Weg aus der Depression & Thema Akzeptanz

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Caro_Wien
Beiträge: 10
Registriert: 27. Mär 2016, 18:14

Weg aus der Depression & Thema Akzeptanz

Beitrag von Caro_Wien »

Hallo alle miteinander!

Ich bin neu hier im Forum, habe aber in den letzten Monaten hier immer mal wieder vorbei geschaut und mich jetzt dazu entschieden auch einen Beitrag zu verfassen.

Ich habe seit 4 Jahren Depressionen. Allerdings hatte ich erst 3 wirklich lange, schlimme, depressive Phasen, da ich immer wenn ich Medikamente genommen habe komplett symptomfrei und uneingeschränkt leben konnte. Ich bin 24 Jahre alt (Studentin) und bin seit der zweiten depressiven Episode in kompetenter psychiatrischer und psychotherapeutischer Behandlung. Beim ersten Mal nur beim Hausarzt gewesen und mit Antidepressiva und insg. 5-6x Therapie schnelle Besserung nach ca. 1-2 Monaten. Danach im Leben fleißig entrümpelt, viel hinter mir gelassen und Umzug in neue Stadt. In Absprache mit dem Hausarzt habe ich nach einem halbem Jahr (mir ging es top) die Antidepressiva wieder abgesetzt.
1-2 Monate später ist es wieder langsam losgegangen bis ich komplett entkräftet war und wieder zum Hausarzt gedackelt bin. Da dieser mich nicht ernst genommen hat und eine sehr willkürliche Medikation vorgeschlagen hat, endlich der Schritt zum Facharzt. Wurde neu mit Antidepressiva eingestellt und sobald ich wieder halbwegs bei Kräften war, kümmerte ich mich um eine Therapie und bin seitdem auch bei einer wirklich sehr guten Therapeutin in Behandlung. 2 Jahre lang nahm ich die Antidepressiva und mir ging es gut. Natürlich gabs Aufs und Abs aber im normalen Ausmaß und wenn ich mich nicht gut gefühlt habe, dann mit Grund. Fühlte mich in dieser Zeit sehr ausgeglichen und null eingeschränkt durch das Medikament.
Nach diesen 2 Jahren in Absprache mit der Psychiaterin langsames Ausschleichen im Frühjahr 2015 (über 3 Monate). Sommer ging Medikamentenfrei noch gut, ab Oktober schleichende Verschlechterung. Immer wieder total entkräftet und dann wieder zusammen gerissen so gut es ging und weiter "gekämpft". Habe mir Erleichterung erhofft durch Johanniskrauttee, Lichttherapie, Bewegung, Meditation, Yoga , Autogenes Training usw. Wollte einfach nicht zum Psychiater rennen und wieder Medikamente nehmen. Wollte mir nicht eingestehen: Ich bin krank und brauche Hilfe. Dachte ich habe in den 2 Jahren so viel in der Therapie gelernt, ich komm jetzt damit klar. Keine Chance!! Es ging immer weiter bergab bis zum kompletten Zusammenbruch.
Seit Januar dieses Jahres nehm ich nun wieder Antidepressiva (zu erst wenig, dann erhöht). Ich nehme nun die selbe Dosis wie letztes Mal, mit der es mir komplett gut ging und ich habe auch jetzt Tage wo es mir richtig gut geht(max.3-4 Tage hintereinander) danach geht die Erschöpfung wieder los, obwohl ich nicht gestresst bin oder besonders viel unternehme. Mir sind dann alle Reize zu viel, ich habe extrem Kopfschmerzen (Druck im Kopf), bin verwirrt, kann mich schwer auf etwas oder ein Gespräch konzentrieren und will am liebsten nur noch schlafen. Nach einem Tag heulen und Frust raus lassen, kann ich es dann auch halbwegs annehmen, dass es wieder da ist und ich gönn mir die Ruhe, geh ein bisschen spazieren und geb dem Schlafbedürfnis nach bis ich mich wieder gut fühle (dauert auch so 3-4 Tage). Dann wiederholt sich das Spiel und ich schaue auch wirklich darauf, dass ich in den Tagen wo es mir gut geht nicht zu schnell zu viel mache und mir Ruhephasen einplane, trotzdem sind mir minimale Belastungen (z.b. im Einkaufszentrum mit einer Freundin einkaufen) schnell zu viel und brauche sehr lange um mich davon zu erholen. Also Belastbarkeit gleich 0. Ich kenne dies nicht, weil meine Belastbarkeit die anderen 2 Male sehr schnell auf ein Normalniveau gestiegen ist und ich sehr stabil war.

