Identität

lebenslust
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Identität

Beitrag von lebenslust »

Ich heiße hier "Lebenslust" - den Namen habe ich mir vor Monaten gegeben, als ich mich hier registriert habe.
Das ist mein erster Beitrag und heute würde ich mich anders nennen.

Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, wo ich genau mit meienr Geschichte anfangen soll - deswegen fange ich einfach mitten drin an, bei der Frage die mir derzeit am meisten auf den Nägeln brennt.

Und zwar : Was hat die Diagnose mit euch und eurer Identität gemacht. Oder was hat die Krankheit mit eurer Identität gemacht? Was haben Meinungen (z.B. musst dich zusammenreißen, oder "ich kenne richtig depressive Leute, du bist nicht richtig depressiv) mit euch und eurer Identität gemacht?

Gab es Phasen wo ihr euch selber nur noch als "die Depressive", "die Ängstliche" wahrnehmen konntet?
Gab es Phasen wo ihr nicht mehr wusstet wer oder wie ihr seid, weil manche Ärzte sagten ihr hättet eine Depression und andere (Therapeutin) zum Beispiel gesagt haben, sie wären sich nicht ganz sicher was es wäre und weil Freunde wieder was anderes sagen?

Ich meine, mir haben schon 3 verschiedene Hausärzte Depressionen beschieden. In der Reha war ich wegen Anpassungsstörung und eine Psychiaterin hat mir jüngst Angst und Depression gemischt attestiert.
Meine Therapeutin meint, sie sieht keine richtig schwere Depression bei mir, eher eine verlängerte Adoleszenzphase (ich bin wohlgemerkt über 30)....

Ich nehme seit Monaten 20mg Citalopram, jetzt sogar 30.

Eine Freundin von mir hält mir fast schon vorwurfsvoll vor, dass "die Phasen" bei mir ja nie so lang anhalten, sondern sehr oft für so 3-4 Tage und dann ist es auch wieder ok und dann kommt es wieder...
Ich glaube, sie glaubt, dass ich mich zu wenig anstrenge. Wenn ich sie damit konfrontiere, dann sagt sie, dass sie mich schon ernst nimmt. Aber es fühlt sich nicht so an.

Ich weiß momentan selber nicht mehr was ich glauben soll.
Ich weiß nicht mehr wo die Depression anfängt und aufhört, was ist die Krankheit, was bin ich?
Wo sollte ich mich mehr schonen und wo weniger.

Die Therapie endet nach einer weiteren Stunde.
Eine Verlängerung hatte ich schon. Die weitere Verlängerung ist daran gescheitert, dass ich zunächst einige Wochen Pause dazwischen erbeten habe. Dann war der Platz weg.

Seht ihr euch selber als Menschen mit einer Depression oder als Depressive, die auch noch ein bisschen Mensch sind?

Momentan glaube ich nicht, dass sich je nochmal was ändert.
Ich fühle mich irgendwie verdammt und schuldig.
Ich weiß auch gar nicht, ob die Medikamente überhaupt gut für mich sind oder nicht sogar alles schlimmer machen, weil ich jetzt noch weniger weiß, wer ich bin und was die Medikamente vielleicht aus mir machen.

Gibts hier irgendwen, der richtig tief drin saß und seinen Lebensmut wiedergefunden hat?

Was muss ich selber tun an Kopfarbeit, damit es mir besser geht und ich mich wieder stabiler fühle?
Sport/Bewegung/gesundes Essen/Freunde sehen mache ich alles so weit es eben geht.

Und trotzdem heule ich bei jedem kleinen Pups nächtelang und erwarte nichts Gutes mehr.

Ich leide im Moment am meisten darunter, dass ich mich für "die Krankheit" selber stigmatisiere und noch nicht mal weiß, ob ich nun wirklich eine Depression habe oder nicht.
Weil es gibt manchmal Tage wo es mir gut geht. Ich arbeite auch Vollzeit. Allerdings bin ich aktuell 1 Woche krank geschrieben und ich weiß auch nicht ob das gerechtfertigt ist, oder ob ich eigentlich arbeiten gehen sollte.
Ich weiß zurzeit recht wenig :?
lebenslust
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Registriert: 9. Jul 2016, 13:00

Re: Identität

Beitrag von lebenslust »

OK, 26 Personen haben es gelesen und keiner antwortet.
Sind meine Fragen so komisch? Ist meine Sicht auf die Dinge so eigenartig?
Mir fehlt momentan wirklich jegliches Selbstvertrauen und da mir keiner antwortet, denke ich, dass mein Text ganz komisch bei Euch ankommt. Wäre super, ein Feedback zu bekommen. Danke.
Eva2
Beiträge: 47
Registriert: 21. Sep 2016, 22:11

Re: Identität

Beitrag von Eva2 »

Hallo Lebenslust, hab's gelesen und antworte dir auch gleich ausführlich darauf. Da ist übrigens auch gar nix verkehrt oder komisch. Alles gut. Die 26 Personen können ja auch nur Besucher sein, die hier gar nicht angemeldet sind.
lebenslust
Beiträge: 22
Registriert: 9. Jul 2016, 13:00

Re: Identität

Beitrag von lebenslust »

Danke Eva!
Momentan ist wirklich ganz schlimm mit der Rundumverunsicherung.
Salvatore
Beiträge: 3868
Registriert: 10. Feb 2010, 18:35
Kontaktdaten:

Re: Identität

Beitrag von Salvatore »

Hallo Lebenslust,

erstmal willkommen im Forum. Bitte gib uns doch Zeit.
Es ist spät. Ich bin müde. Hatte einen Scheißtag. Habs gelesen. Aber heute noch ne Antwort oder Meinung? Geht nicht, kriege ich nicht hin. Wirklich sorry. Ich denke immer erst lange über Dinge nach, Schnellschussüberlegungen sind nicht mein Ding. Du stellst einen ganzen Haufen sehr anspruchsvoller Fragen, denen man sich nicht in einem Satz nähern kann.

Hier ist niemand das blühende Leben - die besuchen das Forum nämlich nicht mehr. Die meisten leiden unter Schwierigkeiten mit der Konzentration. Die meisten schrecken zurück, wenn sie unter Druck gesetzt werden. Vielen müssen morgen arbeiten und früh raus.

Wenn nichts mehr kommt, frag in zwei Tagen noch mal nach. Bin mir aber sicher, dass morgen Antworten folgen werden. Du brauchst nicht nach weniger als einer Stunde schon nervös zu werden.

LG, Salvatore

EDIT: Hat sich überschnitten. Gute Nacht.
Blog: http://www.oddyssee.de
Instagram: Oddysee@meine_oddyssee
Michael2909
Beiträge: 243
Registriert: 26. Aug 2015, 23:56

Re: Identität

Beitrag von Michael2909 »

Hallo

Erstmal mach dir keine Sorgen das dir niemand antwortet
Das kann schommal dauern.
Also mach dir kein Stress.

Ich glaube was du beschreibst hatte schon viele ich mit eingenommen.
Ich habe mir schon oft gefragt hab ich wirklich Depression,
Und ja ich hab Depression und wenn dir Ärzte das auch sagen und du das auch denkst hast du die auch.
Egal was andere sagen.
Ich frage mich woher deine Freundin das zum Beispiel wissen will das du die nicht hast.
Und ich sag dir nehme dir von diesen Menschen nichts an.
Wahrscheinlich haben solche Leuten selbst diese Probleme wollen sie sich aber nicht eingestehen.

Du aber schon.
Und das ist der erste Schritt zur Heilung und das es dir wieder gut geht.
Also mach bitte weiter und arbeite an dir.
Es lohnt sich.
Ich spreche aus Erfahrung.

Liebe Grüße
lebenslust
Beiträge: 22
Registriert: 9. Jul 2016, 13:00

Re: Identität

Beitrag von lebenslust »

Lieber Salvatore undlieber Michael,

ich danke euch für eure lieben Antworten!
Ich glaub das war das erste Mal, dass ich mich heute wahrgenommen gefühlt habe.
Es tut mir leid, dass ich gleich so unsicher wurde. Aber das ist zurzeit so bei mir.
All diese Fragen sind seit paar Tagen in meinem Kopf, vermehrt seit meiner letzten Therapiestunde und da ich gerade krankgeschrieben zuhause bin und meine Freunde im Urlaub sind und die anderen keine Zeit haben, fühle ich mich sowieso schon so käse heute.
Ich habe alles geputzt und gemacht, mir fällt die Decke auf den Kopf.
Ich habe genügend Zeit, um mir den Kopf mit diesen schwierigen Fragen so lange zu zermartern, bis ich nicht mehr weiß, was ich denken und fühlen soll.
Mein Arzt meint, dass das Grübeln sei. Es fühlt sich aber gar nicht an, als ob ich ziellos grüble. Eher als ob ich gezielt denke und die Antwort nicht finde. Kommt vielleicht auch aufs selbe raus.

