Sich alt fühlen (obwohl man es nicht ist)

Inertia
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Sich alt fühlen (obwohl man es nicht ist)

Beitrag von Inertia »

Hallo zusammen,

das hat zwar jetzt nicht unbedingt etwas mit Depressionen zu tun, aber irgendwie brennt mir das Thema gerade auf den Nägeln.

In letzter Zeit fühle ich mich wieder mal furchtbar alt, und das obwohl ich erst 23 bin. Das wird jetzt für die meisten von euch wahrscheinlich etwas verrückt klingen.
Ich weiß ja dass ich eigentlich noch sehr jung bin - es geht mir mehr darum, was ich schon alles verpasst habe oder haben könnte. Wo andere in meinem Alter bereits stehen, und wo ich stehe.
Außerdem ist es mir erst vor ungefähr zwei Jahren wirklich bewusst geworden, dass ich älter werde. Und das war ein Schock. Noch habe ich Zeit, ja. Aber schon jetzt werden gewisse Dinge nie mehr so werden wie sie waren, oder hätten sein können. Und wenn ich mal ein paar Jahre in die Zukunft denke oder irgendwelche Pläne schmiede, da bin ich plötzlich irgendwann 30.

Und das macht mir wirklich Angst. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich bereits lebe. Ich warte noch darauf, dass mein Leben richtig beginnt. Aber irgendwann müsste das ja doch langsam mal passieren...
Sonst ist es irgendwann zu spät.

Wie geht es euch damit? Vielleicht auch vor dem Hintergrund, dass man aufgrund einer Depression oft wertvolle Lebenszeit verliert. Wie alt fühlt ihr euch, und kennt ihr diese "Torschlusspanik" auch?

Edit: Ich weiß, manche von euch wären vielleicht gerne nochmal so jung wie ich. Ich will niemandem zu nahe treten, einfach mal vorsichtig in die Runde fragen. :)
Bogey
Beiträge: 136
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Re: Sich alt fühlen (obwohl man es nicht ist)

Beitrag von Bogey »

Hi,
yep. Ich fühle mich oft +20 Jahre Älter.
Aber was soll s?.
Ich schaue mir dann Sportler der Paralympics an: Einfach machen, was noch geht. Jeden Tag prüfen, was geht.
Gut, gestern ging nicht viel, aber mehr als gestern geht fast immer.
Ich hake das mal ab und fange heute wieder an.
Hast Du Ziele?
Vielleicht brauchst Du länger und es wird auch nicht leichter, aber Du kannst Dich ranarbeiten, wenn s einigermaßen realistisch ist. Flug zum Mars und Papstjob würde ich in meinem Alter abhaken. Aber wieso solltest Du nicht Papst werden können in den nächsten 50 Jahren?
Andererseits: Vielleicht erstmal eine Patenschaft für ein kleineres Projekt?
Projekt:
*Keller aufräumen.
*Hund
*Reitstunden
*Altkleider bei der Diakonie aubuegeln und verteilen
*Praktikum bei der Lebenshilfe
Fällt mir mal spontan ein...
Gruß
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Botus
Beiträge: 2096
Registriert: 29. Mär 2014, 06:36

Re: Sich alt fühlen (obwohl man es nicht ist)

Beitrag von Botus »

Ich hatte solche Gedanken mit 23 nicht, weil die Doppelbelastung Schule / Studium und 7 x Nachtarbeit pro Woche zu jew. 12 Std keinen Raum für derartige Gedanken zuließ. Ich bekam solche Gedanken Ende 20, als ich plötzlich Zeit hatte und ein gewisses Existenzminimum gesichert war. Um in`s Grübeln zu verfallen, muss Zeit und Sicherheit vorhanden sein, sonst kann ich das nicht.

Meine Gedanken waren damals ähnlich. Es wurde aber nicht besser, sondern eher schlimmer. Irgendwann dachte ich, es wäre besser, das Leben quasi komplett einzustellen und mich auf das Später zu konzentrieren. Es erschien mir sinnvoller, auf mein Wunschleben mit 40 hin zu arbeiten und mich darauf zu freuen, als zu versuchen, in die trübe Gegenwart Schönes hinein zu kriegen oder einen Sinn oder Glück oder Freude.

Das ist nicht zur Nachahmung empfohlen, denn es heißt ja, man soll im Heute leben und nicht für später. Für mich war es aber sehr gut, allerdings gibt es natürlich das Problem, dass das kaum jemand sonst gemacht hat. So besteht heute wenig Übereinstimmung mit dem, was meine Gleichaltrigen heute so an Sorgen haben. Ich verstehe deren Sorgen sehr gut, denn ich hatte die ja früher selber, aber ich möchte nicht wieder an diesen Punkt zurück. Ich habe ebenfalls Sorgen, aber es sind ganz andere.
Katerle
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Re: Sich alt fühlen (obwohl man es nicht ist)

Beitrag von Katerle »

Hallo Inertia,

im Alter von 23 Jahren fühlte ich mich deshalb alt (von meinen KH her), obwohl ich immer jünger aussah. Bereits mit 30 war ich am Ende meiner Kräfte. Bis dahin war mein Leben voll ausgefüllt. Nach der Schule war ich arbeiten und abends im Bett machte ich meine Hausaufgaben. Hatte einen sehr schönen Beruf und wollte eine Familie, Kinder.

Worauf willst du warten? Fang jetzt an und finde heraus, was dir Spaß machen würde. Den Vorschlag mit dem Projekt von Bogey finde ich ganz gut oder du versuchst mal herauszufinden, was dir Spaß macht, Sport oder ein anderes Hobby.

Wünsche dir viel Erfolg!
Katerle
somebody
Beiträge: 221
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Re: Sich alt fühlen (obwohl man es nicht ist)

Beitrag von somebody »

Hallo Inertia,
ich bin selbst 24 und kenne sowohl das Gefühl, sich alt zu fühlen, als auch das Gefühl, sich im negativen Sinne sehr jung zu fühlen.

Ich persönlich kenne es auch, mich mit anderen zu vergleichen. Andere sind in Teenie-Jahren, vor allem aber nach dem Schulabschluss durch die halbe Welt gereist. Gefühlt bin ich die einzige, die eben noch nicht Südostasien bereist hat, viele Städte Europas kennt, Auslandssemester gemacht hat oder Weltreisen plant. Auch habe ich keinerlei Berufserfahrung, eigentlich keine Praktika/Jobs neben dem Studium gemacht, keinen Spanischkurs belegt und auch viele Dinge des Stadtlebens noch nicht gemacht.
Und ich fürchte mit jedem Geburtstag mehr, dies nie wieder aufholen zu können. Mich in der Vergangenheit falsch entschieden zu haben. Und dieses Gefühl, etwas nicht mehr nachholen zu können, fühlt sich alt an. Es folgen Gedankenkreisel und Selbstvorwürfe, ich hätte Dinge anders oder besser machen können. Doch wenn ich das ganz ehrlich durchdenke, hätte ich eben nicht sehr viel anders machen können. Ich habe bereits viel gemacht für meine Umstände.
Auch, dass ich "in der besten Zeit meines Lebens" sei, lässt mich alt fühlen. Doch das hat definitiv mit meinen Problemen zu tun, welche es definitiv nicht zur besten Zeit machen. Ich fühle mich eben ganz und gar nicht quickfidel, zum Bäume ausreißen oder unverwundbar wie manch andere.
Was bei mir auch sehr vorherschend ist, ist die Einsamkeit. Einsamkeit ist in meinem Kopf oft ein bildlicher Teil des Alt-seins gewesen. Alt und einsam. Doch kenne ich sie von klein an.
Auch habe ich immer Angst vor Altersarmut. Quälende Armut verbinde ich eben auch noch mit Alt-sein. Doch habe ich die letzten Jahre über den Euro tag täglich viel zu oft umdrehen müssen.
Das ist die negative Seite, welche ich beim Vergleichen mit Anderen sehe.

Was ich manchmal auch merke, ist, dass ich in manchen Bereichen mehr Erfahrungen gesammelt habe, als andere. Umgang mit wenig Geld, psychischen Problemen von mir und anderen, handwerkliches, Organisieren, Selbständiges Handeln, Verantwortungsübernahme, Haushaltsführung, Tierhaltung...
Und in diesen Bereichen mehr Erfahrung als Gleichaltrige zu haben, ist nicht zwingend schlecht. Doch gibt mir auch das das Gefühl, alt zu sein. Älter zu sein, auch wenn ich es nicht bin. Teils sogar jünger. Erfahrung und Reife können eben ein anderes Alter sein, als das biologische oder das optische...

