Sein Leben nach dem psychischen Handicap ausrichten

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iffy04
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Sein Leben nach dem psychischen Handicap ausrichten

Beitrag von iffy04 »

Hallo,
ich bin gerade ziemlich verzweifelt, weil ich mich ständig im Kreis drehe. Zum einen ist es doch gut, wenn wir uns Ziele setzen, aktiv werden und uns etwas vornehmen. Nur leider fühle ich mich extrem schnell überfordert und dann kippt meine Stimmung ganz schnell. Ich könnte nur noch weinen, sehe mich als totalen Versager, weil ich nicht so viel arbeiten gehen kann und so aktiv sein kann wie andere.
Meine Therapeutin meinte, ich soll mein Leben nach meinen psychischen Gegebenheiten ausrichten so wie ein Diabetiker auch sein Leben nach seiner Krankheit lebt und damit gut klar kommen kann und ein gutes Leben führen kann.
Nur was heißt das in meinem Fall? Es wäre für mich einfacher mein Blutzuckerspiegel zu messen und dann danach zu essen usw. Aber wie "messe" ich meine Depression und meine "Nicht-Belastbarkeit"?
Kurz zu mir: ich bin 48 Jahre, w, verheiratet (jedoch immer am hinterfragen, ob meine lieblose Ehe mit zu meinem Zustand beiträgt), habe 2 fast erwachsene Söhne und eine 30%-Teilzeit-Stelle.
So - meine Arbeitsstelle wird pö a pö wegrationalisiert, meine Ehe ist eher ein Bruder-Schwester-Verhältnis..... Ich suche nach einer neuen Stelle und hatte auch schon Vorstellungsgespräche für eine 50%-Stelle (was ja auch nicht viel ist)- aber wenn es ernst wird bekomme ich die Krise ob ich das schaffen würde, mich ein neues Aufgabengebiet, neue Kollegen usw. nicht überfordern, wenn ich doch so schon kaum runterfahren kann.
Wie richtet ihr euer Leben nach der Depression aus? Wo nehmt ihr vielleicht mehr Rücksicht auf euch selbst (und könnt das auch akzeptieren)?
Ich freue mich über jeden Hinweis.
Danke
Tink
Beiträge: 419
Registriert: 6. Jan 2016, 09:54

Re: Sein Leben nach dem psychischen Handicap ausrichten

Beitrag von Tink »

Hi,
Nach und nach sind mir Anzeichen aufgefallen, die meine "heulkrämpfe" angekündigt haben. Unruhe, herzbrennen gedankenkrarusel,
VL hilft es sich eine zeitlang aufzuschreiben wann die Zusammenbrüche kommen und was unmittelbar davor war bzw was dir auffällt. Vl ergeben sich dadurch Warnsignale. Als zweiten schritt musst du dann schauen was dir dann Entspannung gibt.
Wünsch dir alles gute
Gruß Tink
kaizer
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Re: Sein Leben nach dem psychischen Handicap ausrichten

Beitrag von kaizer »

Sehr interessante Frage, beschäftigt mich auch schon sehr lange!

Ich (jetzt 33 Jahre alt) hab mich jahrelang mit Depressionen durch duales Studium, ersten Job in Festanstellung, zweites Studium, zweiten Job in Festanstellung gequält. Ich war immer unglücklich damit, es hat mich nicht die Bohne interessiert, ich war auch oft durch Depression und Angststörung überfordert, hab das aber weggeschoben, weil ich dachte, wenn die Leute um mich herum mit einem langweiligen Job zurechtkommen, müsste ich das auch.

Vor knapp vier Jahren hab ich mich dann umorientiert und mich selbstständig gemacht, weil ich freier sein wollte und etwas machen wollte, wohinter ich stehe.

Ich würde sagen, es war der absolut richtige Schritt, ich fühle mich mit der größeren Freiheit viel wohler, auch wenn es nicht immer einfach ist. Insofern habe ich an diesem Punkt mein Leben zwangsweise stärker an meinen Bedürfnissen, aber irgendwie auch am psychischen Handicap ausgerichtet.

