Ein unglückliches, schmerzerfülltes Sein?

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Boredomx
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Registriert: 1. Apr 2016, 13:15

Ein unglückliches, schmerzerfülltes Sein?

Beitrag von Boredomx »

Hallo an alle,

ich habe aktuell ein großes Problem mit meiner mentalen Verfassung, um es vorsichtig auszurücken. Ich bin ein selbst reflektierter Mensch würde ich sagen und mein Problem ist zusätzlich, dass ich berufsbedingt ein genaues Wissen über Psychische Erkrankungen und deren Behandlungen habe.

Zu meiner Person: Ich bin 28, bin gebunden, im Therapeutischen Bereich tätig.

Ich bin nun in der 3. Woche krank geschrieben, das ganze schon im Voraus bis Mitte des Monats. Einer der großen Auslöser dabei ist mein Arbeitsplatz gewesen - ein weiteres Problem in dieser Kette ist, dass mein Hausarzt dort ebenfalls als externer Arzt arbeitet, allerdings die Patienten. Daher hatten wir sowohl eine geschäftliche, als auch eine Arzt-Patienten Beziehung zueinander.
Der Vorteil den ich sehe, ich kann mit Ihm über alles sprechen und er weiß, wieso es mir und vielen anderen auf der Arbeit schlecht geht. Er ist aber auch sehr fixiert auf dieses Thema "Die Arbeit ist Schuld - Arbeitgeberwechsel und gut ist!"

Viele Dinge haben mich in den letzten 2 Jahren sehr viel Kraft und Gesundheit gekostet:
Ich habe die Leitung eines Therapeutenteams übernommen, weil es nötig war, weil die Strukturen miserabel waren - das Team ist dabei auch das geringste Problem und alle waren mit meiner Arbeit zufrieden und ich mit meinem Team.
Es reicht aber nicht - mir nicht.

Wir sind auf einer neurologischen Fachstation mit vielen wachkomatösen Bewohnern. Und eigentlich finanziert sich die Geschäftsleitung damit ein schönes Leben, bei ca. 6 tsd. Euro pro Bewohner, bei zu vielen Betten -.-
Alle Versuche - Probleme anzugehen, Lebensqualität der Bewohner zu verbessern, die Pflege mit besseren Methoden anzulernen - erfolglos. Selbst Kritik ob von uns oder den Angehörigen wurde nicht mehr erhört, weil diese Plätze sehr begrenzt sind, weil man kaum eine andere Wahl hat als zu bleiben (Als Angehöriger)

Zu meinen eigenen Problemen kann ich sagen, ich leide eigentlich seit 9 Jahren an immer wieder auftretenden Rückenschmerzen, das hat mal leichter angefangen wurde aber auch bei Bewegung nicht besser. Es wurde zwar "mal geguckt" aber nicht gründlich und nix gefunden.
Spulen wir vor in das Jahr 2015 - ich hatte eine extrem langwierige Kiefer- und Zahn OP, daraufhin bekam ich irgendwann als Schmerzmittel mein erstes "leichtes" Opiat (Tramadol). Mir ging es schlagartig besser, alles supi.
Die Kieferprobleme waren irgendwann weg - allerdings sind die Rückenschmerzen entweder einfach durch die Zeit schlimmer geworden oder aber - mein Schmerzempfinden wurde durch den Schmerzfreien Zustand des Tramal verändert. Ich nehme es nun seit einem Jahr schon in hohen Dosen. Von Abhängigkeit kann ich aber nicht sprechen und es kontrollieren, ich kann es auch ganz weglassen - nur kann ich mich dann kaum mehr bewegen....

All diese Dinge und vieles Mehr hinterließen Spuren, kein Zweifel.
Mein Diagnose aktuell lautet "Depressive Episode und v.a. Erschöpfungssyndrom"

Wie fühle ich mich?
Meine Akkus sind leer schon lange und laden nicht mehr auf. Auch in meinen Urlauben mit Wellness nie - ich hänge immer bei 5% - das Tramal lässt mich zwar arbeiten und alles machen, aber die Kraft ist weg. Der Antrieb.
Dazu kommt, dass ich nichts finde oder machen kann, um abzuschalten...
Baden, Spazieren, Lesen, Musikhören alles Dinge, die ich früher gerne tat, wenn es mir schlecht ging - heute hilft alleine PC-Spielen und komplett wegtauchen in andere Welten. Ich kann damit fliehen, aber es lädt sich nichts auf oder ich fühle mich besser...