Auf der anderen Seite fühle ich mich manchmal auch wie ein zwölfjähriges Küken. Eines, das weniger von der Welt da draußen gesehen hat, wenig an Aktivitäten miterlebt hat, die man als heranwachsende oder Erwachsene evtl. erleben kann. Eines, das auch sonst vllt nicht viel weiß. Das auch noch nicht sonderlich viel Selbsterkenntnis hat, wenn es sich eben mit bestimmten Personen vergleicht. Wenn es ums optische geht, werde ich auf den ersten Blick manchmal scheinbar für noch jünger gehalten. Ich werde in Geschäften immer wieder ungefragt geduzt und wie ein Kind behandelt, was ich sehr respektlos finde. Auch wurde ich beim Kauf von Wein letztes Weihnachten nach dem Ausweis gefragt... Ich kann nur vermuten, dass meine Körpergröße, unreine Haut, Kleidung und Fahrradhelm da mitrein spielen. Wissen tu ich es nie.

Letztlich bin ich ein Küken. Ja, eines das weniger von der großen weiten Welt da draußen gesehen hat. Aber auch ein Küken, das vom Inneren des Menschen, von seinen Gefühlen, zwischenmenschlichen Beziehungen etwas mehr gesehen hat, als andere Küken. Und dieses Küken hat sogar noch praktische Fähigkeiten. Ich glaube, beim sich-alt-fühlen hilft es, gnädiger mit sich selbst zu sein, sich weniger zu vergleichen und sich seine Stärken bewusst zu machen.

Ich hoffe, Inertia, du kannst vllt etwas daraus ziehen für dich. Sorry, dass es wieder ein halber Roman geworden ist :oops:

liebe Grüße,
somebody
Botus
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Re: Sich alt fühlen (obwohl man es nicht ist)

Beitrag von Botus »

Angst vor eventueller Armut (später oder im Alter) müssten doch eigentlich die haben, die Mitte 20 auf lange Fernreisen gehen oder ständig in irgendwelchen Metropolen Europas sind oder dauernd total hippe Sachen machen.

Oder sehe ich das falsch ? Das sind doch alles Sachen, die nichts einbringen. Im Hinblick auf das spätere Leben würde ich das als ganz schön riskant bezeichnen.

Wenn jemand Mitte 20 solche Sachen nicht macht, weil er mit spätestens 30 einen eigenen Betrieb haben will, könnte man ihm nacheifern wollen oder neidisch sein, das könnte ich nachvollziehen, denn dem geht es später mal gut.

Aber man kann doch nicht diejenigen als Leitbild sehen, die diese wichtigen Jahre mit Fernreisen, Spaß und hippen Dingen verplempern. Würde man denen nacheifern, schadet man sich doch nur, denn die werden später Probleme kriegen.
M1971
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Re: Sich alt fühlen (obwohl man es nicht ist)

Beitrag von M1971 »

Die Angst vor Altersarmut ist sehr berechtigt.
Man geht davon aus, dass jeder Zweite, der ab 2030 in Rente geht, von Altersarmut betroffen sein wird. Und das sind dann Menschen, die 45 Jahre hart gearbeitet haben.
Lampi656
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Re: Sich alt fühlen (obwohl man es nicht ist)

Beitrag von Lampi656 »

M1971 hat geschrieben:Die Angst vor Altersarmut ist sehr berechtigt.
Man geht davon aus, dass jeder Zweite, der ab 2030 in Rente geht, ...
Andererseits:
"Altersarmut" besteht aus zwei Wortteilen. Und mit "ab 2030 in Rente ..." geht auch wohl davon aus, dass "Alter" erreicht wurde.
Also aus meiner Sicht würde es dann auch reichen mit "weiter alt werden", irgendwann ist ja mal Schluss.
Mit Depri und Grundsicherung jeden Monat vor der Strom- und Telefonrechnung zittern? Und auf die Art unbedingt dann noch 90 werden wollen: Ehrlich, ohne mich.
Dann war da am Sonntag der bedrückende TATORT über Sterbehilfe in der Schweiz ...
Wie sagte ein Sterbewilliger "Ich bin jetzt 70, habe Krebs und scheiße wieder in die Windel, weil ich keine Kontrolle mehr habe ...". Ganz ehrlich: Muss man das wollen?
Ich finde, es macht Angst, so uralt werden zu müssen, dass man jede Würde und jede noch so kleine Freude aufgeben muss, nur um noch älter zu werden. Nö. Sollen andere so machen.
Ich winke :hello: euch vom Friedhof aus zu und schau mir für den Rest der Ewigkeit die Radieschen von unten an. :roll:
Lampi alias Bogey (hat mit Computerwechsel zu tun und vergessenen Passwörtern)
M1971
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Re: Sich alt fühlen (obwohl man es nicht ist)

Beitrag von M1971 »

@ Lampi
Ja, ich gehe davon aus, dass es Menschen gibt, die trotz Depression das reguläre Renteneintrittsalter erreichen
Botus
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Re: Sich alt fühlen (obwohl man es nicht ist)

Beitrag von Botus »

Ich meinte das in Bezug auf hier beschriebene Ängste von 20-25 jährigen. Die hätten den Vorteil, das vorher zu wissen. Sie werden nicht von der Altersarmut überrascht, so wie es vielen Älteren ergeht. Ältere haben ja kaum eine Chance, denn es rechnete früher niemand damit, dass es mal so kommen wird. Das vorher zu wissen, sehe ich schon als große Chance.

Bei alten Menschen sollte man auch das gesamte Spektrum sehen. Ich kenne einige, die ein ziemlich geiles Leben haben, obwohl die schon richtig alt sind, d.h. über 80. Die sind gesund, sie wohnen in ihrem Haus, sie sehen noch richtig gut aus und von Armut keine Spur. Denen gegenüber fände ich es unfair, so zu reden, als wäre ihr Dasein nicht schön oder nicht lebenswert. Es wäre auch falsch, das zu sagen, weil es nicht so ist. Tauschen möchte ich nicht mit denen, weil ihre Lebensuhr schon weit ist, aber als Vorbild finde ich sowas schon gut. Mich interessiert, was die in meinem Alter machten. Eine gute Orientierung.
Zuletzt geändert von Botus am 22. Sep 2016, 17:08, insgesamt 1-mal geändert.
M1971
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Registriert: 26. Apr 2014, 17:39

Re: Sich alt fühlen (obwohl man es nicht ist)

Beitrag von M1971 »

Ich glaube wir reden aneinander vorbei.
Es geht nicht allen Menschen im Alter schlecht.
Die Prognosen weisen jedoch darauf hin, dass die Altersarmut zunimmt. Insbesondere jüngere Menschen können sich durch die Veränderungen in der Arbeitswelt ( lange Praktika, befristete Stellen) leider kein solides Polster mehr schaffen.
Botus
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Re: Sich alt fühlen (obwohl man es nicht ist)

Beitrag von Botus »

Ja, das stimmt. Selbst mit einer besseren Ausbildung ist es heutzutage schwer. Aber das war es früher auch schon, zumindest für einige. Wenn ich allein überlege, dass ich früher für jeden Mist (den andere durch ihr Elternhaus gratis hatten) etwas zahlen musste, Miete, Gebühren, Zinsen, was weiß ich. Allein diese Erschwernisse wirkten wie LKW-Bremsscheiben, die einem an die Füße gebunden sind und einem am Laufen hindern.

Ich kann nachvollziehen, wenn jemand einen sehr schweren Start hat. Man hat dann quasi keine andere Wahl als das in einen Vorteil umzumünzen. Deshalb fand ich auch immer diese Opas gut, die ein geiles Leben hatten und Stories erzählen, sie hätten früher überhaupt nichts gehabt und Samstage waren ganz normale Arbeitstage. Ich will nicht sagen, dass sowas gut ist, aber es gab mir damals Mut. Diese Opas haben nirgendwo gearbeitet, sondern Eigenes aufgebaut. Das muss man dazu sagen.
Ziege04
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Re: Sich alt fühlen (obwohl man es nicht ist)

Beitrag von Ziege04 »

Hallo Inertia,
hallo @ All

Ich erinnere mich an Zeiten, so zwischen 20 - 30, da gab es Phasen, in denen ich ähnlich empfand. Doch es blieben, zum Glück, Phasen, es manifestierte sich nicht. Also, was wohl jeder kennt.
Aus der heutigen Sicht, kann ich es anders nachvollziehen.

Nun bin ich Mitte 40, habe sozusagen meine Jugendziele erreicht, diese waren: Ausbildung, Arbeit/ eigenes Einkommen, Wohnung, Heirat, Kinder, Auto.
Die Reihenfolge war nicht ganz synchron..... doch ähnlich.

Heute geschieden, neuer Partner krank, EU-Rente.....
Geblieben sind Wohnung, Kinder, Auto.