Aber obwohl es mir insgesamt besser geht und ich mehr als früher auch recht stabile Phasen habe, gibt es immer wieder Einbrüche, wo mir alles zu viel ist, wo ich Pausen machen muss, Sachen absagen muss etc. Im Vergleich zu vielen anderen fehlt mir oft der Antrieb und die Energie, beruflich und privat. Es bleibt also eine tägliche Auseinandersetzung mit der Frage, was geht oder was ist zu viel.

Ich hatte gehofft, schneller wieder "gesund" zu werden, wenn ich mein Leben mehr nach meinen Bedürfnissen ausrichte, aber die Depression ist mein hartnäckiger Begleiter. Insofern ist es zumindest in meinem Fall so, dass ich mein Leben sehr stark nach dem Handicap aurichten muss, ich hoffe, dass es mit der Zeit noch besser wird.
iffy04
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Re: Sein Leben nach dem psychischen Handicap ausrichten

Beitrag von iffy04 »

Danke für Eure Antworten.
@kaizer: Deine berufliche Umorientierung finde ich sehr interessant. Wenn ich fragen darf: hast du eine Umschulung gemacht, den Arbeitgeber gewechselt oder bist in die Selbständigkeit gegangen?
Ich glaube auch, dass man mehr Energie hat, wenn man mit seinem Leben, mit dem was man tut in Einklang ist, denn ständige Disharmonie raubt viel Kraft. Ich werde mal sehen, wie mein Vorstellungsgespräch läuft.....
@Tink: Danke für deine Wünsche. Mich selbst besser zu beobachten finde ich einen guten Hinweis. Auch wenn es von meinem Empfinden eher so ist, dass mich die Emotionen überfluten und ich in dem Moment keine Möglichkeit sehe es zu reflektieren. Aber wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, sind es oft die gleichen Themen die mich stark belasten und bei denen ich das Gefühl habe völlig ohnmächtig und ausgeliefert zu sein.
Ich werde es versuchen und da die Stimmung in meiner Familie gerade sehr angespannt ist, habe ich ein gutes Übungsfeld :(
Bittchen
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Re: Sein Leben nach dem psychischen Handicap ausrichten

Beitrag von Bittchen »

Liebe Iffy,

eine lieblose Ehe und die spannungsreiche Umgebung ist für mich kein Übungsfeld,sondern
auch ein wichtiger Grund,mich sehr schlecht zu fühlen.
Du würde ich zuerst klären,wie ich das verändern kann.
Beruf ist natürlich auch wichtig,aber die Veränderung kann nach hinten los gehen.
Wenn es privat nicht stimmt,findet man oft auch im Beruf keine Befriedigung.
Die Depression lässt dich sowieso erst mal alles als negativ empfinden.
Große Veränderungen sollte man in einer guten Phasen genau überlegen.
Für mich war die Rente eine große Veränderung ,lange habe ich gebraucht,das als gut zu empfinden.
Meine Ehe hat oft unter sehr widrigen Umständen gelitten.
Die kamen von außen und mein Mann hat sich nicht genug für mich eingesetzt.
Heute ist das anders,er liebt mich und das ist was zählt.
Wäre es anders oder gar lieblos,könnte ich das nicht aushalten.
Es heißt nicht ohne Grund,das Wichtigste zuerst.

Liebe Grüße Bittchen
Jeder Tag ist ein neuer Anfang.
iffy04
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Re: Sein Leben nach dem psychischen Handicap ausrichten

Beitrag von iffy04 »

Ja, das Wichtiste zuerst......also das Gute in meiner Ehe ist, dass wir uns 100% aufeinander verlassen können und erzählen uns abends was am Tag los war. Was mich belastet ist, dass ich mir meiner Gefühle zu ihm nicht sicher bin, ich empfinde keinen Wunsch nach Nähe, nach Intimität. Wobei ich auch nicht weiß, was meiner Depression geschuldet ist und was wirklich an der Partnerschaft liegt, aber es belastet mich und frage mich eben auch was zuerst da war: geht es mir schlecht, weil ich ihn nicht genug liebe oder liebe ich ihn nicht genug weil es mir psychisch schlecht geht.
Wie kann man das herauszufinden?
Hoffentlich
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Re: Sein Leben nach dem psychischen Handicap ausrichten

