Trauerbewältigung - und allmählicher Wiederaufbau

Selea

Trauerbewältigung - und allmählicher Wiederaufbau

Beitrag von Selea »

:hello: Guten Tag @all

Gute 3 Monate ist das Ableben meiner Mutter her.
Und innerhalb von 5 Monaten waren ja 3 Todesfälle, meine Mutter, letztlebende Tante und letztlebender Onkel.

Im Nachklang muss ich sagen, das war doch ewas viel.

Nach der ersten Schockstarre hatte ich durchaus einige Wochen Aufwind, fühlte eine Erleichterung, und daraus resultierend habe ich weniger Rückenschmerzen und Muskelspannungen.
Aber seit 9 Tagen hat mich die Trauer fest am Wickel.

Was ich in den letzten Tagen wieder Sturzbäche geheult habe. Vorallem nachts ist es so schlimm, Schlaf ist ja eh schlecht, und dann wach ich wieder und wieder auf, habe Tränen in den Augen, Tränen rollen übers Gesicht........und dann fangen die endlose Grübel_Schleifen an.
Wie was war, mit wem, ob ich daran Schuld war, ob ich als Kind hätte was besser machen können........wie mein Leben anders verlaufen wäre, hätte ich mehr familiäre Geborgenheit gehabt.

Es ist nicht so, dass ich das Gefühl habe, ohne meine Mutter nicht weiterleben zu können.
Ich trauere eher darum, dass unser Verhältnis zeitlebens so schlecht war, und ich tatsächlich zeitlebens darunter sehr gelitten habe.
Mir hat als Kind und Jugendliche immer eine Familie mit Liebe gefehlt.

Das beweine ich so sehr, dass ich es fast nicht aushalten kann.

Es ist grauenhaft, mein ganzes eigenes Leben ist im Moment auf dem Prüfstand.
Und ich meine immer, ich hätte alles falsch gemacht.
Nun weiß ich ja, wie meine depressiven Phasen gestrickt sind......ganz genau diese Schuldgefühle, alles schwarz sehen, Vergangenheit ist schwarz, die Zukunft auch......
....
Sehr belastend empfinde ich alles mit meinem Bruder, seit dem Streit am Tag der Urnenbeisetzung schreiben wir nur noch freundlich_sachliche Mails.
Es gab ja noch soviel Nachlass_Regelungen......klar machen wir das fair und freundlich.
Mehr aber nicht.
Er trauert NICHT, trallallala, es gehe ihm gut, er fühle sich befreit........also mit ihm kann ich nicht gemeinsam trauern, und Dinge nachhallen lassen.
Eben so wie damals bei meinem Vater, kein Sterbenswörtchen war möglich, da wurde er gleich aggressiv und hat abgeblockt......

Am Samstag hab ich mal wieder angerufen, weil ich mir keinen "Wolf" schreiben wollte, bezüglich der Regelung Grabpflege Eltern und bezüglich Aufteilung eines Sparvertrages......
da war seine Stimme so gepresst, wie immer, wenn er wütend ist, ihm was zuviel ist.......
ein paar Worte wollte ich mit seiner LG sprechen, da auch sie schon eine Meniskus_OP hatte,
Ja, nein, weiß nicht mehr.....und ähnlich waren die dürren Antworten........

Selea, du bist hier nicht willkommen, so wirkte es auf mich.

Jetzt durchgrüble ich nachts auch diese Beziehungen, mit X war es ja von Anfang an sehr sehr schwierig.......und ich grüble über eigene Fehler nach, und warum eigentlich in dieser Familie immer alles so schwierig ist.

Bloß das Grübeln hilft mir ja gar nicht. Es löst gar nichts.
Ich muss mich den Tatsachen stellen, dass dies eine Familie ohne Liebe ist und war.

X hat sich meinen Bruder gekrallt, und mit dem Rest der Familie wollte sie nichts zu tun haben.
Das hat sie mir auch einmal so gesagt.

Und dieser Todesfall hat nun dazu beigetragen, dass alle Masken gefallen sind.

Einigen Verwandten haben wir kleine Gedenkstücke an unsere Mutter zukommen lassen, z.b. den Frauen schönen Schmuck etc. etc.
Auch X wollte ich eine wunderschöne kleine Bienchenbrosche angesteckt auf ein umhäkeltes Taschentuch zukommen lassen.
Mein Bruder musste mir dann ausrichten, dass seine LP kein Gedenkstück haben möchte.

Das habe ich als einen ungeheuren Affront empfunden. Gegen mich und auch gegen meinen Bruder. Ich habe große Mühe, meine Aggressionen nicht zu schüren, und irgendwas Böses zu sagen oder zu schreiben.

Und wie oft ist derzeit das Bett mein Zufluchtsort. Dort ist es wenigstens schön warm.
Wärme, familiär, die immer gefehlt hat.

So ein Todesfall eines Elternteils ist schon eine Art Krise. Alles liegt auf dem Prüfstein, mein ganzes Leben, wie ist es gekommen, dass ich so lebe, wie ich lebe, dass ich diese Art Frau geworden bin, die ich bin........und ich werde ungemein traurig.

Im Außen manage ich alles klasse, so wie eigentlich immer.

Hab mich um meine Körper_Gesundheits_Baustellen gekümmert, Asthmabehandlung verbessert,
Kniebeschwerden angegangen, evt. OP am Meniskus______PKV hat mich ins BetterDoc._Programm genommen, und wie es aussieht, ist eine OP noch gar nicht nötig.....viele Arzttermine und Gespräche diesbezüglich.
Bei einer Spezialistin für Anfang Juno Termin über BetterDoc. für Zweitmeinung und Behandlungsalternativen.
Und eigentlich müsste und möchte ich endlich meine Zahngeschichte in Angriff nehmen.......

Im Außen läuft schon alles.
Aber im Innen, mannoman, da bin ich noch längst nicht im Gleichgewicht angelangt, da ist längst noch nicht die neue Lebenssituation verinnerlicht.


Dabei steht mir doch eher im Sinn, meine noch verbleibenden Jährchen zu genießen und mich des Lebens zu erfreuen.
Statt dessen all dieser innere Gruscht.

