Mir fällt noch etwas ein, es gibt ja so Bücher, die einen regelrecht flashen und das Leben nachhaltig verändern. Eines dieser Bücher ist für mich das Buch "Miteinander reden" von Friedemann Schulz-von-Thun. Darin geht es um Kommunikation und warum das so oft scheitert, auch wenn wir scheinbar dieselbe Sprache sprechen. Der Autor präsentiert sein Modell der "Vier Ohren des Hörens", d.h. jede Botschaft kann auf vier verschiedenen Ebenen beim Zuhörenden ankommen und je nachdem, welches seiner vier Ohren er am weitesten aufsperrt, verändert sich der Inhalt und wird z.T. vollkommen verzerrt.
Um Kommunikation zu beschreiben, die durch Missverständigung auf den verschiedene Ebenen gestört wird, beschreibt Schulz von Thun als Beispiel die folgende Situation: Ein Mann und eine Frau sitzen beim Abendessen. Der Mann sieht Kapern in der Soße und fragt: „Was ist das Grüne in der Soße?“ Er meint damit auf den verschiedenen Ebenen:
- Sachebene: Da ist was Grünes. [Und nicht rot, blau oder gelb.]
- Selbstoffenbarung: Ich weiß nicht, was es ist.
- Beziehung: Du wirst es wissen.
- Appell: Sag mir, was es ist!
Die Frau versteht den Mann auf den verschiedenen Ebenen folgendermaßen:
- Sachebene: Da ist was Grünes.
- Selbstoffenbarung: Mir schmeckt das nicht.
- Beziehung: Du bist eine miese Köchin!
- Appell: Lass nächstes Mal das Grüne weg!
Die Frau antwortet gereizt: „Mein Gott, wenn es dir hier nicht schmeckt, kannst du ja woanders essen gehen!“
Kommunikation ist immer auch Interpretation und da fangen die Probleme an. Denn die Frau hat seine Aussage als Kritik aufgefasst, obwohl es vielleicht so gar nicht von ihm gemeint gewesen ist. Man kann Streit aber leicht verhindern, indem man sich erstens als Sender (= Sprecher) bemüht, in seinen Aussagen klar zu sein. Er hätte z.B. sagen können: "Ich kenne das Grüne in der Soße nicht, kannst du mir sagen, wie das heißt?" Dann hätte sie vermutlich geantwortet: "Das sind Kapern." und die Sache wäre erledigt gewesen.
Als Empfänger (= Hörender) kann man sich bemühen, nach der Bedeutung einer Aussage zu fragen, bevor man darüber wütend wird und dem Sender womöglich etwas unterstellt, das überhaupt nicht da war. Sie hätte fragen können "Wieso, schmeckt es dir nicht?" und er hätte vielleich gesagt "Ich finde es lecker, ich frage mich bloß, was es ist."
Meine Eltern haben sich bei genau diesen Gesprächen laufend in den Haaren, weil mein Vater auf der Sachebene spricht (in diesem Beispiel will er halt einfach wissen, wie man das Grüne nennt) und meine Mutter hört grundsätzlich auf der Beziehungsebene und fasst es als Kritik auf (schlechte Köchin). Letztlich ist sie beleidigt und er schlecht gelaunt, weil er nicht weiß, was er falsch gemacht hat. Beides völlig unnötig... Umgekehrt machen sie es übrigens auch, sie sendet Botschaften, die er nicht als die Aufforderung hört, die sie meint. So sagt sie z.B.: "Die Kartons stehen herum!" (Appellebene) und möchte, dass er sie wegräumt. Er stellt jedoch ganz lapidar (auf der Sachebene) fest: "Stimmt!" und unternimmt nichts. Er meint das nicht böse, er hört die versteckte Aufforderung wirklich nicht, sondern teilt bloß ihre Wahrnehmung. Wenn sie sagt: "Räumst du die bitte mal weg?" sagt er, ach so, ja klar, und tut es dann auch. Manchmal könnte alles so einfach sein, wenn wir nur nicht ständig die Ohren durcheinander bringen würden!
Nicht umsonst sagt der Volksmund "Der Empfänger macht die Botschaft". Wenn ich mich angegriffen fühle, stelle ich mir zwei Fragen: 1. Gab es überhaupt wirklich einen Angriff? (Oder kam es mir nur so vor? -> Im Zweifel für den Angeklagten!) 2. Wenn ja, kann ich wirklich sicher sein, dass ICH gemeint war? (Oder in Wirklichkeit jemand anders? -> Im Zweifel für den Angeklagten!)