Beitrag von Hoffentlich »

Hallo Iffy,
zu den Gefühlen in einer lieblosen Ehe kann ich auch was beitragen. Ich war 25 Jahre verheiratet und habe eine lieblose Ehe geführt. Dann sind meine Kinder ausgezogen und ich habe richtig gemerkt, wie lieblos inzwischen zu Hause alles ist. Mein Zusammenbruch kam dann 2008 (2 Monate Akutklinik und dann noch 2 Monate krank). In der Klinik wollte ich meinem Mann nicht sehen. Danach ging alles ziemlich schnell. Scheidung Anfang 2011. Seit Ende 2010 hatte ich einen neuen Partner. Anfangs ging es mir super. Aber bereits nach 3 Monaten kam wieder einen Zusammenbruch. Ich hatte das Gefühl, alles falsch gemacht zu haben, obwohl ich wirklich eine Ehe geführte hatte, die alles andere als harmonisch war. Meine Therapeutin sagte mir damals, dass das auch eine typische Reaktion eines depressiven Menschen ist. Er will paradoxerweise lieber wieder die alten "Strukturen" zurück, weil er plötzlich mit der Harmonie und liebevollen Zuwendung nicht fertig wird.
Ich bin nach wie vor in der neuen Beziehung, und ich bin heute glücklich, dass ich diesen tollen Mann an meiner Seite habe.
Zusammenbrüche gibt es leider nach wie vor. Die Auslöser sind allerdings völlig andere. Das Problem ist, dass ich inzwischen schon in ein Loch falle, wenn der kleinste negative mich über Tage nicht loslässt. Ich habe es bis heute nicht verstanden, diesen Absturz irgendwie zu verhindern oder zumindest nicht bis ganz nach unten zu fallen. Meine Psychiaterin hat mir aber gesagt, dass meine größte Baustelle trotzdem meine Ehe war. Ich verstehe auch, warum.
Auf jeden Fall weiß ich heute, dass diese Ehe mir nicht gut getan hat. Das hatte auch nichts mit dem Auszug meiner Kinder zu tun. Zwar habe ich heute, wie gesagt, noch häufige Abstürze, aber ich haben einen liebevollen Mann an meiner Seite, so dass ich nicht noch zusätzlich "leide".

L. G. Hoffentlich
Hoffentlich
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Re: Sein Leben nach dem psychischen Handicap ausrichten

Beitrag von Hoffentlich »

:o Sorry - habe viele Fehler in dem Post. Hätte wohl vorm Absenden nochmal lesen sollen.
iffy04
Beiträge: 431
Registriert: 10. Mär 2010, 11:54

Re: Sein Leben nach dem psychischen Handicap ausrichten

Beitrag von iffy04 »

Liebe "Hoffentlich",
ich kann deinen Beitrag gut verstehen.
Es freut mich für dich, dass du jetzt in einer glücklichen Beziehung lebst. Ich habe ehrlich gesagt große Angst, wenn meine Jungs ausziehen, weil mein Mann und ich dann völlig auf unsere Beziehung zurückgeworfen sind. Jetzt habe ich ja immer noch Abwechslung und Austausch mit meinen Söhnen.
Das Schwierige für mich daran ist, dass ER ja nicht lieblos zu mir ist - sondern eher ich zu ihm. Er bemüht sich auch und wir reden über unsere Schwierigkeiten. Aber was soll ich ihm sagen? Ich möchte ihm nicht vor den Kopf stoßen und sagen: Ich liebe dich nicht mehr! Und das in meiner Verfassung - ich habe Angst, dass ich die Veränderung und das Alleinsein nicht stemmen kann und diese Angst lässt mich in meinen alten "Strukturen" verweilen. Es wäre einfacher für mich, wenn er sich nicht bemühen würde......
Botus
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Re: Sein Leben nach dem psychischen Handicap ausrichten

Beitrag von Botus »

In Beziehungen ist es manchmal wie auf einer Kinderwippe.