Und ich kämpfe jeden verflu...ten Tag darum, dass es
1. Nicht schlechter wird
2. Die Arbeit wieder ein Teil meines Lebens wird, nicht nur totale Anstrengung
3. Ich mich fühlen kann, wie ich mal war, wie ich oft eingeschätzt werde, auch optisch: Mitte 30

So war mein Leben vor der Erkrankung und ich will davon was zurück!
An manchen Tagen fühle ich mich wie 80.....
( weil ich 80-jährige kenne, die mehr schaffen, als ich an diesen Tagen...)

@ Inertia
Hast Du Erfahrungen, Träume, Pläne,..... von " Vorher"?
Nimm sie Dir und lebe sie!!!!

Es ist nicht leicht, doch tu es.
Das Leben kommt nicht zu Dir, wenn Du darauf wartest, Du musst hingehen und es Dir holen!!!

Alles Liebe und Grüße
Ziege04
M1971
Beiträge: 731
Registriert: 26. Apr 2014, 17:39

Re: Sich alt fühlen (obwohl man es nicht ist)

Beitrag von M1971 »

Egal wie alt man ist : irgendwas ist immer
Das nennt man Leben
DieNeue
Beiträge: 5513
Registriert: 16. Mai 2016, 22:12

Re: Sich alt fühlen (obwohl man es nicht ist)

Beitrag von DieNeue »

Hallo Inertia,

du sprichst mir soooo aus der Seele! Mir geht es auch so. Kann es sein, dass die Diskussion etwas an deinem Thema vorbeigeht? (Oder empfinde ich das nur so? Ich glaube, dir ging es weniger um Altersarmut/Rente oder?)

Ich bin 29 und in ein paar Wochen werde ich 30. Ich habe sehr damit zu kämpfen, wenn ich sehe, was andere in meinem Alter machen bzw. machen können, weil sie eben nicht mit dieser Sch..krankheit zu kämpfen haben. Ich hab in den letzten Jahren auf so vieles verzichten müssen, was für andere das Normalste der Welt ist. Das fängt dabei an, dass sie arbeiten gehen können und geht damit weiter, dass sie all das machen können, was ich nicht mehr kann und auch gerne tun würde. (Natürlich kann nicht jeder alles machen, es gibt ja auch Leute, die haben andere Handicaps oder Probleme. Aber bei meinen Freunden ist eigentlich alles "normal".)
Andere Leute in meinem Alter, die gesund sind, können beispielsweise:
- einfach in den Urlaub fahren, ohne schon beim Kofferpacken einen halben Nervenzusammenbruch kriegen, ohne dass ihnen die ganzen Reize auf der Reise und die Mitfahrer die ganze Energie rauben,
- können mit dem Auto weiter fahren als nur eine Viertelstunde
- sind nicht abhängig vom und finanziell eingeschränkt durch den Bezirk (bei mir wegen Ambulant Betreutes Wohnen)
- können einfach einkaufen gehen, ohne Angst zu haben, dass sie dann völlig überfordert sind oder so fertig zu sein, dass sie nicht mehr alleine heimkommen
- können mit dem Fahrrad irgendwohin fahren, ohne dass sie überlegen müssen, ob das jetzt zuviel ist oder nicht und ohne, dass sie danach 3 Tage außer Gefecht gesetzt sind
- können Sport machen, ohne dass ihre Stimmung hinterher extrem nach unten sackt (ist bei mir immer so. Glaubt nur keiner.)
- Können viele schöne Dinge machen, weil sie körperlich und/oder psychisch nicht so eingeschränkt sind. Was wollte ich nicht schon alles machen (Sprachkurs, Leute einladen, Freunde besuchen, die weiter weg wohnen, Pilateskurs, Basketball, Fitnessstudio, Ehrenamt, Gesangsunterricht nehmen, auf Geburtstagsfeier gehen, auf Konzerte gehen...). Das kann ich alles vergessen.
- keine Angst haben, neue Leute zu kennenlernen (weil sie sich nicht outen müssen, warum sie nicht arbeiten oder warum sie eher wieder gehen wollen, weil die Anwesenheit von neuen Leuten nicht so stressig ist für sie)
- sie müssen größere Aktionen nicht drei Tage ausbaden, sondern erholen sich viel schneller als ich
- ich kann mir schlecht einen Partner suchen, weil ich im Moment viel zu labil dafür bin.
usw. usf.

Gerade mit ca. 30 ist es so, dass sich alle der Reihe nach ihre größten Wünsche erfüllen... heiraten (am besten noch nach einer langen und glücklichen Beziehung), Kinder kriegen, Familie gründen, ihr Studium abgeschlossen haben und jetzt eine Arbeit haben. Es ist gerade wirklich krass... kaum ist das Kind von der einen da, ist schon die nächste schwanger...
Sie fahren miteinander als Paar in den Urlaub. Als Single stehe ich dann alleine daneben und da mittlerweile alle unter der Haube sind oder zumindest einen Freund haben, ist es natürlich auch nicht so einfach, sich da Zeit freizuschaufeln für die Freundin, die Single ist.
Auf Kinder kann ich im Moment noch verzichten, hab zum Glück keinen akuten Kinderwunsch. Mein einziger Wunsch ist gesund zu werden und einen passenden Mann finden.

Ich hab auch das gefühl, ich bin in meiner Generation noch nicht angekommen. Ich war auch in den letzten Jahren selten bei meinem Jahrgang dabei. Nach dem Abi habe ich eine Ausbildung gemacht, da war ich in der Berufsschule eine der Ältesten. Die Mitschüler haben sich dann über so Sachen wie Führerscheinprüfung unterrhalten, was ich seit Jahren schon hinter mir hatte.
Auf der Arbeit war ich dann die drittjüngste. Der Rest war 40 Jahre aufwärts. Teilweise hätten die meine Eltern sein können, wenn nicht sogar meine Großeltern. Meine Freunde haben in der zeit alle studiert. Ich hab mich immer ausgeschlossen gefühlt, wenn sich die themen wieder nur um die Uni gedreht haben, und sie konnten nicht nachvollziehen, was ich auf der Arbeit erlebt habe. Nach der Ausbildung und einem Jahr arbeiten habe ich dann studiert, wo ich dann wieder eine der Ältesten war und mit den Jüngeren auch teilweise nichts anfangen konnte. Das ist einfach eine andere Lebenswelt, wenn man direkt von der Schule kommt oder man schon mal im Arbeitsleben war. In der zeit haben dann meine Freunde angefangen zu arbeiten und mir von ihrer Arbeit erzählt, wo ich manchmal echt nur müde lächeln konnte. Auch in der Grundschule und im Kindergarten war ich bei den ältesten Kindern dabei.
Ich fühle mich wirklich von meiner Generation so ausgeschlossen und würde gerne endlich dabei sein.

Oft ist es auch so, dass ich dann von Leuten höre, die ich vor 6-7 Jahren das letzte Mal gesehen habe, dass sie heiraten oder schon geheiratet haben oder schon 2 Kinder haben. Dann kommt meistens ein "Waas? Weißt du das noch nicht??"
Sorry, aber meine letzten Jahre bestanden einfach nur aus Klinik, Therapie, Überleben, Probleme lösen, usw. Und andere haben in der Zeit anscheinend viel erlebt, haben ihre jetzigen Freunde/Ehemänner kennengelernt, sich beruflich oder auch charakterlich verändert. Da merke ich dann deutlich, dass ich in den letzten Jahren kein wirklich schönes Leben hatte. Sowas finde ich dann sehr deprimierend. So habe ich mir mein Leben mit 30 nicht vorgestellt.

Und wenn ich mir dann überlege, wie lange ich brauche, um manche Sachen aufzuarbeiten,... bis ich wirklich so weit bin, dass ich das gefühl habe, ich lebe jetzt gut, ich komme gut zurecht, das dauert eine gefühte Ewigkeit. Mir geht es auch so, dass ich mir denke, ich verliere soviel wertvolle Lebenszeit! Neulich ist mir plötzlich der Gedanke gekommen, wieviel ich an einem Tag machen könnte, wenn es mir gut ginge, bzw. wieviel ich früher auch konnte. Wieviel zeit bei mir eigentlich dafür drauf geht, mich auszuruhen,

Und ich denke mir auch oft, was ich alles verpasse und nicht sehen kann. Meine Familie geht sehr gerne und viel wandern. Ich finds gemein, dass sie die schöne Natur auf den bergen sehen können und ich nicht. Oder wenn andere in den Urlaub fahren. Was sie für Sachen sehen können,... und v.a. auch beneide ich sie darum, dass sie soviele neue Sachen sehen können, soviel Abwechslung zum Alltag haben können, und ich sitze halt zuhause und seh immer nur das Gewohnte. Vielleicht würde ich gar nicht auf den Berg hinaufwandern wollen, wenn ich gesund wäre (hab ich mir neulich gedacht), aber einfach dass sie die Möglichkeit und die Power das zu machen. neulich haben wir zusammen eine Doku über eine Alperüberquerung angesehen. Am Anfang fand ich das gar nicht toll, den Leuten bei ihrer tollen Wanderung und bei ihrer Fitness zuzusehen. Später gings dann besser. Einer der teilnehmer meinte dann nach einem ca. 8-stündigen Wandertag, dass er jetzt voll im Eimer ist. Hab mir nur gedacht: Du weißt doch gar nicht, was "im Eimer sein" wirklich heißt. Da reagier ich mittlerweile auch bisschen allergisch auf solche Sprüche.