Wie lange muss ich warten, bis ich weiß, ob die Erhöhung des Citalopram von Freitag von 20 auf 30 wirkt?
2 Wochen wieder oder kürzer?

Insgesamt finde ich, dass es ein ganz schreckliches Gefühl ist, wenn man nicht mehr weiß, was man glauben soll und was nicht. Wenn man bis ins Mark hinein verunsichert ist. Wenn man nicht mehr weiß, ob man jetzt "gaga" ist, oder nicht. Wenn man weiß, dass das Umfeld einem das nicht ansieht und deswegen denkt, man würde heillos übertreiben oder sich was einreden. Und wenn der Rest sagt, man habe etwas.

Ich habe irgendwann angefangen zu glauben, dass ich was habe. Davor habe ich es weit von mir gewiesen innerlich. Seit ich es eingesehen habe, ist es umgeschwappt und ich habe noch keinen guten Umgang damit gefunden im Sinne einer Ausgewogenheit.

Ich sehe es ein, dass ich anders bin als die anderen und Schwierigkeiten habe. Aber ich kann nur schwer sehen, dass ich trotzdem noch ein guter Mensch bin.
Ich werde das Gefühl nicht los, dass ich es selber verbockt habe und alles falsch mache.
Daran hat auch über 1 Jahr tiefenpsychologische Therapie nichts geändert. Trotzdem macht mir das Ende der Therapie jetzt Angst.

Es ist alles sehr schwierig.

Ich wünsche allen eine gute Nacht.
qwertzuiopII
Beiträge: 638
Registriert: 18. Jan 2016, 13:42

Re: Identität

Beitrag von qwertzuiopII »

...
Zuletzt geändert von qwertzuiopII am 8. Jan 2017, 13:49, insgesamt 1-mal geändert.
Wenn das Lichtspiel des Lebens keine Schatten mehr wirft
Eva2
Beiträge: 47
Registriert: 21. Sep 2016, 22:11

Re: Identität

Beitrag von Eva2 »

Also ich verstehe dich da wirklich sehr gut. Es gab Momente, ok lächerlich … es gab Wochen und Monate in denen ich genauso gefühlt und gedacht habe. Mit der Zeit wurden diese Zeiträume - nennen wir sie depressive Tiefpunkte - immer weniger und seichter. Depression ist eine scheiß Krankheit (sorry für den Ausdruck), aber heilbar. Also auch wenn du momentan das Gefühl hast da geht gar nichts. Doch geht, dauert aber. Als allererstes würde ich gerne wissen, ob du in therapeutischer Behandlung bist? Wenn nicht … ab geht’s. Und dann möchte ich noch wissen, ob Citalopram das erste Medikament ist, das du bekommen hast? Schau mal in den Nebenwirkungen nach. Es könnte ja auch das falsche sein. Sprich mit deinem Psychiater oder Neurologen darüber. Ich nehme übrigens zwei Medikamente und habe insgesamt schon sechs oder sieben durch - soviel dazu. Es ist also nicht immer ganz einfach die richtige Behandlung zu finden.


So nun zu deinen Fragen.

„Was hat die Diagnose mit euch und eurer Identität gemacht. Oder was hat die Krankheit mit eurer Identität gemacht?“
Die Diagnose habe ich ehrlich gesagt am Anfang verheimlicht. Wenn mich jemand gefragt hat was ich habe, habe ich „neurologische Störung die unter Depression“ fällt gesagt. Mittlerweile ist es mir aber völlig egal. Meine Identität hat sie auch völlig auf den Kopf gestellt. Schließlich war mein bisheriges Sein ja die Ursache der Krankheit. D. h. ich habe große Teile meines Lebens überdenken müssen, muss es immer noch. Momentan bin ich also dabei die neue Identität also der Mensch der ich sein müsste um gesund zu sein und zu bleiben zu finden und in mein Leben zu etablieren.

„Gab es Phasen wo ihr euch selber nur noch als "die Depressive", "die Ängstliche" wahrnehmen konntet?“
Wie ich oben bereits geschrieben habe, ja. Ich habe teilweise nur noch vor mich hin vegetiert. Bin nicht mehr aus dem Bett gekommen. Da war einfach nichts, null, nur Leere.

„Gab es Phasen wo ihr nicht mehr wusstet wer oder wie ihr seid, weil manche Ärzte sagten ihr hättet eine Depression und andere (Therapeutin) zum Beispiel gesagt haben, sie wären sich nicht ganz sicher was es wäre und weil Freunde wieder was anderes sagen?“
Ja na klar. Mein Therapeut zum Beispiel hat mir auch nur eine Anpassungsstörung diagnostiziert, während Hausarzt und Neurologe eine schwere Depression sehen. Der Gutachter der Arbeitsagentur sieht mich schon in Rente, während der Gutachter der Krankenkasse sich wundert warum ich nicht schon wieder arbeite. Ich hätte zeitweise allen mit dem nackten A***h ins Gesicht springen können.
Mittlerweile sehe ich so. Die Depression ist noch eine noch nicht so viel erforschte Krankheit. Im Gegensatz zu Krebs weiß man einfach noch zu wenig darüber. Und da man bei einer Depression nichts sehen kann, wie z. B. bei einem Tumor durch MRT oder so, fallen die Diagnosen eben unterschiedlich aus. Das ist dann halt ne ganz subjektive Geschichte. Ich vergleiche das immer gerne mit einem Bruch. Du hast dir das Bein gebrochen, es wird geröntgt, man sieht die schwere des Bruchs. Stell dir vor man könnte nichts röntgen. Wie schwer ist dein Bruch nun? Mittelschwer? Leicht? Man sieht es nicht. Man kann vielleicht höchstens an dem was du sagst oder fühlst fest machen. Worauf ich letzten Endes hinaus möchte ist, dass nicht irgendein Arzt sagt du hast eine Depression, sondern du gehst hin und sagst ihm du hast ne Depression.

Deiner Freundin kannst du übrigens mal erzählen, dass eine Depression einen wellenartigen Verlauf hat. Man kann nie sagen wie lang eine Phase dauert oder nicht. Sie ist ja schließlich auch nicht immer gleich gut drauf und das ganz ohne Depression.

Dass es sich nicht so anfühlt als ob sie dich ernst nimmt kann natürlich eine echte Empfindung sein, aber bei einer Depression ist man nun mal auch reizempfindlicher. Und das nicht nur psychisch.

So das Ende vom Lied ist nun, dass es egal ist ob du eine Depression hast oder nicht. Dir geht es nicht gut, egal welchen Namen du dem Unwohlsein geben willst. Und wenn es dir nicht gut geht, muss man etwas dagegen unternehmen. Es wäre also wie ich oben geschrieben habe mit deinem Neurologen zu überprüfen, ob die Medikamente die richtigen sind. Und mit deinem Therapeuten wäre dann zu besprechen welche Maßnahmen du ergreifen kannst. Was hat dich krank gemacht? Was läuft schief? Wie kann ich wieder beheben/ändern? Es ist eigentlich recht simpel, nur die Umsetzung nicht ;)
Mim
Beiträge: 1383
Registriert: 21. Dez 2013, 19:41

Re: Identität

Beitrag von Mim »

Hallo Lebenslust,

(Huch, während des Schreibens kamen ja 1000e Antworten ;)

Nein, deine Frage klingt nicht komisch!

im Gegenteil, ich kann mich voll und ganz mit dieser Frage identifizieren.

Ich erlebe es genau so, dass ich mich nach wie vor über meine Depression identifiziere - häufig unbewusst. Vieles, was vielleicht nur ein "Gemütchen" ist, Müdigkei oder schlechte Laune automatisch als depressiv einstufe. Man könnte sagen, ich höre Regenwürmer husten ;)

Zum Glück habe ich nie erfahren, dass mir gesagt wurde, ich sei nicht depressiv. Allerdings nehme ich diese Bewertung oft selber vor: Ich glaube mir nicht, dass ich depressiv bin. Ich habe sogar ein schlechtes Gewissen, weil ich das Gefühl habe, nicht genug gegen die Depression zu tun (und es ist ja auch teilweise so - ich kann etwas dafür tun, dass es mich nicht voll und ganz erwischt).

