Bitte höre, was ich nicht sage..........

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moonlight
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Bitte höre, was ich nicht sage..........

Beitrag von moonlight »

Vor einigen Wochen habe ich etwas gelesen, dass mich sehr berührt hat:

Bitte höre, was ich nicht sage!

Lass dich nicht von mir narren. Lass dich nicht durch das Gesicht täuschen, das ich mache.
Denn ich trage tausend Masken - Masken, die ich fürchte abzulegen.
Und keine davon bin ich. So tun als ob ist eine Kunst, die mir zur zweiten Natur wurde.
Aber lass dich dadurch nicht täuschen, lass dich nicht von mir narren.

Ich mache den Eindruck, als sei ich umgänglich, als sei alles sonnig und heiter in mir, innen wie außen, als sei mein Name Vertrauen und mein Spiel Kühle, als sei ich ein stilles Wasser und als könne ich über alles bestimmen, so als brauchte ich niemanden.

Aber glaube mir nicht, bitte, glaube mir nicht! Mein Äußeres mag sicher erscheinen, aber es ist meine Maske. Darunter ist nichts Entsprechendes.
Darunter bin ich wie ich wirklich bin: verwirrt, in Furcht und alleine.
Aber ich verberge das. Ich möchte nicht, dass es irgendjemand merkt.
Beim bloßen Gedanken an meine Schwäche bekomme ich Panik und fürchte mich davor, mich anderen überhaupt auszusetzen.
Gerade deshalb erfinde ich verzweifelt Masken, hinter denen ich mich verbergen kann: eine lässige, kluge Fassade, die mir hilft, etwas vorzutäuschen, die mich vor dem wissenden Blick sichert, der mich erkennen würde.
Dabei wäre dieser Blick gerade meine Rettung, wenn er verbunden wäre mit liebevollem angenommen werden. Aber das sage ich dir nicht. ich wage es nicht. Ich habe Angst davor.
Ich habe Angst, dass dein Blick nicht von Annahme und Liebe begleitet wird.
Ich fürchte, du wirst gering von mir denken und über mich lachen - und dein Lachen würde mich umbringen.

So spiele ich mein Spiel, mein verzweifeltes Spiel: eine sichere Fassade außen und ein zitterndes Kind innen. Ich rede daher im gängigen Ton oberflächlichen Geschwätzes.
Ich erzähle dir alles was wirklich nichts ist, und nichts von alledem, was wirklich wichtig ist, was in mir schreit; deshalb lass dich nicht täuschen von dem, was ich aus Gewohnheit rede.

Bitte höre sorgfältig hin und versuche zu hören, was ich nicht sage, was ich gerne möchte, was ich um des Überlebenswillen rede und was ich nicht sagen kann.

Ich verabscheue dieses oberflächliche Spiel, das ich da aufführe. Es ist ein unechtes Spiel. Ich möchte wirklich echt und spontan sein können; einfach ich selbst, aber du musst mir helfen. du musst deine Hand ausstrecken, selbst wenn es gerade das letzte ist was ich mir wünsche.
Jedes Mal wenn du freundlich und sanft bist und mir Mut machst, jedes Mal wenn du zu verstehen suchst, weil du dich wirklich um mich sorgst, bekommt mein Herz Flügel - sehr kleine Flügel, sehr brüchige Schwingen, aber Flügel!

Es wird nicht leicht sein. Die lang andauernde Überzeugung, wertlos zu sein, schafft dicke Mauern - je näher du mir kommst, desto blinder schlage ich zurück. Ich wehre mich gegen das, wonach ich schreie. Aber man hat mir gesagt, das Liebe stärker sei als jeder Schutzwall, und darin liegt meine Hoffnung.
Dein Gespür, dein Mitgefühl und die Kraft deines Verstandes hauchen mir Leben ein.
ich möchte das du das weißt. Ich möchte, dass du weißt, wie wichtig du für mich bist.
Wer ich bin, magst du fragen? Ich bin jemand den du sehr genau kennst.
Denn ich bin Jedermann, den du triffst, jeder Mann und jede Frau die dir begegnen. Ich bin ein Mensch, wie du!!!
(aus: Johannes von Heinz Körner)


Der Verfasser hat das ausgedrückt, was auch ich so gerne manchmal aussprechen würde.
Aber ich habe nicht den Mut.
.

Es sind nicht die großen Feuden, die am meisten zählen. Es kommt darauf an, aus den kleinen viel zu machen. (J. Webster)
geborgenheit
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Re: Bitte höre, was ich nicht sage..........