Mir ist es neulich auch mal richtig deutlich geworden, dass meine Jugend jetzt vorbei ist, auch mit all den Leuten, mit denen ich damals Kontakt hatte, dass jeder jetzt sein eigenes Leben hat und ich im Leben der anderen nicht mehr so präsent bin wie damals. Meine letzten 8 Jahre bestehen eigentlich fast nur aus Kampf gegen die Depression, viel Platz ist da nicht gewesen für andere Dinge. Für die anderen aber anscheinend schon.
Es ist wirklich schade, denn es war eine gute Zeit, aber es ist auch irgendwie erschreckend zu sehen, dass ein Lebensabschnitte endgültig zu Ende ist. Und dass das Leben doch irgendwie ziemlich kurz ist. So eine Art Torschlusspanik kenne ich da auch, sowohl was Beziehungen angeht, als auch die allgemeine Situation.

Denke das Gefühl, nicht zu meiner Generationzu gehören, liegt irgendwie auch mit daran, dass ich Schwierigkeiten im Umgang mit Menschen habe. Ich habe jetzt keine Megaprobleme, aber ich bin doch irgendwie immer verunsichert. Ich vergleiche mich sehr, sehr oft, frage mich oft, ob das jetzt so richtig war, wie ich mich verhalten habe oder wie das auf andere gewirkt hat. Man merkt es mir vielleicht nicht an, aber gerade das Zwischenmenschliche hat bei mir schon noch Potential zur verbesserung, wie man so schön sagt ;-)

Rein vom Körperlichen fühle ich mich auch wie 80 Jahre. Mein Opa, der schon 90 ist, ist wesentlich fitter und belastbarer als ich. Hab mal meinen Hausarzt nach Vitamin-Aufbauspritzen gefragt (der hatte so nen Flyer rumliegen), ob mir das helfen könnte. Da hat er gemeint, naja, das ist eher was für 80-Jährige... tja, so fühl ich mich aber auch.
Dobermann hat geschrieben:So besteht heute wenig Übereinstimmung mit dem, was meine Gleichaltrigen heute so an Sorgen haben.
Ja, das geht mir auch so. Aus den obengenannten Gründen, also etwas anders als bei dir. Aber ich finde, das fühlt sich nicht gut an. Andere Leute in meinem Alter kümmern sich erst jetzt um Sachen oder machen sich um Sachen gedanken, die ich schon lang hinter mir hab. Aber bei anderen Sachen, wie Beziehung (hatte ich noch nie :-() und Ehe, Kinder kriegen, das sind Dinge, die kenne ich noch nicht und da sind mir die anderen so viel weiter voraus. Und für die ist es auch das natürlichste der Welt und wenn man mal ne "doofe" Frage stellt, dann fühlt ich die Antwort für mich oft so an, als wäre ich völlig naiv und hinterher. Als müsste ich das alles schon wissen, aber sorry, hab ich halt noch nicht erlebt. Und ich kämpf auch mit meinem Schwarz-Weiß-Denken, das meine Weltsicht manchmal etwas anders macht als das anderer Leute.
somebody hat geschrieben:Und ich fürchte mit jedem Geburtstag mehr, dies nie wieder aufholen zu können. Mich in der Vergangenheit falsch entschieden zu haben. Und dieses Gefühl, etwas nicht mehr nachholen zu können, fühlt sich alt an. Es folgen Gedankenkreisel und Selbstvorwürfe, ich hätte Dinge anders oder besser machen können. Doch wenn ich das ganz ehrlich durchdenke, hätte ich eben nicht sehr viel anders machen können. Ich habe bereits viel gemacht für meine Umstände.
Ich habe mir auch schon mal gedacht, dass ich vieles mit dem Wissen, das ich jetzt habe, manches wirklich anders gemacht hätte. Aber wer weiß, was dabei rausgekommen wäre? Und ich habe auch das Beste gemacht, was ich zum damaligen Zeitpunkt machen konnte.
somebody hat geschrieben:Auf der anderen Seite fühle ich mich manchmal auch wie ein zwölfjähriges Küken. Eines, das weniger von der Welt da draußen gesehen hat, wenig an Aktivitäten miterlebt hat, die man als heranwachsende oder Erwachsene evtl. erleben kann.
Ja, das geht mir auch so. Auf der einen Seite hab ich das Gefühl ich bin weiter und reifer als andere, aber auf der anderen Seite fühle ich mich wie 14 und alle anderen sind mir 10 Schritte voraus. Das ist schwierig unter einen Hut zu kriegen. Irgendwie bin ich da noch nicht bei mir angekommen.
somebody hat geschrieben:Wenn es ums optische geht, werde ich auf den ersten Blick manchmal scheinbar für noch jünger gehalten. Ich werde in Geschäften immer wieder ungefragt geduzt und wie ein Kind behandelt, was ich sehr respektlos finde. Auch wurde ich beim Kauf von Wein letztes Weihnachten nach dem Ausweis gefragt... Ich kann nur vermuten, dass meine Körpergröße, unreine Haut, Kleidung und Fahrradhelm da mitrein spielen. Wissen tu ich es nie.
Das geht mir auch sooooo oft so. Ich finde es auch respektlos. Immerhin bin ich schon seit 12 Jahren volljährig. Bin auch nicht so groß und auch öfter mit Rucksack oder fahrradhelm unterwegs. Denke, das macht schon etwas aus. Wenn man mich jünger schätzt, ist das ja an sich für mich nicht mehr soooo schlimm, wenn man mich aber duzt, finde ich das schon schon krass. Schließlich würde ich gern als erwachsene Frau wahrgenommen und so behandelt werden und nicht wie ein pubertierender Teenager.
Neulich hat mir im Supermarkt an der Kasse eine andere Kundin gesagt, dass ich vor darf, weil ich sowenig Sachen hatte. Sie hat mich dabei auch geduzt. Fand ich auch nicht schön, aber wenn dann jemand so nett ist, kann man da ja irgendwie schlecht was sagen.

Sagst du dann eigentlich etwas, wenn du geduzt wirst? Wenn ja, wie sind so die Reaktionen?
Dobermann hat geschrieben: Angst vor eventueller Armut (später oder im Alter) müssten doch eigentlich die haben, die Mitte 20 auf lange Fernreisen gehen oder ständig in irgendwelchen Metropolen Europas sind oder dauernd total hippe Sachen machen.

Oder sehe ich das falsch ? Das sind doch alles Sachen, die nichts einbringen. Im Hinblick auf das spätere Leben würde ich das als ganz schön riskant bezeichnen.

Wenn jemand Mitte 20 solche Sachen nicht macht, weil er mit spätestens 30 einen eigenen Betrieb haben will, könnte man ihm nacheifern wollen oder neidisch sein, das könnte ich nachvollziehen, denn dem geht es später mal gut.

Aber man kann doch nicht diejenigen als Leitbild sehen, die diese wichtigen Jahre mit Fernreisen, Spaß und hippen Dingen verplempern. Würde man denen nacheifern, schadet man sich doch nur, denn die werden später Probleme kriegen.
Ich denke, dass sich hier mittlerweile ein anderes Verständnis entwickelt hat. Ich glaube, dass sich das Bewusstsein entwickelt hat, dass man nicht alles bis zur Rente aufschieben kann bzw. dass man sich nicht zu Tode ackern möchte, nur um es später gut zu haben. Das Leben ist jetzt und ich möchte es jetzt so gut wie möglich haben. Ich weiß nicht, woran das liegt. Vielleicht an den anderen Arbeitsbedingungen als früher, dass alles schneller gehen muss, der Druck (noch) größer ist, sowieso jeder sagt, im Alter hat man sowieso nichts mehr egal was man arbeitet. Vielleicht weil man mittlerweile soviele Möglichkeiten hat, dass man die Rente, etc. hinten anstellt. Vielleicht weil das Bewusstsein über einen Burnout mittlerweile recht präsent ist. Keine Ahnung. Aber ich kann es auch nicht nachvollziehen, wenn jemand sich wirklich überhaupt nicht darum kümmert und völlig naiv ins Blaue hineinlebt. (Und am besten noch die blöd anredet, die sich darum kümmern...).