Es gab und gibt immer wieder Phasen, in denen ich wahnsinnig geklagt habe, jammerte und jedem der es hören wollte oder nicht mein Leid geklagt habe - so richtig habe ich das noch immer nicht im Griff - aber auch dafür schäme ich mich - habe das Gefühl, wenn es mir wirklich schlecht ginge, ich wirklich etwas ändern wollen würde, dann hätte ich es getan (und auch das mag teilweise zutreffen)

Ja, ich habe imer wieder Phasen, wo ich mich nur noch depressiv wahrnehme. Und eben wirklich alles durch die depressive Brille. Nur noch als die Ängstliche, unfähig, psychisch Kranke. Ich schließe aber Huete auch nicht mehr aus, dass ich davon auch einen gewissen Gewinn hatte: Ich war wenigstens etwas, bzw. jemand. Ich hatte etwas klar definiertes, an das ich mich halten konnte (kann es gerade nicht anders ausdrücken.). Ich kenne auch diese unglaubliche Hilflosigkeit, wenn mein depressives Verhalten in Frage gestellt wird. Ich das Gefühl habe einfach nur schuld zu sein (wobei - wie oben geschrieben - ich das vielleicht mehr tue als andere)

Allerdings hatte ich nie schwerste Depressionen - habe mich eigentlich eher immer selbst gelähmt - durch Sorgen und Ängste. Aber ich kenne nicht diese völlige Bewebungslosigkeit und Lähmung. Irgendwie hätte ich immer gekonnt - habe es aber nicht. Meine Depressionen traten immer begründet und temporär auf und tuen das noch Heute - eine offizielle Diagnose gibt es bis Heute nicht - allerdings auch, weil ich einen Therapeuten hatte, der von Diagnosen nichts hielt sondern sich eher mit den Denk und Verhaltensweisen die damit zu tun hatte beschäftigte. Ich denke, dass das gut so war (ich hoffe, meine Antworten sind hier trotzdem ok). Nichts desto trotz hatte ich unzählige Male Suizidgedanken, habe mich kapputtgegrübelt und quäle mich bis Heute mit (meist) unbegründeten Sorgen.

Irgendwie glaube ich (auch wenn ich das bisher so lese bei Dir) - es ist doch eigentlich egal, wie es heißt - wichtig - oder problematisch ist doch, was Du mit Dir machst (und warum Du es mit Dir machst). Auch wenn es natürlich beruhigen kann, wenn das Kind einen Namen hat.

Ich erlebe die Phasen übrigens genau so wie Du: Insbesondere wenn ich Stress habe (vor Prüfungen, bei Problemen, Konflikten, Ängsten) spüre ich, dass ich depressive Reaktionen zeige. Weinerlicher bin, meine Konzentration nachlässt, ich vermeide viel mehr, grüble viel mehr, bin gereizt und aggressiv. Das ganze kann aber nach ein paar tagen wieder vorbei sein und ich bin dann relativ normal.

Ich arbeite auch und studiere - streckenweise sehr viel. Ich erlebe es so, dass mich das über Wasser hält, weil es mir Struktur gibt. Fehlt meine Struktur, tun sich schwarze Löcher auf - ob das dann depressiv ist? Ich weiß es nicht. Denn oft ziehe ich mich tatsächlich selbst runter, weil ich zu viel Zeit habe über mein verkorkstes Leben nachzudenken oder mir Sorgen um meine Beziehung, meine Zukunft und meine Unzulänglichkeiten zu machen.

Hm. Ich würde mich gerne als Mensch mit Depression sehen - aber momentan sehe ich mich häufiger als Depression mit ein bisschen Mensch. Sicherlich auch, weil ich mir wenig andere Tummelplätze neben meiner Depression suche oder suchen kann. Mich damit zu beschäftigen hat eben auch lange mein Leben ausgemacht - vielleicht kann ich den Gedanken daran deshalb nicht so einfach loslassen?

Keine Ahnung, wann man richtig drin saß - na gut, ich finde, ich saß richtig tief drin. Derzeit ist es so, dass es Momente gibt, in denen Lebensmut und Lust aufbliten und dann immer wieder Phasen, wo mir all das komplett abhanden kommt. Ich empfinde das als einen sehr fragilen Balanceakt.

Was Du tun kannst? Da können andere vielleicht beser raten. Aber da Depression ja immer wieder mit Grübeln und Gedankenkreisen zu tun hat: Mir hilft es (wenn ich mich denn daran erinnern kann), mich ins Hier und Jetzt zu holen. Körperliche Bewegung, mit den Händen arbeiten, also praktische Tätigkeiten helfen mir sehr (auch wenn ich schnell die Geduld verliere). Irgendwo habe ich auch mal auf einer Seite gelesen, dass man ganz viel machen soll, was sozusagen das logische konkrete Denken beschäftigt, weil dann das emotionale Denken keine Chance hat (also z.B. auch einfach MAtheaufgaben lösen, Dir eine Geschichte ausdenken, etc...

Die Zweifel an der Depression per se kennen glaube ich viele. ich denke, es hängt auch damit zusammen, dass man sich ein Bild zurechtzimmert, in dem Depression bedeutet, dass man nahezu handlungsunfähig ist. Nichts mehr geregelt bekommt. Dauerhaft heult, etc. Früher habe ich mich zusätzlich malträtiert, weil ich das Gefühl hatte, mir gehe es ja gar nicht schlecht genug :roll: Aber - wer bestimmt denn das? Sogar eine gute Feundin von mir, die ich für relativ gesund halte (bzw. "Normalneurotisch ;)) erzählte mir neulich, dass sie immer mal wieder zu Hause bleibt, wenn es ihr nicht gut geht, wenn sie zu viele Themen beschäftigen. Aber klar - in unserer Gesellschaft wird das natürlich nicht gern gesehen....

Vielleicht konnte ich Dir ein bisschen helfen? Und: Ob es sich nun Depression nennt oder nicht: Wenn so viele Ärzte unabhängig voneinander das Gleiche diagnostiziert haben, kannst Du erstmal darauf vertrauen, das da zumindest etwas nicht in Ordnung ist.

Liebe Grüße,

Mim
Eva2
Beiträge: 47
Registriert: 21. Sep 2016, 22:11

Re: Identität

Beitrag von Eva2 »

Oh Mim ganz toller Beitrag danke. Da fühle ich mich auch richtig angesprochen. Du hast es echt super ausgedrückt. Manchmal habe ich Schwierigkeiten damit
anna54
Beiträge: 3713
Registriert: 14. Sep 2010, 15:08

Re: Identität

Beitrag von anna54 »

Hallo Lebenslust
willkommen im Forum.
Es hat doch viele gute Antworten gegeben----ich kann mich anschließen.
Kann den Rat geben,viel über die Krankheit Depression zu lesen,seine eigenen Erfahrungen daran zu überprüfen.
Was bin ich,was ist Depression----------das ist irgendwann eine kranke Mischung.
Ich habe im Nachhinein,diese Zeit Blindflug genannt----weil ich mich verloren hatte.

Viele Klinikzeiten,viele falsche Ansätze,dann endlich eine Arztwechsel,wo endlich die Dinge ihren richtigen Namen bekamen.
Heute weiß ich endlich,wie krank ich war,wie ich mich gegen alle Widerstände durchquälen mußte.

Die Krankheit Depression ist sehr schwer,jeder lebt,durchlebt seine Depression.
Sie geht wieder,sie kann wiederkommen,sie hat eine schwierige Botschaft,die man selber nicht erkennt,wenn nicht ein guter Therapeut oder Arzt die Blickrichtung öffnet,öffnen hilft.
Selbstvorwürfe sind typisch,schuldhaftes Erleben auch----und genau das macht es so schwer----du bist ein wertvoller Mensch,Depressive sind besondere Menschen mit ganz viel Empathie für andere,sich selbst verlieren sie.
Man findet sich wieder,wenn man sich auf den Weg machen kann,mit guten Therapeuten,den richtigen Medikamenten,mit unendlicher Geduld und viel Liebe zu sich selbst.