Wie sind eure Erfahrungen mit den Trauerphasen nach Ableben eines Elternteils?



dies fragt
Selea
Zuletzt geändert von Selea am 13. Jul 2016, 13:26, insgesamt 1-mal geändert.
Andra
Beiträge: 57
Registriert: 8. Mär 2016, 19:48

Re: Trauerbewältigung - und endlose Grübeleien

Beitrag von Andra »

Hallo Selea,
einiges von dem, was du geschrieben hast, kommt mir sehr bekannt vor. Der Begriff "Familie" ist nicht immer nur mit Positivem verbunden. Ich denke, das kennen so einige hier im Forum.
Ich hatte eine Zeitlang Probleme nach dem Tod meiner Mutter vor 25 Jahren. Es war eigentlich nicht so sehr der Tod an sich, sondern die damaligen Umstände. Ich mußte n.a. erleben, wie ihr Ehemann (mein Vater) sie im Krankenhaus angebrüllt hat. Dieser unerträgliche Mann hat seiner Ehefrau/meiner Mutter doch tatsächlich ihre Erkranung (Krebs) VORGEWORFEN. Ich war in dem Moment kurz davor, ihm meine Faust ins Gesicht zu schlagen. Konnte mich gerade noch so einigermaßen beherrschen. Mich hat der blitzartige Gedanke "Ich will nicht so werden wir er" davon abgehalten.
Ich war nach ihrem Tod traurig, weil ich und mein LG es nicht mehr geschafft haben, sie zu uns nach Hause zu holen, weil eben der Tod schneller war als ich/wir. Nachdem mein LG und ich dann immer wieder darüber gesprochen haben, bin ich zu dem Ergebnis gekommen (und das konnte ich dann auch tatsächlich so fühlen), daß ihr Tod für sie und mich aufgrund der damaligen Familiensituation eine Erlösung war. Mit meinem Bruder habe ich seit dem Tod des Vaters keinen Kontakt mehr.
Bei dir, Selea, habe ich den Eindruck, daß dir eher das Gefühl der Einsamkeit zu schaffen macht. Das deine Traue vorwiegend damit zusammenhängt. Ist das so?
Andra
Beiträge: 57
Registriert: 8. Mär 2016, 19:48

Re: Trauerbewältigung - und endlose Grübeleien

Beitrag von Andra »

Entschuldigung: Es ist natürlich TRAUER und nicht "Traue" gemeint.
Katerle
Beiträge: 11259
Registriert: 25. Sep 2014, 10:30

Re: Trauerbewältigung - und endlose Grübeleien

Beitrag von Katerle »

Liebe Selea,

3 Todesfälle innerhalb von 5 Monaten - ganz schön viel Selea...

Lass es raus, wenn du weinen musst. Ich konnte damals erst nach dem Tode meiner Mutter auch nicht weinen. Erst in einer Klinik, nach dem zweiten Anlauf gelang es mir in der Gruppe über meine Mutter zu sprechen, was anfangs eher schwierig für mich war. Und auch durch das Malen gelang es mir, meine Trauer zu bearbeiten. Trauer wird leichter, wenn man sie mit anderen teilt... und es hilft, festzstellen, dass man nicht allein ist, dass auch andere um einen geliebten Menschen trauern...

Manchmal ist das in der Familie aber nicht möglich, Selbsthilfe, wenn die einen zuviel Arbeit haben oder die anderen zu weit weg wohnen. Dann ist es hilfreich, sich in einer Selbsthilfegruppe auszutauschen, die ähnliches erlebt haben, um die Trauer zu bewältigen.

Du warst ein Kind und du brauchst dir auch keine Vorwürfe zu machen, es besser gemacht haben zu können. Als Kind ist man nicht schuld... Auch das habe ich erst sehr viel später für mich erkennen und annehmen können... Und du hast auch nicht alles falsch gemacht...

Dein Bruder scheint wohl anders mit seiner Trauer umzugehen, denke ich...

Nun, es ist schon nicht einfach, das Gefühl zu bekommen, nicht willkommen zu sein. Dennoch kannst du es nicht ändern, dein Bruder ist nun mal mit seiner LG zusammen. Kannst höchstens versuchen, für dich was zu tun, damit es dir langsam wieder besser geht. Es braucht Zeit, bis alles verinnerlicht ist und die solltest du dir auch lassen.

Wie wär´s wenn du deine Gedanken in ein Tagebuch schreibst, um deine Grübelgedanken loszuwerden?

Als mein Vater vor ein paar Jahren verstorben war, hatte ich auch getrauert, auch meine G. Und mit einer S. habe ich immer mal über unseren Vater geredet, was schön war und was nicht so schön war... Sein Grab ist allerdings etwas weiter weg, so das wir dort nur selten hinkommen und so haben wir am Grab unserer Mutter ein Bild befestigt, so das wir gleichzeitig um unseren Vater trauern, wenn wir dort sind. Ich gehe auch öfters mal alleine, weil ich eh hauptverantwortlich mich ums Grab kümmere. Letztens war ich auch erst wieder dort und ich mache das alles sehr gerne, alles vom Unkraut zu befreien und was einzupflanzen.

Ausserdem habe ich meine Gedanken um meinen Vater und um meine Mutter in mein Tagebuch geschrieben und auch da flossen immer mal die Tränen.

Und meine Therapie half mir auch bei meiner Trauerarbeit.

Weiterhin alles Gute und ganz viel Kraft, liebe Selea.

Liebe Grüße
Katerle
Katerle
Beiträge: 11259
Registriert: 25. Sep 2014, 10:30

Re: Trauerbewältigung - und endlose Grübeleien

Beitrag von Katerle »

@ Andra

Tut mir leid mit deiner Mutter und was du im Krankenhaus erfahren musstest...

Sowas hatte ich leider damals auch hautnah erfahren müssen, unmittalbar nach einer OP, dass meine Mutter angeschnauzt wurde (nicht von meinem Vater), aber von ihrem neuen Mann. Ich kochte innerlich vor Wut und ich dachte echt, ich war im falschen Film... Konnte mich auch noch gerade so beherrschen... Draussen hatte ich ihn mir dann erstmal vorgeknöpft und deutlich meine Meinung gesagt. Meine Mutter starb dann ca. ne Woche später daheim... Sahen das auch als so ne Art von Erlösung. Solche Umstände können sehr belastend sein... und mir gings dann ein paar Tage später sehr schlecht, körperlich als auch seelisch...

GLG
ranu
Beiträge: 87
Registriert: 13. Feb 2016, 22:37

Re: Trauerbewältigung - und endlose Grübeleien

Beitrag von ranu »

Hallo Selea
Als mein Bruder mit 33 Jahre tödlich verunglückte, war ich 28 Jahre alt und Mutter von 3 Kindern zwischen 2 und 6 Jahre. Damals dachte ich, dass meine Eltern mehr Recht zu trauern habe als ich und ich muss für sie dasein. Meine 3 Kids brauchten mich natürlich auch und so hatte ich keine Zeit für meine Trauer. Es dauerte 5 Jahre, dann hatte ich einen Nervenzusammenbruch, ich hatte den Tod meines Bruders nicht verarbeitet. Und es dauerte Jahre, bis ich überhaupt darüber reden konnte.
Als mein Vater 6 Jahre nach meinem Bruder an Krebs starb war ich bei ihm und habe ihm die Hand gehalten. Ich kann nicht erzählen, wie meine Mutter und meine Schwester in diesen Minuten verhalten haben. Ich habe meinen Vater bis zum Schluss begleitet und konnte mich somit von ihm verabschieden, das macht mir die Trauer um ihn leichter. Nachdem meine Mutter vor ca 10 Jahre pflegebedürftig wurde, hat sich meine Schwester nicht einmal um sie gekümmert, geschweige denn sie besucht. Unsere Mutter war keine liebevolle Frau sondern eine verbitterte Person, die uns Kinder schon immer das Leben schwer machte. Aber sie war meine Mutter und ich war auch bei ihr bis zum Schluss dabei. Und wieder hatte ich das Gefühl, dass ich mich verabschieden konnte und ich habe mir nichts vorzuwerfen. Ich konnte sie, egal was zwischen uns vorgefallen war, gehen lassen und um sie trauern.
Den Tod meines Bruder werde ich vielleicht nie ganz überwinden, aber die Personen, von denen ich mich verabschieden konnte und mir Zeit zum Trauern genommen habe, die kann ich gehen lassen. Es braucht gewiss seine Zeit, aber der Schmerz wird weniger.
Ich hoffe, dass du gut um deine Mutter trauern kannst, du hast dir auch nichts vorzuwerfen, denn du warst für deine Mutter bis zum Ende da.