Auslandssemester, viele Praktika, ein außergewöhnlicher (und natürlich trotzdem lückenloser) Lebenslauf sind mittlerweile normal. Was früher vielleicht ein paar Freaks gemacht haben, ist heute Standard. Wenn jemand studiert und nicht ins Ausland geht, ist das schon eher "seltsam". Ich denke, früher hat man eher die Leute gefragt, was sie denn unbedingt im Ausland wollen, jetzt ist es andersherum. Jetzt wird man entsetzt gefragt, warum man denn nicht ins Ausland geht, wenn man das nicht vorhat. Ich denke auch, dass Auslandsaufenthalte überbewertet werden, bzw. es wird ja immer gesagt, dass man im Ausland selbstbewusster wird, selbstständiger, erfahrener, reifer, man seine Grenzen zu überwinden lernt, Probleme besser meistern lernt, etc. pp. Gerade Auslandsaufenthalte gelten irgendwie als das Non-Plus-Ultra. Wer nicht weg war, bei dem kann man davon ausgehen, dass er eben nicht die oben genannten Fähigkeiten hat.
Ich wollte auch ein Auslandssemester machen, musste aber dann wegen der Krankheit stattdessen in die Klinik. Klar, kann man jetzt sagen, ich denke nur so, weil ich deswegen verbittert bin, aber ich habe mir schon oft gedacht, dass ich in den ganzen letzten Jahren so viel mitgemacht habe, wo ich auch an meine Grenzen gekommen bin, wo ich sehr viele Probleme lösen musste und das auch geschafft habe, wo ich mich selber um existentiell wichtige Sachen kümmern musste, weil sich sonst niemand drum gekümmert hätte. Ich bin auch reifer geworden, ich hab in die Abgründe meiner Seele geschaut und in den Kliniken hunderte von verschiedensten Menschen jeden Alters und aus jeder Gesellschaftsschicht mit ihren unterschiedlichsten Problemen kennengelernt. Das ist auch Lebenserfahrung, aber eben leider keine, die man erzählen und mit der man angeben kann. Okay, sorry, ich glaub, das ging jetzt ein bisschen am Thema vorbei. Schön ist es natürlich schon, wenn man im Ausland studieren kann und ich würde das auch machen, wenn ich es könnte. Aber das, was wir tagtäglich erleben, zählt halt nichts im Gegensatz dazu.
Ziege04 hat geschrieben:Hast Du Erfahrungen, Träume, Pläne,..... von " Vorher"?
Nimm sie Dir und lebe sie!!!!
So einfach ist das leider nicht, auch nicht, wenn man jung ist. Ich hätte sehr viele Träume und Ideen, was ich gerne machen würde. Davon lässt sich aber eigentlich nichts verwirklichen.
Ich hab mal im Internet eine Schule gefunden, die eine Ausbildung anbieten, die eigentlich genau das ist, was mich interessieren würde und was auch zu mir passen würde. Eine Freundin von mir hat damals gesagt, "Ja, wenn du das machen willst, dann mach das doch! Zieh dahin und mach das!" Toll. Es geht aber leider nicht. Ich kann nicht in eine andere Stadt ziehen, ich komm ja gerade so in meinem gewohnten Umfeld mit Hilfe klar. Ich kann nicht den ganzen Tag in die Schule gehen, ich kann mich nicht so lange konzentrieren, ich halte die permanente Reizüberflutung durch Leute und Lärm etc. nicht aus. Ich kann meinen Haushalt nicht einfach nebenher schmeißen, mir reicht der Haushalt alleine schon, ich hab nicht die Kraft dazu, von meiner Wohnung bis zu der Schule zu fahren. Wenn ich das mache, dann bin ich in der Schule schon so fertig, dass ich wieder heimgehen könnte. Ich kann keine Referate halten geschweige denn Prüfungen ablegen, weil mich die kleinste Anforderung und der kleinste Hauch von Druck stresst und überfordert.

Ich hatte und habe auch immer wieder Ideen, wo ich gerne ein Praktikum gemacht hätte und mit was ich mich selbstständig machen könnte. Ich kann aber kein Praktikum machen, wenn ich nicht in der Lage bin, den ganzen Tag auf den Beinen zu sein, ohne Abends nervlich völlig im A... zu sein.

Ich hatte angefangen mich in einem Sprachkurs für Flüchtlinge zu engagieren. Ich hab Sprachen studiert (auch noch die Sprache der Flüchtlinge) und der Kurs hat mir sehr viel Spaß gemacht. Er hat mich aber auch sehr viele Nerven gekostet und ich musste immer mehr reduzieren. Selbst EInzelunterricht war oft zu anstrengend und hat mich völlig geplättet. Das hat mich so angekotzt und es war so deprimierend, zu merken, dass ich wirklich nichts mehr kann, dass nicht mal das geht. Es ist genau mein Thema, ich hab das Fachwissen dazu und es macht mir echt Spaß und ich hätte gern sehr viel mehr gemacht. hat aber nicht funktioniert. jetzt habe ich mich darauf beschränkt, Arbeitsblätter/Zusammenfassungen zu erstellen und die dann über Mail zu schicken und die Antworten zu korrigieren. Das geht zum Glück noch einigermaßen.

Ich würde auch sehr gerne wieder klettern gehen. Ich bin aber körperlich gar nicht in der Lage das noch zu machen. Und psychisch geht es auch nicht mehr.

Von daher finde ich das leicht gesagt, dass man seine Träume leben soll. Ich mag auch den Spruch nicht ""Träume nicht dein Leben, sondern lebe deinen Traum." Er hat schon etwas Wahres, klar, aber ich hab die letzten Jahre so viele Träume begraben müssen, dass ich mittlerweile echt allergisch bin auf den Spruch.

So, das war jetzt alles, hab euch wieder überfahren mit meinem langen Text. Sorry! Hab aber jetzt auch keine Lust, wieder irgendwas zu kürzen.

Liebe Grüße,
DieNeue
DieNeue
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Re: Sich alt fühlen (obwohl man es nicht ist)

Beitrag von DieNeue »

Uuuups! Das wurde ja megalang... sorry! Hoffe, es ist trotzdem nicht zu viel!
katla
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Re: Sich alt fühlen (obwohl man es nicht ist)

Beitrag von katla »

Hallo Ihr,
ich finde den Beitrag von DieNeue sehr treffend.

Hinzufuegen möchte ich noch: vergesst bitte nicht, dass ihr stets soviel tut, wie euch möglich ist.
Das ist manchmal fast gar nichts. Depression ist nun einmal eine Krankheit, aber es fiele uns leichter, die Woche im Bett zu akzeptieren, wenn wir eine körperliche Krankheit hætten.

Es hilft mir wirklich (auch unabhængig von der Depression), wenn ich auf jene schaue, die es noch deutlich schlechter haben als ich - statt auf die, denen es (vermeintlich!) besser geht.

Auch unsere Entscheidungen treffen wir immer nach bestem Wissen. Selbst eine fluechtige Bauchentscheidung...nun, in diesem Moment schien es so richtig zu sein. Abhaken und ueberraschen lassen.

(Auch wenn aus dem Sprachkurs z.B. nichts Dauerhaftes wurde - ich beneide DieNeue um die Erfahrungen, die sie dort gesammelt hat.)

Liebe Gruesse
Pummelchen
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Registriert: 2. Sep 2015, 17:21

Re: Sich alt fühlen (obwohl man es nicht ist)

Beitrag von Pummelchen »

Hallo liebe Neue,

muss deinen Beitrage wenn ich es schaffe, nochmal genau durchlesen. Ich picke jetzt nur den Satz mit deinem Opa raus, der 90 ist und du das Gefühl hast er ist fitter als du. Das kann ich dir so nachempfinden. In meinen depressiven Phasen, dachte ich mir oft bei alten Menschen im Rollstuhl, denen geht es trotz allem besser als mir. Das ist aber nur das Denken in der Depression, durch diese Hoffnungslosigkeit und die fehlende Zuversicht. Aber ich möchte dir Mut machen, ich habe es immer wieder rausgeschafft aus dem tiefen Loch und habe gute Jahre dazwischen gehabt. Ich glaube ganz fest daran das du es auch schaffst, es wird wieder besser und anders. Ich habe es schon oft geschrieben im Nachhinein kann ich meine Gefühle gar nicht mehr nachvollziehen. Es ist wirklich eine Sche...krankheit.
Alles Gute für dich! LG Pummelchen
Christiane1
Beiträge: 583
Registriert: 19. Dez 2013, 09:10

Re: Sich alt fühlen (obwohl man es nicht ist)

Beitrag von Christiane1 »

Hallo Inertia,

ich finde es spannend was du beschreibst und möchte dir aus meiner Sicht (mit 52) etwas
dazu schreiben.

