Macht mich meine Beziehung krank?

dolittle909
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Macht mich meine Beziehung krank?

Beitrag von dolittle909 »

Hallo Ihr!

Im Moment bin ich total verzweifelt. Ärztin und Therapeut im Urlaub. Seit Januar geht es mir immer wieder für einige Tage extrem schlecht. Immer hoffe ich danach, ich würde mich stabilisieren, aber dann kommt nach einigen Tagen Ruhe ein neuer Anfall, ohne dass ich einen äußeren Anlass erkennen könnte. Jeder Gedanke ist dann zappenduster, macht Angst. Mir ist übel, kann nichts Essen, meine Haut brennt wie Feuer und meine Beine können mich kaum tragen.

Vor einem Jahr bin ich nach 7 Jahren Alleinsein (mit ganz viel Angst vor Nähe) wieder mit einer Frau zusammen gekommen. Eigentlich ist es gut gelaufen, wir ergänzen uns und ich finde wenig, was mich an ihr stört. Auch wenn ich im Sexuellen immer wieder Hemmungen habe (auch wg. Medis) und ich auch mal von ihr enttäuscht bin: Meine Überzeugung war immer, ich hätte verdammtes Glück gehabt.

Doch wenn ich das Jahr so bilanziere, dann ging es mir immer wieder außergewöhnlich dreckig. Ich hatte zu oft das Gefühl, in einem Gefängnis zu sitzen, einem Gefängnis aus Kampf, Arbeit, Pflichten und Anstrengung. Es fällt mir nichts leicht. Es fließt nichts. Ich hänge irgendwie fest, quäle mich durchs Leben. Das gilt auch für die Treffen mit ihr, die Telefonate, die SMS. Auch in den Zeiten, wo ich nicht im Loch sitze. Irgendwie ist mein Selbstwert im Eimer, da ist keine Power, keine Herausforderung.

Am Anfang hatte ich mir noch gedacht, ich bräuchte nach der langen Zeit alleine und mit der ganzen Angst Eingewöhnungszeit. Dann dachte ich, die Beziehung wird inniger und ich abhängiger, das ist innerer Kampf. Jetzt weiß ich nicht mehr, womit ich mir meine Depression und Angst erklären könnte.

Gestern Abend war ich in meiner Not bei ihr, auch weil sie mich in solchen Situationen immer wieder abgelenkt und gestützt hat. Oft ging es mir mit ihr dann auch wieder besser. Sie versteht aber nicht wirklich, was in mir abgeht, will mir helfen, aber ihre Ratschläge ziehen mich dann noch mehr runter. Schließlich konnte ich gestern nicht mal mehr ihre liebevolle Zärtlichkeit ertragen, wollte nur noch schlafen und brauchte viel zu viele Benzos, um es zu können.

Morgen muss sie beruflich für eine Woche weg, das ist häufiger so ein Problem. Als ich es hörte, verlor ich richtig den Boden unter den Füßen. Fühle mich abhängig wie ein Kind und zugleich bin ich total enttäuscht, dass sie mich nicht retten kann. Das kann nur ich. Aber wie?

Ich weiß nicht mehr weiter. Was will mir die schwarze Dame sagen? Liegt es an dieser Beziehung? Liegt es daran, dass ich eine Beziehung habe. Oder bin ich einfach - nach 18 Jahren Kampf mit der Depression - zum Alleinsein verdammt?

Vielleicht mag jemand mit mir Erfahrung, Hoffnung und Kraft teilen. Danke Euch!
d.
M1971
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Re: Macht mich meine Beziehung krank?

Beitrag von M1971 »

Hallo dolittle, für mich klingt das nicht nach einer ausgewogenen Beziehung, sondern mehr nach einer Abhängigkeit. Bitte stelle Dir selbst die Frage, welche Erwartungen Du an eine Beziehung hast.
Eine Partnerschaft kann keinen therapeutischen Ansatz haben oder Wunden des Lebens reparieren.
Meine Ex war damals auch völlig am Boden, wenn ich mal auf Dienstreise musste. Man darf aber nie vergessen, dass jeder eben noch einen Alltag hat, der gelebt werden möchte.
Ich denke, eine Beziehung muss immer eine Bereicherung sein und man darf sein eigenes Leben nicht vernachlässigen
Gruß
M
Clown
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Re: Macht mich meine Beziehung krank?

Beitrag von Clown »

Hallo Dolittle,

meine positive Erfahrung bei den Themen bzw. 'Symptomen', die du ansprichst: Homöopathie. Eine klassische Konstitutionsbehandlung bei einer/m erfahrenen Homöopathen. Das hat mir geholfen, das hilft vielen, die sich darauf einlassen und etwas Geduld und Ausdauer mitbringen.

So viel ich weiß, kannst du trotzdem deine Psychopharmaka nehmen, du brauchst kein Risiko einzugehen.

Hier ein Artikel über Möglichkeiten und Grenzen der Homöopathie:

https://www.dzvhae.de/homoeopathie-fuer ... 1-159.html

Viel Glück und alles Gute,

Clown
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Nina345
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Re: Macht mich meine Beziehung krank?

Beitrag von Nina345 »

Halli Hallo:)

es hört sich tatsächlich so an, als wärst du etwas abhängig. Ich glaube aber nicht, dass dich deine Beziehung krank macht, sondern du deine Beziehung. Das klingt super fies und gemein. So meine ich das aber nicht - ich hoffe ich kann mich erklären.

In einer Depression ist man ziemlich hilflos, man bekommt die einfachsten Sachen nicht mehr auf die Reihe. Selbst Essen und Duschen wird wirklich schwer. Man nimmt oft Eigenschaften eines hilflosen Kindes an. Wenn einen der Mensch, der einen liebt so sieht will er natürlich und instinktiv helfen und unterstützten. Das ist zwar zum einen wunderschön, aber "zwingt" den Partner auch ein Stück weit in eine "Elternrolle". Der Partner wird teilweise zum Zufluchtsort, wenn es einem schlecht geht.

Das ist aber nicht unbedingt der Job des Partners, sondern der des Therapeuten.

Um ein Abhängigkeitsverhältnis zu verhindern muss man lernen trotz der depressionsbedingten Hilflosigkeit nicht in ein Abhängigkeitsverhältnis zu rutschen, sondern stets eine Paarbeziehung auf Augenhöhe zu führen. Ist schwer und dauert. Aber nicht unmöglich.
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dolittle909
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Re: Macht mich meine Beziehung krank?

