Gesund und krank in einer Person

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Sorrinda
Beiträge: 1
Registriert: 8. Jan 2016, 18:23

Gesund und krank in einer Person

Beitrag von Sorrinda »

Hallo Ihr Lieben,

vielleicht geht es anderen ähnlich: Ich bin in Gesellschaft, vor allem beruflich, oft plötzlich "gesund": Selbstbewusst, fröhlich, engagiert, kontaktfreudig etc. Es fühlt sich tatsächlich so an, ist nicht nur gespielt.
5 Minuten später zu Hause kann die Stimmung ohne besonderen Auslöser aber total kippen: Versagergefühle, ständiges Weinen, Unkonzentriertheit - alles, was so typisch "depressiv" ist.

Ich weiß, dass ich die Trennung dieser beiden Seiten meiner Persönlichkeit lange trainiert habe, weil ich früher gelernt habe, gefälligst keine Schwächen zu zeigen. Das ist heute aber nicht mehr so, ich erzähle auch zunehmend anderen von meinen Depressionen.

Manchmal denke ich, mich auch entscheiden zu müssen. Bin ich ein kranker Mensch, der Unterstützung und Hilfe braucht, möglicherweise auch sehr langfristig? Oder bin ich ein gesunder Mensch, der manchmal depressive Phasen hat, die es zu überstehen gilt? Ich habe schon Therapien gemacht, mich viel mit mir auseinandergesetzt, mit Büchern und in Gruppen und bin des Ganzen auch ein wenig überdrüssig. Mache ich mich mehr krank, wenn ich mich ständig mit der Krankheit beschäftige? Mache ich mich mehr gesund, wenn ich mit der Selbstbetrachtung aufhöre und die schlechten Phasen einfach rumbringe?

Was meint Ihr? Kennt Ihr diese Gedanken auch? Wie geht Ihr damit um?
Katerle
Beiträge: 11259
Registriert: 25. Sep 2014, 10:30

Re: Gesund und krank in einer Person

Beitrag von Katerle »

Hallo Sorrinda,

bin zwar nicht mehr in meinem Beruf, kann aber deine Gedanken nachvollziehen. Gehe ja trotzdem unter Menschen.

Wenn meine Gedanken kippen, dann versuche ich mich auf Positves zu besinnen und das zu tun, was mir guttut.

Liebe Grüße
Katerle
irma
Beiträge: 1002
Registriert: 25. Sep 2015, 18:06

Re: Gesund und krank in einer Person

Beitrag von irma »

hallo sorrinda,

das kenne ich auch gut. ich bin mit freundinnen und bekannten lustig und humorvoll. amüsiere mich wirklich und kann lachen und witzig sein.

aber komme ich nach hause, kann ich mich nur darüber wundern.

warum geht man nicht viel öfter aus? immer diese überwindung.

katerle, du hast den bogen raus. bin im positiven sinn etwas neidisch auf dich. :oops: ;)

liebe grüße
irma
artig musst du nicht sein; es reicht, wenn du grossartig bist. (dieter becker)
Botus
Beiträge: 2096
Registriert: 29. Mär 2014, 06:36

Re: Gesund und krank in einer Person

Beitrag von Botus »

Mit Berieselung, Bespaßung, Beschäftigung, Gesellschaft, Kurzweil etc. geht es ja vielen gut. Man lebt in diesen Momenten an seiner Oberfläche.

Bei mir ist es genau umgekehrt.

Ich mag Gesellschaft und habe früher auch gern Einladungen von Freundinnen angenommen. Aber wenn ich dann wieder zu Hause war, wurde es meist spät, denn ich wollte "meinen" Abend (den ich ja quasi verpasst hatte) nachholen.

Für mich ist ein Tag mit anderen, die sich nur an der Oberfläche bewegen, ein Tag mit zu wenig Gehalt. Ich versuche, solche Stunden immer irgendwie nachzuholen.

Ich vermute, dass sich sowas in der Kindheit heraus bildet. Manche Kinder bauen stundenlang tief versunken in ihrem Zimmer irgendwelche Sachen auf, vergessen die Zeit und alles Sonstige. Für manche Kinder sind hingegen bereits 15 Min ohne jegliche Berieselung eine Qual.
Zuletzt geändert von Botus am 3. Mär 2016, 18:46, insgesamt 1-mal geändert.
Ziege04
Beiträge: 1329
Registriert: 1. Feb 2016, 17:56

Re: Gesund und krank in einer Person

Beitrag von Ziege04 »

Hallo Sorrinda,

solche Fragen wie, bin ich gesünder wenn mir Gesellschaft gut tut oder werde ich kränker, wenn ich mich in schlechten Phasen mit mir auseinander setze-
Geht mir oft so!!!