Ich war z.B. mal mit meinem Auto in der Werkstatt zum Reifenwechsel und wartete. Ich muss dazu sagen, dass ich die Volksweisheit "Frauen können schlecht einparken" tief verinnerlicht habe, und ich bin ja eine Frau, also kann ich wohl schlecht einparken - das ist meine Überzeugung. Objektiv stimmt das nicht, ich kriege das meist sogar ziemlich gut hin, besonders rückwärts (nur nicht rückwärts-seitwärts), aber wenn ich aussteige, bin ich immer sehr unsicher und sehr kritisch, ob ich so stehenbleiben kann.
Jedenfalls hörte ich, wie einer der Mechaniker zum Kollegen in wütend-genervtem Tonfall sagte: "Manche Leute parken echt beschissen."
Ich fühlte mich sofort ertappt, denn ich war die einzige Frau (also musste er mich meinen), mein Puls schoß hoch und ich spürte, wie ich knallrot wurde. Habe panisch zu meinem Auto geguckt und noch panischer überlegt, was ich falsch gemacht habe, konnte nichts finden - ich stand gerade, ordentlicher Abstand zum Auto links und rechts, niemanden behindert, nichts blockert etc. pp. Und dann wurde ich wütend, denn ich stand nach meiner Auffassung nahe an perfekt, was war bitte also verdammt noch mal sein Problem???!!! Natürlich meinte der Mechaniker mich überhaupt nicht, sondern einen anderen Autofahrer, der ihm die Einfahrt zur Werkstatt zugestellt hatte... Meine ganze Aufregung war völlig umsonst, denn sie hatte mit dem Gesagten oder dem Sagenden rein gar nichts zu tun, sondern nur mit meiner eigenen fest verwurzelten Unsicherheit, für die der Mechaniker natürlich nichts kann.
Sehr empfehlen kann ich in diesem Zusammenhang auch die Geschichte mit dem Hammer von Paul Watzlawick:
https://de.wikipedia.org/wiki/Anleitung ... dem_Hammer
Das ist auch so ein Text, der mich sehr verändert hat. Wenn ich merke, dass ich besonders heftig auf eine Situation reagiere, dann hat das meistens viel mehr mit mir selbst als mit der Situation zu tun. Meine Vorgeschichte, meine Erfahrungen, meine Überzeugungen, meine Bewertungen, mein Selbstbild - das spielt alles mit rein und seit ich das erkannt habe, mache ich immer einen innerlichen Schritt zurück und frage mich: was passiert hier gerade? Seitdem kann ich besser mit Kritik umgehen, denn ich kann mich auf der Sachebene fragen, ob mein Gegenüber vielleicht recht hat. Wenn ich es schaffe, ehrlich mit mir selbst zu sein, kann ich dann vielleicht zugeben: ja, stimmt, ich habe einen Fehler gemacht. Dann kann ich gucken, wie ich damit umgehe und muss nicht böse über den sein, der es ausgesprochen hat.
Vielleicht stelle ich fest, dass er sich irrt - dann gucke ich, ob es evtl. ein Missverständnis gegeben hat, das sich aufklären lässt. Oder aber ich stelle fest, dass die Kritik unberechtigt ist und mein Gegenüber auch nicht mit sich reden lässt - das ist mit großer Wahrscheinlichkeit nicht bösartig von dem gemeint (ich glaube zwar, dass bösartige Menschen existieren, sie aber verhältnismäßig selten sind; und im Zweifel für den Angeklagten) und hat sicher mit dessen Erfahrungen, Überzeugungen, Bewertungen und Selbstbild zu tun. Davon kann ich mich gut abgrenzen, denn dafür kann ich nichts, das ist dann seine Sache und seine Baustelle. Aber egal wie es auch ausgeht, in keiner Variante muss ich wütend um mich schlagen oder abfällig oder beleidigend werden.
Leider ist Kommunikationspsychologie nur ein Aufbaustudium, mich interessiert das sehr und ich würde da gerne noch mehr darüber lernen. Wir fangen so früh an, sprechen zu lernen - aber so oft reden wir aneinander vorbei. Ich glaube, dass die Welt eine friedlichere wäre, wenn wir besser kommunizieren lernen.
LG, Salvatore