Eine Seite ist sich ihrer Gefühle und der Leidenschaft nicht so sicher -> sie geht abwärts.
Die andere Seite wächst in ihrem Bemühen über sich selbst hinaus -> Und geht nach oben.

Ich glaube, dass Vieles mit dem Gelenk in der Mitte der Wippe zu tun hat. Wer nicht zurück geliebt wird, hat es leicht, der Gute in dem Spiel zu sein, bzw. in diese Position aufzusteigen. Wer jemanden nicht zurück liebt, kann zu gar nichts aufsteigen, erhält die Position des "Schlechten", bzw. des Undankbaren, Schuldgefühle usw.

Es ist sehr schwer, in einer derart ungünstigen Position einigermaßen die Kontrolle zu behalten.
Hoffentlich
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Re: Sein Leben nach dem psychischen Handicap ausrichten

Beitrag von Hoffentlich »

Liebe "Iffy",
das, was du über deine Gefühle zu deinem Mann beschreibst, kann ich auch nachvollziehen. Ich habe zwar geschrieben, dass ich jetzt in einer glücklichen Beziehung lebe und das mein jetziger Partner sehr liebevoll ist. Aber dieses - mein Glück - beschränkt sich darauf, dass ich mir der Liebe meines Partners ziemlich sicher bin. Er hat mir einmal gesagt, als ich einen Zusammenbruch hatte, dass er lange überlegt hat, ob er das auf Dauer aushalten kann, weil ich ihm dann immer sage, dass er gehen und sich eine andere Frau suchen soll. Er sagte, dass er nun aber weiß, dass er mich genug liebt, um in schlechten Zeiten darauf zu warten, dass ich wieder Licht sehe. Ich möchte ihn auch nicht verlieren. Nur wenn ich im "Dunkeln sitze", denke ich permanent, dass er so eine Frau nicht verdient hat.
Im Übrigen hat mir mein Ex-Mann wirklich auch sehr leid getan, als ich ihm gesagt habe, dass ich mich trennen werde. Er hatte sich seit geraumer Zeit sehr um unsere Ehe und um mich bemüht. Aber es war zu spät. Und er hat trotzdem gekämpft. Es war unsagbar schwer, dem Drang, es doch noch einmal zu versuchen, zu widerstehen. Ich habe mir dann irgendwann eine Pro- und Kontraliste gemacht und bin zu dem Ergebnis gekommen, das mehr Gründe für eine Trennung sprechen als dagegen.

Ich schreibe später noch einmal.

Bis dahin l. G.
Bittchen
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Re: Sein Leben nach dem psychischen Handicap ausrichten

Beitrag von Bittchen »

Liebe Iffy,

ich bin vierzig Jahre verheiratet.Da gibt es in einer Ehe immer mal Zweifel und auch
Trennungsgedanken.
Wenn ich in einer Krise bin ,kommt mir immer nur das Schlechte in unserer Ehe hoch .
Im Moment geht es mir gut und ich bin sehr froh,dass wir noch zusammen sind.
In einer langen Ehe muss man immer wieder neu lernen miteinander zu leben.
Die Kinder gehen aus dem Haus,es kommt die Verrentung usw.
Wir haben nach vielen Tiefen zu einer Zufriedenheit gefunden,die uns bereichert.
Es wäre ein Horrorgedanke ohne meinen Mann leben zu müssen und ich glaube für ihn gilt das auch.
Aber irgendwann müssen wir auch da durch.
Mein Vater war an Alzheimer erkrankt,meine Mutter sagte damals:" Mit ihm ist es ein sehr schweres Leben,aber ohne ihn wäre es noch schwerer."
Das habe ich sehr bewundert ,sie waren 55 Jahre verheiratet und sie hat ihn nur 3 Monate überlebt.Sie wollte trotz vieler Schwierigkeiten ,nicht ohne ihn leben.