Auch Sport, Schwimmen/Radfahren ... geht nicht. Bei allen Dingen (Alleine) habe ich keine Ruhe, ich muss nach 15 Minuten abbrechen und ich weiß nicht wieso. Ist es das alleine sein?Hab ich das Gefühl "Zeit zu verschwenden?
Und Hobbies mit anderen oder sich Treffen hilft mir nicht (mehr) - entweder fange ich an und rede nur über meine Probleme ohne Ende - oder höre mir andere Probleme an. Da rutsche ich auch einfach schnell in meine Helfer- und Therapeutenrolle.
Ich weiß aus Erfahrung, dass ich einfach mich selbst vergesse - mir kann es dreckig gehen und ich kann eben geheult haben, wenn danach einer zu mir kommt und von Problemen erzählt, körperlich oder psychisch, nehme ich mich diesen an, sofort. Ich kann es nicht sehen, dass andere leiden, wenn ich helfen kann - sei es nur durch eine kleine Behandlung, Massage oder ähnliches.
---------
Entschuldigt den langen Text - ich analysiere wieder viel zu viel und weiß nicht wo ich anfangen soll. Ich weiß aber, dass ich mich schon mal ähnlich fühlte, andere Arbeit ähnlicher Kreislauf - bis ich zusammenbrach. Ich war bei einer Psychotherapeutin, half mir aber nicht. Systemischer Ansatz ... half mir nicht.

Ich hinterfrage einfach gerade: Ist es die richtige Arbeit für einen sehr sensiblen, empathischen Menschen, der sprichwörtlich mit Patienten leiden "kann"? Im Falle des Wachkoma sage ich: JA! Denn ich bekomme Zugang zu ihnen.

Wenn ich mich aber frage, ob ein Arbeitgeberwechsel mich wieder glücklich macht, sage ich nein. Ich fühle mich nicht mehr bereit - einfach weiterzumachen und mich selbst links liegen zu lassen.
Ich habe so viele Baustellen und sage ich brauche definitiv Hilfe. Hilfe mich wieder selbst zu beschäftigen - wieder Sport zu machen der gut wäre für mich. Ich brauche Hilfe meine aufgestauten Emotionen abzuarbeiten ... so schön Selbstreflexion und Nachdenken auch ist.

Ich habe mal gestöbert - es gibt scheinbar Kliniken mit Psychosomatischer Behandlung und Gleichzeitig sind es Schmerzkliniken, ich würde sagen Ideal.

Fragen: Wie wird der Weg sein, dahin zu gelangen? Wie überrede ich meinen Hausarzt eine Reha anzugehen? Zu welchem Facharzt gehe ich und glaubt der mir? Wie hoch sind dann die Chancen für eine schnelle Reha? Und wie geht es dann weiter?

Ich hab einfach eine enorme Unsicherheit entwickelt, weil man meinen Kummer und mein innerstes nur schwer zu sehen bekommt und nur in extremen Situationen, dass ich weinend zusammenbrecht. Es ist einfach schwer zu beschreiben, weil ich lachen kann und Spaß haben kann, das aber nur Bruchteile von Sekunden geht - für Außenstehende wirkt alles normal.
Wer mich aber kennt, weiß dass ich mich sehr zurück gezogen habe - sehr an "Stahlen" und Hoffnung verloren habe, meine Energie ist einfach weg.
Ich habe Angst, dass man mir nicht glaubt ich will keine Heulerei "vorspielen" oder mich dazu bringen lassen, damit man mir glaubt. Ich weine, wenn ich es für richtig halte :(

Vielleicht hat ja jemand Lust diesen langen Text zu lesen, Tipps was ich tun kann oder wo ich mich hinwenden sollte.

Vielen Dank schon mal an Alle :oops:
Nina345
Beiträge: 280
Registriert: 25. Jan 2016, 16:02

Re: Ein unglückliches, schmerzerfülltes Sein?

Beitrag von Nina345 »

Huhuu :))

hab es grob gelesen. Ich kann schon raushören, dass du wirklich leidest und nichts vorspielst. Ich bin relativ überzeugt, dass dir niemand Heuchelei vorwerfen wird. Der erste Gang ist der Hausarzt denke ich der überweist dich dann zu den Fachärzten

Ich persönlich kann empfehlen, alles was dir nicht gut tut zu reduzieren und alles was gut tut zu erhöhen. Akute Probleme angehen. Jetzt so per Hobby-Ferndiagnose scheint die Arbeit zu viel deiner Energie zu kosten. Ist eine Reduzierung möglich? Probleme angehen: Die Rückenschmerzen angehen bis zur evtl. Bewilligung deiner Rehe: keine Ahnung was man da so alles tun kann zb. Rückenmuskulatur stärken, Wärmepflaster, Wärmematratzenbezug, Massage, schweres Tragen meiden.
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Boredomx
Beiträge: 3
Registriert: 1. Apr 2016, 13:15

Re: Ein unglückliches, schmerzerfülltes Sein?