Beitrag von dolittle909 »

Nina345 hat geschrieben:Halli Hallo:)

es hört sich tatsächlich so an, als wärst du etwas abhängig. Ich glaube aber nicht, dass dich deine Beziehung krank macht, sondern du deine Beziehung.
Nein, das ist nicht fies, sondern richtig. Ja, ich bin da erst in den letzten zwei oder drei Monaten hineingerutscht. Zuvor ging es mir besser und da habe ich schon noch auf Distanz geachtet. Wenn sie berufsbedingt weg war, dann schnaufte ich innerlich etwas auf und dachte mir "So, jetzt erst mal wieder nur Dein Ding!" Das konnte ich durchaus genießen - allerdings hatte ich auch etwas Schuldgefühle, weil ich sie nicht vermisste. Und mich wieder so fühlte wie vor der Beziehung.

Erst als da ab Mitte Januar wieder diese abgrundtiefen Löcher kamen, da hielt ich mich immer mehr an ihr fest. Mit ihr verging die Zeit, ich konnte Essen und besser schlafen. Das half kurzfristig, aber es untergrub mein Selbstwertgefühl und machte mich abhängig. Als sie mir letzte Woche sagte, dass sie eine Woche weg wäre, da bekam ich richtig Angst. Und das ist Sch... Da löst sich mein Selbstwertgefühl dann nullkommanix ins Nichts auf und es ging bergab.

Objektiv ist meine Partnerin eigentlich ein guter Counterpart. Nicht depressiv, ziemlich geradeaus, sachlich und pragmatisch, mit einer guten Mischung an Eigenschaften. Jemand auf Augenhöhe.

Jetzt habe ich Angst, ich kann es einfach nicht. Egal mit wem.

d.
Daniel1986
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Re: Macht mich meine Beziehung krank?

Beitrag von Daniel1986 »

Dir geht es ähnlich, wie es mir vor einigen Monaten noch ging. Ich fühlte gegenüber meiner Partnerin nach vielen Jahren Beziehung nichts mehr. Ich steckte zu dem Zeitpunkt aber schon länger in meiner Depression und suchte immer nach neuen Gründen danach. So auch in der Beziehung. Auch meine Freundin ist sehr liebevoll, einfühlsam und versucht mir zu helfen, wo sie nur kann. Ich habe mich immer geschämt, wenn sie sich so voller Hingabe und ehrlich über etwas gefreut hat und ich einfach nichts gefühlt habe. Dies hat mich selbst immer schuldig fühlen lassen und so, als würde ich sie bewusst belügen.
Irgendwann kam ich an einen Punkt an dem ich dachte, dass diese Beziehung keinen Wert mehr hat und hatte aber keine Energie mich zu trennen. Außerdem war sie auch damals wie heute, der einzige Mensch, der mich wirklich halten kann und ich dachte auch an eine zu starke Abhängigkeit.
Hinzu muss ich noch erwähnen, dass wir eine Wochenendbeziehung führen und uns demnach unter der Woche, außer im Urlaub, nicht sehen.
In einem etwas klareren Moment habe ich dann die Beziehung so rational wie möglich hinterfragt und was sich geändert hat, dass ich nichts mehr fühle. Außerdem habe ich versucht mir die perfekte Frau für mich vorzustellen, rein von den Eigenschaften her, die ich als Gegenstück haben möchte und die mir gut tun.
Nun - bei dieser Fragestellung landete ich immer wieder bei Eigenschaften, die meine Freundin verkörpert und dabei, dass sich nichts geändert hat, außer, dass ich an einer Depression erkrankt bin.
So war nun also nach einem durchaus längerem Prozess, der sicherlich ein knappes Jahr gedauert hat, klar, dass unsere Beziehung keinesfalls ein Grund für meine Depression ist, sondern die Depression der Grund, weshalb sich meine Beziehung so falsch angefühlt hat.
Soweit dazu.
Was ich Dir, dolittle909, mit auf den Weg geben möchte: Erzähle Deiner Partnerin ganz offen wie es Dir geht, was Du fühlst, ob Du etwas fühlst und wie Du selbst darüber denkst. Es wird ein hartes Stück Arbeit und bestimmt viele Tränen fließen, da sich Deine Partnerin unter Umständen schuldig fühlt, oder minderwertig vorkommen wird. Gebe Ihr zu verstehen, dass sie keine Schuld trifft, sondern dass Dich diese Depression so aus der Gefühlsbahn wirft. Erzähle Ihr von Deinen Ängsten und Sorgen.
Wenn ich aus meiner Depression, die immer noch sehr ausgeprägt ist, etwas positives ziehen kann, dann die Tatsache, dass ich seit her über alles rede, was mich bewegt. Ich öffne mich meiner Partnerin voll und ganz und sie versteht mich immer mehr und kann mir immer besser helfen und auch auf mich eingehen, aber mir auch aufzeigen wann ich übertreibe und mir einen Arschtritt geben. Sie hat es geschafft, dass ich eine Bewerbung mit ihr zusammen geschrieben und alleine abgeschickt habe. Nächste Woche habe ich ein Vorstellungsgespräch. Vor einem halben Jahr wäre dies für mich undekbar gewesen. Sie schafft das ohne zu viel Druck auszuüben und so, dass ich mich immer noch einigermaßen wohl fühlen kann.
Keine Frage, ich habe immens Angst davor zu scheitern, in welcher Form auch immer, oder dass ich nach kurzer Zeit feststelle, dass mir der neue Beruf nicht zu sagt.
Das ich keine Angst mehr haben muss, meine Freundin zu verletzen wenn ich von meinen Gefühlen und Ängsten erzähle ist so viel wert und ich bin froh, diese Brücke geschlagen zu haben. Ich trage so viel weniger Last mit mir herum und ich habe zum ersten Mal wirklich das Gefühl, wieder etwas aktiv zu gestalten, einfach nur durch meine Worte und dem, was aus unseren Gesprächen resultiert.

Falls Du die richtigen Worte nicht findest, dann nehme Dir den Blog von Tobi Katze: http://www.dasgegenteilvontraurig.de" onclick="window.open(this.href);return false; zur Brust. Lese Deiner Liebsten daraus vor oder gib ihn ihr zu lesen. Weise sie darauf hin, dass es Dir manchmal ungefähr oder genauso geht.