Wie Hoffentlich das beschreibt, kann ich auch gut nach empfinden.
Ein Pro und Kontra Liste finde ich immer gut,nicht nur bei einer Beziehung ,sondern auch wenn ich zweifel und mich zu sehr bedauere.
Dadurch sehe ich doch was ich Alles habe.
Auch Dobis Gedanken sind richtig,aber wenn man dann den Menschen verliert den man vermeintlich nicht liebt,kann es sein,dass man es sehr bereut.
Für mich ist es sehr wichtig,dass ich mich geliebt fühle ,auch wenn ich das in einer Krise nicht zurück geben kann.
Wenn es mir besser geht,kommt aber auch das Gefühl zurück.
Bei mir liegt diese ekelhafte Gefühllosigkeit an der Krankheit ,das hat mich immer am schwersten belastet.
Eine Ehe ist nie permanent glücklich,das ist man im Leben auch nicht.
Es sind die Momente,die zählen.

Liebe Grüße Bittchen
Jeder Tag ist ein neuer Anfang.
krimi56
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Re: Sein Leben nach dem psychischen Handicap ausrichten

Beitrag von krimi56 »

Hallo Iffy,

das Leben mit dem psychischen Handicap ist nicht leicht, für beide Seiten nicht. Bittchens und Dobermanns Gedanken zu einer Ehe oder Partnerschaft sind sehr gut.

Mittlerweile bin ich über vierzig Jahre verheiratet. Es war nicht immer leicht, für beide Seiten nicht. Es war trotz schöner Zeiten aber auch immer ein arbeiten an der Beziehung. Von beiden Seiten.
Unsere Kinder sind erwachsen und wir führen nun ein anderes Leben.
Mir graust es bei dem Gedanken, wenn mein Mann in einiger Zeit in Rente geht. Aber wie Bittchen sagt, es wird sich finden und wir werden uns einrichten.

Oftmals, auch in Therapien wird geraten den Ehepartner zu verlassen. Manchmal hat es seine Berechtigung, oft aber auch nicht.
Nicht immer hat man Glück wie Hoffentlich einen neuen Partner zu finden der auch gut zu uns ist.

Du schreibst, dass die fehlende Intimität eher von dir ausgeht. Das kann an der Depression liegen oder auch an Medikamenten die du vielleicht nimmst.
Gemeinsam könnt ihr überlegen was ihr machen könnt. Denn wie du sagst, führt ihr gute Gespräche. Bei deinem Therapeuten, sofern du einen hast, gibt es die Möglichkeit als Paar zusammen dort hinzugehen und zu sprechen.

Und was deine beruflichen Überlegungen betrifft, da ist es schon wichtig und richtig wie du schreibst, dass du nicht weißt ob einen Veränderung gut ist solange du psychisch nicht stabil bist.
Als ich aufgrund anderer Krankheiten in EU-Rente gehen musste fiel ich in ein Loch. Der Ort an dem ich Stabilität zu haben glaubte fiel weg.

Es ist an dir zu überlegen, ob dein jetziger Job dir Stabilität gibt, wie deine Kollegen mit deiner Krankheit umgehen können und ob du jetzt genügend Kraft haben wirst dich auf etwas Neues einzustellen.

LG krimi
"Denk nicht daran, wie viel zu tun ist, welche Schwierigkeiten zu bewältigen sind oder welches Ziel erreicht werden soll, ...sondern widme dich gewissenhaft der kleinen Aufgabe, die gerade ansteht."
- Elisabeth Tova Bailey -
Hoffentlich
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Re: Sein Leben nach dem psychischen Handicap ausrichten

Beitrag von Hoffentlich »