Mit ganz liebem Gruß
Ranu
Selea

Re: Trauerbewältigung - und endlose Grübeleien

Beitrag von Selea »

:hello: Guten Morgen miteinander
:) Andra :) Katerle und :) Ranu

habt Dank für eure Antworten.

Andra :) , du hast es gut erfasst. In den letzten Tagen hat mich ein unendliches Gefühl der Einsamkeit und Verlassenheit und Verlorenheit erfasst.
Letztlebende Tante und letztlebender Onkel und Mutter sind endgültig nicht mehr da.
Da lässt sich in den Beziehungen nichts mehr nachholen oder verändern.

Ich glaub, diese Endgültigkeit setzt mir auch so zu.

Mit Cousin X, Sohn von letztlebender Tante und Onkel habe ich mich diese Tage wieder mal via E_Mail ausgetauscht. Er ist vor ein paar Jahren nach Griechenland ausgewandert.
Und hat Fotos geschickt, zwar hat er selber auch keine Kinder, aber eine nette LP und die griechische Großfamilie um sich.
Das hat mich so traurig gemacht. Für mich selber. Hätte ich doch wenigstens mal wieder einen Freund. Wäre ich doch auch irgendwo in einer Gruppe eingebunden.
Ich fühle mich sehr sehr alleine.

Das Single_Dasein und das Alleine_Leben ist in solchen Situationen einfach nicht gut.
Parallel mit meiner Neigung, mich zurückzuziehen, wenn ich traure bzw. wenns schwierig wird.

Neulich wollte ich mit 2 Freundinnen an einer Großveranstaltung teilnehmen......ging nicht, ich musste absagen, wir wollten uns dort treffen, hunderte von Menschen drumrum, man hätte sich eventuell suchen müssen oder sich gar verfehlt. Und nur schon bei dem Gedanken hat mich eine abgrundtiefe Verlassenheit überfallen.
Leider ist durch diese Todesfälle meine größte Achillesferse wieder aktualisiert. Das mit dem VerlassenSein und VerlassenWerden......

Ja, Katerle :) gut wäre, nicht ganz so alleine durch die Trauer durchzumüssen. Ich habe ja eine Adresse als Anlaufstelle für Trauergruppen. Aber selbst das erscheint mir diese Tage wie eine Himalaya_Besteigung.

Ja, Katerle, ich lass es raus, die Trauer und den Schmerz. Wenn ich immer nachts so aufwache mit den Tränen, dann versuche ich oft, das wegzudrücken, aber es kommt dann versetzt ein paar Tage später.....dann muss ich heulen, und bin außer Gefecht für ein, bis zwei Tage.

Ranu :) da hast du auch schon was durch an Todesfällen und Trennungen.
Und ich finde es ganz wichtig, wie du beschreibst, dass das Abschiednehmen am Todesbett die Trauer und den Abschied erleichtern kann.
Während solche unmittelbaren Todesfälle wie der Unfall_Tod deines Bruders sehr schwer zu bewältigen sind.

Wie du deine Mutter als Person und auch in der Begleitung ihrer Pflegebedürftigkeit beschreibst, kommt meinen eigenen Erfahrungen diesbezüglich sehr nahe.
Danke hierfür.

Andra und Katerle, es ist schlimm, wie sich die Partner/Ehemänner gegenüber euren Müttern verhalten haben.
Ist das typisch männlich, mit Aggressionen zu reagieren auf Todesnähe und Leid, anstatt sich einzugestehen, wie brunnentief traurig und hilflos einen das macht???

Soweit meine Gedanken am frühen Morgen
Selea
Katerle
Beiträge: 11259
Registriert: 25. Sep 2014, 10:30

Re: Trauerbewältigung - und endlose Grübeleien

Beitrag von Katerle »

@ Selea

Es ist verständlich, dass du erstmal unter Schock stehst und dich einsam fühlst.

Und das du schon eine Adresse als Anlaufstelle hast für Trauergruppen ist positiv. Auch diesen Schritt wirst du überwinden können, wünsche dir ganz viel Mut dazu. Fange mit kleinen Etappen an und schon bald wirst du den Gipfel erklimmen. Gehe einfach mal zu der Adresse hin und schaue, wo das ist. Als nächsten Schritt versuchst du dich zu überwinden und dort reinzugehen bzw. nachzufragen.

Ich hatte z. B. auch mal drei Anläufe gebraucht, bis ich es geschafft hatte, in eine Gruppe zu gehen.

Ja Selea, das stimmt mich jetzt nachdenklich, was du geschrieben hast miit den Ehemännern unseren Müttern. Und selbst, als ich dann krank wurde, konnte sich das mein M. leider auch nicht eingestehen und verhielt sich auch dementsprechend. Das war zu meiner Erkrankung doppelt so schmerzhaft. (Zum Glück ist das aber nicht mehr so...)

LG
Luna1966
Beiträge: 784
Registriert: 15. Dez 2015, 09:38

Re: Trauerbewältigung - und endlose Grübeleien

Beitrag von Luna1966 »

Liebe Selea,

bedauerlicherweise ist Trauer mit einem manchmal schwer zu ertragenen seelischen Leid verbunden.

Auch ich habe bereits geliebte Menschen verloren.

Das erste Mal wurde ich damit am 25.12.1987 konfrontiert. Damals war ich 21 Jahre alt – kein Alter in dem man auf den Tod vorbereitet ist. Ich feierte den ersten Weihnachtstag mit meinem damaligen Lebensgefährten, unserer fast 4-jährigen Tochter und unserem 4 Monate alten Sohn. Urplötzlich brach mein Partner zusammen – er verstarb noch im Krankenwagen auf dem Weg ins Krankenhaus an einem Herzinfarkt.

Um die Trauerfeier und alles andere musste/durfte ich mich nicht kümmern, das übernahm meine Schwiegermutter. Ich wurde sogar gebeten, der anonymen Beisetzung fernzubleiben (ihr geliebter Sohn verstarb bei mir; die Schuldfrage war bereits geklärt). Aus Rücksicht auf ihre Trauer ging ich nicht zur Beerdigung und niemals auf den Friedhof. Damals war ich zu jung, um zu erkennen, was das alles mit mir machen würde.