Der schwarze Hund, ist ein gutes Buch-----habe gerade einen Fachvortrag erlebt,wo genau nach diesem Buch das depressive Erleben erklärt wurde.
Was passt zu mir,was will ich anpacken,was will ich ruhen lassen,nicht zu viele Baustellen,einen guten Tagesplan----und einfach es sich wert sein----bei so einer schweren Krankheit alle Zeit der Welt zu haben,diese Krise zu meistern.
Gestern auf 3sat gute Beiträge.
Man verliert sich-----aber man findet sich wieder----und kann ungute Anteile auch loswerden,hinter sich lassen---wenn es an der Zeit ist.
Keiner kann es beurteilen,wenn er nicht in den Schuhen der Depression gesteckt hat.
Sollen sie erst mal in diesen Schuhen gehen-----------
Keinen Schritt würden sie wagen!
Herzliche Grüße
anna54
lebenslust
Beiträge: 22
Registriert: 9. Jul 2016, 13:00

Re: Identität

Beitrag von lebenslust »

Liebe/r qwertzuiopII,
liebe Eva,
liebe Mim,
liebe Anna,

eure Antworten haben mich überwältigt. Weil ich mich so ernst genommen und so wenig verurteilt fühle für mein Suchen.
Es tut so gut, sich im anderen etwas wiederzufinden und über die Antworten den Eindruck zu gewinnen, dass man weniger verrückt ist, als man sich einredet.

Ich versuche alle Fragen zu beantworten und werde bestimmt ein paar neue stellen.

Ich gehe auf eure Texte im Fließtext ein.

Das Citalopram hilft etwas, ja. Es hilft mir gegen die innere Unruhe, gegen frühmorgendliches Erwachen, gegen Panikattacken.
Es reduziert etwas das heulen, aber verhindert es nicht gänzlich. Das habe ich mit der Ärztin thematisiert. Seit einiger Zeit nehme ich mehr, mal schauen, ob mir das "mehr" hilft.

Von Rapid Cycling habe ich schon gelesen. Aber ich bin nicht bipolar. Das habe ich schon alle Stellen gefragt und das wurde von allen verneint.
Manchmal war auch schon eine Dysthymie mit Ausschlägen nach unten im Gespräch.

Ich habe eine App, in die ich starke Stimmungsausreißer wie Heulanfälle eintrage. Eigentlich hätte ich gerne die Arya App, aber da ich ein Android Handy habe, kann ich mir diese nicht runterladen.
Welche App würdet ihr denn empfehlen?

Weswegen ich mich schuldig fühle?
Naja - ich zweifle manchmal doch daran, ob ich mich nicht einfach mehr anstrengen müsste, weniger sensibel durch die Welt laufen, einfach positiv denken, mir nix einreden, dankbarer sein.
Ich denke manchmal aufgrund von Rückmeldungen von Freunden, dass ich mir mein Leben selber schlecht rede und dass ich deswegen selber schuld bin, wenn es mir schlecht geht.

Manchmal wenn ich krankgeschrieben werde nach ganz schlimmen Nächten und mir einfach nicht vorstellen kann zu arbeiten - dann geht es nach kurzer Zeit wieder und ich könnte meist nach 1 Tag wieder arbeiten. Früher bin ich dann auch sofort wieder zur Arbeit und habe das Unverständnis meines Arbeitsumfelds auf mich gezogen. Weil die Stabilität dann nicht von Dauer war, sondern ich dann wieder krank wurde. Heutzutage an der neuen Stelle mache ich das nicht mehr, bleibe bewusst die ganze AU Zeit (z.B. 1 Woche) zuhause und sobald es mir besser geht, mache ich mir ein schlechtes Gewissen und weiß sogleich überhaupt nicht mehr, ob die AU gerechtfertigt ist. Wie ist das bei euch?

Zum Thema Stigmatisierung - nun, wenn es mir zurzeit besser geht, dann frage ich mich, wie ich mich jemals selbst wieder als ernstzunehmende nicht kranke junge Frau ansehen soll. Meine Integrität als Mensch mit sinnvollen Gedanken und Erlebensformen ziehe ich in Zweifel, weil mir ja alle sagen, dass dies Erleben psychisch krank oder depressiv sei.
Selbst wenn es einem besser geht - wie soll ich jemals meine eigene Verletzlichkeit vergessen?
Ich fühle mich durch die Erlebnisse im letzten Jahr (Reha, Jobwechsel nach Mobbing) und die Diagnose an sich sehr angegriffen. Ich habe aus dem Grund viel Angst. Zum Beispiel, dass ich nie für einen Mann als Partnerin in Frage komme, weil ich ja erwiesenermaßen einen "an der Klatsche" habe...
Mein Selbstwert ist am Boden - glaube ich.

Die tiefenpsychologische Therapie die ich gemacht habe ist leider beendet.
Nach einer Verlängerung habe ich mir zunächst eine kurze Pause von wenigen Wochen erbeten, weil mich die Therapie so angestrengt hat. In der Zwischenzeit hat meine Therapeutin meinen Termin an jemand anderes vergeben und gemeint, dass das so nicht gehe, ich könnte keine Pause bekommen. Im Endeffekt sagte sie weiter, ich soll mir eine Verhaltenstherapie suchen.
Ich selber frage mich, ob ich dazu noch die Kraft aufbringen soll und ob es überhaupt was bringt
Bei der tiefenpsychologischen Therapie habe ich mich meistens eher destabilisiert gefühlt.
Sie hat mir so oft gesagt, dass ich "nicht richtig an die Themen ran wöllte" - dass ich gedacht habe, dass ich sogar nicht mal das hinkriege. Dabei wusste ich nie, was sie meint, an welche Themen ich ran sollte. Ich hatte dauernd das Gefühl, dass sie mir auch was einreden will wo nichts ist.

Citalopram ist das einzige Medikament, was ich mal länger genommen habe. Also letztes Jahr ca 4 Monate und jetzt wieder seit 5 Monaten. Davor habe ich mal FLuoxetin probiert, aber schon in der Einschleichphase wieder abgesetzt.

Mim, ich jammere auch manchmal sehr viel und in letzter Zeit habe ich das Gefühl, dass es die engsten Freunde auch nicht mehr so hören wollen. Ich verstehe das - schlechte Laune nervt und meine Freunde sind alle auf dem Zukunftstrip. Hausbau, Kinder. Ich habe sowieso Angst, dass ich sie verliere wenn ich nicht gut drauf bin. Deswegen habe ich schon manche Kontakte sausen lassen. Es war mir einfach zu anstrengend zu schauspielern und ich habe mich oft unzureichend gefühlt im Kontakt.

Ich habe neulich auch etwas gelesen, dass logisches Denken die Hirnareale aktiviert, die bei einer Depression verkümmern. Und tatsächlich - das einzige, wo ich mich wieder wie ein normaler Mensch fühle ist, wenn ich im Haushalt was baue/handwerke/nähe/schaffe....

Anna, Blindflug finde ich so ein schönes Wort. Wie lange hat dieser Blindflug bei dir gedauert?

Das Buch schwarzer Hund habe ich auch, aber ich kann mit dem nicht so viel anfangen.
Mir haben in letzter Zeit die Bücher "Minusgefühle" und "Drüberleben" und "Seelenkollaps" sehr geholfen mich verstandener zu fühlen.

Wie geht ihr bzgl. eurer Krankheit mit der Familie um?
Ich praktiziere so eine partielle Offenheit. Das heißt, Freunde wissen alle Bescheid. Bekannte nicht. Im alten Geschäft wissen manche Bescheid. Im neuen Geschäft keiner (soll auch so bleiben - nur zwei entfernte "Kollegen" wissen Bescheid die woanders arbeiten).
Die Familie weiß nur, dass da mal was war. Aber als ich in Reha bin, haben die mich so fertig gemacht nach dem Motto "was tust du uns an? Redest dir was ein, gehst zu den Psychos..." - heutzutage sage ich denen nichts mehr wenn ich krankgeschrieben bin.
Ich telefoniere dann ganz normal mit denen und sage NICHTS.

Ich fühle mich damit so falsch.
Es ist, als müsste ich einerseits eine Krankheit als Teil meiner Identität anerkennen - weil es meine Realität darstellt und andererseits muss ich sie verheimlichen, damit ich nicht den Unmut der Gesellschaft (Geschäft, Familie) auf mich ziehe.

Es ist für mich zurzeit sehr schwierig, unter diesen Umständen meinen Selbstwert wiederzufinden.