Hallo Krimi,

ich muss dir an einer Stelle widersprechen:
Es ist nach meiner Erfahrung nicht so, dass Therapeuten raten, "den Ehepartner zu verlassen." Bei mir war es ganz anders. Mir wurde gesagt, dass ich über einen langen Zeitraum ein Tagebuch führen könnte. Meine Therapeutin hat dieses Tagebuch dann irgendwann gelesen. Danach hat sie gesagt, dass ich es jetzt selbst noch einmal von Anfang lesen soll. Dann würde ich selbst feststellen, was richtig und was falsch ist. Der Zeitraum, in dem ich dieses Tagebuch geschrieben hatte, lag bei ca. 10 Monaten. D. h., es waren Zeiten, in denen es mir richtig schlecht ging, und Zeiten, in denen es mir wirklich gut ging. Ich habe dann gelesen, nochmal gelesen und nochmal gelesen. Dann wusste ich es tatsächlich. Meine Gedanken waren nur im Zusammenhang mit den Kindern immer positiv. Fast alle Einträge, die meine Ehe betrafen, waren mit Zweifeln und Ängsten behaftet. Diese Ängste bezogen sich insbesondere auf Vorstellungen, wie ich es aushalten könnte, wenn ich meinen Mann verlassen würde. Dann habe ich mir irgendwann gesagt, dass ich alleine nicht unglücklicher sein kann, als in dieser Ehe. Dazu muss ich vielleicht noch sagen, dass ich vor meiner Trennung von meinem Mann bereits schon einmal kurzzeitig versucht hatte, mich zu trennen. Und NUR die Angst vor dem ständigen Alleinsein hat mich davon abgehalten.
Dies ist das Ergebnis meiner Therapie.
Ich glaube nicht, dass das in irgend einer Art 1 : 1 bei anderen Ehen so ablaufen kann. Jede Ehe ist ja anders. Und jeder muss für sich entscheiden, wie lange zum Kämpfen bereit ist und auch die Kraft dazu hat. Ich bewundere alle Menschen, die es schaffen.
Bis zu meiner Trennung habe ich den festen Willen gehabt, immer einen Weg zu finden, um meinen Kindern niemals eine zerrüttete zuzumuten. Außerdem hatte ich furchtbare Angst vor den Reaktionen meiner Eltern und Geschwister. Ich wollte kämpfen, koste es, was es wolle. Nie habe ich an mich gedacht. Bis ich irgendwann ein Gespräch mit meiner Tochter geführt hatte. Sie hat gesagt, dass sie sieht, dass nicht nur ich unglücklich bin - nein mein Mann war es auch. Sie wollte für uns beide, dass es uns gut geht. Und sie bekommt es heute sehr gut hin, zu uns beiden ein enges Verhältnis zu haben. Mein Mann war nach der Scheidung lange alleine, und ich hatte ewig ein schlechtes Gewissen, weil ich schnell einen neuen Partner gefunden hatte. Das war wohl hauptsächlich der Grund, dass ich dieses Glück nicht richtig genießen konnte. Ich fühlte mich schuldig. Heute hat er ebenfalls eine Partnerin, und es ist genau das eingetreten, was meine Tochter sich für uns gewünscht hat. Es geht uns beiden gut.

L. G.
iffy04
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Re: Sein Leben nach dem psychischen Handicap ausrichten

Beitrag von iffy04 »

Vielen Dank für Eure Beiträge, sie berühren mich sehr. Ich war heute in meiner Therapiestunde (habe noch wenige Stunden, die ich mir einteile) und wir hatten auch dieses Thema. Auch meine Therpeutin rät mir nicht zu einer Trennung, sie stellt die richtigen Fragen und lässt mich die Antworten finden, die für mich stimmen. Sie hat auch herausgehoben wie gut und wichtig es ist, dass ich mit meinem Mann gut reden kann und wir bei unserem pubertierenden Sohn am gleichen Strang ziehen. Ja- im Alltag funktionieren wir prima, wir können uns aufeinander verlassen, er unterstützt mich.
Und dann frage ich mich, woher diese Abneigung gegen Intimität kommt: ist es die Depression? Oder könnte ich bei einem anderen Mann mehr Gefühle, vielleicht sogar Liebe empfinden.
Ich habe Angst, so oder so wird es nicht einfach werden.
Hoffentlich
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Re: Sein Leben nach dem psychischen Handicap ausrichten

Beitrag von Hoffentlich »