Beitrag von geborgenheit »

Liebe Moonlight

dieser Text hat mich sehr angesprochen. Ja, es trifft eigentlich mitten ins Schwarze...

Für mich als Angehörige war innerlich oft wie ein Schrei: Bitte sage, was ich nicht höre, nicht ahne, aber durchaus fühle!

Ich weiss, die Fassade dient dem Überleben. Aber letztendlich treibt sie doch auch immer weiter weg vom Ich, vom Selbst?

Diese grosse Angst, was passiert, wenn man sich gibt, wie man sich fühlt... sie muss enorm sein. Oft schier unüberwindlich.

Von Aussen tut es weh, diese Angst zu spüren, zu spüren, dass man kaum dahinter blicken kann in den dunkelsten Zeiten. Ich hätte so gerne Anteil genommen an den Gefühlen, den Ängsten hinter der Fassade. Manchmal gelang es mir, aber viel zu selten. Darum nochmals: Bitte sage, was ich nicht ahne.

Liebe Grüsse
Geborgenheit
Linse2
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Re: Bitte höre, was ich nicht sage..........

Beitrag von Linse2 »

hi geborgenheit,
ja es ist verdammt schwer sich so zu geben wie man eigentlich ist. ich bin jetzt an einem punkt angelangt, wo ich selbst nicht mehr weiß, ob es meine maske ist oder ob ich mich wirklich gerade mal gut fühle. zur zeit glaube ich das nämlich und trotzdem habe ich zweifel, weil noch immer gedanken da sind, wie: wieso lebe ich immer noch? was hat es für einen sinn? usw. halt depressive gedanken und dann glaube ich, daß meine bessere stimmung doch nur fassade ist. hab sogar angst nicht mehr zu unterscheiden zu können was ich tatsächlich fühle und wie ich es ausdrücke. dadurch wird die maske, die ich aufsetzte noch dichter.
hoffe, daß du mit dem schei... was ich grad geschrieben habe überhaupt was anfangen kannst. ist schon sehr verworren. sag ja, ich weiß im moment überhaupt nicht was sache ist.
mfg linse
moonlight
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Hallo Geborgenheit, hallo Linse

Beitrag von moonlight »

Ein wenig - so denke ich - kann ich dir nachfühlen.
Auch ich habe schon erlebt, dass sich ein lieber Mensch ganz verschließt. Habe seine Verzweiflung gespürt und konnte doch nicht durchdringen zu ihm.

Es ist schon eigenartig.. Obwohl ich auch diese Seite kenne, schaffe ich es nicht, aus meinen Mauern heraus zu kommen.
Ich habe Angst... panische Angst... Angst zu vertrauen... Ich will nicht mehr verletzt werden.

Diese Mauern nehmen dir den Blick auf die Sonne, sind kalt.
Man kann nicht mehr objektiv beurteilen...
Wenn ich eine Maske trage, tragen dann auch die anderen eine Maske?
Wo wird das ganze hinführen?
Es ist ein schlimmer Kreislauf.

Linse, du schreibst keinen Sch...
Das, was du beschreibst, erlebe ich auch.
Es gibt Tage, da geht es mir besser.
Aber dann wiederum gibt es Tage, da weiß ich selbst nicht mehr wer ich bin.
Ich weiß nicht, rede ich mir diese Traurigkeit nur ein? Oder ist sie wirklich da? Wo kommt sie her? Gibt es ganz verständliche Gründe für diese Traurigkeit oder kommt sie aus den Tiefen meines Ichs?

Na ja, ich fürchte, auch an den guten Tagen weiß ich nicht so recht, wer und wie ich bin.

Aber irgendwo ist jeder etwas besonders. Jedes Leben hat einen Sinn, wenn wir es auch nicht immer sofort erkennen können.

Linse, hast du jemanden, der dir hilft?
Machst du eine Therapie?

Manchmal denke ich, dass wir von zu vielen Eindrücken überflutet werden. Alles ist laut.
Das merke ich bei mir ganz deutlich. Ich brauche so sehr auch Momente der Stille.
Viele Jahre hat man auch auf mich eingeredet. Viele Menschen wussten ganz genau, was für ein Mensch ich bin, was für mich gut und was falsch ist.
Ganz schlimm war es für mich, als mir jemand gesagt hat, ich würde schauspielern, in Selbstmitleid zerfließen, zu sehr ich-bezogen sein. Das war in einem Moment, als ich endlos verzweifelt war, nur noch weinen konnte.

Grad fällt mir eine Geschichte ein, die ich vor einiger Zeit mal gelesen habe....