Wünsche euch einen schönen Tag, lG
Eva2
Beiträge: 47
Registriert: 21. Sep 2016, 22:11

Re: Identität

Beitrag von Eva2 »

Zum Thema sich schuldig fühlen. Ich verstehe dich da sehr gut. Außenstehende können es leider selten nachvollziehen. Weißt du wenn ich jemandem sage ich bin müde dann denken die sich ich bin auch mal müde und? Einfach Augen zu und durch, morgen schläft man ne Stunde länger und schon ist es wieder gut. Die verstehen nicht, dass man mit müde nicht das normale müde meint. Sie können es nicht nachempfinden.
Mein müde könnten sie vielleicht nachempfinden, wenn sie zwei Nächte durchgemacht hätten und dann noch funktionieren müssten und dann ist es mit einer Stunde länger schlafen eben leider nicht getan, es bleibt.
Mit einer Depression bewegt man sich wie unter Wasser, man wiegt das dreifache und muss die gleichen Sachen machen.
Ich habe versucht mich anzustrengen und zusammen zu reißen. Irgendwann ging es nicht mehr. Ich bin zusammen gebrochen. Dein Weinen ist für mich ein Zeichen der absoluten Überreizung. Ein Gummi kann auch nicht unendlich weit gezogen werden, irgendwann reißt er. Verstehst du was ich damit meine? Der Gummi deiner Freunde ist locker, deiner extrem angespannt. Du musst dich deswegen nicht schuldig fühlen. Bei einer Erkältung fühlst du dich doch auch nicht schuldig.

Was die Arbeit anbelangt kann ich dir von mir erzählen. Ich hab mich auch immer schuldig gefühlt nicht arbeiten zu gehen. Hab immer erzählt es wird bestimmt bald besser. Noch eine Woche, noch ein Monat, … Mein Arzt hat mir irgendwann gesagt dass man nicht zu früh wieder arbeiten gehen sollte, denn sonst erleidet man einen Rückschlag. Als ich dann nach einem Jahr Krankschreibung wieder arbeiten ging, ging es mir so eigentlich ganz gut. Ich habe ein paar Monate gekämpft, kaum eine Woche ohne Krankschreibung geschafft bis ich verstanden habe, hey das war doch zu früh. Mittlerweile kann ich das sogar nachfühlen. Man gewöhnt sich irgendwie an ein Stresslevel und hält es für normal und gesund. Wenn es einem dann aber besser geht merkt man erst wie falsch man doch lag. Kennst du das wenn ständig ein Geräusch da ist und du erst merkst wie laut oder störend es doch war wenn es verstummt? So ist das bei mir mit der Depression. Es gibt Tage da denke ich joa ich kann was, dann erledige ich etwas und merke hinterher, dass ich mich völlig überschätzt habe. Mir ging es in dem Moment in dem ich noch im Bett lag oder den Tag über nicht viel gemacht habe gut, aber wenn ich dann raus gegangen bin - mich also mehr belastet habe, mehr Reizen ausgesetzt habe - konnte der Körper nicht mehr damit umgehen. Es ist also völlig normal sich zweitweise ok zu fühlen. Entweder weil man daran gewöhnt ist oder weil man in diesem Zustand mit diesem Reizpegel auch ok ist. Mein Arzt sagt immer geh bis an die Grenze. Ich war lange immer drüber. Das musste ich leider durch austesten lernen. Und da sich mein Zustand ja wellenartig ändert, ist die Grenze eben nicht immer gleich.

Dein Selbstwertgefühl ist im Keller weil das leider ein Teil der Krankheit ist und das wird sich im Laufe der Genesung wieder verbessern. Jetzt bist du leider empfindlich. Wenn du ein gebrochenes Bein hast, kannst du auch kein Joggingpartner sein. Ist es verheilt, kannst du das wieder. So ist das auch mit deinem Selbstwertgefühl. Mach es dir einfach immer wieder bewusst.

Deine Therapeutin habe ich ja gleich gefressen wenn ich sowas lese. Jeder in seinem Tempo und eine Pause ist völlig in Ordnung. Am Anfang habe ich meinen Therapeuten auch öfter gesehen und mit der Zeit einen immer größeren Abstand zwischen den Terminen. Da ich eine Verhaltenstherapie mache und auch bisher keine andere Therapieform kenne, kann ich dir leider nicht sagen, ob sie für dich die richtige Form ist. Für mich war sie das auf jeden Fall. In der Therapie wird geschaut was die krank machende Struktur ist und wie man sie ändern kann. Ach eigentlich könnte ich mir das bei dir insofern gut vorstellen, weil du schreibst du weißt nicht mehr was ist Krankheit, was bist du. Auch solche Themen wie die mit Freunden und Familie, wie verhält man sich da, usw. können dort super erörtert und bearbeitet werden.

Bei mir weiß im Prinzip jeder von der Depression, der es hören will. Und das sind verdammt wenige übrigens. Ich gehe damit nicht hausieren, aber wenn die Sprache drauf kommt, sage ich es. Erstaunlicherweise interessiert es dann auch kaum jemanden. Man kann einfach nichts damit anfangen.
Meine Familie ist damit überfordert, meine Freunde haben ihre eigenen Probleme und kümmern sich nicht um jemanden der zurück bleibt, die Arbeit weiß bescheid und wartet verständnisvoll auf meine Rückkehr.
Neue Menschen die ich kennenlerne sind da meist am coolsten. Die nehmen das so hin und fragen eher mal was. Sie kennen einen ja nicht anders. Mein Umfeld hat schon sehr verstört reagiert, da ich mich sowohl in der Krankheit als „Kranke“ und durch die Krankheit (also neuer Mensch der alte Muster ablegt um gesund zu werden und nicht mehr zu erkranken) sehr verändert habe.

Ich kann dir nur sagen, dass du nicht falsch bist. Du musst dich nicht verstellen. Du musst auch bei einer Erkältung nicht aufhören zu niesen oder husten. Das schaffst du eh nicht. Und für mich ist die Depression auch kein Teil meiner selbst. Ich akzeptiere sie nicht als das. Sie ist eine Erkältung die auch wieder verschwindet. Ich muss nur dafür sorgen, dass sie es tut (Medikamente nehmen, etc.) und dafür sorgen, dass sie nicht mehr wieder kommt, also nicht mehr im Winter nackt nachts um halb 12 in Unterhose durch die Gegend laufen oder so ;)

Und noch mal zu deinem Selbstwert. Der ist krank. Das ist die Krankheit. Das ist Depression. So wie husten und schniefen Schnupfen ist, ist ein kaum oder nicht vorhandenes Selbstwertgefühl eine Depression.
Michael2909
Beiträge: 243
Registriert: 26. Aug 2015, 23:56

Re: Identität

Beitrag von Michael2909 »

Hallo!

Ich wollte auf nur auf eins eingehen.
Du schreibst das Medikament sorgt dafür das dass weinen unterdrückt wird.

Aus Erfahrung kann ich dir sagen ab und zu mal zu weinen hilft.
Zumindest mir und das sage ich als Mann.
Es befreit und nimmt so ein Druck Gefühl.
Ist sehr befreiend und danach fühlt man sich besser.
Es muss zwar jeder für sich selbst wissen aber aus meiner Erfahrung tut das schommal gut.

Liebe Grüße
Brummi59
Beiträge: 979
Registriert: 15. Aug 2014, 23:13

Re: Identität

Beitrag von Brummi59 »

Hi lebenslust und willkommen im Forum :hello:

leider kann ich nicht Alles lesen (Konzentration ist im Eimer)
Ich kann Dir nur raten, bleibe mind. auf dem Level, auf dem Du Dich jetzt befindest. Nur durch hinterfragen und genaues beobachten, kannst Du bei Dir die relevanten Veränderungen spüren. Nennt sich auch Achtsamkeit. Dazu gbt es jede Menge Trainingsangebote. Google mal nach Achtsamkeitstraining.
Führe (falls noch nicht) ein Stimmungstagebuch. Schreibe nicht nur rein, wie die Stimmung ist, sondern auch, was diese Stimmung ausgelöst hat. Mache dann eine wöchentliche Auswertung. Vielleicht findest Du so heraus, was Deine Stimmung, wie beeinflusst. Was tat Dir gut und was hat die Stimmung gedrückt.
Du schreibst, dass Du eine Therapeutin hast. Sprich sie mal auf den Kieslerkreis http://netzlogbuch.de/2013/07/kiesler-k ... verlaeufe/ an. Ich hatte dieses Model bei meiner CBASP-Therapie. Dieser Kieslerkreis hat mir die Augen ganz weit geöffnet.

Nur noch warum Du mind. auf diesem Level bleiben solltest: ich möchte nicht, dass Du so endest wie ich.
Ich durfte nicht krank sein. Depression ist nur eine Ausrede, weil die Leute nicht arbeiten wollen. Dabei war ich selbst schon in der mittelschweren Depression. Jetzt hänge ich seit Anfang 2014 in einer sehr schweren Depression fest und komme nicht raus aus dem Keller. Ich habe zu lange gewartet und drauf geachtet, immer ein perfektes (Schein)bild abzugeben.

