Wut und Zorn ersetzen Empfindungslosigkeit?!

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Dendrit
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Wut und Zorn ersetzen Empfindungslosigkeit?!

Beitrag von Dendrit »

Hallo!

Nach einer mehr oder weniger langjährigen Trauerphase - die auch immer wieder mal unterbrochen war und ich ganz "normal" leben konnte - setzte eine Empfindungslosigkeit ein, was mich weiter nicht störte: dann ist das elendige mit fühlen wenigstens nicht da. Als ich dienstags bei einem neuen Arzt war und er mit Fragen nicht locker ließ und ich in mich reinhorchen musste, brachte da was durcheinander. Klar, das war nicht seine Schuld. Seit zwei Tagen jedoch bin ich stocksauer. Ich weiß noch nicht mal warum. Mir tut mein Mann leid, dass ich so giftig bin. Und das wiederum macht mich wütend, dass ich so bin.

Gestern Abend dachte ich mir: Wenn ich die Planungen durchgeführt (in den letzten 13 Jahren) und Schluß gemacht hätte, dann bräuchte ich mich damit nicht rumärgern.

Ich habe mich schon öfters geärgert, war wütend, sauer und/oder zornig. Selbst als Nebenwirkung von einem Medikament. Aber es gab immer einen Auslöser. Doch diesmal nicht. Mir schnürts die Kehle zu, kann nicht den Druck wegheulen. Möchte von niemanden angesprochen werden, mich nervt, dass ich meinen Psychiater nicht erreiche, mein Capuccino zu heiß ist, draußen so kalt ist, das gemaunze der Katze und wenn es Fliegen gäbe, wohl deren alleinige Anwesenheit.

Und bei dem Ganzen habe ich das Gefühl, überrollt zu werden. Ich versuche mich zu wehren, doch es sind wie Schläge in die Luft. Na ja und das steigert nur die Anspannung.

O Mann, hoffentlich ist jetzt keiner sauer auf mich. Das täte mir leid. Ich musste das jetzt niederschreiben. Aber kennt zufällig jemand das? Gibt's außer Jacobsen-Entspannung noch was, was das lösen könnte?

LG, Manuela
down_under
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Re: Wut und Zorn ersetzen Empfindungslosigkeit?!

Beitrag von down_under »

Hallo Manuela,

ich selber "fühlte" mich bis vor kurzem relativ taub und stumpf. Seit großer Enttäuschung an Weihnachten und Montag noch einmal aber empfinde ich Wut, Zorn, Ärger. Da ich diese Gefühle bisher kaum bewußt genug kannte, um sie überhaupt benennen zu können, empfinde ich dies als großen Fortschritt.
Es bricht zwar teilweise aus mir heraus wenn es keinen Anlaß zu geben scheint, bzw. scheint mir die Intensität meiner Reaktion dem Außenreiz oft nicht angemessen (überschießend) zu sein, aber ich finde das viel besser als sich so leer und abgestorben zu fühlen.

Ich weiß nicht, ob dies eine neu hinzugekommene Nebenwirkung von Citalopram ist, denke aber eher nicht. (Weiß da jemand mehr drüber?)

Ein paar Tips habe ich aber für Dich.
-Ich höre jetzt bewußt viel lebendige Musik (insb. Soul, Johnny Cash, aber auch Rosenstolz etc.), da ich festgestellt habe das mir Musik auf einmal wieder etwas gibt (auch wenn sie meine Stimmung nicht hebt). Das macht mich nicht etwa agressiv, sondern beruhigt.
-Ich versuche jeden Tag etwas für mich zu tun. Beispielsweise koche ich gerne für meine Freundin und mich, sofern ich nur irgendwie die Kraft dazu zusammenkratzen kann.
-Sport v.a. (Ausdauersport wie Schwimmen und Joggen) scheinen mir zu helfen,meine Agressionen (eben Wut und Zorn), die ich ja auf einmal wahrnehme, auf ein angemessenes Level zu senken. Wenn es nur irgend möglich ist, raffe ich mich dazu auf. Selbst spazierengehen hilft teilweise schon.
-Entspannen kann ich durch Saunagänge etwas.
-Ich habe angefangen zu kritzeln, zeichen, malen (obwohl ich in dem Bereich recht unbegabt bin). Das ist anscheinend eine gedämpfte indirekte Form sich mit mir auseinander zu setzen.
-Dinge wie Autogenes Training, Feldenkreis-Methode, Meditationsversuche, EntspannungsCDs etc. wirken wenn überhaupt eher kontraproduktiv.