Ein Einsiedler wurde eines Tages von einem Fremden gefragt: "Welchen Sinn siehst du in einem Leben der Stille?"
Der Einsiedler war gerade mit dem Wasserschöpfen aus einem tiefen Brunnen beschäftigt. "Schau in den Brunnen, was siehst du?"
Der Fremde antwortete: "Ich sehe nichts." Nach einer Weile forderte der Einsiedler ihn wieder auf: "Schau nocheinmal in den Brunnen, was siehst du?"
Der Fremde blickte hinunter und sagte: "Jetzt sehe ich mich selbst."
Der Einsiedler sprach: "Als ich vorhin Wasser schöpfte, war das Wasser unruhig, und du konntest nichts sehen. Jetzt ist das Wasser ruhig und du erkennst dich selbst. Das ist die Erfahrung der Stille."


Liebe Grüße
moonlight
.

Es sind nicht die großen Feuden, die am meisten zählen. Es kommt darauf an, aus den kleinen viel zu machen. (J. Webster)
Linse2
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Registriert: 20. Mär 2003, 11:08

Re: Bitte höre, was ich nicht sage..........

Beitrag von Linse2 »

hallo moonlight,
ich bin schon seit mehr als zwei jahren in behandlung. war auch schon desöfteren in der klinik und grad mal knapp einen montat wieder zu hause. wollte unbedingt vor weihnachten entlassen werden und hab deshalb mich sehr sehr angestrengt, daß es auch die ärzte geglaubt haben, daß es mir besser geht. nun ja, es geht mir auch tatsächlich besser (oder mache ich mir doch weiterhin was vor). meine mitpatienten haben gemerkt, daß ich schauspieler. nun bin ich erst mal zu hause und das ist gut so. in der klinik war ich auf der geschlossenen und da war es zuletzt kaum noch zum aushalten, da hatte ich dann panik, daß ich wieder völlig zusammen breche (hatte ich dreimal dort durch). aus diesem grund hab ich dann alles getan damit die ärzte mich gehen ließen.
vorige woche war ich bei einem neuen therapeuten, eigentlich hatte ich einen termin bei einer ärztin, doch die hatte konsil und außerdem würde sie bald dort ganz und gar aufhören, sodaß sie mir geraten hat zu diesem arzt zu gehen. jedoch habe ich recht große probleme mit männern und dann noch als therapeut??? er hat es mir zwar leicht machen wollen, doch nachdem ich bei ihm raus war, kam die panik trotzdem. er war sehr locker und hat mich desöfteren zum lachen gebracht (oder hab ich nur aus verlegenheit bzw. angst gelacht?). jedenfalls war ich in dieser zeit garantiert nicht die die ich tatsächlich bin, hatte wieder eine maske auf, nur ich weiß tatsächlich nicht mehr was echt ist und was geschauspielert. hab mir vorgenommen genau dies als eins der themen für´s nächste mal anzusprechen. hoffentlich kann ich es auch. oft nehme ich mir was vor und dann mach ich genau das gegenteil. das zeugt doch davon, daß ich immernoch nicht ok bin.
auch zu hause lege ich meine maske nicht ganz ab, obwohl mein mann jetzt schon viel sensibler reagiert, doch ich kann ihn mit meinen problemen und ängsten nicht noch mehr als es ehe schon belasten.
mfg linse
geborgenheit
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Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Bitte höre, was ich nicht sage..........

Beitrag von geborgenheit »

Liebe Linse

ich finde es sehr spannend, was Du da schreibst und überhaupt nicht Konfus oder so. Ja, manchmal ist es in der Tat schwer klar zu fühlen, ob man nun Fassade lebt oder sich selber. Die Fassade kann wie zu einer zweiten Haut werden, die so gut passt, dass man oft nicht mehr merkt, dass man sie angezogen hat.

Ich habe meine Kindheit hinter der Fassade verbracht. Und ich musste wirklich in der Therapie hinschauen, was jetzt Fassade ist und was ich bin. Es kam mir vor, als müsste ich mich völlig auseinander nehmen und neu "beurteilen", um mich dann wieder neu zusammen zu setzen.

Ich spüre, dass mich diese Thematik sehr anspricht. Denn irgendwie kenne ich beide Seiten. Die Seite: "Bitte höre, was ich nicht sage..." und die andere Seite: "warum sagst Du nicht, wie es in Dir aussieht?"