Wenn Deine Freundin nochmal so einen dummen Spruch raushaut, dann sage ihr, sie soll einem Asthmakranken sagen, er solle sich nicht so anstellen, es ist doch genug Luft da.

Mehr Antwort schaffe ich nicht. Das bissel schreiben, bringt mich an die Leistungsgrenze.
Liebe Grüße
Dieter

---------------------------------------------------------------------------------
Du könntest dich den ganzen Tag ärgern - du bist aber nicht dazu verpflichtet!
*Arthur Lassen*
T Ally
Beiträge: 594
Registriert: 30. Jul 2014, 14:34

Re: Identität

Beitrag von T Ally »

Hallo Lebenslust,

die Antworten habe ich jetzt nicht gelesen, sonst traue ich mich nicht mehr zu schreiben, weil ich denke, alle anderen können so viel besser schreiben und ausdrücken was zu sagen ist.

Bereits gestern Abend habe ich Deinen Beitrag gelesen und heute Nacht und am Tag darüber nachgedacht. Mir ging und geht es auch immer noch wie Dir. Diese Vielzahl an Diagnosen macht es einem nicht leichter klar zu kommen. Mir wird einerseits gesagt, mein krankhafter Ehrgeiz und die Ordnungsliebe seinen "narzisstische Züge" mit "schizoider Verarbeitung" andererseits steht in einer Diagnose "zwanghaft". Von den unterschiedlichen Ausprägungen der Schwere der Depression und verschiedenen Persönlichkeitsstörungen gar nicht erst zu reden.

Aber was hilft es? Nichts!
Die Ärzte und Therapeuten beurteilen Dich nach Aussagen, es gibt keine Blutwerte, die explizit aussagen, was einem fehlt.
Wenn es Dir schlecht geht, dann ist es so.
Löse Dich von den Diagnosen und versuche, einen Zugang zu Dir zu finden, um etwas zu finden, was Dir hilft. Im bisherigen Leben ist vielleicht nicht alles gut gelaufen, sonst wärest Du nicht an diesem Punkt. Also frage Dich mal, was Dir gut tut und was Dir gefällt.

An diesen Fragestellungen arbeite ich auch noch und bin teilweise total verzweifelt, weil ich einfach nichts finde. Meine Wünsche sind: Ruhe und Schlafen.
Leider lassen sich diese mit einem Vollzeitjob nicht umsetzen und ich bin stets am Ende meiner Kräfte. Seit vielen Jahren hangele ich mich durch und habe noch immer nicht DIE Lösung gefunden. Aber ich glaube, erste Schritte gegangen zu sein. Jede Änderung ist schwierig, aber irgendwann muss man anfangen.

Was Freunde sagen muss egal sein, wenn sie Dich abwerten oder negativ beeinflussen wollen. Suche Dir richtige Freunde, die Dich verstehen und Dich stärken. Die gibt es! Aber es trennt sich die Spreu vom Weizen.
Das Wichtigste ist, dass Du auf Dich und Dein Gefühl, Deine Bedürfnisse hörst. Ist vielleicht am Anfang nicht einfach, aber irgendetwas sagt Dir, dass etwas nicht stimmt, daher geht es Dir nicht gut. Gehe diesem Gefühl nach und guck hin.
Ich wünsche Dir, dass Du schnell einen Weg findest, der Dir gut tut.

Alles Gute für Dich!
Salvatore
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Re: Identität

Beitrag von Salvatore »

Hallo Lebenslust,

ich konnte leider nicht alles lesen (zu viel). Mir ist das, was andere sagen, in deinen Postings jedoch zu vorherrschend. Was spielt das für eine Rolle, welchen konkreten Namen das hat (oder nicht hat), was du fühlst? Was für eine Rolle spielt es, ob verschiedene Leute verschiedene Namen dafür haben? Wieso muss es ein einzelnes Wort sein? Mir wurde auch schon allerhand diagnostiziert, über einiges haben andere hinterher den Kopf geschüttelt. Egal. Für mich ist wichtig: kann das angehen? Finde ich mich in der Beschreibung wieder?
Von vielen der gängigen Diagnosen habe ich nur Züge. Ich habe z.B. Zwänge, ohne dass die sich für eine Zwangsstörung qualifizieren würden - sie beeinträchtigen nicht meinen Alltag, ich leide nicht drunter und meine Umwelt auch nicht (z.B. sortiere ich Handtücher immer im Wechsel nach Farben hell-dunkel. :lol: ).
Für mich spielen Diagnosen nur eine Rolle, wenn sie mir den Zugang zu Behandlungsmöglichkeiten ermöglichen, darüber hinaus gilt: frag fünf Ärzte und du bekommst zwölf Meinungen. Egal!

Ich habe mir seinerzeit die Diagnose selbst gestellt und bin dann so zum Hausarzt ("Ich glaube, ich habe eine Depression."). Ich war erleichtert. Hatte fast mein ganzes Leben lang das Gefühl, ich wäre ein Alien und gehöre eigentlich nicht in diese Spezies, weil ich so anders war als andere und Dinge anders wahrgenommen habe. Mit der Diagnose hat zum ersten Mal alles einen Sinn ergeben, ich war gar nicht falsch und auch kein Alien, sondern ich habe einfach nur schon sehr lange eine Depression.

Jede Eigenschaft hat IMMER seine zwei Seiten, sein Gutes und sein Schlechtes. Wenn du leicht zu verunsichern bist, kann man sagen: du hängst deine Fahne nach dem Wind und hast keine eigene Meinung. Oder man kann sagen: du nimmst die Meinungen von anderen ernst und blockst nicht gleich alles ab.
Du könntest eine Liste machen mit den Dingen, die dich jetzt gerade ausmachen (das können nächste Woche, nächsten Monat, nächstes Jahr,... andere Dinge sein). Und dann machst du eine Tabelle, auf die eine Seite trägst du ein, was an diesen Eigenschaften positiv ist und auf die andere Seite, was daran negativ ist. Von da aus kannst du entwickeln, wo du hin möchtest. Zum Beispiel: "Ich möchte auch weiterhin die Meinungen von anderen in Betracht ziehen, dann aber einen Standpunkt dazu entwickeln und bei dem auch bleiben".
Oder: "Ich bin sensibel und möchte auch weiterhin mitfühlend und einfühlsam auf meine Mitmenschen einzugehen, aber ich möchte lernen, mich selbst dabei besser zu schützen.

So arbeitet auch Verhaltenstherapie, also kann ich dir wirklich raten, das mal auszuprobieren. Könnte was für dich sein, weil es sehr konkret arbeitet und dich vielleicht nicht so destabilisiert wie die Tiefenpsychologie. Zu deiner Therapeutin kann ich nichts sagen, da ich nicht weiß, wie z.B. die Absprache mit der Pause gelaufen ist. Auch da gibt es ja immer zwei Seiten und ich kenne jetzt nur ganz, ganz vage die eine.

Weißt du, was eine Tagesklinik ist? Vielleicht wäre das ja etwas für dich, um gezielt und in einem kompakten Mix aus verschiedenen Therapieansätzen an dir zu arbeiten.

Alles Gute für dich wünscht
Salvatore
Blog: http://www.oddyssee.de
Instagram: Oddysee@meine_oddyssee
anna54
Beiträge: 3713
Registriert: 14. Sep 2010, 15:08

Re: Identität

Beitrag von anna54 »

hallo Lebenslust
das Gefühl Blindflug----war in der Zeit,als ich die Klinikbehandlungen noch als Lösung sah----immer nach der Entlassung ganz deutlich.
Ich hatte den Boden verloren,meinen Alltag,meinen Arbeitsplatz,meine Kontakte.
Hab dann mit vielen kleinen Schritten mir wieder meinen Platz im Leben suchen müssen.
Ich gehörte nirgens hin---so mein Gefühl.
Ich habe Familie,zwei Kinder----alles war nur noch fremd,weil auch die makaberen Therapeutenratschläge----mich trennen zu sollen----alles in Scherben geschmissen hatten.

Blindflug ging aber vorbei-----irgendwann hab ich wieder Boden gewonnen,bin zuerst immer barfuß gelaufen----als müßte ich nachspüren,wiederfinden.
Geholfen hat die Mischung,aus besserer ärztlicher Betreuung,neuer ambulanter Psychotherapie und der wiederkehrende Lebenswille.
Ich war ganz viel draußen,hab jede Blüte gesucht einfach wieder Spüren gelernt.
Dann wieder Schritte auf andere Menschen zu,sehr schwer,viele "Reinfälle"----immer mit der Rückzugsmöglichkeit hab ich neue Türen geöffnet.