Ich finde auf einmal, daß ich ein Recht auf meine Emotionen habe, auch wenn sie unangemessen sind und manchmal arme Opfer Blitzableiter spielen müssen. Das tut mir dann auch jedesmal sehr leid und ich arbeite daran.

Ich versuche mich mit meiner plötzlich existenten Gefühlswelt zu akzeptieren.

Ich muß jetzt los (die Sonne kommt raus und ich will laufen gehen, obwohl Körper und Seele noch NEIN schreien) und ich wünsche Dir Alles Gute

down_under
Dendrit
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... der Tag danach ...

Beitrag von Dendrit »

... bin ich körperlich fertig. Durch die "Musik-Idee" holte ich meine Flöte und spielte bei einer CD mit. Doch ich merkte, wenn ich nicht schnell genug das Liederbuch mit Noten aufschlug, sofort aggressiv wurde. Nach ca. 1 h ließ ich es sein, ließ die Musik aber im Hintergrund weiter spielen. Dann brach etwas zusammen und zog mich so schnell runter, dass ... nein, das darf ich hier nicht schreiben. Und nun - ich möchte es nicht nochmal erleben, aber ich merk, dass ich immer noch nicht ganz herausen bin. Vielleicht morgen ...

LG, Manuela
down_under
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Re: ... der Tag danach ...

Beitrag von down_under »

Hallo Manuela,

tut mir sehr leid für Dich, daß es Dir so schlecht ergangen ist.
Für mich persönlich habe ich festgestellt, daß ich derzeit Frustrationen über mich selber möglichst meiden sollte. Vermeide daher Dinge, bei denen ich schnell mit mir hadern kann. (So hatte ich Dich im Bezug aufs Flötespielen verstanden).

Ich denke bei mir hängen meine Agressionen (oder der Umstand daß ich ihrer gewahr werde) damit zusammen, daß es mir langsam besser geht. Das habe ich auch oft so beschrieben gefunden, soll oft zu einer Phase der Besserung gehören.

Plötzliche Stimmungseinbrüche kenne ich auch erst, seitdem es eigentlich bergauf geht, dann aber teilweise sehr extrem und ohne erkennbaren Anlaß. Manchmal erscheinen sie mir sogar wie eine paradoxe Reaktion.

Ich bin übrigens auch stocksauer. In meinem Fall auf meinen bisherigen Neurologen. (Der hat mich am Montag rausgeschmissen, weil ich einer mir als Kopfmensch nicht sofort einleuchtenden Theorie nicht ohne Nachfragen zustimmen wollte). Diese Wut empfinde ich aber als gesund (endlich mal was gesundes) und sehr positiv. Sieht mein Psychologe übrigens genauso.
Er hat auch Rücksprache mit dem Menschen gehalten, es war wirklich nicht meine Schuld. Aber zu jemandem der so unprofessionell ausrastet kann ich nicht zurückkehren.

Meine Wut führe ich auch darauf zurück, daß der Arzt mich teilweise völlig mißverstanden haben muß, obwohl ich mir immer größte Mühe gegeben habe mich unmißverständlich zu artikulieren. Eine ungeheure Kränkung. Bin ein schrecklicher Kopfmensch und weiß nur daher, wie gekränkt und enttäuscht ich bin.
Habe auch eine lange Phase weitestgehender Empfindunglosigkeit hinter mir und noch keinen tollen Zugang zu meinen Gefühlen.

Meiner Freundin hilft es übrigens sehr zu wissen, daß "Giftigkeit" und Wut Zeichen einer Besserung sein können.