Zwischen 20 und 30 habe ich mich am schlechtesten gefühlt, weil ich tief gefangen war in einer
Grundtraurigkeit, die aus meiner Kindheit/Jugend resultierte. Damals fühlte ich mich viel älter als ich war und so kam ich meist auch herüber, also ziemlich ernst und nachdenklich. Für mich war es unvorstelllbar älter zu werden, weil ich, ähnlich wie du, mich nicht lebendig fühlte und irgendwie war ich zwar da, aber ich nahm nicht teil. Vermutlich würde diese Beschreibung eines Zustandes heute blitzschnell in eine Diagnose wie Depression münden, aber damals, im Spasszeitalter der Achtziger, war man noch weit davon entfernt.

Ich glaube, dass es heutzutage für euch junge Menschen noch schwieriger ist mitzuhalten bzw. dem Gefühl, mithalten zu müssen, ohne schräg zu wirken, zu entkommen.
So gesehen ist die jetzige Zeit, in der wir leben, überhaupt nicht leichter oder freier, auch wenn man es meint. So online auf dem Präsentierteller wie wir leben mittlerweile, ensteht aber schnell der Eindruck, dass es so sein muss, weil es angeblich normal ist.
Ich denke was du bei dir erlebst ist ein Prozess, duch den wir (Älteren) auch alle gegangen sind und es gibt so was wie gefühlte Phasen im Leben, die müssen nicht unbedingt mit einem
Nuller-Geburtstag zu tun haben, das kann auch völlig planlos mittendrin passieren.

So hatte ich mit ca. 42 Jahren urplötzlich das Gefühl, dass mein seelisches Alter auf einem Mal mit meinen tatsächlichen Alter übereinstimmt. So gesehen war ich also mit 23 schon 42 oder so, aber das hat sich inzwischen leider wieder geändert. Nun bin ich bemüht das zu halten so gut es geht und ertappe mich trotzdem dabei, wie ich schon weitaus mehr mit anderen über Krankheiten rede und Jahr für Jahr mit Verlusten von Verwandten konfrontiert werde. Das macht mir mein eigenes Alter nicht leichter, aber ich mag nicht viel darüber nachdenken, weil
es nicht wirklich wichtig ist.

Was das Vergleichen betrifft, also das mache ich heute noch ab und zu mit Gleichaltrigen und dabei schneide ich nie gut ab. Aber es macht mir nichts mehr aus, das ist der Unterschied zu früher. Das Suchen und Finden der eigenen Identität ist eine Reise und du könntest versuchen jetzt schon in deinem Alter die Weichen dafür zu stellen, dich ein bisschen unabhängiger zu machen.

Liebe Grüsse
Christiane
Inertia
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Registriert: 8. Mär 2015, 02:14

Re: Sich alt fühlen (obwohl man es nicht ist)

Beitrag von Inertia »

Erstmal danke für die vielen Antworten, damit habe ich gar nicht gerechnet. Ausserdem hatte ich befürchtet, ein paar negative Kommentare zu provozieren, aber schön dass ihr mich versteht. :)

Ich glaube ich schaffe es gar nicht, auf jeden Beitrag und jeden Aspekt zu antworten, ich versuche es einfach mal:

@ Bogey, Katerle, Ziege, alle:

Das Thema Ziele, Träume, Hobbys ist bei mir nicht so einfach. Denn ehrlich gesagt habe ich keine großartigen Lebensziele. Es ist eher so, dass ich noch auf der Suche danach bin, und das ist es ja was mir Angst macht. Ich weiß noch gar nicht, worauf ich eigentlich "hinarbeiten" soll. Ich weiß auch nicht, wie ich mit 30 oder 40 leben will. Natürlich habe ich noch ein paar Jährchen Zeit um darüber nachzudenken, aber ich werde ja nicht jünger. Was ist, wenn ich erst mit 30 oder 35 merke, was ich eigentlich vom Leben will? Und bis ich es dann verwirklicht habe, werde ich noch älter sein und für immer den vielen verlorenen Jahren nachtrauern. Davor habe ich große Angst.

Ich muss erstmal herausfinden was ich eigentlich will, und dann muss ich noch daran arbeiten es zu verwirklichen. Das wird alles ein paar Jahre dauern, und ob die Entscheidungen dann richtig waren, werde ich auch erst wissen wenn es zu spät ist.

@ somebody:

Dein Beitrag ist wirklich großartig. Du sprichst genau das aus, was ich eigentlich sagen wollte. Nur leider konnte ich es nicht so schön formulieren. :)

Du sprichst mir aus der Seele: alle machen sie Weltreisen, Auslandssemester, oder sind einfach so ständig am Reisen, Erleben und "Leben auskosten". Und ich hocke immer nur zuhause und warte darauf, dass die Zeit vergeht. Ehrlich gesagt will ich aber gar keine Weltreise machen, Reisen interessieren mich so gar nicht. Trotzdem finde ich es schade, dass ich so wenig erlebe.

Du hast recht, vielleicht haben wir dafür in anderen Bereichen schon mehr Erfahrungen gesammelt als andere Menschen. Allerdings sind diese Bereiche wohl nicht gerade die, in denen man klassischerweise Erfahrungen machen will. Vielleicht kenne ich mich ein bisschen mehr mit psychischen Problemen aus als andere, vielleicht bin ich auch für mein Alter ungewöhnlich sachlich und "reif". Sprich langweilig. Aber was bringt mir das? Die Anderen können von ihren jugendlichen Abenteuern berichten, das wäre mir ehrlich gesagt lieber.

Deshalb sind wir irgendwie auch wieder jung und unerfahren, da geht es mir genauso. Ich habe viel nachgedacht, mir vieles vorgestellt, aber nicht viel gelebt bisher.

@ Dobermann, M1971:

Über Altersarmut will ich jetzt eigentlich gar nicht sprechen, darüber mache ich mir auch keinerlei Gedanken. Geld ist das Letzte worüber ich mir Sorgen mache.

Aber natürlich hast du Recht Dobi, aus wirtschaftlicher Sicht ist es nicht gerade sinnvoll, viel zu Reisen und spaßige Dinge zu machen. Dass du aber schreibst "diese wichtigen Jahre mit Fernreisen, Spaß und hippen Dingen verplempern" schockiert mich trotzdem ein bisschen. Kann man denn sein Leben überhaupt mit Spaß verplempern? Ist doch gut, wenn man Spaß hat. Lieber hätte ich 20 Jahre lang Spaß, als 60 Jahre lang ohne Spaß zu leben.

Ich will gar keinen eigenen Betrieb, ich will auch nicht reich werden. Ich habe jetzt schon viel mehr Geld als ich ausgeben kann. Ich gehe jeden Tag brav in die Arbeit und spare brav. Und was habe ich davon? Einen Haufen Geld auf dem Konto, mit dem ich aber nichts anzufangen weiß. Könnte ich wählen zwischen Spaß und Geld, ich würde den Spaß nehmen.

@ DieNeue:

Danke, auch dein Beitrag spricht mir aus der Seele. Auch ich habe das Gefühl, nicht in meiner Generation angekommen zu sein, bzw. nicht dazu zu passen.

Lustig dass du schreibst, dein 90-jähriger Opa wäre fitter als du. Ganz so schlimm ist es bei mir nicht denke ich, aber fit bin ich auch nicht gerade. Das liegt aber wahrscheinlich nur daran, dass ich mich nicht viel bewege. Ausserdem habe ich für mein Alter sehr schlechte Augen (und Angst davor mal blind zu werden), sehr schlechte Zähne und Gelenkprobleme. Aber eigentlich ist das alles auch nicht sooo tragisch.

Ich finde es nicht respektlos wenn ich geduzt werde, ich finde es eher befremdlich wenn man mich siezt. Das sind dann die Momente in denen ich gar nicht glauben kann, wie alt ich doch geworden bin. Genauso geht es mir auch, wenn ich mir andere Leute meiner Altersklasse so anschaue. Das sind alles junge erwachsene, die teilweise aussehen wie 30. Wann ist denn das passiert? Wo ist die Zeit hin? :(

Du hast auch das Theme Studium/Auslandssemester angesprochen. Genauso ist es! Was früher besonders war, ist heute Standard. Ich habe ja gar nicht studiert, ich habe ja noch nichtmal Abitur. Und manchmal fühle ich mich deshalb dumm und ungebildet. Auch wenn ich weiß, dass Studierte nicht unbedingt schlauer sind als andere. ;)
Manchmal denke ich darüber nach, noch zu studieren. Aber, wenn ich jetzt mein Abi nachholen und studieren würde, wäre ich mindestens 27/28, bis ich den Bachelor hab. Und der zählt ja jetzt auch nicht sooo viel. Außerdem würde ich wahrscheinlich ein Studienfach wählen, dass nicht viel mit meinem jetzigen Job zu tun hat. Soll ich wirklich mit (knapp) 30 erst richtig ins Berufsleben einsteigen? Oder soll ich lieber so weitermachen wie bisher? Auf jeden Fall muss ich mich entscheiden, denn in einigen Jahren ist es dann wirklich zu spät. Oder zumindest nicht mehr sinvoll.