Und falls sich das nun so anhört, als würde meine Partnerin mich therapieren, dann ist das eine Fehleinschätzung. Wir wissen beide nun so viel von einander, dass wir allein hierbei schon auf Augenhöhe sind. Und auch sonst ergänzen wir uns ganz gut. Sie macht einen Einkaufszettel und entscheidet was wir kochen, da mir solche einfachen Entscheidungen oft schwer fallen, wenn ich nicht gut drauf bin. Das Kochen übernehme dann ich, da mich das abschalten lässt. Oder wir kochen gemeinsam. Sie lässt mich mit Freunden alleine um die Häuser ziehen oder alleine auf ein Musikfestival. Ich lasse sie ebenfalls ihre Freiheiten genießen und sie kann sich gerne ohne mich mit Freunden treffen. Entscheidungen werden gemeinsam getroffen so fern ich es kann. Wenn nicht, dann sage ich ihr, dass das gerade nicht geht, sie fragt nicht nach, sondern entscheidet dann für uns beide.
Überhaupt ist es gut, wenn ich nichts erklären muss. Sie fragt mich wie es mir geht, ich sage gut. Sie fragt mich wie es mir geht und ich sage schlecht. In beiden Fällen hakt sie nicht nach. Ich erzähle von alleine oder auch nicht. Sie akzeptiert es so wie es ist und trägt es mit.

Sie ist eine so tolle und starke Frau und ich muss nun aufhören zu schreiben, weil ich gerade weine, da ich wieder feststelle, wie toll sie zu mir ist und mich frage wie ich das verdient habe und ob ich ihr gerecht werde. Scheiß Depression eben...

Daniel
Nina345
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Re: Macht mich meine Beziehung krank?

Beitrag von Nina345 »

Sie klingt tatsächlich als wär sie ein super Counterpart. Meinst du schaffst es wieder etwas auf Abstand zu gehen? Hihii ich glaub fast alle Männer sind froh, wenn die Frau mal kurz nicht da ist. Kein Grund ein schlechtes Gewissen zu haben. ;)
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dolittle909
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Re: Macht mich meine Beziehung krank?

Beitrag von dolittle909 »

Lieber Daniel,

es ist sehr schön, wie Du Deine Beziehung beschreibst und ich finde es toll, wie Ihr Deine Krankheit gemeistert habt! Das ist auch das, was ich mir wünsche und ich sehe in der Person meiner Partnerin keinen Grund, warum es nicht gehen sollte. Ich wüsste auch nicht, wer besser geeignet wäre. Wir wohnen auch nicht zusammen, sehen uns ab und an unter der Woche, hauptsächlich am Wochenende. Berufsbedingt ist sie auch häufig unter der Woche - oder so wie jetzt - für eine Woche unterwegs.

Aber die Krankheit ist es natürlich, die mir derzeit das Leben und diese Beziehung schwer macht. Mein Zustand ist desolat, hyperallergische Reaktion aus der Kindheit. Meine Angst ist, dass sie mir diese Beziehung kaputt macht - und sich dadurch im Ergebnis die Krankheit verschlimmert. Wahrscheinlich war ich deshalb auch so lange Jahre alleine. Mir steckt noch in den Knochen, dass vor acht Jahren eine Beziehung traumatisch zu Ende ging, weil ich keine Perspektive mehr sah. Die Frau war ganz anders, klammerte sich an mich und wollte heiraten und Kinder. Auch da fiel ich in ein Loch und landete schließlich für mehrere Monate in der Klinik. Ich sah keinen Ausweg und beendete die Beziehung. Das war sehr schlimm für mich.

Mein Therapeut hat vor einigen Wochen gesagt, er wundere sich eigentlich nicht über das "krisenhafte Geschehen". Da seien in mir so viel tiefe Ängste und Sehnsüchte, so dass eine inniger werdende Beziehung zu einer Frau zwangsläufig heftige Eruptionen in mir auslösen würde. Im Grunde ist es diese Ambivalenz, die mich quält. Nähe einerseits, Selbstbehauptung andererseits. Schwer auszuhalten.

Ich möchte - so wie Du - da mit meiner Partnerin durch, möchte reifen, möchte ein Stück weit gesunder werden. Momentan weiß ich aber nicht wie.

Liebe Grüße
dolittle
Daniel1986
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Re: Macht mich meine Beziehung krank?

Beitrag von Daniel1986 »

Ich habe noch eine kurze Anmerkung um Missverständnissen vorzubeugen.
Von meiner Depression bin ich keineswegs geheilt und noch weit davon entfernt, ebenso belastet dies natürlich auch die Beziehung. Aber durch unsere Offenheit zueinander wird das alles erträglicher und wir zweifeln nicht mehr an der Beziehung. Das nimmt eine große Last und lässt Energie für anderes.
dolittle909
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Re: Macht mich meine Beziehung krank?

Beitrag von dolittle909 »

Nein, Daniel,

so hatte ich Dich auch nicht verstanden. Aber meine Angst ist ja, dass die Depression meine Beziehung kaputt macht - z.B. weil ich denke, sie würde mich krank machen. Oder weil ich glaube, dass mich meine Partnerin in meiner Hilflosigkeit, in meinem Elend, in meiner Unzuverlässigkeit und meinem Unvermögen zu Geben verlassen MUSS. Oder dass ich sie verlassen MUSS, weil ich mein Elend in einer Beziehung noch schwerer ertragen kann als alleine.

Ich glaube, dass sind so Ängste, die bei depressiven Zuständen rasend schnell kommen. Und damit der Zweifel.

Meine Partnerin hat natürlich auch Angst, meine Depression könnte das Ende bedeuten. Ich will das nicht, aber meine Zweifel sind im Moment sehr groß. Die Chance, dass es eine Beziehung trotz oder mit der Depression gibt, die ist aber auch groß. Grundsätzlich sehe ich sie mit meiner Partnerin, weil sie eben anders tickt als ich, weil sie meine Depressivität als "angenehm" empfindet (meint, ich sei für sie auch noch ein angenehmer Mensch, wenn es mir schlecht geht), weil sie nicht das positive Bild verliert, das sie von mir hat (bei aller scharfen Kritik, die mir teilweise ganz schön zu schaffen macht. Und über das Gefühl, sie sehr, sehr gerne zu haben, will ich gar nicht reden...

Letztlich bewahrt eine funktionierende Beziehung weder vor Depression, noch kann sie sie heilen. Aber sie ist eine ganze Menge Leben. In den Jahren alleine habe ich mich selten einsam gefühlt, weil ich alleine war. Mein Leben war nicht weniger wert, weil ich alleine war. Aber eine Menge Dinge waren nicht möglich. So sehe ich mein Leben mit einer Beziehung "natürlicher". Ob es mir damit besser geht - ich weiß nicht. Aber insgeheim hoffe ich es und vermutlich bin ich auch deshalb derzeit so verunsichert, weil ich denke "es passt doch alles, warum so klein?"