Damit meine Kinder mit dem Verlust des Vaters so wenig wie möglich belastet wurden, ließ ich den Vater viele Jahre in unserer kleinen Familie weiterleben - statt übliche Gute-Nacht-Geschichten gab es Geschichten über Papa; ich begann eine gute Ausbildung, damit ich die Familie finanziell absichern konnte und meine Kinder entwickelten sich zu glücklichen jungen Menschen. Ich dachte, ich hätte alles bedacht -

ich vergaß leider nur eins – MICH.

20 Jahre später verstarb mein Vater nach fast 5- jähriger aufopfernder Pflege durch meine Mutter und meine Schwester. Die letzten Jahre, in denen er nur noch pflegebedürftig im häuslichen Bett liegen konnte, bin ich bei Besuchen nicht mehr in sein Zimmer gegangen. Irgendwann kam morgens der Anruf meiner Mutter, dass er nachts verstorben sei. Ich nahm Urlaub, fuhr zu meiner Mutter und unterstützte sie in allem, was zu tun war. An die Beisetzung kann ich mich nicht mehr erinnern, aber daran, dass keine Zeit war, um zu Weinen.
Irgendjemand musste sich ja um meine trauernde Mutter und Geschwister kümmern. Auch die Zeit danach war für meine Mutter sehr schwer und ich war ihr immer ein guter Trauerbegleiter, den sie zu jeder Tages- und Nachtzeit trostsuchend anrufen konnte. Heute ist sie in ihrer zweiten Ehe glücklich.

Wieder dachte ich, alles richtig gemacht zu haben, damit alles wieder gut wird - wieder vergaß ich MICH.

Jetzt, 10 Jahre später, als depressive Frau mit Therapieerfahrungen zu diesem Thema weiß ich, wie wichtig es ist, EIGENE Dinge abzuschließen, auch wenn das weitaus schmerzhafter ist, als sich um andere Dinge zu kümmern. Noch heute beeinträchtigen mich diese Lebensereignisse im täglichen Umgang mit mir selbst. Ich wünschte, ich hätte 1987 bereits trauern können damit ich heute das Versäumte nicht so schwer aufarbeiten müsste. Leider ist die Hingabe an den Schmerz oft erforderlich, damit man auch den Tod bewältigen kann.

Dir, liebe Selea, wünsche ich daher viel Kraft, Mut und Ausdauer die Trauerverarbeitung mit all dem schwer zu ertragenem Leid annehmen zu können, als etwas Notwendiges, das aber vorübergehen wird.

Es wird danach eine bessere Zeit kommen – ganz gewiss.
Selea

Re: Trauerbewältigung - und endlose Grübeleien

Beitrag von Selea »

:hello: Guten Tag.

:) Katerle und :) Luna

Ja, Katerle, Männer und Gefühle. Vorallem wenns ums Eingemachte geht, also Trauer, Schmerz,
Kleinheitsgefühle.....Ohnmacht und Hilflosigkeit.........in unserer Generation sind die meisten Männer ja noch "beinhart" erzogen worden, und so werden sie das auch nicht als Erwachsene abgelegt haben.
In Fachkreisen spricht man ja mittlerweile von der "Männlichen Depression", die sich eher äußerst aggressiv und wuterfüllt äußert.....google mal, wenn es dich interessiert.

Am Tag der Urnenzubettung hatte ich ja auch die komplette Heuleritis, mein Bruder nur, "na, so wie ich würde er ja nicht trauern"........dann hab ich ja in meiner Not die Telefonseelsorge angerufen gehabt, und bin an einen sehr einfühlsamen Mann geraten. Der sagte zu mir, "So sind wir Männer halt, halten schwierige Gefühle gerne von uns fern".
Das fand ich doch auch sehr interessant.

Heute geht es mir einen Tack besser, Wohnung ist aufgeräumt, hab Großeinkauf gemacht, also immerhin aus dem Morgenrock raus und alle Pflichten erledigt.
Aber ich bin schon sehr traurig, könnte immerzu in Tränen ausbrechen.

Mit der Trauergruppe, Schritt für Schritt sagst du, es ist auch meine Devise. Zuviel darf ich mir nicht aufeinmal vornehmen, dann wirds wieder eng bei mir, und es klappt nicht.

In den ersten 3 Monaten nach Ableben der Mutter war ich großzügiger mit mir. Hab mich mehr gelassen, so wie ich bin.
Aber jetzt wurde ich ungnädig und ungeduldig mit mir......aber ich stelle fest, so geht es nicht.
Ich kann mich nicht antreiben und zu irgendwas zwingen, was nicht geht.
Die Depression hat mich die Langsamkeit gelehrt, dass ich langsam machen muss, und auch immer nur langsam in neue Situationen hereinwachse. Leider.

Was bewundere ich Menschen, die einfach kaltschnäuziger umgehen mit allem, was schwer ist auf der Welt und im eigenen Leben.

Luna, was du geschrieben hast, hat mich sehr betroffen gemacht.
Da hat dich als junge Frau schon so ein schwerer Schicksalsschlag getroffen.
Und trotzdem hast du deine Ausbildung gemacht, deine Kinder ernährt, sie zu tüchtigen Menschen erzogen.....Hut ab. 8-)

Sehr anschaulich beschreibst du, wie du aber selber eigentlich immer auf der Strecke geblieben bist.
Und dass sich das nach den anderen Todesfällen dann gerächt hat.
Dieses immer nicht auf sich selber achten......die Trauer nicht zuzulassen.

Trauergefühle mit allem Drum und Dran sind ja heftige Gefühle, das mag die Umwelt auch nicht so gerne, das merke ich immer wieder. Die sind froh, wenn man "scheinbar" wieder funktioniert.


Gegen die heftigen Gefühle kann ich mich derzeit nicht wehren, ich würde aber so gerne nicht soviel alleine sein DAMIT.
Schade, dass in unserer Gesellschaft soviel outgesourct wird, so die Trauer in Trauergruppen, Therapie und Trauerkliniken.......die Alten in Pflegeheime, u.v.m.


Soweit meine Gedanken
Selea
Luna1966
Beiträge: 784
Registriert: 15. Dez 2015, 09:38

Re: Trauerbewältigung - und endlose Grübeleien

Beitrag von Luna1966 »

Lieben Dank, Selea,

deine Fähigkeit, Anteilnahme an meiner Geschichte in deiner jetzigen Trauer zu zeigen, rührt mich sehr.

Ich möchte dir daher mit meiner Biographie ein wenig Mut machen.
Trotz der Schicksalsschläge habe ich

- nochmal glücklich geheiratet,
- ein drittes Kind bekommen,
- Betriebswirtin studiert
- ein Haus gebaut und
- einen guten Job gefunden.

Es ist ALLES möglich – nicht das Leben bestimmt mich, ich bestimme mein Leben !!!

Die Vergangenheit können wir nicht mehr ändern aber wir können unseren Frieden damit schließen. Ich versuche, meinen Frieden zu schließen, indem ich bereit bin, zu vergeben und zu verzeihen. Es ist meine Antwort auf die Liebe an das Leben, mich selbst und die Menschen trotz Stolpersteine.