Ja, seine Ziele und Träume zu verwirklichen ist wirklich nicht so einfach, wie es klingt. Wie gesagt, eigentlich habe ich gar keine Ziele. Aber manchmal habe ich so diffuse Ideen, was ich vielleicht machen oder ausprobieren könnte. Und ich bin mir nie sicher, ob es ernsthafte Chancen sind oder nur Schnapsideen. Und solange ich mir nicht wirklich sicher bin, traue ich mich nicht, all zu große Schritte zu wagen. Also mache ich meistens gar nichts und es bleibt bei Tagträumereien.

So, ich glaube das war es erstmal, viel mehr fällt mir gerade nicht mehr ein. Vielleicht liest es ja sogar jemand. :p
Botus
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Re: Sich alt fühlen (obwohl man es nicht ist)

Beitrag von Botus »

Inertia hat geschrieben: Aber natürlich hast du Recht Dobi, aus wirtschaftlicher Sicht ist es nicht gerade sinnvoll, viel zu Reisen und spaßige Dinge zu machen. Dass du aber schreibst "diese wichtigen Jahre mit Fernreisen, Spaß und hippen Dingen verplempern" schockiert mich trotzdem ein bisschen. Kann man denn sein Leben überhaupt mit Spaß verplempern? Ist doch gut, wenn man Spaß hat. Lieber hätte ich 20 Jahre lang Spaß, als 60 Jahre lang ohne Spaß zu leben.
Hallo,

ja, stimmt, es klingt komisch. Es bezog sich auf einen Menschen Anfang / Mitte 20, den die Angst belastet, womöglich immer knapp bei Kasse zu sein. Wenn so was vorliegt, würde ich sagen, dass es besser wäre, sich nicht an den Spaßleuten zu orientieren. Wenn solche Ängste nicht bestehen (z.B. weil man Eltern hat, die einen immer unterstützt haben oder aus anderen Gründen keine existenziellen Ängste hat), ist gegen Spaß nichts einzuwenden, finde ich.

Liebe Grüße vom Dobi
somebody
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Re: Sich alt fühlen (obwohl man es nicht ist)

Beitrag von somebody »

Hallo zusammen,
DieNeue hat geschrieben:sagst du dann eigentlich etwas, wenn du geduzt wirst? Wenn ja, wie sind so die Reaktionen?
Leider nein... ich überlege es aber auch schon länger, wie da eigentlich reagieren könnte...?
Dobermann hat geschrieben:Angst vor eventueller Armut (später oder im Alter) müssten doch eigentlich die haben, die Mitte 20 auf lange Fernreisen gehen oder ständig in irgendwelchen Metropolen Europas sind oder dauernd total hippe Sachen machen. Oder sehe ich das falsch ? Das sind doch alles Sachen, die nichts einbringen. Im Hinblick auf das spätere Leben würde ich das als ganz schön riskant bezeichnen.
Die Sache ist die, dass diese Leute trotzdem häufig erfolgreich einem Studium oder Ähnlichem nachgehen. Und wenn nicht, schaffen sie es scheinbar trotzdem, danach wieder ins Alltagsleben einzusteigen bzw. Geld zu verdienen. Finanzieren können andere das oft durch viel Arbeit zuvor, durch Unterstützung der Eltern oder auch durch eine Verbindung mit Praktika. Und Altersarmut kann einen ja auch ohne Reisen und Co erwischen. Eigentlich wollte ich aber auch gar keine Debatte über Altersarmut beginnen.
Inertia hat geschrieben:Das Thema Ziele, Träume, Hobbys ist bei mir nicht so einfach. Denn ehrlich gesagt habe ich keine großartigen Lebensziele. Es ist eher so, dass ich noch auf der Suche danach bin, und das ist es ja was mir Angst macht. Ich weiß noch gar nicht, worauf ich eigentlich "hinarbeiten" soll. Ich weiß auch nicht, wie ich mit 30 oder 40 leben will. Natürlich habe ich noch ein paar Jährchen Zeit um darüber nachzudenken, aber ich werde ja nicht jünger. Was ist, wenn ich erst mit 30 oder 35 merke, was ich eigentlich vom Leben will? Und bis ich es dann verwirklicht habe, werde ich noch älter sein und für immer den vielen verlorenen Jahren nachtrauern. Davor habe ich große Angst.
Das kenne ich auch gut von mir. Ich habe kaum Hobbies, das Träumen habe ich leider aufgehört. Ich weiß ebenfalls nicht was ich will und wer ich bin und sehe gleichzeitig die Zeit rennen so wie du.
Inertia hat geschrieben:sind einfach so ständig am Reisen, Erleben und "Leben auskosten". Und ich hocke immer nur zuhause und warte darauf, dass die Zeit vergeht.
Ich finde deinen Formulierung Leben auskosten sehr treffend! Ich sehe, wie andere sowohl ihr Leben auskosten, ihre TRäume verwirklichen, als auch an ihrer Karriere feilen. Und ich absolviere mit ach und Krach das Studium, während ich mit Problemen kämpfe, welche viele gar nicht kennen.
Inertia hat geschrieben:Allerdings sind diese Bereiche wohl nicht gerade die, in denen man klassischerweise Erfahrungen machen will. Vielleicht kenne ich mich ein bisschen mehr mit psychischen Problemen aus als andere, vielleicht bin ich auch für mein Alter ungewöhnlich sachlich und "reif". Sprich langweilig. Aber was bringt mir das? Die Anderen können von ihren jugendlichen Abenteuern berichten, das wäre mir ehrlich gesagt lieber.
Das stimmt. Ich wollte diese Erfahrungen auch nicht machen. Da hätte ich sehr viel lieber mit jemand anderem getauscht. Ich beginne mittlerweile aber auch gutes an meinen Erfahrungen zu sehen. Meine Thera meinte letztens, ich hätte in diesem Bereich so viele Erfahrungen gesammelt (in Sachen differenzierte Wahrnehmung, genaues Beobachten), würde davon aber gar nicht Gebrauch machen. (Bin mir nicht sicher, ob ich das in die Wiege gelegt bekommen habe oder ob sich das erst durch Erfahrung entwickelt hat)
Inertia hat geschrieben:Deshalb sind wir irgendwie auch wieder jung und unerfahren, da geht es mir genauso. Ich habe viel nachgedacht, mir vieles vorgestellt, aber nicht viel gelebt bisher.
Geht mir auch so. Wenn ich dann mal eine Idee habe, bleibt es meistens dabei.
Inertia hat geschrieben:Aber natürlich hast du Recht Dobi, aus wirtschaftlicher Sicht ist es nicht gerade sinnvoll, viel zu Reisen und spaßige Dinge zu machen. Dass du aber schreibst "diese wichtigen Jahre mit Fernreisen, Spaß und hippen Dingen verplempern" schockiert mich trotzdem ein bisschen. Kann man denn sein Leben überhaupt mit Spaß verplempern? Ist doch gut, wenn man Spaß hat. Lieber hätte ich 20 Jahre lang Spaß, als 60 Jahre lang ohne Spaß zu leben.
Diese Aussage hat mich ehrlich gesagt auch ein wenig erschreckt. Die Leute reisen ja nicht unbedigt oder gehen tollen Sachen nach, weil es hipp ist, sondern weil sie es können und wollen. Und wenn man ein halbes Jahr reist, zerstört es ja nicht gleich berufliche Chancen. Ganz im Gegenteil. Reisen wird neben Praktika, Forbildungen und einer super abgeschlossenen Ausbildung immer mehr als etwas positives gesehen. Auch von Arbeitgebern. Selbst manche Hobbies kommen gut. Da wird dann teils argumentiert, welche Erfahrungen man durchs Reisen und durchs Hobby neben dem beruflichen gesammelt hat und man ja so gut für den Job geeignet wäre.
Inertia hat geschrieben:Ich finde es nicht respektlos wenn ich geduzt werde, ich finde es eher befremdlich wenn man mich siezt. Das sind dann die Momente in denen ich gar nicht glauben kann, wie alt ich doch geworden bin. Genauso geht es mir auch, wenn ich mir andere Leute meiner Altersklasse so anschaue. Das sind alles junge erwachsene, die teilweise aussehen wie 30. Wann ist denn das passiert? Wo ist die Zeit hin? :(
Das ging mir bis vor ca. 1, 2 Jahren auch genau so. Doch irgendwann habe ich begonnen, mich mehr wie eine erwachsene Frau als ein junges Mädel zu fühlen. Und ab dem Punkt wollte ich auch von anderen so gesehen werden. Schwer fällt es mir manchmal noch immer, mich als erwachsene Frau ernst und anzunehmen. Ja, andere sehen einfach in meinen Augen aus wie wunderschöne einzigartige junge, aber trotzdem erwachsene Frauen. Vom Optischen empfinde ich mich noch immer mehr als Mädchen als als Frau.
Inertia hat geschrieben:Du hast auch das Theme Studium/Auslandssemester angesprochen. Genauso ist es! Was früher besonders war, ist heute Standard.
Allerdings. Noch vor einigen Jahren konnte man sich damit beruhigen, dass nur einige wenige ihren Lebenslauf perfektionieren. Mittlerweile ist man fast die Ausnahme, wenn dem nicht so ist.
Inertia hat geschrieben:Ja, seine Ziele und Träume zu verwirklichen ist wirklich nicht so einfach, wie es klingt. Wie gesagt, eigentlich habe ich gar keine Ziele. Aber manchmal habe ich so diffuse Ideen, was ich vielleicht machen oder ausprobieren könnte. Und ich bin mir nie sicher, ob es ernsthafte Chancen sind oder nur Schnapsideen. Und solange ich mir nicht wirklich sicher bin, traue ich mich nicht, all zu große Schritte zu wagen. Also mache ich meistens gar nichts und es bleibt bei Tagträumereien.
Meine Unsicherheit hält mcih auch davon ab, Dinge zu versuchen. Und damit mache ich dann eben nichts.
Dobermann hat geschrieben:ja, stimmt, es klingt komisch. Es bezog sich auf einen Menschen Anfang / Mitte 20, den die Angst belastet, womöglich immer knapp bei Kasse zu sein. Wenn so was vorliegt, würde ich sagen, dass es besser wäre, sich nicht an den Spaßleuten zu orientieren. Wenn solche Ängste nicht bestehen (z.B. weil man Eltern hat, die einen immer unterstützt haben oder aus anderen Gründen keine existenziellen Ängste hat), ist gegen Spaß nichts einzuwenden, finde ich.
Ich würde sagen Spaß und später wirtschaftlicher Erfolg schließen sich nicht aus.Meine Angst ist darauf begründet, dass meine Eltern mich kaum unterstützen können, selbst vermutlich irgendwann in der Situation landen und in der ich ihre Pflege bezahlen muss. Zudem habe ich unterdurchschnittliche Noten in einem Studium, das geringe Jobchancen bringt. Auch fehlen Praktika etc. im Lebenslauf. Wenn ich es nicht schaffe, beruflich bald gut auf die Beine zu kommen, wird es weiter schwierig. Es kann fast jedem mittlerweile passieren, dass er trotz gutem Lebenslauf und fester Arbeit in Altersarmut gerät. Doch sinkt die Wahrscheinlichkeit mit bestimmten Faktoren natürlich.