Da liegt noch eine Menge Weg vor mir.

d.
dolittle909
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Re: Macht mich meine Beziehung krank?

Beitrag von dolittle909 »

Hallo Ihr Lieben!

Das soll kein Blog werden. Aber ich bin dankbar für jeden Gedanken, den Ihr habt.

Eine Woche ging es mir wieder besser. D.h. ich konnte wieder schlafen, arbeiten, hatte wieder Appetit und ich versuchte, für mich zu sorgen. Meine Freundin war beruflich für 10 Tage unterwegs und wenn ich an sie dachte, fragte ich mich „Wo ist eigentlich das f*** Problem?“ Aber zugleich spürte ich, dass es da weiter gewaltig in mir rumorte. Ich war zittrig, immer wieder liefen mir plötzlich kalte Schauer den Rücken hinunter und ich hatte nahe am Wasser gebaut. Es war so, als ob auf dem Vulkan ein Deckel drauf wäre.

Es gab auch ein unerbauliches Telefonat mit ihr (es ging um eine nichtige Sache), wo sie mir vorwarf, ich würde ja „völlig die Realität verkennen“ und sie drauf und dran war, aufzulegen. Da fiel mir ein, dass sie nicht selten an mir herumkrittelte, meist so nett, dass ich es geschehen ließ und versuchte, mich nett zu wehren. Aber verunsichern tut es mich. Und da wummert auch eine ganz schön große Portion Aggressivität dagegen in mir. Es gibt mickrige Meinungsverschiedenheiten, da geht sie an die Decke, wird pauschal und ungerecht und ich verstehe nicht warum (das hat was mit ihren Eltern zu tun, denen attestiert sie auch „Realitätsverweigerung“ - und mit ihrem Weg, streng rational und diszipliniert an Probleme heranzugehen). Da kriege ich dann einen Hals, bin enttäuscht von ihr.

Vor zwei Tagen dann dachte ich daran, wie es mir wohl ginge, wenn sie wieder hier war und wir uns sehen würden. Da merkte ich, dass ich davor Angst hatte. Die Stimmung kippte bei mir wieder. Als sie sich die letzten zwei Tage unregelmäßig meldete, da bekam ich zudem Angst, sie würde sich zurückziehen, sich distanzieren. Ich fühle mich extrem klein, schwach und hilflos und glaube, ihr so nicht genügen zu können. Was soll sie bloß mit einem nassen Sack wie mir anfangen?

Heute sehen wir uns das erste Mal nach 10 Tagen wieder. Ich habe Angst davor. Dieses Hin-und-Her, diese Mischung aus Nähe und Distanz suchen oder aushalten. Aber ich will weitermachen. Ich hoffe, ich passe richtig auf mich auf.

d.
Clown
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Re: Macht mich meine Beziehung krank?

Beitrag von Clown »

Moin, moin Dolittle,

du hast wahrscheinlich schon Bücher von Paartherapeuten gelesen, oder?
Ich finde, eigentlich wird in jedem dieser Bücher beschrieben, dass die Menschen in der Partnerschaft ihre alten Kindheitswunden und -themen projizieren und somit wieder aktuell und bearbeitbar machen Das sei die große Chance (auf Persönlichkeitsentwicklung) und gleichzeitig die Schwierigkeit bei jeder Beziehung. Ich selbst erlebe das in meiner Beziehung auch so.

Dann zu sortieren, was gehört zu welcher alten Wunde und wie kann ich den Schmerz dazu auflösen, finde ich schwierig - und lohnend.
Ich schrieb dir ja schon, dass mich homöopathische Mittel dabei unterstützen, du kannst dir das wahrscheinlich nicht vorstellen, aber es ist so.
Was du von dir erzählst, klingt m.E. auch nach alten Wunden, auch bei deiner Partnerin, die ihr gegenseitig auf den anderen projiziert, ich glaube, du sagtest das auch selbst schon so.

Kennst du die Zwiegespräche (entwickelt von Michael Lukas Moeller und seiner Partnerin)? Sie sind quasi eine Selbsthilfemethode für Paare.

http://www.zwie-gespraech.de/2.html

Viele Grüße,

Clown
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dolittle909
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Re: Macht mich meine Beziehung krank?

Beitrag von dolittle909 »

Lieber Clown,

danke für den Link! Seufz. Von solcher Kommunikation sind wir im Moment weit entfernt. Dadurch ließe sich sicher viel besser auflösen, zu welchem Teil meine depressiven Verstimmungen die Beziehung belasten und inwieweit mich die Beziehung selbst belastet (oder stützt).

Bücher von Paartherapeuten habe ich immer erst gelesen, wenn ich alleine war. Mein Fehler ist es immer, in einer Beziehung lieber nichts ändern zu wollen (oder zu trauen), so lange es halbwegs gut läuft. Und wenn es schlecht lief, dann war es schon zu spät.

Das Absurde ist, dass ich früher viel naiver und alles viel einfacher war. Da projizierte ich meine Sehnsüchte auf den Anderen, suchte beständig die Nähe (dabei spielte Sex eine große Rolle) und litt dann darunter, wenn ich sie nicht erfüllt bekam. Ich erlebte alle Beziehungen als defizitär. Das Muster kippte, als ich eine Beziehung hatte, in der ich alles bekam, was ich mir eigentlich immer gewünscht hatte - aber ich immer weniger Achtung und Respekt für meine Partnerin spürte und irgendwann die Nähe unerträglich wurde und mich erstickte.

Erst da wurde mir bewusst, dass ich ein Nähe-Distanz-Problem hatte. Und nicht nur zu große Sehnsucht nach Nähe. Seitdem ist alles furchtbar kompliziert und ich habe ganz viel Angst. Vor Nähe, vor Distanz, vor dem Verlassenwerden, vor der Vereinnahmung. Jetzt neige ich sicher eher dazu, zu früh aufzugeben.

Und Du wirst vielleicht lachen, ich habe schon nach einer Ärztin für Homöopathie bei mir gekuckt, die sich auch auf die Behandlung von Depressionen spezialisiert hat. Nur einen Termin vereinbaren, das habe ich mich bisher nicht getraut. Vielleicht auch, weil meine Freundin Homöopathie für Quatsch hält und sich fürchterlich aufgeregt hat, als ich diese Idee einmal erwähnte.
Ich bin ja auch Skeptiker, aber ich glaube auch, dass der Placeboeffekt wesentlich mehr ist, als nur eine statistische Größe. Deshalb will ich eine solche Behandlung versuchen. Es wäre eine vergebene Chance, das nicht zu tun.