Beitrag von Boredomx »

Danke für die Antwort :-)

Das beruhigt mich, dass man das rauslesen kann, dass ich wirklich leide.
Leider gibt es keine Möglichkeit der Reduzierung auf der Arbeit eigentlich .... Ist das mit der Entbindung meiner Leitungspflichten vor einigen Wochen - ein Scheiterhaufen... Wer Wallraffs Pflegereport geschaut hat, weiß wie es ungefähr bei uns ist - es wäre anzuraten zu Flüchten. Aber das ist emotional nicht einfach - für mich zumindest. Aber arbeiten kann ich dort unter den Umständen mit meiner Verfassung nicht mehr aktuell...

Mit Betätigungen ist es schwer - mir tut nichts gut - mit pc spielen fliehe ich einfach nur ... Mir geht's gut solange ich dann "aus unserer welt" fliehen kann.
Mit Betätigungen für den Rücken bin ich leider auch mit meinem Latein als Therapeut am Ende - das ist kaum muskulär eher knöchern - alles was ich ausprobiert habe bringt kaum bis nichts. Von Pflastern bis Salben, von Bädern bis Wärme und Kältebehandlung, genauso wie Elektro. Außer abschießen mit Opiaten finde ich keine Linderung.

Schwimmen könnte mir gut tun, aber ich kann nicht - nicht alleine - nicht mit anderen - ich fühle mich so gehetzt als dürfte ich mir die Zeit nicht nehmen. Ich hänge fest ... Merke ich :(
Zuletzt geändert von Boredomx am 5. Apr 2016, 17:42, insgesamt 1-mal geändert.
Nina345
Beiträge: 280
Registriert: 25. Jan 2016, 16:02

Re: Ein unglückliches, schmerzerfülltes Sein?

Beitrag von Nina345 »

Huhuu,

si, das klingt wirklich als würdest du festhängen. -.- Versuch dich nicht so in die Missstände reinzusteigern. Geb dein Bestes ohne dich zu Überfordern. Du kannst es leider nicht ändern. Selbst gesund hast du nicht den nötigen Einfluss um das System zu ändern. Du musst deine Kräfte schonen, du brauchst sie gerade selbst.

In eine Parallelwelt fliehen macht nichts besser - das weißt du ja selbst. Wenn es geht versuch mal andere Dinge.

Überleg dir das mit dem Schwimmen mal. Du kannst das schon, du musst dich "nur" übwerinden. Ich weiß das ist schwer. Wenn es dir nicht gut tut hast du ja ncihts verloren, deine PC Welt lässt dich immer zurückkommen.
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M1971
Beiträge: 731
Registriert: 26. Apr 2014, 17:39

Re: Ein unglückliches, schmerzerfülltes Sein?

Beitrag von M1971 »

Hallo , Du bist offenbar ein sehr feinfühliger Mensch und hast Dir bewusst einen Beruf ausgesucht bei dem man Menschen helfen kann. Das ist toll, aber man muss darauf achten, Grenzen zu ziehen. Es ist eine hohe Kunst in medizinischen Berufen nach dem Job ein privater Mensch zu sein. Man kann das teilweise lernen durch Kurse und Bücher. Bedenke bitte, dass Du noch viele Berufsjahre vor Dir hast. Du musst daher entscheiden, ob Du den Job auf Dauer ausführen kannst oder eine berufliche Neuorientierung sinnvoll ist
Rückenschmerzen haben übrigens zu einem großen Anteil eine psychosomatische Ursache.
Durch Medikamente beseitigst Du die Symtome aber nicht die Ursache. Durch Groll auf die Geschäftsleitung verstärkt sich das noch
Gruß
M
Insa40
Beiträge: 1157
Registriert: 25. Mär 2011, 20:44

Re: Ein unglückliches, schmerzerfülltes Sein?

Beitrag von Insa40 »

Hallo,

mir hat vor einigen Jahren die Reduzierung meiner Arbeitsstunden /Teilzeit sehr geholfen, wieder stabil zu werden.
Klar, weniger arbeiten brachte auch weniger Lohn mit sich, aber wenn man sich etwas einschränkt,
ist der " Lohn" , mehr Zeit für sich selber zu haben wirklich hilfreich und man kann durchatmen.
Zusätzlich bin ich jetzt bei meiner Arbeit wieder viel motivierter als vorher im sog. Trott.