Meine desolate Konzentrationsschwäche war dann eine Unterfunktion der Schilddrüse.
Mit der Medikation wurde ich wacher,stärker und auch hoffnungsvoller.
Der Beginn eines Ehrenamtes (ich war 60Jahre) hab ich noch mal viele Jahre in einem Bereich verbracht,der vorher ein Arbeitsplatz war.

Wer bin ich,wer war ich,wo will ich hin-----
das war die größte Frage
irgendwann hab ich nicht nur den Kopf fragen können,irgendwann war da wieder das sichere Bauchgefühl----ich bin wieder da.
Den Boden verliere ich immer wieder,kurz----es sind Krisen,die durch Überforderung entstehen. Ich habe ein Notfallmedikament,schlafe dann viel und gebe mir einfach Zeit,meist brauche ich eine Woche.

Schuldzuweisungen habe ich viele bekommen,gefühlt und mich selbst klein gemacht----das war ein ganz großer Schmerz,der auch jetzt noch da ist.
Depression ist auch----Schuld zu fühlen----.
Dass ich in meinem Beruf keine Chance mehr hatte,das war ein großes Unglück----ich war 20Jahre dort----bekam die Kündigung anstatt einer Wiedereingliederung.
Das würde mir heute nicht mehr passieren,ich würde von Anfang an die Krankheit ernster nehmen,viel mehr fachliche Hilfe einfordern.

Die größten Fallen einer schweren Depression habe ich erst entdeckt,als es zu spät war.
Habe viel gelesen,bin zu jedem Fachvortrag gegangen,den ich erreichen konnte,verschiedene Selbsthilfegruppen.
Mir immer etwas Zeit gegeben,immer wieder überprüft----ist das meins----bringt mich das weiter---oder bremst mich das aus.
Was gibt mir Kraft,wer klaut mir meine Kraft,wer saugt mich aus----wie kriege ich Energie,wo ist der Zugang zu meinen eigenen Selbstheilungkräften.
Viel Text,meine Gedanken,nimm dir was du brauchst,sei egoistisch
Das Buch, Eigensinn wie immer Ursula Nuber ein Gewinn!
Herzliche Grüße
anna54
lebenslust
Beiträge: 22
Registriert: 9. Jul 2016, 13:00

Re: Identität

Beitrag von lebenslust »

Hallo Eva,
hallo Michael,
hallo Brummi,
hallo T Ally,
hallo Salvatore,
hallo Anna,

vielen herzlichen Dank für eure wertvollen Antworten.
Ich habe alle immer gleich gelesen - aber komme erst jetzt dazu zu antworten.
Dafür lese ich mir immer alle nochmal durch und schreibe mir neben dran auf einen Zettel worauf ich eingehen will.
Ich möchte, dass Ihr wisst, dass ich eure Antworten sehr wertschätze.
Am Wochenende werde ich aber nicht da sein und danach arbeite ich wieder - das heißt, wenn ich nächstes Mal länger oder auch lange zum antworten brauche - dann nehmt es bitte nicht persönlich. Ich lese garantiert alles!!! An der Stelle auch schon jetzt allen ein schönes WE.

Zum Weinen - also bei mir ist das auf einem Level, woran gar nichts mehr entlastend ist. Früher war es das auch mal, ja da gebe ich Dir recht, diese Erfahrung kenne ich aus Kindertagen... Aber schon seit vielen Jahren sind das Heulattacken, die nur anstrengen, die wenn sie da sind einfach nur schrecklich sind. Ich muss aber sagen, an der Stelle helfen die Medikamente echt gut. Ich muss eindeutig weniger oft so ausufernd heulen.

Zu den guten und den schlechten Tagen - irgendwo hab ich mal den Tipp gelesen, dass man seine Aktivitäten nach dem Rhytmus ausrichten soll.... Sprich - Je nach Phase klotz ich echt auch bewusst voll ran - putze das Haus, kontaktiere Leute etc. - weil es Tage gibt wo einfach gar nix geht...
Genauso eigentlich bei der Arbeit..... Jonglieren hilft. Nicht jeden Tag eine Leistung auf hohem Niveau von sich erwarten.

Das mit der Therapeutin und dem Punkt, dass sie sich einer kurzen Pause (ich dachte da echt so an 3-4 Wochen) verweigert hat und meinen Platz dann anderweitig vergeben hat weil sie dachte, ich wäre nicht ausreichend bei der Stange (dabei bin ich 1 1/4 Jahre jede Woche ohne Fehlzeiten pünktlich dahin), fand ich auch komisch. Aber ich glaube, dass das für sie so eine Machtfrage war. Ich wollte das, sie wollte das nicht, hat mir dann immer erklärt sie sei keine Bestellpraxis und hätte wirtschaftliche Verpflichtungen, da könnte sie das nicht so machen...
Aber Hallo - was solls - Sie hat mir den Aspekt Wirtschaftlichkeit eh zu sehr in Fokus gestellt...
Suche mir dann jetzt eine Verhaltenstherapie bzw. warte erstmal etwas zu, wie es läuft. Mit der Medikamentenerhöhung geht es mir gerade echt gut (also heute :) ).

Es hat mir gut getan, eure Einstellungen zu "Selbstwert, Scham, Nicht falsch sein" zu lesen.
Wenn ihr als ebenfalls Betroffene euren Stolz bewahrt habt, dann fällt es mir leichter mir diesen auch zuzugestehen.

Ich habe mir jetzt die App Daylio als Stimmungstagebuch runter geladen.
Bisher führe ich sowas nur sehr rudimentär. Ich hab sowas wo ich den Einfluss des Zyklus auf die Stimmung verfolgt habe - aber mir leuchtet ein, dass es Sinn macht auch andere Aktivitäten auf einen Einfluss auf die Krankheit zu scannen.... Und ich steh sowieso auf Apps, die mir das Leben erleichtern 8-)

Wo findet man denn gute Fachvorträge? Gibt es dafür eine Plattform, auf der diese ausgewiesen werden?

Ich habe tatsächlich schon einmal überlegt, mir eine Selbsthilfegruppe zu suchen. Aber ich hab da noch meine Hemmungen. Im Moment überlege ich, ob nicht das Forum für mich eine Art Selbsthilfegruppe sein kann (bzw. ist).

Nochmal zum Ausgangsthema "Identität unter dem Gesichtspunkt der Krankheit und ihrer Auswirkungen".... - Es stand die Frage im Raum, wieso ich mich so von den Meinungen der anderen abhängig mache....

Ehrlichgesagt weiß ich das nicht so genau. Ich wurde früher seeeehr viel kritisiert daheim. Vielleicht hängt es damit zusammen.
Oder es ist so, dass die Stimmen im Außen (so unterschiedlich sie auch sind) meinen inneren Anteilen entsprechen und sozusagen mein Umfeld einfach die widerstreitenden "Stimmen" oder "Meinungsbildenden Gedanken" formuliert.
Ich denke ich bin in mir drin unsicher ob ich eine Depression "wirklich wirklich, so richtig wirklich" habe (oder mich nur anstelle und die Probleme eigentlich jeder hat aber andere das nicht so thematisieren weil sie eben "schlauer" "besser" "stabiler" sind....überspitzt gesagt) und ob die Medikamente richtig und wichtig und notwendig sind (oder Schaden anrichten können, oder nur ein Placeboeffekt haben, oder mich fett machen, oder ich nur zu viel esse)....

Und dann kommt von außen Person x y z und sagen irgendwas daher - und ich hab vielleicht gerade innerlich eine Mitte gefunden in dem Widerstreit und werde dann von den Meinungen aus meiner Mitte gezogen.... Oder nehme diese wichtig, weil ich Antworten suche und vieles vage bleibt.

Es ist spannend, wie viele von euch verschiedene Diagnosen haben und auch solche, wo andere Ärzte nicht unterschreiben würden.

In einem Buch habe ich etwas in die Richtung gelesen -
man sagt "ich bin depressiv" aber nicht "ich bin krebs".
Es ist für mich irgendwie schwieriger als bei einer zeitlich klar umrissenen körperlichen Krankheit zu sagen "das ist die Krankheit, das bin ich"....
Ich kann keinen "Startpunkt für die Depression" nennen. Intuitiv würde ich sagen - ab dem 11 Lebensjahr.
Ich könnte nicht mal sagen die wievielte Episode das ist und wie lange diese schon dauert. Weil vor der diagnostizierten Depression waren 9 Jahre Esstörung und es war zwar damals nicht diagnostiziert, weil ich mich damals keinem anvertraut hatte - aber natürlich hatte ich damals schon schwerste Depressionen....