Alles Gute!
d.
Clown
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Re: Macht mich meine Beziehung krank?

Beitrag von Clown »

Hallo Dolittle,

deine Antwort freut mich (wg. Homöopathie) - sie wirkt auch bei Tieren, das ist erwiesen, und von Placebowirkung kann man dabei wirklich nicht reden.
Von solcher Kommunikation sind wir im Moment weit entfernt.
Vermutlich ist deine Partnerin damit auch nicht glücklich, oder? Vielleicht lässt sie sich ja auf Zwiegspräche ein?

Auf dieser Seite gibt es auch Tipps für die ersten Schritte:
http://home.arcor.de/alltag_als_chance/zwige.htm

Übrigens bin ich eine Frau, das nur am Rande. Zwiegespräche führe ich mit meinem Freund, allerdings leider nicht regelmäßig, aber immerhin. :)
Deine Beiträge haben mich immer interessiert, weil ich dich als sehr reflektiert wahrnehme. Und ich finde es spannend, wie ganz viele Menschen nach ihrem Weg, nach ihrem eigentlichen Kern suchen, so wie ich eben auch.

Viel Glück wünsche ich dir und den einen, kleinen Rucker, den es braucht, um neue Wege auszuprobieren.

Clown
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dolittle909
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Re: Macht mich meine Beziehung krank?

Beitrag von dolittle909 »

Liebe Clown,

vielen Dank! Um Dein Geschlecht habe ich mir jetzt gar keine Gedanken gemacht...

Nachdem ich jetzt etwas über diese Zwiegespräche gelesen habe, stochere ich gerade noch mehr im Nebel, was eine gelingende Beziehung ist, was Liebe ist, was eine Beziehung ausmacht.
Gerade zu Anfang meiner Beziehung hat es sich einfach gut angefühlt, hat sich ihre Nähe gut angefühlt. Es war einfach richtig. Aber wohl habe ich mich nicht immer gefühlt. Ich bin unsicher geblieben, setze mich unter Druck, fühle mich hin-und-her-gerissen, nervös vor einem Treffen. Das wurde stärker, als die Beziehung inniger wurde. Gerade wenn ich mich depressiv fühlte war es schwer erträglich, einerseits bei einem Kuss nichts zu spüren und andererseits aber Weinen zu müssen, wenn ich an sie dachte. Zudem fühle ich mich so klein, während sie mir so stark vorkommt.
Wir wohnen nicht zusammen, sie ist berufsbedingt regelmäßig ein paar Tage weg - diese Wege, dieses Wechselbad aus Nähe und Distanz war für mich immer anstrengend, ein Wechselbad der Gefühle. Sie hat damit weniger Probleme.

Die Nähe eines anderen Menschen scheint mir einen Spiegel vorzuhalten. Darin sehe ich mich. Und das was ich da sehe, das erfreut mich nicht. Hier hat mir jemand mal geschrieben, diese Gefühle würden nicht durch DIESE Beziehung verursacht, sondern dadurch, dass es EINE Beziehung ist. Das ist gut auf den Punkt gebracht. Aber damit fühle ich in Gefahr, KEINE Beziehung führen zu können. Das ist keine schöne Vorstellung.

Das klingt jetzt alles sehr nach depressiver Brille. Und das ist es auch. Wie gesagt, noch vor ein paar Tagen hatte ich das Gefühl, dass es doch kein Problem sei...

Liebe Grüße
dolittle
Clown
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Re: Macht mich meine Beziehung krank?

Beitrag von Clown »

stochere ich gerade noch mehr im Nebel, was eine gelingende Beziehung ist, was Liebe ist, was eine Beziehung ausmacht.
Und du hast das Bedürfnis, endgültige Antworten zu finden? :shock:

Ich denke, gerade solche Fragen (ich habe z.B. auch 'Besteht Liebe nur aus der Erfüllung der jeweiligen seelisch-körperlichen Bedürfnisse??') gehören zum Weg, zu all den Prozessen, Interaktionen, Erlebnissen, die eine Beziehung beinhaltet. Die Frage 'wer bin ich' schwingt für mich dabei immer mit. Will sagen, es gibt keine Antworten, die ich vom Kopf her finden kann, nur Erlebnisse, die mir manchmal das Gefühl vermitteln, das sei ein Teil der Antwort.

Aber es gibt ja auch eine ganz lebenspraktische Seite, die mit positiven Vorstellungen / Zielen verbunden ist. Was wäre das z.B. in deinem Fall? Bisher schilderst du die Dinge, die du als Mangel oder Missstand empfindest.

Ich möchte mich in meiner Beziehung vor allem angstfrei fühlen, ohne dass ich vom Partner erwarte, dass er dafür sorgt, dass ich mich sicher und geborgen fühle. Dafür muss ich mich, so wie du das ja auch mit dir machst, um meine Baustellen kümmern. Zwiegespräche helfen dabei, von meinem Partner einfach mal fest im Arm gehalten werden auch! :)

LG Clown
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dolittle909
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Re: Macht mich meine Beziehung krank?

Beitrag von dolittle909 »

Nein, ich suche ja auch keine Kopfantworten... Das ist mir klar. Du beschreibst auch recht anschaulich, was es ausmacht.

Liebe ist Erfahren, Erfühlen, Erleben. Die Erfüllung bestimmter Bedürfnisse. Aber eine lange Zeit habe ich geglaubt, sie könne mir die depressiven Gefühle nehmen. Und so stehe ich heute da und erlebe eben, dass ich die Nähe des Menschen nicht ertragen kann, den ich eigentlich sehr gerne habe. Und weil das mein letztes Erleben war, habe ich große Angst, das wieder zu erleben. Meine Krise provoziert diese Frage, sie beantwortet sie aber nicht.

Und Positives? Ja, ich hatte immer gehofft, es würde sich sowas wie Sicherheit einstellen, eine Selbstverständlichkeit, ein "Gemeinsam-ist-es-schöner". Die Grundlagen sind eigentlich da, weil wir Beide so viel Erfahrung auf dem Buckel haben, dass man mit den Eigenheiten des anderen gelassen umgehen könnten. Ein bisschen wie ein altes Paar, gereift, den anderen nicht verändern wollend, die Macken akzeptierend. Dann könnte was Tolles draus werden. Und zeitweise habe ich das im letzten Jahr auch immer wieder so erlebt. Weil sie anders ist als ich, andere Stärken (und Schwächen) hat und mir viel Zuneigung entgegengebracht hat und sie trotzdem auf ihrer Autonomie beharrt hat.