Bei mir persönlich waren bzw. sind es fehlende Unterstützung meines Umfeldes, mangelndes Geld, schlechte Qualifikation, früher auch Gebundenheit durch alleinige Verantwortlichkeit für Tiere, fehlende Kontakte/Freunde als auch fehlender Antrieb/Freude, die es mir verwehren, ein Leben wie andere Gleichaltrige zu haben. Manches hat die Depris befördert, manches ist mit durch Depris verursacht usw...

liebe Grüße,
somebody
Botus
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Registriert: 29. Mär 2014, 06:36

Re: Sich alt fühlen (obwohl man es nicht ist)

Beitrag von Botus »

Hallo Somebody,

es ist ja heute leider so, dass mittlerweile über 50 % der heutigen Uniabsolventen hinterher irgendwas anderes machen müssen, sprich atypische Beschäftigungsverhältnisse, befristete Sachen, gering bezahlte Arbeiten, unbezahlte Praktika usw.

Akademiker werden zwar händeringend gesucht, aber nicht solche. Daher mein Ansatz, als Student vielleicht umzudenken und nicht blind das zu machen, was die anderen auch machen, denn wirklich hilfreich scheint das ja nicht zu sein.

Wie soll ich das erklären ? Diejenigen, die in der Schule lehren, in den Hochschulen und auch die Entscheider in Personalabteilungen sind alles Angestellte. Die wissen von dem Unternehmerischen doch ebenso wenig wie ein Banker, der eine Firma beurteilen soll. Was die sagen ist gut, keine Frage, aber die unternehmerische Realität sieht doch völlig anders aus. Mit dieser Sicht muss man sich beschäftigen, denn aus der Perspektive eines Angestellten oder eines Jobsuchenden hast Du nur 50 % des Ganzen auf Deinem Bildschirm. Du musst die Sicht der anderen Seite genau kennen und Dich hinein versetzen können, wenn Du auf die andere Seite angewiesen bist. Ansonsten kann das im Laufe des späteren Arbeitslebens kollidieren, wie das ja auch häufig der Fall ist.

Habe das mal gekürzt.

Liebe Grüße vom Dobi
Ziege04
Beiträge: 1329
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Re: Sich alt fühlen (obwohl man es nicht ist)

Beitrag von Ziege04 »

Hallo Inertia,
und @ All

Ich hatte meine Pläne für das Leben geschildert, und ebenso, was blieb. Vielleicht war das der falsche Ansatz.

Ich würde jedem jungen Menschen wünschen, einen eigenen Weg zu gehen, inklusive der Optionen, die es ermöglichen, wirtschaftlich erstmal auf eigenen Beinen zu stehen, und der Chance, sich nach und nach, Wünsche zu erfüllen. Ob dieses allein von dem Finanziellen abhängen würde, war Außen vor. Zufriedenheit geht auch mit wenig Geld.

Nur als Anregung: Muß man nach Höherem Streben, wenn man das Kleinere nicht schafft?

Das soll nicht negativ sein!
Doch das Leben beginnt am Anfang.....


LG Ziege04
Inertia
Beiträge: 200
Registriert: 8. Mär 2015, 02:14

Re: Sich alt fühlen (obwohl man es nicht ist)

Beitrag von Inertia »

Einen eigenen Weg gehen? Wie geht das? Ich weiß echt nicht weiter.

Keine Ahnung wieso ihr immer wieder auf das Thema Finanzen kommt, das interessiert mich nicht die Bohne. Ich füttere mich schon durch, darüber mache ich mir keinerlei Sorgen. "Auf eigenen Beinen stehen", das schaff ich schon. Ich wüsste momentan nur nicht, wofür.

Zur Zeit trauere ich nur noch den verlorenen Jahren und Chancen hinterher, es wird immer schlimmer. Was haben andere Leute wohl alles gemacht und erlebt in ihren Teeniejahren? Ich weiß es nicht, ich war ja nicht dabei. Ich habe gar nichts gemacht, gewartet, ausgehalten, nie irgendwo Anschluss gefunden. Soll ich das jetzt noch machen? Werde ich jemals irgendwo reinpassen, wenn es bisher auch nicht geklappt hat? Ich war nie etwas Besonderes, ich hatte nie Etwas, das "meins" war. Ich war immer einfach nur da und habe gehofft, dass so etwas kommen würde. Wie lange muss ich noch warten, bis ich mir sicher sein kann, dass es vergebens ist?

Ich spiele mit dem Gedanken, mit meinem bisherigen Leben radikal zu brechen, und alles da gewesene hinter mir zu lassen. Viel wäre es ja nicht. Einfach einmal neu anfangen, auf gut Glück, richtig hoch pokern, alles auf eine Karte. Was hätte ich schon zu verlieren?
Aber womit anfangen? Wohin, was tun? Ich warte immer noch auf die zündende Idee.

Wenn ich heute plötzlich wüsste was ich wirklich will, ich würde es tun, ohne Rücksicht auf Verluste. Ich würde von heute auf morgen alles stehen und liegen lassen und die verlorene Zeit wieder reinzuholen versuchen. Aber ich weiß es ja nicht, und ich weiß, das ich es nie wissen werde. Ich kenne mich viel zu gut um ernsthaft daran zu glauben, dass irgendetwas jemals nochmal anders werden könnte. Mehr war von Anfang an einfach nicht drin. Und wenn alles einen Sinn hat, ich nicht.
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