Vielleicht hilft dir eine innere Aussprache mit deiner Mutter und deinem Bruder um die Vergangenheit akzeptieren zu können und einen Weg zu deinem Bruder zu finden. Vielleicht fühlst du dich dann nicht mehr so einsam und alleine gelassen und hast einen familiären Hafen, neben Therapiezentren bzw. Trauergruppen um dich mitzuteilen und dein Leid teilen zu können.

Es grüßt herzlichst

Luna
Andra
Beiträge: 57
Registriert: 8. Mär 2016, 19:48

Re: Trauerbewältigung - und endlose Grübeleien

Beitrag von Andra »

Hallo liebe Selea,
der Wunsch nach familiärer Geborgenheit ist wohl in allen vorhanden. Deine Realität ist jetzt im Moment anders. Deshalb möchte auch ich dir noch mal gut zureden, zumindest die Möglichkeit der Trauerbegleitung in Anspruch zu nehmen, auch wenn du evtl. Zweifel daran hast, das es für dich hilfreich sein kann.
Manchmal ist es tatsächlich so, daß einem Menschen (z.B. in solch einer Trauergruppe), die man bisher nicht kannte, durch die Gespräche mehr helfen können als Familienmitglieder.
Versuche es bitte, Selea.
Liebe Grüße von mir (ich umarme dich hier auf diesem Wege)
Ziege04
Beiträge: 1329
Registriert: 1. Feb 2016, 17:56

Re: Trauerbewältigung - und endlose Grübeleien

Beitrag von Ziege04 »

Hallo Selea

Ich möchte Dich darin bestärken, eine Trauergruppe zu besuchen.

Meine Ex - Schw.mutter war Krankenschwester und hat nach ihrer Frührente einen Kurs besucht, wurde Traueragogin, und bot Trauerseminare an. Ich habe zwar nicht teilgenommen, doch wegen unseres beruflichen Bezugs, erzählte sie mir viel darüber. Es ging nicht nur um Austausch, es ging um Umgang und Bewältigung. Es wurde gemalt, Briefe an die Verstorbenen geschrieben, diese ggf dann draußen vergraben, symbolisch auch Trauer und Schuldgefühle, es gab Handpuppen, menschliche und tierische, die Charaktere abbilden sollten, so daß man seine Gefühle dem gegenüber erzählt, es wurde geweint, geschimpft, gedankt, alle Facetten durchlebt.........

Ich weiß nicht, ob eine Selbsthilfegruppe sowas leistet, doch vielleicht gibt es Dir Mut, es zu versuchen und Anregung, was Du für Dich tun könntest - zB das mit dem Brief.........

Ich wünsche Dir viel, viel Kraft!!!!!

Glg Ziege04
Ziege04
Beiträge: 1329
Registriert: 1. Feb 2016, 17:56

Re: Trauerbewältigung - und endlose Grübeleien

Beitrag von Ziege04 »

Ich lege noch einen Gedanken nach,
an Alle-

Ist nicht Depression eine Art Trauer um uns selbst? Was wir waren, was wir hätten sein können oder sollen?

Wenn wir es schafften, das eine, alte, krankmachende 'ICH' zu begraben und das aktuelle, schaffende, gesunde 'ICH' hervorzuheben und damit weiter zu leben............

Unausgereifter Gedanke, doch ich wollte ihn loswerden, zur weiteren Verwendung....

Ziege04
Andra
Beiträge: 57
Registriert: 8. Mär 2016, 19:48

Re: Trauerbewältigung - und endlose Grübeleien

Beitrag von Andra »

@ ziege o4
ja, jaja, das ist "ES" immer wieder.
Ich empfinde und denke und "sehe" deine Gedanken, Ziege04, nicht als "unausgereift".
Na ja, gut: aus rein/eingeschränkter philosophischer Sicht heraus evtl. als "un-aus-gereift".
Aber wir alle sind ja nun nicht ständig/permanent "Philosophen".
Siehst du, "Ziege04" (?), ich habe jetzt versucht, einen in dir vorhandenen Gedanken weiter zu entwickeln/verwenden.
Lieben Gruß an Dich, "Ziege"
Luna1966
Beiträge: 784
Registriert: 15. Dez 2015, 09:38

Re: Trauerbewältigung - und endlose Grübeleien

Beitrag von Luna1966 »

Liebe Ziege,

Ist die Depression eine Trauer um uns selbst?

Das ist eine wirklich sehr gute Frage. Ich habe lange überlegt um sie auf mich "anwenden" zu können und finde den richtigen Weg noch nicht.

Ich trauere nicht um Verpasstes oder Erlebtes. Das alles macht mich ja zu dem Menschen, der ich jetzt bin.

Die Depression ereilte mich nach einem traumatischen Erlebnis. Ich hatte keine Kraft mehr, dieses Erlebte "auszuhalten".
Mein Therapeut hat es einmal mit einem Turm verglichen, auf dem immer mehr unerledigte "Sachen" gestapelt wurden, für die nie Zeit war, sie zu erledigen bis dieser von seiner Last umfiel.

Wenn ich aber überlegen sollte, was ich hätte verändern können, so sehe ich nichts. Meine Kinder waren es wert, mich an zweiter Stelle für ihr Wohlbefinden zu stellen. Wenn ich z.B Bittchen sehe, wie sehr sie unter der Situation ihrer Tochter leidet, würde ich heute bei egoistischerem Verhalten wohl heute auch unter der Situation trauriger Kinder leiden
So aber erfreue ich mich auch in schlechten Zeiten dreier glücklichen Menschen.

Ich kann es drehen und wenden, mein Akku wäre immer leergelaufen weil ich leider zu wenig Egoismus in die Wiege gelegt bekommen habe.

Ich möchte das Thema jetzt verlassen - ich zolle Seleas Thread den Respekt, es nicht unangemessen viel mit "mir" zu belasten.

Lieben Dank, dir Ziege, für diesen sehr guten Gedankenanstoß - ich werde weiter darüber nachdenken
Seit alle herzlichst gegrüßt
Katerle
Beiträge: 11259
Registriert: 25. Sep 2014, 10:30

Re: Trauerbewältigung - und endlose Grübeleien

Beitrag von Katerle »

@ Selea

Ob das typisch männlich ist, mit Aggressionen zu reagieren auf Todesnähe oder Leid, weiß ich nicht. Denke da, dass Männer mit einer solchen Situation wohl auch überfordert sind und sowas ist auch ernstzunehmen.

LG
Selea

Re: Trauerbewältigung - und endlose Grübeleien

Beitrag von Selea »

:hello: Einen schönen Guten Morgen allen.

Vielen Dank für die weiteren interessanten Beiträge.
Nein, so eine Meta_Diskussion stört mich nicht. Dies ist ein Diskussionsforum, und da entstehen so nebenbei auch andere gute Gesichtspunkte zu anderen Themen.

