mich wahnsinnig unglücklich gemacht hat und nicht zu mir passt, weil das eben die Norm ist und man gutes Geld verdienen muss.

Auch dank einer sehr guten Therapeutin habe ich in den letzten zwei Jahren deutliche Veränderungen vorgenommen: selbständig mit freier Zeiteinteilung, mehr Freiheit, mehr Rücksicht auf mich, eigene Bedürfnisse stärker durchsetzen etc.

Ich finde, ich bin da ein sehr guter Patient, aber die Depression dankt es mir leider bisher nicht so, wie ich es mir gewünscht hätte. Es gibt inzwischen mehr gute Phasen von einigen Tagen oder auch mal zwei, drei Wochen, es geht auch oft nicht mehr ganz so tief, aber trotzdem beschäftigt mich die Erkrankung durch Müdigkeit, fehlenden Antrieb, Stimmungseinbrüche etc. immer noch fast jeden Tag. Nun hab ich schon so viel verändert, so langsam gehen mir die Ideen aus, was die Depression sich von mir noch wünschen könnte. :) Oder ist das Gehirn durch Dauerstress und Co so lang unter Feuer gewesen, dass es gar nicht so schnell kapiert, was sich im Außen alles schon verändert hat?
M1971
Beiträge: 731
Registriert: 26. Apr 2014, 17:39

Re: Depression bleibt trotz Veränderungen

Beitrag von M1971 »

Hallo kaizer, vielleicht ist Deine Erwartung zu groß?
Um es freundlich zu formulieren: wer einmal eine Depression hat bleibt immer latent anfällig.
Falls Du eher deutliche Worte bevorzugst:
Ja, die Depression wird Dich wohl den Rest des Lebens begleiten. Das wäre bei Diabetes oder Rheuma aber auch nicht anders.
Du kannst aber versuchen mit geeigneten Maßnahmen die Krankheit für Dich erträglich zu machen
Gruß
M
somebody
Beiträge: 221
Registriert: 3. Jul 2014, 10:55

Re: Depression bleibt trotz Veränderungen

Beitrag von somebody »

Hallo kaizer,
darf ich fragen, wann du angefangen hast, Dinge zu verändern bzw. eine Therapie zu machen?
liebe Grüße,
somebody
kaizer
Beiträge: 79
Registriert: 21. Jul 2016, 14:30

Re: Depression bleibt trotz Veränderungen

Beitrag von kaizer »

Hallo somebody,

die erste Gesprächstherapie hab ich schon 2002 gestartet, hat mir aber damals nichts gebracht, vielleicht war ich auch noch nicht so weit.

Über die Jahre gab's immer mal Anläufe mit Therapeuten, die aus verschiedenen Gründen schnell im Sande verlaufen sind, aber ich hatte nie das Gefühl, dass mich das weiterbringt.

Anfang 2013 hab ich mit dem Schritt in die Selbständigkeit schon selbst was unternommen, seit zwei Jahren bin ich jetzt bei der Therapeutin und hab das erste mal das Gefühl, dass jemand die richtigen Fragen stellt und wir gemeinsam weiter einige Dinge zum Positiven verändert haben.
kaizer
Beiträge: 79
Registriert: 21. Jul 2016, 14:30

Re: Depression bleibt trotz Veränderungen

Beitrag von kaizer »

@M1971

Das stimmt natürlich, ich hab mich damit abgefunden, dass eine Veranlagung da ist und auch bleiben wird.

Wenn das im Rahmen ist, kann ich damit auch leben. Im Moment würde ich aber sagen, dass die Lebensqualität zu stark eingeschränkt ist als dass ich sagen könnte "Ist halt so, muss ich mich mit einrichten". Das würde mir sehr schwerfallen.
mime
Beiträge: 1282
Registriert: 6. Sep 2013, 13:28

Re: Depression bleibt trotz Veränderungen

Beitrag von mime »

Hallo Kaizer,

du hast schon viel Wichtiges geschafft und bist sogar jetzt beruflich in der Selbständigkeit, mutig.

Was die Depressionen angeht, bist oder warst du in deiner Erkrankungszeit zusätzlich zur Therapie auch medikamentös eingestellt? Es ist gut, dass du seit 2 Jahren in einer Therapie bist, die dir etwas bringt. Bei mir hat es auch längere Zeit gedauert, bis ich an eine Therapie geraten bin, die bei der Depression nützlich war (bei mir waren es 3 Jahre Therapie).

Manchmal kann eine begleitende Einnahme eines Antidepressivums zusätzlich hilfreich sein, zumindest stabiler zu werden. Auch wenn die Einbrüche nicht mehr so stark sind wie in der ganz akuten Zeit, wäre es doch wünschenswert, wenn dein Alltag (zumal auch als Selbständige/r) nicht mehr ganz so geprägt wäre mit Depressionssymptomen.

Das, was du schilderst scheint mir auch (noch) sehr einschränkend für deine Lebensqualität zu sein, auch wenn sich einiges schon zum Positiven verändert hat, ist da vielleicht doch noch ein bisschen "Luft nach oben".

Es kann auch sein, dass die Depression in gewisser Weise bleibt, da kann ich den anderen, die hier geschrieben haben, recht geben.

Ich habe mir auch schon öfter überlegt, ob das alles gewesen sein soll, was sich gebessert hat (aber meine Therapeutin, die auch Fachärztin ist, meinte, dass "mein" Antidepressivum wohl zu niedrig wirkt). Es kann also sein, dass auch Medikamente noch helfen können, die Depressionssymptome noch ein Stück weit zu lindern. Ich denke, wenn sie schon nicht vollends verschwinden, könnten sie ja wenigstens weniger werden - vielleicht auch bei dir.

Was man sonst noch machen könnte, kann man überall lesen (Bewegung, kohlehydrathaltige Kost usw. wurden mir z. B. empfohlen), aber ich denke, da muss jeder für sich herausfinden, was einem gut tut, deswegen kann ich leider auch nichts Bestimmtes raten. Ich versuche, mich möglichst viel abzulenken, etwas zu tun, muss aber aufpassen, dass ich mir nicht zuviel zumute (und das ist immer ein schmaler Grat) - aber bei dir wird das sowieso schon genug der Fall sein (Ablenkung, Tätigkeit usw.), wenn du beruflich eingebunden bist.

Viele Grüße und alles Gute (und dass du herausfindest, was dir hilft, wünsche ich dir)
Mime
Wir müssen lernen,
die Menschen weniger auf das, was sie tun und unterlassen,
als auf das, was sie erleiden, anzusehen.

(Dietrich Bonhoeffer)
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