Besonders dieses mit sich selbst beschäftigen-
Habe den Eindruck, das macht es noch schlimmer!

Doch ein dauerhaftes Gut-Gefühl ,wie ich es von früher kannte, gibt es nach Gesellschaft auch nicht!

Und dieses WARUM? Und was tun?

Habe in Therapien noch keine Lösung gefunden.

LG Ziege04
XxNxX
Beiträge: 31
Registriert: 1. Mär 2016, 13:27

Re: Gesund und krank in einer Person

Beitrag von XxNxX »

Sorrinda hat geschrieben:Hallo Ihr Lieben,

vielleicht geht es anderen ähnlich: Ich bin in Gesellschaft, vor allem beruflich, oft plötzlich "gesund": Selbstbewusst, fröhlich, engagiert, kontaktfreudig etc. Es fühlt sich tatsächlich so an, ist nicht nur gespielt.
5 Minuten später zu Hause kann die Stimmung ohne besonderen Auslöser aber total kippen: Versagergefühle, ständiges Weinen, Unkonzentriertheit - alles, was so typisch "depressiv" ist.

Ich weiß, dass ich die Trennung dieser beiden Seiten meiner Persönlichkeit lange trainiert habe, weil ich früher gelernt habe, gefälligst keine Schwächen zu zeigen. Das ist heute aber nicht mehr so, ich erzähle auch zunehmend anderen von meinen Depressionen.

Manchmal denke ich, mich auch entscheiden zu müssen. Bin ich ein kranker Mensch, der Unterstützung und Hilfe braucht, möglicherweise auch sehr langfristig? Oder bin ich ein gesunder Mensch, der manchmal depressive Phasen hat, die es zu überstehen gilt? Ich habe schon Therapien gemacht, mich viel mit mir auseinandergesetzt, mit Büchern und in Gruppen und bin des Ganzen auch ein wenig überdrüssig. Mache ich mich mehr krank, wenn ich mich ständig mit der Krankheit beschäftige? Mache ich mich mehr gesund, wenn ich mit der Selbstbetrachtung aufhöre und die schlechten Phasen einfach rumbringe?

Was meint Ihr? Kennt Ihr diese Gedanken auch? Wie geht Ihr damit um?

Jeeeden Tag!
Menschen werden schlecht und schuldig, weil sie reden und handeln, ohne die Folgen ihrer Worte und Taten vorauszusehen.

Franz Kafka
XxNxX
Beiträge: 31
Registriert: 1. Mär 2016, 13:27

Re: Gesund und krank in einer Person

Beitrag von XxNxX »

Das ist genauso wie bei mir. Manchmal denke ich ich bin ein gesunder mensch hab freune eine wohnung. kein grund zur sorge während unter leuten bin. aber manchmal denke ich in eben so einer situation (oder daheim wo ich für mich bin, sowieso), wenn will ich was verheimlichen? ich hab nun mal depressionen warum sollte ich es verstecken? es ist keine seltenheit. und mir ist egal ob ich gerade nicht lachend durch die gegend lauft. es ist einfach alles sch... und mir ist es egal was die leute grad denken.
Menschen werden schlecht und schuldig, weil sie reden und handeln, ohne die Folgen ihrer Worte und Taten vorauszusehen.

Franz Kafka
Merryanne
Beiträge: 3
Registriert: 2. Mär 2016, 09:02

Re: Gesund und krank in einer Person

Beitrag von Merryanne »

Das kenne ich.
Aber ich kenne auch Situationen, wo ich genau das versuche und es einfach nicht geht. An der Arbeit zum Beispiel sind die Zeitspannen, über die hinweg ich in dieser seltsamen, irgendwie nicht geschauspielerten, aber auch nicht wirklich echten Normalität bin, manchmal zu lang und ich breche vor allen anderen in Tränen aus. Dann merke ich schon, dass dieses Lachen und dieses Plaudern über Wetter oder Handball wohl doch nur eine unterbewusst aufgesetzte Maske sind. Ich wollte sie gar nicht aufsetzen, aber wenn sie mal fällt versuche ich irgendwie doch, das zu verhindern... es ist vertrackt.
Ich wär ja gut drauf - wenn's mir grad nicht so scheiße gehen würde...
lebenslust
Beiträge: 22
Registriert: 9. Jul 2016, 13:00

Re: Gesund und krank in einer Person

Beitrag von lebenslust »

Hallo Sorrinda,

dein Beitrag ist schon länger her - aber ich hab mich gerade so durchs Forum gestöbert und hab deinen Thread gelesen und war entzückt - weil ich jedes Wort selber geschrieben haben könnte und so froh bin, zu sehen - dass diese Gedaken offenbar ganz normal sind.