Liebe Iffy,
du wirst deinen Weg finden. Nur suche ihn nicht in einer depressiven Phase. Ich finde es ganz toll, dass ihr reden könnt. Für mich ist das das Wichtigste in einer Partnerschaft.
Die Antwort auf deine Frage, ob du bei einem anderen Mann mehr Gefühle empfinden könntest, ist - glaube ich - ganz einfach. Ganz bestimmt kannst du das, wenn es dir gut geht. Es würde dich sicher auch beflügeln. Aber erinnere dich an den Anfang deiner Beziehung zu deinem Ehemann - war es da nicht auch so? Die Liebe nach vielen Ehejahren hat ein anderes Niveau, hat eine andere Qualität. Lenke deine Gedanken auf die wichtigen Dinge. Die Abneigung gegen Intimität hat nicht immer etwas mit der Depression zu tun. Viele Frauen - im Übrigen manchmal auch Männer - haben diese Abneigung, ohne dass sie krank sind. Erst wenn einer der Partner das nicht aushalten kann - und erst dann - kann man darüber nachdenken, wie man damit umgeht.
Du schreibst nicht, dass dein Mann ein Problem damit hat, und du schreibst, dass ihr "prima funktioniert". Also ist doch anscheinend alles gut. Oder wie denkst du darüber?

L. G.
Katerle
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Re: Sein Leben nach dem psychischen Handicap ausrichten

Beitrag von Katerle »

Finde mich in euren Antworten zum Teil wieder.

@ iffy04

Ja das ist schon schwer, sich eingestehen zu müssen, dass man es nicht mehr so schafft, wie früher. Ich fühlte mich auch manchmal als Versager, aber schlimmer war, dass mich einige aus meiner Umgebung als dumm und faul abstempelten, als meine Kräfte am Ende waren nach meinem Zusammenbruch damals. Das war für mich eine sehr schmerzhafte Erfahrung noch zusätzlich zu meiner Erkrankung. Natürlich wäre ich gerne wieder in meinen schönen Beruf zurückgegangen, in dem ich viel Anerkennung hatte, nur ich schaffte es leider nicht mehr, fühlte mich schnell überfordert und es war auch nicht einfach in Zeiten von Krankheit für meine Kinder dazusein, was allerdings auch eine Herausforderung für mich war. So hatte ich wenigstens Zeit für sie, wenn sie mich brauchten, das gab mir auch Halt. Wenn es nicht mehr so geht, wie man gerne möchte, dann muss man trotz allem versuchen, das Beste herauszuholen. Meine Kinder sind heute erwachsen und gehen eigene Wege und ich freue mich auch über meinen Enkel.
Nachdem ich schon vor meiner Ehe einiges an traumatischen Erfahrungen machen musste, war natürlich auch nicht immer alles einfach in meiner Beziehung. Fühlte mich auch ziemlich in die Ecke gedrängt und ging den Weg einer r. T., als meine Grenze erreicht war. Ich hatte Trennungsgedanken. Meine Kinder waren davon überhaupt nicht begeistert (was ich auch irgendwo verstehen konnte) und ich suchte nach einem Weg, der für alle tragbar ist.
In der Zwischenzeit hat sich seitdem auch einiges zum Positiven verändert, aber wie gesagt, eine Beziehung erfordert auch Arbeit und ich bin auch bereit, zu verzeihen (was auch seine Zeit brauchte). Mir wurde damals auch zu einer Trennung geraten, nur wie gesagt, solange es einen Weg gibt, um unsere Ehe zu retten, dann bin ich auch bereit dazu. Mein P. machte mit mir auch keine Paartherapie, worüber ich mich anfangs auch ziemlich im Stich gelassen fühlte. Nun gut, dass gehört alles der Vergangenheit an und ich komme auch ohne Paartherapie ganz gut klar.
Jedenfalls ist es wichtig, sein Leben nach seinem psychischen Handycap auszurichten, ansonsten läft man Gefahr, sich weiter zu überfordern und irgendwann nicht mehr wieder aufstehen zu können, so hart es auch klingen mag.

Das sind nur meine Erfahrungen dazu.