Lange Jahre habe ich bei der Arbeit auch immer noch funktioniert und niemandem davon erzählt. Das hat mir in sofern geholfen, weil ich auf der Arbeit immer so ein "korrektes, gesundes" Ich von mir erleben konnte.
Zwischenzeitlich sind Themen wie Therapie, Medikation, etc. einfach schon so nah, dass ich mir selber weniger vermitteln kann, dass ich diesen fähigen Teil so noch habe....

Ich bin durch die Depression sehr kritikempfindlich geworden. Da stürzen jeweils Welten zusammen, die ich mühevoll zusammenhalte.... Wenn mir dann die Kritik was ausmacht und mich tief verunsichert, dann bin ich gleich wieder in einem inneren Schlagabtausch, weil ich nicht kritikfähiger bin....
Eigentlich paradox....

Freue mich, wenn ihr weiterschreibt. Ich bemühe mich auf jeden Fall bald zu antworten.

Lasst es euch so gut gehen, wie ihr könnt.

Schöne Grüße, lebenslust

p.s.: eventuelle Rechtschreibfehler vorbehalten .... lese es jetzt nicht mehr Korrektur.
anna54
Beiträge: 3713
Registriert: 14. Sep 2010, 15:08

Re: Identität

Beitrag von anna54 »

Hallo Lebenslust
du leidest schon so lange,und du hast gelernt,nur noch eine
Fassade zu zeigen,ein angeblich gesundes Ich.
Hast du dich dabei verloren?
Ich wünsche dir von Herzen,dass du gute Ärzte und Therapeuten findest,damit zu dir selber wieder auf die Spur kommst.
Das wird sehr lange dauern,verliere nie den Mut!
Kämpfe für dich,für ein, endlich gesundes Leben.
Verletzlichkeit ist ein Symptom der Depression,Dünnhäutigkeit ist ein Hinweis auf die Schwere deiner Erkrankung.
Es kann so lange dauern,wie es eben dauern muss----aber es gibt immer auch gute und auch sehr gute Zeiten.
Neue Krisen müssen nie wieder so tief gehen,du brauchst gutes Handwerkszeugs,gute Strategien.
Ich befürworte die Verhaltenstherapie,mir hat das gut geholfen,weil näher an meiner Lebenswirklichkeit.
Herzliche Grüße
anna54
ja,das Forum ist die beste Selbsthilfegruppe!
Eva2
Beiträge: 47
Registriert: 21. Sep 2016, 22:11

Re: Identität

Beitrag von Eva2 »

„In einem Buch habe ich etwas in die Richtung gelesen -
man sagt "ich bin depressiv" aber nicht "ich bin krebs“.“

Das finde ich irgendwie etwas seltsam. Hier wird ein Adjektiv mit einem Nomen gleichgesetzt. Ich habe Krebs und ich habe eine Depression … aber ich bin nicht Krebs und ich bin nicht Depression … ich bin depressiv und ich bin krebskrank oder verkrebst. Man ist ja schließlich auch erkältet und nicht Erkältung.
JennyEatWorld
Beiträge: 3
Registriert: 20. Mär 2016, 20:16

Re: Identität

Beitrag von JennyEatWorld »

Hallo Lebenslust!
Ich finde den Namen sehr gut. Denn die Lebenslust solltest du nie verlieren, egal wie schlimm es dir geht.
Ich leide unter schwerer Depression und kenne das Identitätsproblem nur zu gut. Denn bei mir liegt auch eine Persönlichkeitsstörung vor. Als ich das erfuhr, wusste ich auch nicht mehr, wer ich eigentlich bin und was an mir Krankheit ist. Aber ich wusste, ich hatte neben schlechten Erfahrungen auch sehr viele gute Erfahrungen gesammelt. Ich hatte Spaß und Freude. Ich hatte Freunde und Beziehungen. Alles an mir konnte also nicht falsch sein. Ich habe auch Charaktereigenschaften, die Andere zuschätzen wissen. Ich bin wer ich bin. Ich bin also nicht "normal", aber das ist nicht schlimm. Bis ich das erkannte war es ein weiter Weg und eine gute Therapie. Ich weiß, ich kann mich ändern. Einschränkungen, die Andere nicht haben, wie z.B. Menschen zu vertrauen, kann ich lernen. Das dauert. Aber es geht. Therapie und Medikamente helfen mir dabei mich selbst zu akzeptieren. Anfangs hatte ich auch Angst davor Medikamente zu nehmen. Aber wenn du erstmal das richtige hast und richtig eingestellt bist, dann wirst du sehen, dass du sogar mehr du selbst bist als zuvor. Sie helfen dir gegen die Antriebslosigkeit, Müdigkeit, Angst etc. alles was dich sonst hindern würde, wieder du selbst zu sein. Das ständige Selbstreflektieren ist (bei mir) sehr wichtig. Gerade am Anfang neigt man dazu alles auf die Depression zu schieben. Aber das macht es nicht besser, denn sie ist ein Teil von dir. Du wirst sie nicht einfach los. Du musst lernen sie zu akzeptieren. Hört sich bestimmt total "guruhaft" an, aber es ist so, jedenfalls war es bei mir so. Ich habe so oft geweint, mich selbst gehasst, dafür, dass ich so bin, so anders. Ich wollte, dass es aufhört. Ich dachte, wenn man weiß, dass es Depression ist, dann behandelt man es und es ist weg. Das ist aber nicht so. Du musst damit leben. Du wirst immer wieder Phasen haben, wo es dir schlecht geht. Du musst dir aber sagen, dass die auch wieder vergehen. Und je mehr du dagegen tust, desto besser. Sich krank-schreiben lassen, ist nicht die Dauerlösung. Das tut sicher mal gut, nach viel Stress und man wieder Energie tanken muss. Aber schaue nach Dingen, die dich glücklicher machen, auch nach der Arbeit, oder am Wochenende. Ich mache in der Woche Sport, gehe Laufen. Und am Wochenende gehe ich immer raus. Unternehme etwas mit Freunden oder meinem Freund, auch wenn ich keine Lust habe. Ich weiß, danach geht es mir besser, es tut mir gut.
lebenslust
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Registriert: 9. Jul 2016, 13:00

Re: Identität

Beitrag von lebenslust »

Eva2 hat geschrieben:„In einem Buch habe ich etwas in die Richtung gelesen -
man sagt "ich bin depressiv" aber nicht "ich bin krebs“.“

Das finde ich irgendwie etwas seltsam. Hier wird ein Adjektiv mit einem Nomen gleichgesetzt. Ich habe Krebs und ich habe eine Depression … aber ich bin nicht Krebs und ich bin nicht Depression … ich bin depressiv und ich bin krebskrank oder verkrebst. Man ist ja schließlich auch erkältet und nicht Erkältung.
Stimmt eigentlich :D geb ich dir absolut Recht
lebenslust
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Registriert: 9. Jul 2016, 13:00

Re: Identität

Beitrag von lebenslust »

JennyEatWorld hat geschrieben: Ich wollte, dass es aufhört. Ich dachte, wenn man weiß, dass es Depression ist, dann behandelt man es und es ist weg. Das ist aber nicht so. Du musst damit leben.
Das ist mein persönlicher Horror und doch habe ich natürlich auch die Ahnung, dass es genau so ist.
Trotzdem macht es mir Angst.

Du hast einen Freund - das ist schonmal was.
Ich habe keinen und schon ewig nicht gehabt, weil ich zurzeit überzeugt davon bin, dass sowieso jeder die Flucht ergreift der erfährt, dass ich "depressiv veranlagt" bin und ich habe keine Lust mit Lügen in eine Beziehung zu starten. Ich bin momentan der tiefsten Überzeugung, dass es für alle jemanden gibt - aber nicht für mich.

Etwas am Thema vorbei, aber das hab ich gerade empfunden.

Ich finde dein Beitrag klingt stark und mutig. Ich finde du wirkst schon, als ob du deine Identität wieder gefunden hättest.

So nach einer Woche AU muss ich sagen, bin ich auch wieder geerdet. Bin ich auch wieder "ok" mit mir. Mein Gefühl sagt mir, dass ich diese Ahnung von "so bin ich, das bin ich" gut festhalten muss. Der Stress der Arbeit wird das wieder negativ beeinflussen.
Antworten