Liebe Grüße
dolittle
dolittle909
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Re: Macht mich meine Beziehung krank?

Beitrag von dolittle909 »

Hallo Ihr Lieben,

gestern habe ich meine Freundin getroffen und ich fürchte, mir ist klarer geworden, was mit mir los ist. Gestern und heute ging es mir sehr schlecht, ich habe nur schlecht geschlafen, kaum was gegessen und heute morgen 10 mg. Diazepam genommen, was auch kaum hilft.

Das Treffen war ein Wechselbad der Gefühle. Sie war sehr liebe- und verständnisvoll, als sie merkte dass es mir nicht gut ging. Meinte, ich müsse keine Angst haben, nicht zu genügen, sie fühle sich mit mir wohl. Sie ist eigentlich eine tolle Partnerin! Ich war emotional total hin-und-hergerissen, spürte manchmal Nichts, dann wieder Begehren, dann Sehnsucht nach Verschmelzung, dann wieder kaum erträgliche Einsamkeit und Schmerz, weil meine Gefühle mich so blockierten, nichts Schönes an mich herankam und ich das alles kaum aushalten konnte.

Als ich nach Hause fuhr, schwankte ich zwischen Erleichterung und Panik, schlief zwar noch ein, war aber wenige Stunden später wieder wach und nur noch ein zittriges Nervenbündel.

Es mag meine depressive Brille sein, aber ich sehe den Verlauf dieser Beziehung als einen Prozess meiner Selbstentwertung. Mein Therapeut, bei dem ich gestern davor noch war, spricht eher von den "Monstern aus der Kindheit", die mich einholen würden. Dabei liegt es weniger an meiner Partnerin, sondern in dem Maße, in dem ich die Distanz zu ihr aufgegeben habe, falle ich in mein Kindsein zurück. Regression. Das kleine, verlassene, ungeliebte, verunsicherte Kind. Und meine Partnerin wird zur Überperson, die alles im Griff hat, während ich von den Wogen geschüttelt werde. Am Anfang war das noch milder, da fing sie mich auf, beruhigte mich und es ging wieder besser. Aber in den letzten Wochen klappte das immer weniger.

Mein Therapeut meint, es läge nicht an meiner Freundin, der Kampf fände in mir statt. Und ich müsse es aushalten. Auf Distanz achten, mich um mich sorgen. Aber ich habe kaum Kraft dafür. Heute Abend möchte meine Freundin zu mir kommen. Hätte ich ablehnen sollen? Ich kann kaum stehen, kann nichts Essen. Dann wäre ich noch verzweifelter und hätte nicht das Gefühl, etwas für mich zu tun.

Vielen Dank!
dolittle
Clown
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Re: Macht mich meine Beziehung krank?

Beitrag von Clown »

Oh Mann, Dolittle, das ist ja die Hölle, was du mit dir erlebst!

Ich würde dir gerne Mut machen, es mit der Homöopathie zu versuchen. Wenn du bei einem erfahrenen Behandler bist (du sagtest ja schon, dass es jemanden in deiner Nähe gäbe), kannst du wirklich damit rechnen, dass du sehr viel stabiler wirst und dann deinen Dämonen aus der Kindheit standhalten kannst.

Alles Gute!

Clown
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dolittle909
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Re: Macht mich meine Beziehung krank?

Beitrag von dolittle909 »

Hallo Clown,

ja, es ist gerade die Hölle. Danke, dass Du das verstehst! Leider kann ich gerade auch nichts für mich tun, weil ich so absolut handlungsunfähig bin. Ich sehe als einzige Möglichkeit gerade nur Trennung und Klinik. Einen Weg, mich wieder zusammen zu basteln. Das ist aber auch extrem schmerzhaft.

Vielleicht ist das einfach mein Schicksal.
dolittle
Clown
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Re: Macht mich meine Beziehung krank?

Beitrag von Clown »

Guten Morgen Dolittle,

ich habe großen Respekt vor dir, weil ich denke, dass du im Kampf gegen deine inneren Dämonen von außen kaum Hilfe erhalten kannst. Aber es gibt auch innere 'gute Geister', bist du denen auch schon begegnet?

Gibt es etwas Konkretes, von dem du weißt, dass es dir jetzt, am Sonntag, gut tut? Bewegung in der Natur z. B. ?

Ganz handlungsunfähig ist man ja nie, zumindest die Gedanken und der Atem sind in Bewegung, nicht?

Liebe Grüße,

Clown
"Realize deeply that the present moment is all you ever have. Make the Now the primary focus of your life."
Eckhart Tolle
Selea

Re: Macht mich meine Beziehung krank?

Beitrag von Selea »

:hello: Guten Morgen lieber dolittle.

Erinnerst du dich, wir kennen uns ein ganz klein wenig über die DDL, in der ich eine Weile Mitglied war.

Deine Threads über deine neue Beziehung habe ich mit großem Interesse verfolgt.

Ich freue mich zum Einen für dich, dass du nach längerer Single_Phase wieder den Mut gehabt hast, dich auf eine Liebesbeziehung einzulassen.
Das ist schon was. Jawoll.
Und es ist auch richtig, nicht gleich alles hinzuwerfen, ja nicht. Aber andererseits ist ein Jahr schon eine gute Zeit, in der man prüfen kann, ob es dauerhaft funktionieren kann.

Mir fallen viele Dinge ein, und ich hoffe, es ist für dich o.k. wenn ich sie dir schreibe.

Es ist in der Tat so, dass alle Beziehungen, die wir haben oder eingehen, also nicht nur die Liebesbeziehungen, auch die Freundschaften, auch Arbeitsplatzbeziehungen ein sehr hohes Verletzungsrisiko implizieren.

Am allermeisten natürlich die Liebesbeziehung. Meistens zeigen wir uns darin ja "ganz" und "nackt", nicht nur äußerlich , sondern auch innerlich.
Da mag Einiges hochkommen, hochspülen, an Kindheitstraumata, an anderen alten Verletzungen, dein Therapeut spricht von den Dinosauriern der Kindheit.
Gut, dass du dir diese Dinos mit fachlicher Hilfe ansehen kannst. Das ist was.

Auch clowns :) Vorschlag, die Homöopathie mit ins Boot zu nehmen finde ich ganz gut.
Sanft gedeckelte DINOS sind händelbar.