Vielleicht wäre "Malen" etwas für Dich. Von neurologischer Seite weiß man, daß das erstaunliche Effekte auf das Gehirn haben kann. Außerdem ermöglicht es eine unbewußte Auseinandersetzung mit Emotionen (sehr laienhaft ausgedrückt).
Wenn man sich eher mit Farben befaßt und sich nicht gerade an einer perfekten figürlichen Darstellung versucht, kann man ja auch nix falsch machen, das Frustrationsrisiko besteht also nicht. Auch scheint diese Art der Auseinandersetzung mit seinen Gefühlen einen davor zu schützen, daß man überrannt/ überwältigt wird.
Vielleicht ist das ja ein weniger gefährlicher Denkanstoß.

Ich wünsche Dir Alles Gute,

down_under
Dendrit
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... der Tag danach ...

Beitrag von Dendrit »


Danke, Down under!

Mit dem Flötenspielen wollte ich nur ausdrücken, dass ich sogar da noch zu gereizt war. Und Flötenspielen kann ich besser als malen - außer Window-Color, aber da mal ich ja auch nur aus. In einer Klinik sind mir die Ergotherapeuten in den Ohren gelegen, die gemalten Bilder doch zu verkaufen. Ich weiß nicht, ich kann das nicht - und es sammeln sich immer mehr im Ordner (und ich weiß mittlerweile keinen mehr, der die Arbeit auch schätzt und nicht einfach so nehmen würde; mit was man nicht alles unzufrieden sein kann!)

Ich hoff nun auch, dass es ein Teil zu Besserung wird/ist. Ganz wohl ist mir nicht bei der Sache. Wie ich abgestürzt bin, was da so durch den Kopf ging und was ich alles gemacht habe.

Ich wünsch Dir noch einen schönen Sonntag!

LG, Manuela
Nico Niedermeier
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Re: Wut und Zorn ersetzen Empfindungslosigkeit?!

Beitrag von Nico Niedermeier »

Liebe Manuela,
ich habe Ihn gelöscht, aber das fände ich eine gute Idee (Ihm die Briefe zu geben)
Gruss
Dr. Niedermeier
Nico Niedermeier
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Re: Wut und Zorn ersetzen Empfindungslosigkeit?!

Beitrag von Nico Niedermeier »

Liebe Manuela,
ich habe Ihn gelöscht, aber das fände ich eine gute Idee (Ihm die Briefe zu geben)
Gruss
Dr. Niedermeier
Dendrit
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... zwei Tage später ...

Beitrag von Dendrit »

... und ich "versteh" nicht, wie ich mich so fühlen konnte und "alle Welt" rebellisch machte. Gut, einiges ist immer noch nicht so in Ordnung, wie man sich's wünscht, aber immerhin: ich habe mich im Griff, bin nicht mehr todtraurig, kann klarer denken, kann mich mit einigen anderen Handlungsweisen gar nicht mehr identifizieren - so dass ich für mich sagen kann: mir geht's gut. (Ich erwarte mittlerweile nicht mehr.)

Mit jedem Tief versuche ich was daraus zu lernen. Und so frage ich mich, ob es überhaupt notwendig war, hier diese Einträge und dem Psychiater zu schreiben?! Ich habe übrigens demnächst ein "Interview" um zu klären, was für Depri ich habe.

Wie lange dauerte es bei Euch, bis eine endgültige Diagnose gestellt wurde? Kennt jemand so ein Gespräch - was wird da so gefragt? (Ein bißchen Bammel habe ich schon davor. )

LG, Manuela
Dendrit
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... zwei Tage später ...

Beitrag von Dendrit »

Jetzt habe ich mich so gefreut, dass es mir wieder besser geht. Und eigentlich müsst's mir nach der AD-Einnahme besser werden, aber jetzt werde ich total traurig. Weiß nicht warum. Ich hoff, dass ich schlafen kann ...

Gute Nacht! Manuela
Dendrit
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:o) + :o(

Beitrag von Dendrit »

Hallo!

Heute hat eine Psychiaterin angerufen und wir haben für nächste Woche einen Termin vereinbart. Ich hab mich riesig gefreut, so paradox es sich anhört. Und jetzt bin ich wieder so kraftlos.

Frage: ich hatte sehr großes Vertrauen zu dem Psychiater in der Geschlossenen (in einer anderen Klinik). Da ich das Problem habe, dass Gestik und Mimik mit dem übereinstimmen wie ich mich fühle, bin ich nicht unbedingt glaubwürdig. Sollte ich eine Schweigepflichtsbefreiung zu dem Arzt ausschreiben, damit er meinem zukünftigen Behandler das besser verklickern kann? Das ängstigt mich momentan - nicht für glaubwürdig gehalten zu werden.