Bei mir würde es auf der Arbeit oder so (jemand der meine Phasen nicht kennt) auch niemand (!) denken.

Ich hab selber oft Schwierigkeiten mir die Depression einzugestehen...
In der letzten Zeit bin ich schocktherapiemäßig dazu übergegangen mich in den schlimmsten Phasen mittels Selfie zu fotografieren....
Hab mir knüppelhart ein Fotobuch aus lauter verheulten Selfies gemacht und das steht jetzt (heimlich und nur für mich zu sehen) im Bücherregal....
Wenn ich es mir anschaue - dann weiß ich folgendes:

- dass es ok und richtig ist die Medikamente zu nehmen, auch wenn ich im Geschäft funtioniere
- dass es ok ist, wenn ich mal krank daheim bleibe deswegen
- dass es eine Leistung ist, so arbeiten zu gehen
- dass es wirklich eine Depression ist
- dass ich das Buch beim nächsten Mal rausziehe, wenn mich einer blöd anmacht (Vater oder Freunde) nach dem Motto "Zusammenreißen"....

Für mich ist das so eine Art Beweisführung, dass es die Krankheit wirklich gibt - hinter der ganzen strahlenden Oberfläche.... Wie oft hab ich mich schon elendsschlecht gefühlt - und später auf Fotos von den Zeiten sieht man nichts.....
Da ist es natürlich schwierig ein Einsehen zu haben....

Psychische Erkrankungen sieht man nicht und merkt man auch nicht klischeehaft zwangsläufig jedem an.
In der Regel legt keiner Wert darauf, sich vor allen wie ein Irrer aufzuführen und passt sich deswegen den gesellschatlichen Erfordernissen an.
Ich hatte schon die heftigsten Angstzustände im Kollegenkreis - und konnte diese verheimlichen.
SonnenStern85
Beiträge: 22
Registriert: 20. Sep 2016, 10:48

Re: Gesund und krank in einer Person

Beitrag von SonnenStern85 »

Hallo Ihr Lieben,

einige Beiträge sind schon etwas älter, aber auch ich kenne das.

Nach außen strahlend und keiner ahnt etwas, innen unruhig, getrieben und emotional schwankend.
Mich begleitet das mein halbes Leben (ich bin jetzt 31).
Ich hatte eine vermeintlich schöne Kindheit, ich konnte mich immer wunderbar mit mir beschäftigen.

Dann habe ich früh Verantwortung für meine kranken Eltern übernommen (Depressionen und Alkohol).
Seit dem funktioniere ich nur noch nach dem Arbeitsschema.

Strahlend nach außen - kraftlos nach innen.

Ich bin inzwischen an dem Punkt abzuwägen mit wem ich darüber reden kann und mit wem nicht. Auch auf Arbeit merke ich, dass es viele Kollegen gibt, denen es ähnlich geht.
Das verbindet und beruhigt zeitgleich.

Wenn ich zu Hause dann negativ aufbreche und mich schlecht fühle bin ich gerade dabei zu lernen, gut zu mir selber zu sein.
Ich kann noch gar nicht sagen wie das aussehen wird. Klingt alles sehr abstrakt.

Aber eins weiß ich - ich bin krank, werde es immer sein und muss mein Leben danach ausrichten. Mir so viele positive Basen wie möglich schaffen. Selbstfürsorge und Pflege für die Seele gönnen.
Es annehmen!

Einem Diabetiker wirft man auch nicht vor, dass er regelmäßig seinen Blutzucker kontrollieren muss.

Also dürfen wir uns nicht vorwerfen, dass wir regelmäßig unsere Seele kontrollieren müssen.

Ich habe bspw. gerade akut Liebeskummer.
Mein Freund hat sich von mir getrennt, weil er selber unter Depressionen leidet, gerade ausbricht, alles schlecht redet und allein seinen Weg gehen will. Wir leben zusammen, aber ich kann jetzt nichts weiter machen, als ihn loszulassen. Seine Depression ist für mich nicht gut. Ich weiß wo mein Anteil liegt, aber ich weiß auch wo seiner ist.