Ein weiterer Gedanke meinerseits ist, dass Liebesbeziehungen ja eine Dynamik haben, und dass vorallem BEIDE zum Gelingen oder Misslingen beitragen.
Du beschreibst deine neue Freundin immer wieder als eine komplett tolle und gute Frau, die sozusagen keine Fehler hat.
Hat sie aber, genauso wie du, auch sie hat ihre Kindheitsverletzungen, selbst, wenn sie noch nie eine Psychotherapie gemacht hat.
Also auch sie bringt ihre ureigene Seelenlandschaft in eure gemeinsame Beziehung hinein.

Es wäre interessant zu hören, warum eigentlich ihre vorhergehenen Beziehungen geendet sind.
Das meine ich jetzt nicht platt, in dem Sinne, bäääh, die.
Sondern ich meine es ganzheitlich. Was ist ihr Anteil.

Wie du weißt, bin ich ja das ÄLTERE_MODELL, fast 62.
Für mich finde ich es ungemein spannend, rückwirkend meine Beziehungen zu betrachten.
Was war gelungen, sehr gelungen, warum ging es nicht weiter, warum trennte ICH mich, warum trennte der Partner sich.
Als eine Frau, die zu Depressionen neigt, habe ich zeitlebens viel zu viel Schuld diesbezüglich auf meine Schultern genommen, die inneren und die tätsächlichen.
Fast war schon das Wort "Beziehungsunfähigkeit" im Raum.

Nun habe ich zu fast allen ehemaligen Partnern einen ganz guten Kontakt, man hat sich mal wieder getroffen, geredet.....etc.
Und ich kann erkennen, dass diese ehemaligen Partner, das auch mit den neuen Partnerinnen nicht besser hinkriegen als mit mir, also Trennungen, Scheidungen etc. etc.
Und natürlich auch ICH SELBER habe so meine Fußangeln mit den Liebesbeziehungen......

Das ist für mich persönlich eine ganz wichtige Erkenntnis.
Die Frau, die ich mit meinen Traumata geworden bin, die trifft auf Männer, die genauso ihre Ecken und Kanten haben.......boah, entweder man rauft sich zusammen oder eben nicht.


Und durch meine Psychotherapien hat sich auch folgender Gedanke bei mir ganz fest eingeprägt.
Ich muss nicht bei einem Partner bleiben, der (unbewusst) meine verletzlichsten Seiten bedient, der (unbewusst) mein Trauma reaktiviert.

Reaktivierungen sind eine Chance zur Heilung.

Aber nicht immer.

Ich, Selea, kann mir Menschen suchen, die mir die allermeiste Zeit ganz gut tun.
Natürlich hat Jeder und Jede Ecken und Kanten etc. etc. Oder Krisen oder oder.


Ich denke nicht, dass du gleich in eine Klinik musst, nur weil du gerade feststeckst, in der Krise bist.
Vielleicht lässt sich mit deinem Psychotherapeuten etwas aufdröseln, und du lernst, deine Bedürfnisse in dieser Beziehung besser durchzusetzen.

Soweit meine Gedanken für dich. Es sind viele. Ich hoffe, sie geben dir ein wenig Mut, und haben dich nicht noch weiter heruntergezogen.

Herzlich
Selea
Reve
Beiträge: 753
Registriert: 4. Jun 2008, 17:35

Re: Macht mich meine Beziehung krank?

Beitrag von Reve »

Hallo Dolittle,

wenn ich mich auch kurz zu Wort melden darf,

wir kennen uns ja auch noch aus DDL-Zeiten… was jetzt hängen geblieben ist bei den jüngsten Postings, die ich gelesen habe von dir, dass deine Freundin stark ist, vielleicht dominierend, pragmatisch, vielleicht wenig einfühlsam von „Natur aus“. Letztes erinnert mich sehr an meinen GG, das machts natürlich schon schwierig…

Auch dieses:
Sie versteht aber nicht wirklich, was in mir abgeht, will mir helfen, aber ihre Ratschläge ziehen mich dann noch mehr runter.
Tja, bei gewissen Dingen sind sie dann nicht die geeigneten Gesprächspartner. Bei mir schrillen schon vorher ganz laut die Alarmglocken, auch bei anderen Menschen, von denen ich weiß, dass das, was sie jetzt dann sagen werden :) , mich runterziehen wird. Flucht oder Stopp oder geschickte Ablenkung.. :)

Du schreibst ja am Anfang:
Gefängnis aus Kampf, Arbeit, Pflichten und Anstrengung.
Um einigermaßen "gesund" und unbeschadet trotz Depression über die Runden zu kommen, gehört meinem Empfinden nach schon auch etwas „Leichtigkeit“ dazu in einer Beziehung. Sicherlich bemühen muss man sich immer und das in jedem Lebensalter.

Irgendwo schreibst du:
da hielt ich mich immer mehr an ihr fest.
Hm, da müsste man vielleicht schon ansetzen. Ich neige da ja auch sehr dazu, zum "Festhalten", weil ich lieb gewonnene Menschen einfach sehr gerne „um mich herum“ habe, aber das geht halt nicht immer, gerade auch was die Kids betrifft.

Zum Glück konnte ich diese „Eigenheit“ in den vielen letzten Jahren ziemlich gut ablegen. Ganz natürlich nicht.
Tolle Hobby haben mir sehr dabei geholfen (Ersatz), Austausch (und wenn es „nur“ in einem kleinen Forum ist :) ), mir immer wieder vor Augen halten, was ich eigentlich möchte und was gerade wieder ein "Muster" ist...

Ich würde auch meinen, dass es nicht gleich Klinik sein muss. Und auch nicht Trennung!

Wenn ich es wäre, dann würde ich mir viele alternative Methoden zusammenklauben wie diese Homöopathie, fachliche Gespräche dazu, Sport und Ähnliches,… großen Abstand zur Beziehung, damit jeder auf seine Weise gesunden, gesundbleiben und letztendlich zusammenfinden kann ( :?:)

Viel Glück und Mut und Eingebung!
Carin
dolittle909
Beiträge: 296
Registriert: 14. Sep 2008, 18:00

Re: Macht mich meine Beziehung krank?

Beitrag von dolittle909 »

Guten Morgen Ihr Lieben!

Vielen herzlichen Dank für Eure Antworten, die alle wichtige Themen ansprechen. Ja, das Problem ist natürlich, dass ich da ein Trauma habe, 7 Jahre alleine war, nicht ohne Grund, eben auch aus Angst vor sowas, was ich gerade erlebe. Das Alleinsein war ok, es war mein Weg, es war sicher. Aber ich wollte ihn immer nur für gewisse Zeit gehen, weil es mich beschränkte, weil es Vermeidungsverhalten war. Deswegen hatte ich zeitweise immer versucht, doch wieder meine Fühler auszustrecken...