Wünsche dir alles Gute bei deinem Weg!
Katerle
krimi56
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Re: Sein Leben nach dem psychischen Handicap ausrichten

Beitrag von krimi56 »

Hallo Hoffentlich,

es ist gut, dass du widersprichst und ich finde auch gut wie deine Therapeutin bei dir vorgegangen ist.
Ich habe ja nicht geschrieben, dass es die Regel ist, dass Patienten zu einer Trennung geraten wird.
Es sind Erfahrungen die andere gemacht haben und zurzeit in unserem Freundeskreis auch gerade machen.


Allen einen schönen Abend.
krimi
"Denk nicht daran, wie viel zu tun ist, welche Schwierigkeiten zu bewältigen sind oder welches Ziel erreicht werden soll, ...sondern widme dich gewissenhaft der kleinen Aufgabe, die gerade ansteht."
- Elisabeth Tova Bailey -
Hoffentlich
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Registriert: 18. Nov 2011, 09:26

Re: Sein Leben nach dem psychischen Handicap ausrichten

Beitrag von Hoffentlich »

Hallo Krimi,
stimmt, das hast du nicht geschrieben. Ich habe auch nur von meiner Erfahrung geschrieben. Was ich tatsächlich in meinem Umfeld auch oft höre, dass viele Ehen während oder nach einer Therapie in die Brüche gehen - so wie es bei mir halt auch war. Da frage ich mich SCHON, wieso das passiert. Ich habe von meinen 25 Ehejahren mindestens 15 Jahre an der unglücklichen Ehe festgehalten verzweifelt um Harmonie gekämpft. Dann gehe ich 2 Jahre zur Therapie, und plötzlich gebe ich den Kampf auf und ziehe eine Trennung mit anschließender Ehescheidung ohne Probleme einfach so durch. Das kann ich bis heute nicht begreifen. Plötzlich war alles so klar. Und heute weiß ich nicht einmal mehr, was mich so ewig verharren lassen hat.

L. G.
Botus
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Registriert: 29. Mär 2014, 06:36

Re: Sein Leben nach dem psychischen Handicap ausrichten

Beitrag von Botus »

Ich habe das ja hinter mir. Wenn es eine Trennung gibt, gucken einige so, als hätte es einen Sterbefall gegeben. Ich sage dann, sie ist doch nicht gestorben. Sie wohnt lediglich woanders. Und ich bin nicht auf 1 Meter geschrumpft. Mich erinnert das an früher. Ich hatte bereits damals oft den Eindruck, dass viele es nicht so gerne sehen, wenn jemand irgendwie zufrieden oder gar glücklich wirkt. Ich wüsste nicht, wie ich diesen Zustand in der Zukunft realisieren sollte. Sobald es etwas Schönes in meinem Leben gibt, dauert es nie lange, bis jemand ankommt, um mir sinngemäß zu vermitteln, dass das Jeweilige ja wie Wasser und Brot wäre.

Das einzige, was mir Hoffnung gibt, ist die wirklich blöde Idee, alles was ich mir aufgebaut habe und liebe, komplett einzustellen und woanders hinzugehen, wo mich keiner kennt. Mir gefällt dieser Gedanke überhaupt nicht und ich weiß auch nicht, ob ich diese Anstrengung in meinem Zustand überhaupt schaffe. Aber es ist das einzige, was mir einfällt. Wenn man irgendwo ganz neu hinzieht, hat man so was zunächst ja erst mal nicht. Auch an einem anderen Ort wird es vollkommen ungefragt zu Bewertungen und Kommentaren von Menschen kommen, die das Gegenteil von mir darstellen, das Gegenteil leben und Gegenteiliges mögen, aber ich kriege nichts davon mit, und das bedeutet, helle Tage bleiben hell.

Ich finde es schizophren, wenn sich eine Gesellschaft einerseits wünscht, das jeder frei ist und so leben kann, wie er möchte, es aber auf der anderen Seite gut heißt, dass jeder zu jedem hin latscht, um ihm mitzuteilen, wie er ihn "findet" oder sein Leben. Wieso kann man das nicht für sich behalten oder zumindest so äußern, dass die Zielperson unbehelligt bleibt ? Ich laufe schließlich auch nicht hinter Leuten her, die ganz anders sind als ich, um ihnen mitzuteilen, wie ich sie "finde".

Liebe Grüße vom Dobi
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