MEINE FRAGE IST: Was für Erfahrungen habt ihr , wenn ihr aus einer depressiven Episode rauskommt? Fühlt ihr euch wie wenn man einen Schalter umlegt, relativ schnell wieder ziemlich gut oder seid sogar besonders euphorisch?
Oder dauert es noch eine Zeit lang bis ihr wieder in den Alltag einsteigen könnt und euch durch normale Tätigkeiten nicht schnell erschöpft fühlt? Bzw. wie lang ist dieser Weg?

Außerdem interessiert mich euer Umgang mit der Depression. Wie habt ihr es geschafft die Krankheit anzunehmen und zu akzeptieren?

Ich denke ich bin schon ganz gut unterwegs auf dem Weg der Akzeptanz aber ich verfalle doch noch leicht in ein "Kampfmuster" und arbeite dagegen anstatt es zu akzeptieren. Mir ist bewusst, dass bringt nichts und entkräftet mich noch mehr und ich schaffe es nun auch öfter früher die Notbremse zu ziehen, doch es bleibt das Gefühl der Wut, Traurigkeit, Ungerechtigkeit, Frust und teilweise auch einfach nur Selbstmitleid. Ich muss es rauslassen, ob in Therapie bei Freunden oder Familie und wenn es draußen ist, tu ich mir mit dem annehmen wieder leichter. Ich wünsche mir einen gelasseneren und geduldigeren Umgang mit der Depression und ich habe schon viel für mich lernen können, doch der Weg bis dorthin fühlt sich lang an.


Bin gespannt auf eure Antworten und Entschuldigung für den langen, einleitenden Text, dachte das könnte wichtig sein.

Eure Caro

P.s. Mein Bruder (30) ist schizophren seit 6 Jahren, mein Opa war bis zu seinem Tod bipolar und seine beiden Schwestern haben sich beide umgebracht. (Meine Eltern und meine Schwester sind gesund). Eine gewisse genetische Tendenz zu einem Ungleichgewicht der Botenstoffe lässt sich daher nicht leugnen
Sonnenblume14
Beiträge: 1038
Registriert: 16. Sep 2014, 18:36

Re: Weg aus der Depression & Thema Akzeptanz

Beitrag von Sonnenblume14 »

Hallo Caro,

bei mir wurde es langsam besser. Vor allem musste ich lernen, dass Überforderung und Erschöpfung nicht mit dem Kopf (also rational) auszumachen sind. Und ich brauchte sehr lange, um zu verstehen, was "ich-Zeit" bedeutet. Verstehen im Sinne: es zu leben. Leider reicht es nicht, sich hinzusetzen, um irgendetwas hobbymäßiges zu tun, sondern man muss es wirklcih mit dem Herzen machen. Für rational denkende Menschen ein äußerst schwieriges Unterfangen.

Für mcih war der "Knackpunkt" ein Prozess, der in der Tagesklinik in Gang gesetzt wurde. Mit ambulanter Behandlung wäre ich nicht soweit gekommen. In der Ruhe, im Nichtstun kamen Dinge hoch, dieser ganze angesammelte Müll - ich habe da geheult, gekämpft und geredet. Danach brauchte ich noch einige Wochen völlige Ruhe, bis ich das alles soweit verarbeitet hatte, dass ich an ein halbwegs normales Leben denken konnte. Und ein weiteres Jahr, bis die Belastung einigermaßen beim "alten" war. Gut, ich ein Stück älter als du (50+) da läuft vieles schon in langsameren Bahnen.

Diese 3-4 Tage gut, dann Zusammenbruch - diese Phasen hatte ich auch. Im Nachhinein denke ich, ich habe mir etwas vorgemacht, selbst die guten Tage waren weit entfernt von normal. Belastbar war ich da auch nicht wirklich.

Ich habe damals die Klinikzeit gebraucht, dieses Rundum-Paket, die Kontakte zu anderen und vor allem die schützende Umgebung. Die Geschichte mag mbei jedem anders ablaufen. Bei uns ist recht weniggenetische Vorbelastung, vllt war das mein Glück.