Ich habe in dieser vergangenen, schrecklichen Woche mit Freunden, Gesprächen und der Auslebung der Gefühle die Depression gar nicht greifen lassen. Selbst auf Arbeit habe ich den entsprechenden Personen gesagt, warum ich nicht leistungsfähig bin. Natürlich bin ich unendlich traurig über den Verlust meiner Liebe, aber zusammen hätten wir uns nicht helfen können. Ich bin weiter als er, für ihn fängt das Thema jetzt erst an.

Der gesunde Anteil in mir konnte sich lösen, weil ich jetzt schon eigenverantwortlicher bin, als zuvor.

Krankheit annehmen, nicht zu viel grübeln und vor allem auf sich hören!!
lebenslust
Beiträge: 22
Registriert: 9. Jul 2016, 13:00

Re: Gesund und krank in einer Person

Beitrag von lebenslust »

SonnenStern85 hat geschrieben: Wenn ich zu Hause dann negativ aufbreche und mich schlecht fühle bin ich gerade dabei zu lernen, gut zu mir selber zu sein.
Ich kann noch gar nicht sagen wie das aussehen wird. Klingt alles sehr abstrakt.
Hallo Sonnenstern,

wir sind gleich alt :)
Ich gehe jetzt nicht auf deinen ganzen Text ein, weil mir da gerade die Zeit für fehlt - aber:
oben stehendes finde ich einen sehr interessanten Punkt.
Früher dachte ich immer "ja was reden denn die Leute immer mit diesem sich was Gutes tun - nur zusammenreißen ist der richtige Weg um nicht zusammenzubrechen".... heute seh ich es auch anders und da hab ich überlegt ob wir uns darüber austauschen können, was erfahrungsgemäß gut tut oder was besser vermieden wird?

-Also Sport ist meistens gut für mich, aber nicht immer
-Reisen löst bei mir regelmäßig ein ganz unangenehmes Unwirklichkeitsgefühl mit einer Depression aus (Kennt das noch wer?)
- Wenn ich zu lange in Gesellschaft bin wo keiner von der Depression weiß, dann strengt mich das Fassadehalten so sehr an, dass ich meistens danach erst recht einen Zusammenbruch kriege
- Was hilft ist: Natur, ehrliche Begegnungen mit Freunden, auf eine gute Ernährung achten, nix tun, genügend und nicht zu viel schlafen, und vor allem Handwerken oder irgendwas zusammenbauen oder Reifen wechseln oder so - irgendwas auf das ich hinterher ultra stolz bin....

Was hast du schon für dich entdeckt was dir hilft?

lG lebenslust
SonnenStern85
Beiträge: 22
Registriert: 20. Sep 2016, 10:48

Re: Gesund und krank in einer Person

Beitrag von SonnenStern85 »

@ Lebenslust

Ich bin grad tränenreich überwältigt!
Da kamen gerade Erkenntnisse, die ich noch nicht hatte.

Ja auf Reisen löst das bei mir auch aus! Ich verreise so gerne, aber wenn ich an die letzten Urlaube zurückdenke, dann bin ich immer irgendwann zusammengebrochen! Ich fühlte mich unwohl, nicht heimisch und dann wollte ich aufgrund des "Urlaubs" mich auf Teufel komm raus entspannen, was wieder nach hinten losging!

Und auch zu lange, angespannte Situationen in Gruppen tun mir nicht gut. Sofern es nicht wirkliche Freunde sind!

Sport hilft manchmal, Natur hilft immer! Und ja auch Handwerkern, Basteln, u.ä.
Wie konnte ich das alles vergessen, obwohl ich es mal wusste???

Ich bin grad sprachlos...ich danke dir!
monimoni
Beiträge: 246
Registriert: 6. Sep 2015, 15:12

Re: Gesund und krank in einer Person

Beitrag von monimoni »

Hallo,
ich kenne das auch, zurzeit nicht so intensiv, aber ja,ich habe auch Phasen, in denen ich mich relativ gesund fühle.
Wenn ich mit ehrlichen Freunden zusammen bin, die bescheid wissen.
In der Natur, manchmal beim Sport. Und wenn ich mich überwunden habe und intensiv Hausarbeit mache.
Es scheint, als ob das bei vielen auch so ist!
Die Beschäftigung mit der Krannkheit macht die Krankheit schlimmer, sorry, manchmal auch das Lesen hier im Forum. Da muss ich mir auch mal einen Tag Auszeit nehmen. Ist leider so.

Sonnenstern85, ich glaube, deinen Satz sollte ich mir zu Herzen nehmen:

Krankheit annehmen, nicht zu viel grübeln und vor allem auf sich hören!!
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