Nun sehe ich wieder klarer.
Etliche gute Gespräche im realen Leben, und der wunderbare persönliche Support eines Forenmitglieds :) haben mir sehr geholfen.

In Beiträgen zu anderen Threads habe ich hier im Forum selber ja immer wieder das Trauerjahr betont, und dass in unserer Gesellschaft nicht unbedingt gesund und zielführend mit dem Thema Trauer umgegangen wird.

Und ich selber wurde nach 3 Monaten mit mir selber hart und ungeduldig.....wollte nicht eine weitere Schmerzwelle haben, aushalten.......
Trauer verläuft in Wellen und ist in der Tat schmerzhaft.
Ja, und auch eine ganz schwierige Mutterbeziehung wird betrauert, das ist das Aberwitzige.

In unserer sympathischen Hausgemeinschaft lebt ein systemischer Psychotherapeut.
Er und sein LG, wir haben auch privaten_persönlichen Kontakt.

Seine persönlich_fachliche Einschätzung hat mir auch sehr sehr geholfen.
Eben auch, dass Trauer ja rauswill und verarbeitet werden muss.
Dass sich aber auch viele alte Gefühle an die aktuelle Trauer andoggen.Bei Trauer ist die ganze Gefühlswelt in Aufruhr.
Eine Begleitung z.B. in einer Trauergruppe sei ganz ganz sinnvoll. Um halt scheibchenweise
diese Gefühle abzutragen, zu verarbeiten.

Das von mir anvisierte Hospiz hier in meiner Großstadt, welches unterschiedliche Trauergruppen anbietet, auch Einzelgespräche, habe wohl in Fachkreisen einen recht guten Ruf.

Wie ihr seht, immer und immer ist Sortieren für mich wichtig. Was ist aktuell , was ist alt,
was ist einfach normal, wie verläuft eigentlich ein Trauerprozess, wenn er nicht unterdrückt wird.......ich brauche einfach wohlwollende Wegbegleiter.
Und die gibt es ja.
Nein, nicht die Familie. Die habe ich nicht. In keinster Form.
Aber es gibt wohlwollende Menschen immer wieder.......sodenn ich mich selber getraue, offen zu sein.....zu reden, um Rat zu fragen......



Soweit meine Gedanken, nein nicht zum Muttertag ;) , sondern zum Thema Trauer.
Selea
Selea

Re: Trauerbewältigung - und endlose Grübeleien

Beitrag von Selea »

:hello: noch mal einige Gedanken in eigener Sache in einem weiteren Beitrag.

Habt ihr eigentlich "Trauern" gelernt in eurer Familie als Kind oder auch später in euren Bezugsgruppen?

"Trauern" habe ich nicht gelernt in meiner Ursprungsfamilie. Es wurde geschwiegen, Sterbefälle und Krankheiten waren nur was ganz Schlimmes, worüber geschwiegen wurde, und trotzdem waberten natürlich die Gefühle spürbar in dieser Familie herum.
Auch durfte ich als Kind NIE zu Beerdigungen mit. Also saß ich "ALLEINE" in der Wohnung, wurde einsam zurückgelassen
und stellte mir das Sterben und Trauern als das Allerschlimmste vor, das es nur gibt.

Nur äußerst mühsam habe ich mir da in meinem ErwachsenenLeben etwas dazu angeeignet.


Mit beinahe 62 verfalle ich immer wieder in dieses Muster, ich müsste hier alleine und einsam
mit Allem fertig werden.
Und es ist im realen Leben für mich gar nicht ganz so einfach , mich bezüglich Trauer und den intensiven Gefühlen anderen Menschen zu öffnen.

Aber wie schon erwähnt, gibt es dann doch oft wirklich sehr sehr zugewandte Menschen, mit denen ich mich austauschen kann.


Selea
Sonnenblume14
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Re: Trauerbewältigung - und endlose Grübeleien

Beitrag von Sonnenblume14 »

Hallo Selea,

deine Beiträge - wenn auch nur überflogen, bin seit einigen Tagen auch nicht so auf der Höhe - haben mich extrem berührt, vermutlich weil ich die lange Phase des Sterbens in deinen Beiträgen miterlebt habe.

Sei doch bitte viiiiiel nachsichtiger mit Dir. Du hast deine Psyche extrem gefordert, sie hat "mitgespielt". Jetzt braucht die Trauer ihre Zeit - und ebenso wie bei einer Depression kannst du den Ablauf nur geringfügig beenflussen.

wir leben in einer schnelllebigen Welt, alles muss gewuppt werden, Gefühle werden kritisch beäugt. Inzwischen glaube ich, dass die Gesellschaft immer kränker wird, das wird so auf die Dauernicht gut gehen. Dazu gehört auch das Trauern. Und um deine Frage zu beantworten: nein, ich habe es in der Familie nicht gelernt. Es war nicht üblich, über Gefühle zu sprechen, weder im Trauerfall noch über z.b. Verliebtheit. Die Atmosphäre war immer sachlich-neutral. Daher ist es besonders schwierig, diese Emotionalität zu verarbeiten.

Hattest du nicht vorgehabt, nach dem Tod deiner Mutter in eine Klinik zu gehen? Für mich wäre das z.B. eine gute Lösung - um mih in geschützter und betreuter Atmosphäre dem Trauerprozess widemen zu können.

Momentan hilft mir die Natur sehr, es duftet herrlich draussen - möglichst viel davon mitnehmen in den Alltag, das ist das, was ich momentan versuche.

LG Sonnenblume
"Depressionen sind kein Zeichen von Schwäche, sondern dafür, dass jemand zu lange zu stark sein musste" (Johnny Depp)

"Verstehen kann man das Leben nur rückwärts. Leben muss man es vorwärts." Sören Kierkegaard
Ziege04
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Re: Trauerbewältigung - und endlose Grübeleien

Beitrag von Ziege04 »

Hallo Selea

Ich schrieb über meine Ex Schw-mutter, die vor einer Woche starb-

Vieles bleibt ein Teil meines Lebens, welches wir mal hatten, auch wenn es nicht so lief, wie geplant, doch wann tut es das......?

Jeder Mensch geht mit Trauer anders um- egal was wir früher lernten, wir haben doch jeder unseren eigenen Weg.
Ich selbst erlebte die erste Trauer als meine Großeltern starben, da war ich etwa zwischen 10 und 13, Tränen und Trauer war okay, doch auch der Blick auf die Realität, wir sind noch da und das Leben geht weiter, wurde mir vermittelt.
Heute versuche ich dieses zu leben. Ich gebe der Trauer ihren Raum, doch ich lasse mich nicht von ihr beherrschen!

Du hast, wie Du schreibst, auch hilfreiche Menschen an Deiner Seite, das ist gut, es spielt keine Rolle, ob es Familie ist. Hauptsache, das Gefühl der Nähe ist gegeben!

Ich grüße Dich ganz herzlich, aus meinem Tag, mit viel Natur, grüne Wälder und Felder, gelber, duftender Raps, blauer Himmel und dem Gefühl, dafür lohnt es sich, zu leben und sich zu freuen! Wir sind da! Und das sollten wir wertschätzen!