Ich hatte mit meiner Freundin Glück, weil bei ihr die Anfangsängste - bis dahin das größte Hindernis - erst gar nicht recht aufkamen. Sie wirkte distanziert, autonom und sehr rational. Trotzdem nicht wie ein Übermensch, sondern auch vorsichtig, schüchtern, rücksichtsvoll. Auf der Ebene konnte ich einsteigen. Erst als wir einige Zeit zusammen waren, da zeigte sie auch mehr Gefühle, mehr Verletzlichkeit, das aber immer kontrolliert. Meine Zuneigung wuchs, die gemeinsame Innigkeit wuchs und erst dann kamen die Probleme, die Ihr auch nennt:

- Ich wurde verletzlich, v.a. bei Kritik.
- Obwohl sie sehr klug neigt sie dazu, manchmal sehr pauschale und apodiktische Meinungen zu haben ("Du hast keine Aqua-Stop-Schluch? Du spinnst!"), die mich irritierten und enttäuschten. Anfangs hatte ich gegen gehalten. Jetzt schwieg ich.
- Ich fühlte mich immer mehr verpflichtet, das zu tun, was ich glaubte, was sie gerne hätte.
- Sexuell passierte immer weniger, weil ich immer mehr eine innere Sperre fühlte und mich als schlechter Liebhaber betrachtete
- Ihre beruflichen An- und Abwesenheiten waren für mich immer schwerer zu händeln.
- Sie hat alles im Griff, ich bin ängstlich und klein. So mein Selbstbild in den letzten Wochen.

Sie kennt keine Depressionen und Angstzustände und hat für sich - ganz streng rational - eine eigene Verhaltenstherapie zugezogen, indem sie Übungsbucher gekauft und alle möglichen Selbstwert-Übungen ("Wohlwollender Begleiter", sich was Gutes tun usw.) konsequent und mit Intelligenz durchgezogen hat. Sie sieht das ganz mechanistisch: "Das kann man üben." Wie Vokabeln. Da hat sie langsam gelernt, sich das vom Leben zu nehmen, was sie wollte. Diese erlernte Autonomie und Konsequenz hat aber auch dazu geführt, dass sie wohl immer "entsorgt" wurde, sich also die Männer nach 1 bis 2 Jahren von ihr getrennt haben. Dabei ist sie - so mein Eindruck - eigentlich recht anhänglich und treu.

Die Mischung ist es halt.

Für mich war das aber - so glaubte ich - das Richtige. Ich hatte ja aufgrund meiner letzten Beziehung panische Angst, jemand könne sich (existentiell) an mich hängen. Aber jetzt merke ich ziemlich brutal, dass ich derjenige bin, der sich hier extrem unter Druck setzt und ich denke, dass ihre Person, ihre Eigenschaften, dabei zweitrangig sind.

Ein Beispiel: Heute morgen will ich ein Hemd anziehen. Welches? Ginge es nach mir, hätte ich ein dunkles Hemd angezogen, das passte zu meiner Stimmung. Doch sie mag eher helle Hemden. Lästerst über dunkle. Ein weißes? Nein, nicht heute. Grau? Blau? Und da merkte ich, wie wieder die Angst in mir hoch stieg. Die Angst nicht zu genügen. Der Druck alles richtig machen zu müssen, gefallen zu wollen, sein eigenes Ich zu verlieren. Sich selbst zu entwerten, weil ich entweder dem Wunsch eines anderen Menschen nachkomme (mein Ich verleugne), oder den eigenen Wünschen zu folgen und dann die Angst zu haben, nicht zu genügen...

Heute morgen habe ich einen Termin bei der Homöopathin ausgemacht. Geht erst nächste Woche.

Vielen Dank für Eure Rückmeldungen, sie haben mir wieder etwas Mut gemacht!
dolittle
dolittle909
Beiträge: 296
Registriert: 14. Sep 2008, 18:00

Re: Macht mich meine Beziehung krank?

Beitrag von dolittle909 »

Noch ein Nachtrag:

Die Monster in mir hängen natürlich sehr mit der traumatischen Trennung zusammen, die ich vor acht Jahren erlebt habe. Da war auf beiden Seiten extrem das vorhanden, was ich danach als sehr ungesund eingeschätzt habe. Meine damalige Partnerin hatte sich von mir abhängig gemacht, war abhängig, war unselbständig, entwickelte keine Initiative, war mehr kleine Schwester als eine Partnerin. Es war für Beide Regression. Und die Trennung wie Selbstverstümmelung...

In der heutigen Beziehung heute sehe ich dagegen viel mehr Potential zur Reifung. Ich hatte sie schon einmal grundsätzlich "auf Augenhöhe" beschrieben. Ich denke, ich kann mit ihr viel lernen. Vor allem den Umgang mit Distanz, mit Aggression, mit wechselnden Rollen (Kind und Erwachsener sein dürfen/müssen - ohne Regression). Dass ich allerdings durch solche Höllen gehen muss, dass hatte ich mir nicht erhofft. Aber ich denke, dass mir solche Erlebnisse in jeder anderen Beziehung auch gedroht hätten, also weniger (immer auch ein Stück, klar) in ihrer Person ruhen.

Sie war gestern 24 Stunden bei mir. Zeitweise war es die Hölle. Aber nicht, weil sie da war, sondern weil mich so meine Monster, d.h. meine Ängste, quälten. Aber - und das ist ganz wichtig - sie hielt es mit mir auch aus. Und ich versuchte, meine Monster von den Gefühlen zu trennen, die ihre Nähe auslöste. Denn da ist etwas recht Unkompliziertes, Erwachsenes und Partnerschaftliches, wie wir miteinander umgehen. Das Alltägliche, das Selbstverständliche, das funktioniert einfach sehr gut, kommt mir oftmals vor, wie ein älteres Ehepaar.

Als sie sich verabschiedete, da meldete sich dann schon wieder das kleine Kind in mir: "Nein, bitte geh nicht, lasse mich nicht alleine!" Der Erwachsene, der wusste, dass sie los musste, sonst wäre ich wieder in Abhängigkeit gefallen. Ich brachte sie zum Zug und ging mit weichen Knien nach Hause.

Erst dort, wieder alleine, nahm ich das Blatt Papier mit den Monstern, die ich am Tag vorher ungelenk gemalt hatte, und verbrannte sie auf dem Balkon...

Vielen Dank Selea, :hello: ja, ich war mutig, das gewagt zu haben...

Liebe Grüße
Harald
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