LG, Manuela
Füchschen
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Re: Wut und Zorn ersetzen Empfindungslosigkeit?!

Beitrag von Füchschen »

Hallo Manuela,
ich weiß genau, von was du sprichst. Ich bin seit zwei Tagen wieder auf eine Art und Weise aggressiv, dass es mir selber Angst macht. Ich bin verletzend zu meinem Freund, obwohl er nichts getan hat, ich ertrage keine Nähe, ich habe auf nichts Lust. Vielleicht zieht es einen gerade deswegen so runter, weil man sich verstellen muss, um andere nicht vor den Kopf zu stoßen? Weil man auch niemandem erklären kann, warum man so wütend ist, man weiß es ja selbst nicht mal. Und dazu noch das schlechte Gewissen. Was mir hilft ist Sport, um mich abzureagieren und wenn ich mich dazu nicht aufraffen kann, muss ich mich zurückziehen, um zur Ruhe zu kommen. Am besten ins Badezimmer, Tür zu, heiß duschen und einen leeren Kopf bekommen. Immer hilft es natürlich nicht, aber Rückzug als Sofort-Hilfe-Maßnahme, um zu überdenken, was in einem passiert - manchmal klappt es.

Viele Grüße, Martina
Dendrit
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Danke ...

Beitrag von Dendrit »

Marina!

Mir ist auch schon wieder zum aus-der-Haut-fahren: Kopfschmerzen, dass das Mirtazapin nicht mal ansatzweise hilft - Ich werd mal ins Bett gehen, vielleicht siehts morgen anders aus ...

Gute Nacht!

Manuela
Ronja75
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Re: Wut und Zorn ersetzen Empfindungslosigkeit?!

Beitrag von Ronja75 »

Hallo Manuela!
ZU Deiner frage nach der Befreiung von der Schweigepflicht:
Es aht doch bestimmt einen Entlassungsbericht gegeben, als Du die Klinik verlassen hast !?
Vielleicht kannst Du veranlassen, dass Deine neue Psychiaterin den bekommt. Wenn sie einverstanden ist, kannst Du ihn gemeinsam mit ihr lesen. Dann weiß sie schon mal ne Menge und du kannst das ganze noch erläutern, wenn Du meinst, dass irgendwas besonders wichtig ist oder fehlt.

Alles Gute wünscht Dir
Wibke
gelberosen
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Re: Wut und Zorn ersetzen Empfindungslosigkeit?!

Beitrag von gelberosen »

Hallo ihr beiden,

ich kenne das auch. Meist ist es ein Zeichen, daß es mir besser geht. Gleichzeitig bin ich mit irgend etwas unzufrieden. Meistens ist es dann so, daß ich unliebsamen Wahrheiten, Ängsten oder Sehnsüchten ins Auge schauen muß, ich komm nicht drumrum. So geht es mir jetzt auch. Sch... Phase, ich hätt lieber, daß es ruhiger geht. Aber was nicht ist, ist nicht.

Gruß
die Besserung
Dendrit
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Re: Wut und Zorn ersetzen Empfindungslosigkeit?!

Beitrag von Dendrit »

Hallo!

Heute war ich in der Psychiatrie. Die Psychologin/Psychiaterin war sehr nett. War 'ne "Fragebogen-Aktion", aber das mach ich ja gern, weshalb es kein Problem war. Lediglich das Gespräch zu "Auswertung". Immer wenn es um meinen psychischen Zustand ging, war es mir furchtbar peinlich. Einerseits wusste ich, ich muss es ihr sagen, andrerseits hätte ich es lieber verschwiegen. Und dann die Situation, bei der ich vom Kopf her ihr recht geben musste, aber nicht so empfand. Ich hätte also da vor 2 Wochen kommen sollen. Und ich weiß nicht, ob ich beim nächsten Mal wieder kneife. Na, mal sehn. Jetzt bin geschlaucht, kaputt und müde. War ein anstrengender Tag. Mach mir jetzt Spaghetti und dann ab ins Bett!

LG, Manuela
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