Es hat bei mir sehr lange gedauert, bis ich mich getraute, mich so zu geben, wie ich mich innerlich fühlte. Für mich eine Kehrtwendung um 180 Grad. Erstaunlicherweise für meine Mitmenschen nicht wahrnehmbar... Heute bemühe ich mich, nicht mehr Fassade zu sein. Ich bemühe mich, echt, oder anders gesagt, mich selber zu sein. Auf die Gefahr hin, dass jemand mich ablehnt. Zu Beginn hatte ich grosse Angst vor dem Ausgeschlossen sein. Aber oh Wunder: Das Gegenteil ist eingetreten: Ich kann heute viel natürlicher sein und spüre (trotzdem oder erst recht) eine grosse Akzeptanz, ja sogar Achtung von meinen Mitmenschen. Auch wenn ich mal Nein sage oder etwas wirklich nicht gut mache. Es geht trotzdem. Erstaunlich und es macht mir Mut, dass ich wirklich Fassadenfrei leben darf und kann.


Liebe Moonlight

viele Menschen wussten genau, wer Du bist, was Du brauchst... Genau das war eines der Probleme meines Mannes. Er musste/durfte nie eigene Wege gehen und hat so nie gelernt, für sich einzustehen oder auch mal etwas auszuprobieren. Da bleibt wohl nur noch die Fassade, damit man den gängigen Erwartungen entspricht...

Für meinen Mann bedeutete dies jahrelange Depressionen, weil er meinte, dass seine Widerstände gegen diese Vorschriften eben ein Zeichen sind, dass er nicht in diese Welt passt. Er sah nicht, dass er dringenst beginnen musste, zu spüren, welches seine Vorstellungen von seinem Leben sind. Es ging soweit, dass er auf Druck seiner Eltern heiratete, obwohl er spürte, dass er lieber alleine leben würde. Sein Gehorsam nahm ihm seine Lebensqualtität. Sein Festhalten an der Fassade nahm ihm jede Lebendigkeit. Und erst heute, im Nachhinein wird ihm und auch mir bewusst, welche Mechanismen da mitgespielt haben.

Auch er hat geschauspielert. Es war oft verblüffend, wie überzeugend er dies tun konnte. Zu Hause ein Häufchen Elend, weinend, sich selst anklagend... in Gesellschaft der fröhliche, allseits beliebte Mensch, der auf alle zugehen konnte, für jeden ein Lachen hatte... verrückt! Nur ich habe gesehen, wie er gelitten hatte, bei mir hat die Kraft für die Fassade nicht mehr gereicht.

Darum denke ich, dass es für uns alle extrem wichtig ist, dass man lernen darf, die Fassade fallen zu lassen, sich so zu geben, wie man am liebsten innerlich möchte und dabei zu spüren, dass man trotzdem akzeptiert und getragen wird.

Ganz liebe Grüsse Euch beiden und danke für die anregenden Gedanken!

Geborgenheit
tomroerich
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Re: Bitte höre, was ich nicht sage..........

Beitrag von tomroerich »

Liebe Maskenträger,

wenn ich lese, was ihr schreibt, dann denke ich sofort: Wie sehr sind wir doch alle abhängig vom Urteil anderer! Masken brauchen wir nur zu dem einem Zweck, uns dem Urteil anderer zu entziehen aus lauter Angst, es könne ein negatives sein. Aber was ist so unendlich wichtig am Urteil der anderen, dass wir uns nicht trauen, uns zu zeigen, wie wir sind? Ich glaube, die Fähigkeit ohne Masken zu leben, wächst in dem Maße, wie man an Selbstbewusstsein gewinnt.
Wenn man sich selbst kennt und auf sich selbst in einer akzeptierenden Art und Weise schaut, dann wird das Urteil anderer immer unwichtiger. Ich kann mich nur selbst kennen- die anderen kennen das, was sie in mir sehen und das ist nicht das, was ich bin, sondern das, was sie aus mir machen.
Alles Maskenhafte löst sich auf, wenn man anfängt, an sich zu glauben.

Viele Grüße

Thomas
Betroffene für Betroffene

http://www.depressionsliga.de
geborgenheit
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Re: Bitte höre, was ich nicht sage..........

Beitrag von geborgenheit »

Lieber Thomas

ja, Du triffst den Nagel wieder einmal auf den Kopf. "Die Fähigkeit ohne Masken zu leben, wächst in dem Masse, wie man an Selbstbewusstsein gewinnt." Genau so empfinde ich es auch. Und ich könnte mir auch die Umkehrung vorstellen: Je mehr ich ohne Maske lebe, desto mehr wächst mein Selbstbewusstsein, denn es wird wahrgenommen als das, was es ist und bekommt so viel mehr direkte Wahrnehmung, das stärkt das Selbstbewusstsein auch wieder und es kann eine positive Spirale nach oben beginnen.

Liebe Grüsse auch Dir

Geborgenheit
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