Ziege04
Selea

Re: Trauerbewältigung - und endlose Grübeleien

Beitrag von Selea »

:hello: Guten Morgen miteinander
:) Sonnenblume und :) Ziege

Dein Beitrag ist klasse, liebe Sonnenblume. Hab Dank hierfür.
Ich habe dich und deine Beiträge hier im Forum (nach deinem Urlaub) schon vermisst.
Nun lese ich, dass es dir derzeit auch nicht soooo gut geht.
Pass bloß auf dich auf. Bitte.

Mein aufrichtiges Beileid zum Ableben deiner Schwiegermutter, liebe Ziege.

Es ist und bleibt eine Tatsache, dass mir zwischendrin mein Herz immer noch sehr sehr schwer ist.
Das hätte ich am liebsten nicht mehr.
Und würde gerne durchstarten, irgendwie.......schiele ich ein wenig neidisch auf Bekannte und Freunde, die soviel machen, Termine haben etc. etc. Also so viel Aktivitäten im Außen.

Die Aktivitäten im Außen sind nicht so riesig bei mir. Allerdings so im Verborgenen tut sich schon Einiges.
Ich habe schon geschrieben, dass tatsächlich eine Last abgefallen ist, verbunden mit weniger Rückenschmerzen.
Endlich, endlich habe ich auch die Energie, meine wunderschöne kleine Wohnung wieder gänzlich auf Vordermann zu bringen. Also so Putzgeschichten, Schränke mal innen, und auch Bücherregale etc. etc.
Auch habe ich meinen großen Balkon komplett umgestaltet, mit ganz edlen neuen Balkonmöbeln.
Da empfang ich ab und an ganz gerne Gäste. Mit Häppchen und Weißwein oder Sekt.....
und auch meine Gäste sind von der Balkonumgestaltung begeistert.

Endlich habe ich mich dazu durchgerungen, mir diese teuren Encasings (milbendichte Bettzwischenbezüge) zuzulegen. Wegen der Hausstauballergie......ganze 40 Euro tragen die Kostenträger dazu bei, kulanterweise. !

Als nächstes visiere ich einen richtig schönen großen weißen Kleiderschrank mit Schwebetüren im Schlafzimmer an. Ich hab seit 30 Jahren so nen schönen kleinen im italienischen Stil, der ist viel zu klein, und so gibts hinter den Türen so Kruschtelecken, und die lassen sich so eleminieren. *lach*
Mein bescheidenes Erbe macht es mir möglich.

Nachdem mein uraltes Autole anstandslos noch einmal durch den TÜV bekommen habe, habe ich beschlossen, dieses Auto noch weiter zu fahren. Ich fahr ja eh allermeistens nur in der Stadt.....

Liebe Sonnenblume, an einen Aufenthalt in einer Psychosomatischen Klinik denke ich immer wieder, wegen der Trauerbegleitung, auch um weiter Kraft zu schöpfen.
Ich hab ja eine sehr lange sehr kräftezehrende Zeit hinter mir.

Allerdings hab ich halt auch die Körperbaustellen, so ist immer noch nicht gänzlich abgeklärt, wie es mit dem Knie weitergeht.
Einen OP Termin habe ich erst einmal wieder abgesagt, nachdem das Ärzteteam von BetterDoc. (unabhängiges ServiceTeam meiner PKV) meinte, bei mir sei konservativ noch längst nicht alles
ausgeschöpft.
BetterDoc. hat mir bei einer anderen Orthopädin, die ganzheitlich und nur konservativ arbeitet, für Anfang Juni einen Termin vermittelt, als Zweitmeinung, was also noch konservativ gemacht werden könne etc. etc.

Leider steht auch immer noch meine GebissSanierung aus.

Im Moment weiß ich bezüglich der Gesundheits_Baustellen gar nicht, wo mir der Kopf steht.
Und wo ich als Erstes anfangen solle und müsse.

Das Narkose_Gespräch in der Sportklinik wegen der möglichen OP hat mich sehr getriggert.
Diese schrecklichen Krankenhausaufenthalte und OPs meiner Mutter an ihrem Lebensende
und meine schwierigen Entscheidungen diesbezüglich als ihre Bevollmächtigte sind wieder hochgedrückt. Da ist die Decke noch sehr sehr dünn, und auch aus diesem Grund ist es vielleicht auch noch nicht der richtige Zeitpunkt für den Eingriff am Knie.

Wie ihr seht, kümmere ich mich schon um mich selber, versuche fürsorglich zu sein mit mir.....aber es gelingt mir nicht immer.

Es bleibt immer wieder ein zähes Ringen bei mir, was ist richtig, was passt, was ist gut, wo muss ich einfach durch, ob ich will oder nicht......


Danke hierfür , dass ihr immer wieder für mich daseid und meine Gedanken und Gefühle teilt.
Und Unterstützung gebt.
Selea
Sonnenblume14
Beiträge: 1038
Registriert: 16. Sep 2014, 18:36

Re: Trauerbewältigung - und endlose Grübeleien

Beitrag von Sonnenblume14 »

Guten Morgen Selea,

entschuldige, wenn ich das so klar sage, aber: Was willst du eigentlich? Ein wenig beschleicht mich das Gefühl, da schmoren noch Ängste. Ich möchte dir nichts einreden, aber mein Bauchgefühl sagt mir nach dem Lesen deines Beitrags: da geht noch was tiefer. Ängste vor einer weiteren Krise? Jetzt, wo alles überstanden ist und es keinen Grund mehr gibt, ein Wahnsinnsprogramm - sowohl physisch als auch psychisch - abzuspulen.

Mir erscheint es so, als wärst du dabei, jetzt dein Leben in Angriff zu nehmen. Arbeit und Umgestaltungen können helfen, aber auch überdecken. Das musst du selber beurteilen. Und ich denke, ich sage dir nichts Neues: schau nicht auf die anderen, die haben ein anderes Leben, eine andere Konstitution. Du bist Du - eben so einzigartig, dass jeder Vergleich mit einem anderen sinnlos ist. Abgesehen davon sucht man sich imer diejenigen heraus, die (gefühlt) besser sind. Aber gerade bei Trauer und Verlusten gibt es keinen Wettkampfmodus,sondern nur Individualität.

Du hattest eine anstrengende Zeit - niemand würde dir verüblen, wenn du jetzt ein halbes Jahr in der Lebenshängematte verbringst. DAs hast du dir verdient. Ehrlich.
Die Trigger beim Narkosegespräch - ja, wundert dich das? Du hast das Krankenhaus ganz intensiv als einen Ort der Trauer, der Hilflosigkeit und des Leids erfahren. Das wirkt nach. Aus eigener Erfahrung kann ich dir sagen: wenn man nicht gerade am Lebensende ist, kann man dort eine interessante Zeit verleben. Mit wechselnden Zimmergenossinnen und mit Nichtstun. Mit gegenseitiger Hilfsbereitschaft. Auch das ist Krankenhaus. Wenn es geht, gib dir dafür einfah noch ein wenig Zeit, die Erlebnisse sind einfach zu frisch.