LG Sonnenblume
"Depressionen sind kein Zeichen von Schwäche, sondern dafür, dass jemand zu lange zu stark sein musste" (Johnny Depp)

"Verstehen kann man das Leben nur rückwärts. Leben muss man es vorwärts." Sören Kierkegaard
Tink
Beiträge: 419
Registriert: 6. Jan 2016, 09:54

Re: Weg aus der Depression & Thema Akzeptanz

Beitrag von Tink »

Hi Caro
Da kommst du ja aus einer recht belasteten Familie... Den Vorteil hat es, dass deine Eltern mit so Dingen recht erfahren und verständnisvoll sind???
Im Grunde ist es ein langer ewiger Kampf und du musst für dich finden was gut ist. VL ist die Idee mit Tagesklinik gar nicht so verkehrt... VL in Semesterferien??/mit Akzeptanz und Zeit für mich kann ich dir wenig raten, da ich mir hier auch sehr schwer tue... Ich mach einfach weiter.. Nach Zusammenbruch aufstehen und immer am limit... Hängt mit meiner Situation u Wesen zusammen. Was ich dir sagen kann der weg ist falsch. Also wenn du in Semesterferien Gelegenheit hast Versuch Tagesklinik...
Ich wünsch dir alles gute.
Gruß Tink
Caro_Wien
Beiträge: 10
Registriert: 27. Mär 2016, 18:14

Re: Weg aus der Depression & Thema Akzeptanz

Beitrag von Caro_Wien »

Hey,

Erst mal: Danke für eure Antworten.

@ Sonnenblume
Danke für deine Erfahrungen, der Satz, dass Überforderung und Erschöpfung nicht rational auszumachen sind, finde ich schön und kann dir hier nur voll und ganz zustimmen.
Das mit der Ich-Zeit sehe ich ebenfalls genauso wie du, dass man diese Zeit auch wirklich von Herzen nutzen sollte und sich nicht zu irgendetwas zwingen sollte, dass einem sonst immer gut getan hat. Dies gelingt mir ganz gut, außer die Lust auch nur irgendwas zu machen ist komplett weg.

Das mit der Tagesklinik hab ich mir auch schon gedacht, allerdings merke ich in mir eine gewisse Blockade/ Sperrung dagegen und brauch eventuell noch ein wenig Zeit bis dieser Gedanke für mich akzeptabel wird. In den "guten Tagen" bin ich überzeugt, dass es bei mir keine Einbildung ist: mir gehts es wirklich gut, fühle mich wirklich rund um wohl eher etwas zu euphorisch, da ich mich so sehr darüber freue dass ich mich gut fühle.

Gab es für dich einen vielleicht jetzt im Nachhinein nachvollziehbaren Auslöser oder Belastungen in deinem Leben, die dich runtergezogen haben und deine Depression begünstigt haben?



@ Tink
Ja mein gesamtes Umfeld (Freunde sowie Familie) sind sehr verständnisvoll und unterstützen mich wo sie nur können. Ich habe auch von den Eltern keinerlei Druck "funktionieren" zu müssen oder mein Studium schnell abzuschließen und sowohl die beiden als auch Ich setze meine Gesundheit und dass es mir gut geht an oberste Stelle, da ich weiß, dass wenn es mir gut geht, ist mein Kopf sowieso wieder voller Ideen und die Motivation etwas anzugehen ist wieder voll da. Sobald ich mich tageweise gut fühle gehe ich nicht ans Limit (Studium pausiert gerade), sondern erledige Dinge, die sich angesammelt haben und treff mich wenn ich Lust habe mit Freunden, geh in Therapie, geh meinen Hobbies nach und falls ich gefordert werden will, lern ich oder lese ich stundenweise oder mache Sport. Habe so gut wie keinerlei Verpflichtungen, fühlt sich für mich also schon fast ein bisschen an wie Tagesklinik bzw. absolutes Schonprogramm.

Meine Psychiaterin meinte, wenn es weiterhin so sehr schwankt, wäre ein Medikamentenwechsel sinnvoll. Hat jemand von euch damit Erfahrung?

Liebe Grüße und euch auch alles Gute
Caro
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