Bei meinen Rückenproblemen hat mir aktuell ein Chiropraktiker geholfen.
Ich ging mit wirklich wenig Erwartungen hin und war verblüfft. Da muss man allerdings
auch darauf achten, dass derjenige eine gute Ausbildung hat.

Ich kann Dir nachempfinden wie erschöpfend und niederdrückend diese zusätzlichen physischen
Probleme sind.

Liebe grüsse, Insa
Zarra
Beiträge: 5734
Registriert: 12. Mär 2010, 15:16

Re: Ein unglückliches, schmerzerfülltes Sein?

Beitrag von Zarra »

Hallo Boredomx,

... Dein Text ... ist wirklich nicht ganz einfach ... zu lesen, zu "verstehen" ... habe vermutlich auch beim zweieinhalbten Anlauf keineswegs alles erfaßt ... - relativer "Vorteil", den andere auch schon genutzt haben: Er sagt eine Menge über Deine Situation und Dich aus. (!!) -> Ausdrucken, ggf. zu Arzt- oder Therapeutenterminen mitnehmen.
Ich habe mal gestöbert - es gibt scheinbar Kliniken mit Psychosomatischer Behandlung und Gleichzeitig sind es Schmerzkliniken, ich würde sagen Ideal.

Fragen: Wie wird der Weg sein, dahin zu gelangen? Wie überrede ich meinen Hausarzt eine Reha anzugehen? Zu welchem Facharzt gehe ich und glaubt der mir? Wie hoch sind dann die Chancen für eine schnelle Reha? Und wie geht es dann weiter?
Beantragungsformulare kannst Du über die Rentenversicherung aus dem Netz runterladen oder Dir von der Rentenversicherung oder über Deiner Krankenkasse zuschicken lassen; doch Ärzte müssen dieses Anliegen natürlich unterstützen. Das kann der Hausarzt sein. Bei einer psychosomatischen Reha hat vielleicht ein Psychiater u.U. mehr Gewicht, das muß aber nicht so sein. "Glauben" ist weniger das Problem. Auch wenn die Ärzte das befürworten, kann die Rentenversicherung erst mal ablehnen - und Dich z.B. auf ambulante Möglichkeiten (ambulante Psychotherapie etc.; ambulanter Psychiater; ambulanter Schmerztherapeut) verweisen. Das muß nicht geschehen, kann aber. Und bei vielen hilft dann auch ein Widerspruch. Also ist es vielleicht gut, wenn der Arzt reinschreibt, daß es des kombinierten Angebots bedarf. Für mich klingt es auch so, als ob es gut wäre, wenn Du mal "raus" kämst und etwas mehr einen Blick von außen, der aber zugleich das Innen mitberücksichtigt, bekämst. - 2-3 Monate von Antragstellung bis Rehabeginn?? ... oder schau mal, was andere in letzter Zeit hier geschrieben haben. - Ein Psychiater, der Dich das erste Mal sieht, wird voraussichtlich zögern hinsichtlich des Reha-Antrags, erst mal zuwarten; von daher ist es vielleicht geschickter, das über den Hausarzt zu machen, wenn der Dich und Deine Geschichte schon länger kennt. Parallel könntest Du ja immer noch einen Psychiater aufsuchen: Man muß Antidepressiva nicht toll finden, ... aber manchmal helfen sie paradoxerweise auch gegen Schmerzen. Vorher sollte allerdings natürlich der Orthopäde oder wer sonst in Frage kommt, anderes ausgeschlossen haben.

... sorry für die Abgehacktheit; bin gerade etwas verquer. Sie soll jedenfalls nichts ausdrücken, ist nur ein Nebenprodukt.

Grüße, Zarra
Katerle
Beiträge: 11288
Registriert: 25. Sep 2014, 10:30

Re: Ein unglückliches, schmerzerfülltes Sein?

Beitrag von Katerle »

Hallo Borodomx,

bei der hohen Verantwortung, die du hast in diesem schweren Job ist es leider manchmal so, dass man sich selbst dabei vergisst und der Akku eines Tages leer ist.

Eine psychosomatsiche Reha wäre für dich angezeigt. Du musst unbedingt erstmal an dich denken. Deshalb rede zunächst mit deinem Hausarzt über einen Rehaaufenthalt, er wird alles weitere veranlassen, über Antragstellung, etc.

Alles Gute für dich.

Katerle
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