Ja, ich achte auf mich. Mich hatte nachmeinem Urlaub das Reallife im Griff. Der Hund hält mich in Atem, ich gehe wieder viel mehr spazieren. Der Garten benötigt ein wenig Aufmerksamkeit (eigentlich merh als das, in den beiden letzten Jahren haben die Brombeeren eine feindliche Übernahme begonnen). Undletztlich ist es für mich immer ein kraftakt, nach knapp 3 Wochen Urlaub wieder anzufangen zu arbeiten. Die Tage sind lang, die Erschöpfung wirft mich dann aufs Sofa. Ich muss das akzeptieren, dennoch geht es mir wie dir: am liebsten würde ich den Garten umgraben und bin doch soooo müde.

Übrigens ... vielleicht als Parallele: kürzlich hörte ich einen Vortrag einer ehemals Leukämieerkrankten, die sich über die Zeit äußerte, als sie als geheilt entlassen wurde. Man denkt, meinte sie, die schwere Zeit ist vorbei, jetzt geht das Leben los. Und nichts passiert, die gesamten Erfahrungen wirken nach und drücken einen zu Boden. Eigentlich sollte man glücklich sein (auch das erwartet die Umwelt) ... aber die Psyche hängt noch im Tiefflug und braucht ihre Zeit.

Ich fand die Aussage sehr treffend - und im Grunde vielseitig verwendbar.

Liebe Sonnengrüsse
Sonnenblume
"Depressionen sind kein Zeichen von Schwäche, sondern dafür, dass jemand zu lange zu stark sein musste" (Johnny Depp)

"Verstehen kann man das Leben nur rückwärts. Leben muss man es vorwärts." Sören Kierkegaard
Selea

Re: Trauerbewältigung - und endlose Grübeleien

Beitrag von Selea »

:hello: Guten Morgen @all

:) :) Sonnenblume, vielen Dank für diesen mich weiterführenden Beitrag.

Wie war das noch einmal??? Mit dem Risiko, einen eigenen Thread zu eröffnen ? ;)
Da könnten ja wunde Punkte berührt werden, bzw. der Finger in eine Wunde gelegt werden.

BINGO
Ein wenig beschleicht mich das Gefühl, da schmoren noch Ängste.....da geht noch was tiefer.
Glasklar ist mir geworden: Ich habe so eine Art Endzeit_und Torschlusspanik. In dem Sinne, dass mich Ängste quälen, dass mein Leben auch ganz bald vorbei sein könnte, ein wenig entspricht es ja dem Realitätsprinzip- meine Zeit ist sehr endlich.
Und ich schiebe Panik, wenn das mit der Trauer zu lange dauert, bin ich zu blockiert, um z.B. noch einmal einen netten Mann kennenzulernen.
Das ist immer noch ein tiefer Wunsch bei mir, einen Partner zu finden. Weil mir dieses AlleineSein und AlleineLeben zunehmend schwerer fällt.


Als ich 10 oder 20 Jahre jünger war, war meine Trauer auch immer schwer zu bewältigen, aber ich hatte immer den Trost, mein Leben steht noch vor mir, da kann noch soviel Schönes passieren.
Und jetzt______habe ich diese Zuversicht nicht. Derzeit. Im Moment.

Danke, dass du für mich Etliches gut angestoßen hast.
..schau nicht auf die anderen
schreibst du, die haben ein anderes Leben, eine andere Konstitution etc.

Bingo. Eine Schwachstelle bei mir, dass ich mich immer wieder vergleiche, und dann natürlich ganz ganz mickrig und schlecht dabei wegkomme.
Dies passiert aber nur, wenn es mir schlecht geht.
Boah, immer wieder diese gleichen Schwachstellen. :roll:

Auch Danke, was du über den Trigger Krankenhaus geschrieben hast.
Narkosegespräch- ja wundert dich das?
Neeee, noch so eine meiner Schwachpunkte. Ich meine, immer GANZ stark sein zu müssen, alles gut wegstecken zu müssen, ich bin doch die toughe Frau.......ja, ja.
Selbstvorwürfe.....entstehen dann.
Dieser verdammte Perfektions-und Stärkeanspruch an mich selber.
Eine Fußangel.

Sehr interessant, was du über den Vortrag einer ehemals Leukämie_Erkrankten schreibst.
Wirklich, vielseitig verwendbar.


In diesem Sinne ist mir Einiges klar geworden. Für mich, meine Ängste, im Umgang mit mir selber. ICH BIN NOCH NICHT FERTIG. Jawoll.


Schönen Tag noch allen
Selea
anna54
Beiträge: 3713
Registriert: 14. Sep 2010, 15:08

Re: Trauerbewältigung - und endlose Grübeleien

Beitrag von anna54 »

Hallo zusammen
liebe Selea
hab heute erst gelesen,bei mir war viel los,auch schwere Zeiten.
Ich kann gut verstehen,dass dich die Schwere immer wieder einholt,dass du harderst:warum was und wie in deiner Familie gelaufen ist.
Aber versuche den Punkt zu finden,wo du dich selbst finden kannst,wie es dir jetzt geht,was jetzt wichtig ist,was du ruhen lasssen kannst---wo du dich vor weiteren Enttäuschungen schützen kannst.

Du schaffst doch ganz viel,deine neune Terasse und Gäste zu verwöhnen!
Deine Gefühle,dein Gedankenkreisen----das dauert noch,bis du wieder eine ruhigere Grundstimmung hast,zu viel ist passiert.

Eine Knieop. will gut überlegt und durchdacht sein!!! Zweite oder dritte Meinung sind wichtig.

Die Sehnsucht nach einem Partner trifft doch mit dem Frühling in eine gute Zeit,mach dich schön und geht auf "Männersuche"----wenn dir danach ist.

Der Besuch einer Trauergruppe hat immer beide Seiten,man kann sich dort aussprechen,bekommt aber auch die Trauer und Betroffenheit der anderen ganz "hautnah" zu spüren,das muss man aushalten können,da ist der richtige Zeitpunkt wichtig,auch ein Vorgespräch bringt Klarheit.

In meiner nächsten Umgebung ist eine junge Frau aus dem Leben gegangen,eine andere schwerst erkrankt und ringt mit dem Tod----ich selber muss mich schützen und kann nur teilweise helfen.
Jedem Tag einen Lichtblick geben----das war und ist mein Motto,die Augen offen halten.

Gestern ging es mir so schlecht,meine Haut hatte sich "gerächt" für den Stress am Wochenende,da finde ich ein winziges neues Kaffee,direkt neben meinem Arzt----und eine ganz liebe "Seele",die ich noch vom Ehrenamt kenne---ist die Besitzerin.
Beruf verloren und mutig ein Ziel angesteuert---------wir hatten ein wunderbares Gespäch und ich kenne jetzt einen Ort für mich----mit Buch und gutem Kaffee!
Herzliche Grüße
anna54
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